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König

König.

1) Könige gab es seit alter Zeit bei allen Völkern, welche die Israeliten kannten. Wenn die Geschichtsforschung in Babylonien und Ägypten bis in die frühesten Zeiten hinauf geordnete Reiche mit Königen an der Spitze gefunden hat, so stimmt damit das Zeugnis der Bibel, die Nimrod in Babel das erste Reich gründen läßt (1 Mo. 10,8. 10) und die gelegentlich als Hauptstolz der ägyptischen Fürsten es erwähnt, von alten Königen abzustammen (Jes. 19,11). Bei den Kanaanitern und Philistern (1 Mo. 14,2; 20,2) gab es schon zu Abrahams Zeiten Könige. Und auch die mit Israel verwandten Edomiter (1 Mo. 36), Moabiter und Midianiter kamen viel früher als Israel selbst zur Errichtung eines Königtums (4 Mo. 22,4; 31,8). Weiterhin vgl. noch die Könige der Assyrer (deren Titel: „Großkönig“, s. 2 Kö. 18,28), von Tyrus (1 Kö. 5,15), von Syrien (2 Sa. 8,3; 1 Kö. 20,1) usw. In Beziehung auf den Umfang des Reiches ist freilich ein großer Unterschied zwischen den kanaanitischen oder philistäischen Stadtkönigen und den Großkönigen Babyloniens, Assyriens oder Ägyptens. Einen Priesterkönig treffen wir in Melchisedek in Salem (s. d. Art.); Königinnen im reichen Arabien (1 Kö. 10) und in Äthiopien (Apg. 8,27, doch s. Kandace). Freistaaten kamen in den Gesichtskreis der Israeliten erst bei der Berührung mit Griechenland und Rom (1 Makk. 8,14 ff.). —

2) Um so auffallender ist es, wie lange Israel ohne König war. Denn daß die Israeliten nach dem Austreten Moses und nach der Einwanderung in Kanaan überhaupt noch auf der niederen Stufe solcher Völker gestanden hätten, die gar keine geordnete Staatsverfassung haben, ist eine völlig ungeschichtliche Behauptung. Und doch war Israel weder ein Freistaat, wenngleich die „Ältesten“ eine bedeutende Stellung hatten, noch ein Priesterstaat, wenngleich die Aussprüche des Hohenpriesters durch „Licht und Recht“ auch in bürgerlichen und politischen Dingen Geltung hatten. Die Tatsache erklärt sich einzig aus der sicheren Gewißheit, daß Gott selbst der König Israels sei (s. unten) und daß er jederzeit seinem Volk die nötigen Werkzeuge zur Leitung, Beschützung und Errettung schenken werde. Diese Überzeugung ist sicher nicht erst aus späterer Zeit in die Erzählungen von jener Zeit hineingetragen, sondern ist zum Beispiel in einem so alten Denkmal, wie in dem Deboralied ausgesprochen (Ri. 5). So hatte Gott den Mose und Josua erweckt, so die Richter, Männer, deren Gewalt zu Zeiten der königlichen sehr ähnlich war, aber doch — das bleibt der Unterschied — auf keinerlei äußeren Rechtstiteln (weder Geburt, noch Wahl, noch tatsächliche Übermacht), sondern wesentlich auf der inneren Berufung durch Gott ruhte. (Auch Mose führt nirgends den Namen König) Begreiflich ist das freilich wieder nur, wenn wirklich die Zeit Moses und Josuas eine Zeit gewaltiger, religiöser und — dadurch vermittelt — nationaler Erhebung war. Um so weniger kann es uns wundern, daß, als diese ursprüngliche Begeisterung in ihrer Kraft und Nachhaltigkeit nachließ, sich eine Lücke fühlbar machte und das Fehlen eines festorganisierten, einheitlichen Regiments bedenkliche Folgen hatte, die vorher durch das mächtige Walten des Geistes zurückgedämmt worden waren (Ri. 17,6; 18,1; 19,1; 21,25). Aus diesen Erfahrungen, durch ein zufälliges Ereignis — die Unzuverlässigkeit der Söhne Samuels — noch gesteigert, entsprang das Verlangen der Israeliten nach einem König, „wie ihn alle Heiden haben“. Und es läßt sich nach dem bisherigen beides verstehen: das Urteil Gottes: „sie haben mich verworfen, daß ich nicht soll König über sie sein“ — denn Israel hatte die freudige Zuversicht auf seines Gottes Regiment verloren —, und der Beschluß Gottes, ihnen doch einen König zu geben; denn weitergehen konnte es so nicht, ohne daß das Volk seinem völligen Ruin entgegenging (vgl. 1 Sa. 9,16). Und daß Gott dem Volk Israel ein Königtum jedenfalls zugedacht hatte, darf als sicher angenommen werden) (vgl. 1 Mo. 17,6); auch ein König konnte ja sein Amt ganz im Namen Gottes führen; nur hätte das Volk die Stunde Gottes abwarten sollen. So hatte nun Israel sein Königtum. Nachdem Saul verworfen, folgte David und sein Haus, im ganzen 22 Könige (darunter 1 Königin, Athalja); danebenher gehen von der Spaltung des Reichs an 19 Könige über Israel. Seit der Fortführung des Volks in die Gefangenschaft trug kein Israelite mehr die Königskrone bis auf einige makkabäische Fürsten, und als dann gar die Edomiterabkömmlinge des Hauses Herodes den Thron Davids bestiegen, da erschien der wahre König der Juden in Jesus Christus. —

3) Die Erwählung des Königs in Israel war Sache Gottes, 5 Mo. 17,15, der seinen Willen durch Prophetenmund verkündigte (bei Saul und David), beziehungsweise die Thronfolge der Nachkommen Davids anordnete (2 Sa. 7,12 ff.) Aber die eigentliche Einsetzung geschah durchs Volk (1 Sa. 11,15; 2 Sa. 2,4; 5,1 ff.); sogar Davids Enkel Rehabeam wurde nur soweit König, als er ausdrücklich vom Volk bestätigt und anerkannt wurde (1 Kö. 12,1 ff.). Spätere Spuren davon s. bei Usia (2 Kö. 14,21) und bei Joahas (2 Kö. 23,30). Im nördl. Reich wurde zweimal auch die Person des Königs durch Prophetenwort bezeichnet: bei Jerobeam (1 Kö. 11,29 ff.) und bei Jehu (1 Kö. 19,16; 2 Kö. 9,1 ff.). Sonst aber lautete das Urteil Gottes über dieses Reich: „sie machen Könige, aber ohne mich“ (Hos. 8,4, vgl. 13,11). Die regelmäßige Thronfolge nach dem Erstgeburtsrecht wurde dort häufig durch gewaltsame Besitzergreifung der Regierung seitens eines Empörers unterbrochen (s. Israel).

Über Salbung, Krone, Thron und Zepter, s. d. Art. Die ganze Auffassung des Königsamtes in Israel hing wesentlich davon ab, daß der König „ein Fürst über des Herrn Erbteil“ war (1 Sa. 10,1, vgl. 2 Sa. 7,8; 1 Kö. 3,8 f.; Ps. 72,2). Als solcher war er gebunden an den göttlichen Willen, wie er im Gesetz geschrieben stand (5 Mo. 17,18 f.) oder durch Prophetenmund verkündigt wurde (vgl. Samuel, Nathan, Elia usw., auch die Bücher fast aller Propheten enthalten bekanntlich viele unmittelbar an die Könige gerichtete Worte, zum Beispiel Jer. 22). Aber auch der König selbst wird als Vertreter Gottes auf Erden mit dem göttlichen Geist ausgerüstet (1 Sa. 10,6. 10; 16,13, vgl. 1 Kö. 3,9. 12), um seines Amtes zu warten, und es wird ihm eine ganz besondere väterliche Leitung seitens Gottes verheißen (2 Sa. 7,14). Gerade darin zeigt sich vollends deutlich, daß die Einsetzung eines Königs nicht streitet mit der Idee des Gottesreichs in Israel, sondern vielmehr zu ihrer Vollendung wesentlich ist. Die Aufgabe des Königs besteht nach dem Ausdruck des Alten Testaments darin, daß er sein Volk richtet, 1 Sa. 8,5; 1 Kö. 3,9. Dies umfaßt aber zweierlei: den Schutz der einzelnen Untertanen gegen etwaige Bedränger, und den Schutz des ganzen Volks gegen seine Feinde; oder also Handhabung der Rechtspflege u. Kriegführung (vgl. Richter). In beiden Beziehungen ist er Vertreter der göttl. Gerechtigkeit (Ps. 72,1. 2). Über die Beteiligung an der Rechtspflege vgl. Richter. Es wird dem Könige als hoher Ruhm angerechnet, wenn er durch scharfsinnige (Spr. 25,2), strenge (Spr. 20,8. 26; Ps. 101,8) und den Armen beschützende (Spr. 29,14; 31,4-9; Jer. 22,16) Rechtspflege sich auszeichnet. Das Gegenteil haben die Propheten auch bei Königen ohne Menschenfurcht getadelt (zum Beispiel Jer. 22, vgl. Ps. 82).

Daß der König im Krieg sich mutig an die Spitze der Seinigen stelle, wird als selbstverständlich erwartet; Saul und David haben durch ihre kriegerischen Taten des Volkes Herz gewonnen (1 Sa. 11; 2 Sa. 5,2). Aber die Könige werden daneben erinnert, daß ihnen nicht hilft ihre große Macht (Ps. 33,16, vgl. Spr. 21,31), sondern daß durch Frömmigkeit ein Thron bestehet (Spr. 20,28). Was das Verhältnis des Königs zu seinen Untertanen betrifft, so ist zwar nicht zu verkennen, daß die morgenländische Anschauung, wornach der König über Leben und Eigentum der Untertanen nach Belieben verfügen kann, auch in Israel nicht mit einem Schlag überwunden war. Was Samuel zum voraus als Königsrecht dem Volk schildert, 1 Sa. 8,11-17, ist manchmal in der Wirklichkeit so vorgekommen (zum Beispiel 1 Sa. 14,52; 1 Kö. 5,27 ff.; 12,4 ff., vgl. Spr. 16,14; 19,12; 20,2). Aber im Königsgesetz ist ihm seine Pflicht ganz anders geschildert: Er soll sein Herz nicht erheben über seine Brüder (5 Mo. 17,20). In diesem Sinn erheben die Propheten ihre Stimme gegen blutsaugerisches Bedrücken der Untertanen (Jer. 22,13. 17; Hes. 34,2 ff.; Hab. 2,9. 12). Und wie viel davon in das allgemeine Bewußtsein übergegangen war, zeigen gerade die Erzählungen von Davids Gewalttat gegen Uria und von Ahabs beziehungsweise Isebels Tyrannei gegen Naboth (2 Sa. 11; 1 Kö. 21); denn wo hätte sonst ein morgenländischer Fürst soviel Umstände gemacht, um einem Untertanen ein Weib oder ein Stück Land wegzunehmen?! Auch die weitere Warnung des Königsgesetzes, der Prachtliebe anderer Könige in Beziehung auf Rossehalten, Weibernehmen und Schätzesammeln nicht nachzufolgen (5 Mo. 17,16 f.), wurde ja vielfach nicht beachtet (vgl. Salomo); aber die Propheten haben auch unerschrocken dagegen gezeugt (Jer. 22,14 f., vgl. Spr. 31,3). Wenn endlich die äußeren Ehrenbezeigungen gegen den König für unser Gefühl teilweise zu weit gehen, insbesondere das an göttliche Verehrung erinnernde u. auch im Hebräischen mit demselben Wort wie „Anbeten“ bezeichnete Niederfallen vor dem König, so ist zu erinnern, daß an morgenländische Sitten ein anderer Maßstab anzulegen ist als an unsere. Und wie stark betont das Alte Testament. den Abstand zwischen der höchsten irdischen und zwischen der göttlichen Majestät (Ps. 118,9; 145,3; Hi. 12,18; Jes. 40,23; Wsh. 7,1-5); wie sehr macht dasselbe alles Glück und Wohlergehen auch der Könige von Gottes Gnade abhängig (Ps. 20 und 21). Pharao ($$2 Mo. 7 ff.::2. Mose 7$$), Nebukadnezar (Dan. 4,26), Herodes (Apg. 12,21-23) sind warnende Beispiele eines von Gott gedemütigten Übermuts. Die ganze Wichtigkeit des königl. Amtes geht am deutlichsten daraus hervor, daß nach der Weissagung des Alten Testaments auch die Vollendung des Reiches Gottes durch einen König erfolgt. „den Messias“ (s. d. Art.). Aber auch die Feindschaft gegen das Reich Gottes hat von alten Zeiten an Königen einen starken Halt gefunden (Pharao, Antiochus, vgl. Ps. 2; Mt. 10,18) und wird in einem König der Endzeit ihre höchste Spitze erreichen, in dem Antichrist (s. d. Art.). —

4) Auch Gott heißt in der Bibel oft König; und zwar im Alten Testament zunächst der König des Volks Israel (vgl. oben). Auch heidnische Völker in der Umgebung Israels nannten ihre Götter häufig „König“, und die Namen Moloch, Milkom, Baal, Adrammelech, Anammelech (vgl. ferner: Sikkuth euer König, Am. 5,26) haben alle ursprünglich die Bedeutung: „König“, „Herr“. Aber während in den heidnischen Religionen dabei nur an die Naturgewalt dieser Götter gedacht wurde, hat Israel seinem Gott als seinem König in dem Sinn vertraut und gehorcht, daß er sich Israel als sein Volk erwählt habe und für sein Wohlergehen in jedem Sinn besorgt sei. Als solchen König hat sich Gott erwiesen durch die Errettung Israels aus Ägypten (2 Mo. 15,18 f.) und durch die Gesetzgebung am Sinai (5 Mo. 33,5: Er. Gott, ward König [nicht Mose]). Auch ferner tut er an Israel, was ein König an seinem Volk tut: er streitet für sein Volk ($$4 Mo. 23,21::2. Mose 23,21$$; Ri. 5,13); Israel ist sein „Heer“ (2 Mo. 12,41); Israels Kriege sind seine Kriege (1 Sa. 18,17). Daher das Vertrauen des Volks auf seinen „König“ (Jes. 33,22; Mi. 4,7; Zef. 3,15), der angerufen wird in der Not (Ps. 20,10; 44,5). Daher auch der Stolz auf ihn, den König der Ehren (Ps. 24,7-10; 149,2; Jes. 52,7). Ferner richtet dieser König sein Volk: Gottlose und Heiden dürfen nicht in seinem Lande bleiben (Ps. 10,16; 99,4; s. Gerechtigkeit und Richten). Aber während Gott der König seines Volks ist von alters her (Ps. 74,12), so soll später sein Reich sich über die ganze Erde ausbreiten und alle Völker umfassen (Ps. 47,1 ff.; 93,1; 95,3; 96,10; 97,1. 9; 99,1; Sach. 14,16; Mal. 1,14). Allerdings wird dabei im Alten Testament weniger das hervorgehoben, daß Gott dann für alle Völker gleich sorgt, wie für Israel, als vielmehr, daß alle ihm gehorchen und dienen müssen (zum Beispiel Jes. 60, doch vgl. Jes. 19,25).

— Im Neuen Testament hat Christus in einigen Gleichnissen Gott mit einem König verglichen (Mt. 18,23; 22,2), um zu zeigen, wie bei ihm mit der reichsten Gnadenfülle die unbeschränkte Machtfülle sich verbindet. Sonst wird Gott nur noch 1 Tim. 1,17; 6,15; Offb. 17,14; 19,16 „König aller Könige“ (= der oberste König oder Weltregent) und Offb. 15,3 König der Heiden (König des in seiner Vollendung alle Völker umfassenden Gottesreichs) genannt. Vgl. auch Reich Gottes.