Offenbaren, Offenbarung. So heißt jede Tätigkeit, durch welche etwas Verborgenes den äußern Sinnen des Menschen gezeigt, seinem Verstand erklärt, seinem inneren Sinn klar und gewiß gemacht wird. In der sinnlichen Bedeutung kommt das entsprechende hebr. Wort (galah) oft im Alten Testament vor, und ebenso das entsprechende griech. Wort (apokalyptein) in der griech. Übersetzung des Alten Testaments; daß im Neuen Testament dieser Gebrauch des Wortes fehlt, ist nur zufällig. Luther hat dafür nie das Wort „offenbaren“, sondern aufdecken u. dgl. Für die 2. Bedeutung: „dem Verstand etwas klar machen“, vgl. zum Beispiel Spr. 25,9 offenbare nicht eines andern Heimlichkeit; Mt. 10,26 es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde. Am häufigsten aber kommt das Wort in der Bibel von Dingen der unsichtbaren Welt vor, welche in die Sichtbarkeit, in die sinnenfällige Erscheinung treten. So wird am jüngsten Tage Christus offenbar werden, nachdem er bis dahin im Himmel verborgen war; seine Wiederkunft heißt öfters seine Offenbaren, Offenbarung (Luk. 17,30; 1 Kor. 1,7; Kol. 3,4; 2 Th. 1,7; 1 Pe. 1,7; 1 Joh. 2,28). Aber auch die Kinder Gottes sollen o. werden, wenn Christus o wird, weil vorher ihre Herrlichkeit verborgen war (Kol. 3,4; Röm. 8,18 f.; 1 Pe. 5,1; 4,13). An demselben Zeitpunkt wird das Reich Gottes o. (Luk. 19,11), nämlich in seiner Kraft und Herrlichkeit (vgl. Mk. 9,1). Ebenso wird am Ende des Weltlaufs der Mensch der Sünde o. (2 Th. 2,3), aber auch das göttl. Gericht (Röm. 2,5). Ferner heißt schon Christi erste Erscheinung auf Erden eine Offenbaren, Offenbarung, im Gedanken an den vorher schon bestehenden Ratschluß seiner Sendung (1 Pe. 1,20; 1 Tim. 3,16, wo die richtige Lesart heißt: welcher [Christus] ist geoffenbart im Fleisch); und ebenso seine Erscheinung nach der Auferstehung (Mk. 16,12. 14; Joh. 21,1. 14; Apg. 10,40). Von den sichtbaren Erscheinungen Gottes, wie sie das Alte Testament. erzählt, wird nur einmal, 1 Mo. 35,7 der Ausdruck gebraucht: G. ist o. geworden. Dagegen wird das Wort Offenbaren, Offenbarung sehr oft angewendet, wo Gott nicht durch sinnenfällige Erscheinung, wohl aber durchs Wort seine Gedanken u. seine Willensentschließungen mitteilt (1 Sa. 2,27; 3,7. 21; 9,15; Jes. 22,14; Am. 3,7; Mt. 16,17; 1 Kor. 2,10; Eph. 3,5; 1 Pe. 1,12). In erster Linie sind es, namentlich im Alten Testament, die Propheten, welchen solche Offenbaren, Offenbarungen Gottes zuteil werden. Über die Art, wie dies geschah, s. Prophet 1, 2. c. Auch im N. T, erscheinen Offenbaren, Offenbarungen als eine der besonderen Geistesgaben, welche einzelnen zuteil werden (s. Prophet II). Aber daneben setzt das Neue Testament voraus, daß im Reich Gottes die Verheißung des Alten Testaments erfüllt ist, wonach alle Glieder von Gott selbst gelehrt sind, also alle göttl. Offenbaren, Offenbarung empfangen (Jer. 31,34; Mt. 11,25; Joh. 6,45; 1 Kor. 2,10; Phi. 3,15; 1 Joh. 2,27). Eine Vermittlung liegt darin angedeutet, daß die Worte der Propheten für ihre Hörer selbst wieder die Bedeutung einer göttl. Offenbaren, Offenbarung haben (2 Kor. 2,14; Kol. 4,4). Vor allem gilt dies von Jesu Christo selbst, der den Vater offenbart (Mt. 11,27; Joh. 17,6). Aber daneben wirkt der Geist der Offenbaren, Offenbarung in jedem einzelnen Glaubigen zum Verständnis und zur Vergewisserung des Worts (Eph. 1,17). Ferner ist das geoffenbarte Wort nicht die einzige Form, in der Gott seine Gedanken und seinen Willen kund gibt. Er offenbart sich auch durch seinen Arm (Jes. 52,10; 53,1), das heißt durch seine Taten. Insbesondere durch seine Taten an seinem Volk, an seinem Reich. Davon legt das ganze A. u. N. T. Zeugnis ab, wenn gleich der Ausdruck Offenbaren, Offenbarung nicht gerade oft dafür gebraucht wird (Jes. 40,5; 56,1; Ps. 98,2, Röm. 1,18). Dem Sinn nach liegt dies namentlich auch darin, wenn Gottes Taten „Zeichen“ genannt werden (2 Mo. 7,3; 4 Mo. 14,11; 5 Mo. 6,22; Ps. 105,27; Jes. 7,11, oft im Neuen Testament s. Zeichen; vgl. auch Gottes Finger, 2 Mo. 8,15). Und während die Offenbaren, Offenbarung durch das Wort auf das Volk Gottes im wesentlichen sich beschränkt (Ausnahmen: Bileam, Jona, Daniel), so offenbart sich Gott durch seine Taten auch vor anderen, ja vor allen Völkern (Ps. 98,2, vgl. 126,2 usw.). Schon die Schöpfungsworte Gottes sind in diesem Sinn eine Offenbaren, Offenbarung Gottes für alle Völker (Ps. 19,2-5; Röm. 1,19 f.). Die höchste Tatoffenbarung Gottes ist die Sendung seines Sohnes und die durch ihn geschehene Weltversöhnung; aber gerade bei ihm fließt Tat- und Wortoffenbarung ganz zusammen (Röm. 1,17; 3,21; 16,25 f.; Kol. 1,26; 2 Tim. 1,10; 1 Pe. 1,13). Aber dieser Tatoffenbarung Gottes gegenüber zeigt es sich noch mehr als der Wortoffenbarung gegenüber, daß sie ihr Ziel nur erreicht, wenn eine durch Gottes Geist aufgeschlossene Empfänglichkeit ihr begegnet (Mt. 16,17; Gal. 1,16; Jes. 53,1; Joh. 12,38; vgl. Röm. 1,20: „so man des wahrnimmt“). Was endlich den Inhalt der Offenbaren, Offenbarungen Gottes betrifft, so scheint es zwar nach einigen Stellen namentlich des Neuen Testaments, als ob sich dieselben auf zufällige Einzelheiten beziehen würden (1 Sa. 9,6; Jer. 11,18; Dan. 2,19, vgl. Gal. 2,2). Am meisten trifft dies in apokryphischen Stellen zu (Jud. 11,13; 2 Makk. 2,8). Aber sonst zeigt doch ein genaues Eingehen auf den Zusammenhang und den Sinn der Offenbaren, Offenbarungen Gottes, daß sie stets auf das Kommen seines Reiches, auf die Ausführung seines Willens, auf die Erkenntnis seines Wesens abzielen. Letzteres drückt die Bibel aus, Gott o. seinen Namen (s. d.) 2 Mo. 6,3; Joh. 17,6, oder werden hervorragende Eigenschaften Gottes genannt, die er o.: seine Herrlichkeit (Jes. 40,5), seine Gerechtigkeit (Ps. 98,2; 50,6; Röm. 1,17; 3,21). Gern redet Paulus auch von einem Geheimnis, das Gott geoffenbart hat (s. Geheimnis), und meint damit den Heilsratschluß Gottes. Und weil Jesus nicht nur der Verkündiger der göttl. Offenbaren, Offenbarung, sondern auch selbst der höchste Gegenstand derselben ist, so kann der Ausdruck: „der Sohn o. den Vater“, auch mit dem andern wechseln: „der Vater o. den Sohn“ (Gal. 1,16). Oder kann bei der selbständigen Stellung und Bedeutung des Sohnes es heißen: der Sohn o. sich selbst oder seine Herrlichkeit (Joh. 2,11; 14,21 f.), und doch ist auch dies nichts anderes, als wenn es heißt, daß er Gottes Werk zur Offenbaren, Offenbarung bringe (Joh. 9,4), denn die Herrlichkeit Christi ist ja die des eingeborenen Sohnes vom Vater (Joh. 1,14).
Weiteres s. Kirchenlexikon II, 298.