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Erkenntnis

Erkennen, Erkenntnis.

1) Gott hat dem Menschen die Fähigkeit gegeben, sich, die Dinge in der Welt und ihn, seinen Schöpfer, zu erkennen, das heißt sich geistige Abbilder von diesen Dingen in seinem Innern zu machen. Es ist das ein Stück des göttlichen Ebenbilds im Menschen, denn Gott selbst erkennt auch sich selbst und alle Dinge (Ps. 94,9; 1 Kor. 2,11, s. Allwissend S. 23). Es ist ferner ein Kennzeichen der geistigen Natur des Menschen; denn vermöge dieser ist dem Menschen sein eigenes Innere klar und licht, und kann er sich auch in anderes hineinversetzen (Spr. 20,27: Eine Leuchte des Herrn ist des Menschen Geist, die gehet durch alle Kammern des Leibes; vgl. Geist). Der Mensch bringt aber keine fertigen Erkenntnisse mit auf die Welt; er weiß zuerst noch nicht „Unterschied, was recht und link ist“ (Jon. 4,11), und versteht als Kind „weder Gutes noch Böses“ (5 Mo. 1,39). Er muß erst Erkennen, Erkenntnis gewinnen durch Lernen, sei’s im Unterricht anderer (Spr. 1,2-6), sei’s in eigener Erfahrung (Sir. 34,9, vgl. Joh. 4,42). Die rechte Erkennen, Erkenntnis geht aber nicht bloß aufs Äußere und Zufällige an den Dingen, obwohl sich die Menschen gern damit begnügen (1 Sa. 16,7), sondern aufs Innere, aufs Wesen der Dinge, das allerdings von außen her erschlossen wird (Mt. 7,16 ff.; 12,33, vgl. 2 Kor. 5,16). Wer sich bei der Erkennen, Erkenntnis des Äußeren beruhigt, oder voreilig von zufälligen Äußerlichkeiten aufs innere Wesen der Dinge schließt (zum Beispiel 2 Kö. 5,12; Joh. 16,2), erlangt statt einer Wahrheitserkenntnis eine Scheinerkenntnis, oder er gerät in Irrtum (s. d. Art.). Und das ist in der Welt um so leichter möglich, weil hier vieles sich einen falschen Schein gibt, um die Leute zu täuschen und sein wahres Wesen zu verhüllen (Mt. 7,15). Darum ist zur Erkennen, Erkenntnis der Wahrheit Ernstes Forschen und behutsames Prüfen unerläßlich (Spr. 2,4. 5; Apg. 17,11; 1 Th. 5,21; 1 Joh. 4,1). Aber es gibt noch andere Hindernisse zu überwinden, um zur Erkennen, Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen. Die Wahrheit ist dem natürlichen Menschen oft unbequem und unbegreiflich (2 Tim. 4,3 f.; Apg. 17,32), so daß er sich dagegen sträubt und lieber den Irrtum gelten läßt (Gal. 3,1; Jer. 5,31). In solchen Fällen fehlt es also am guten Willen und nicht am Verstand. Daher ermahnen die Sprüche Salomos so oft, man soll Zucht annehmen, um weise zu werden, das heißt man soll den der Wahrheit widerstrebenden Eigenwillen beugen (1,2; 12,1; 19,20; 23,12 usw.). Vor allem aber ist es nötig, sich der Zucht des h. Geistes zu unterwerfen, der uns in alle Wahrheit leitet (Joh. 16,13) und zur Erkennen, Erkenntnis der göttlichen Weisheit überhaupt erst fähig macht (1 Kor. 2,14). Wer auch diesem Geiste widerstrebt (Apg. 7,51), den gibt Gott selbst in kräftige Irrtümer dahin (2 Th. 2,11; Röm. 10,3, vgl. 11,7 ff.), daß er die Wahrheit nicht erkennen kann.

Den Wert der Erkennen, Erkenntnis schlägt die Bibel sehr hoch an. Schon fürs natürliche Leben ist sie unentbehrlich; denn ohne Erkennen, Erkenntnis dessen, was nützlich oder schädlich ist, bringt man sich immer wieder ins Unglück (Spr. 14,1. 8; 22,3). Darum preisen die Sprüche sie höher als Silber und Gold (16,16). Freilich gibt es auch einen Mißbrauch der Erkenntnis, sei es zu hochmütiger Selbstüberhebung, sei es zu gewissenloser Ausbeutung der Schwächeren. Aber beides erklärt die Schrift schließlich doch auch für eine Torheit, die das wahre Glück untergräbt. (Siehe Weisheit und Torheit.) Ein Streben nach rein wissenschaftlicher Erkennen, Erkenntnis, die in sich selbst ihre Befriedigung findet, war den Israeliten fremd. Es fehlte ihnen nicht nur die besondere Geistesbegabung dazu, sondern die alttestamentliche Religion ließ wirklich für die Ausbildung einer „weltlichen“ Wissenschaft noch keinen Raum; es wäre den Frommen des Alten Bundes bei ihrer noch gesetzlichen Gebundenheit an Gott schon als ein Abfall von Gott erschienen, wenn man seine Werke betrachten und untersuchen wollte, ohne immer ausdrücklich die Beziehung auf ihn mithereinzunehmen (vgl. 5 Mo. 6,7-9). Anders ist es auf dem Boden des Neuen Testaments, wo die Liebe Gottes durch den h. Geist in unser Herz ausgegossen ist und wir darum Gebrauch machen dürfen von dem Wort: „Alles ist euer“, ohne fürchten zu müssen, dadurch das andere zu verlieren: „Ihr seid Christi“ (1 Kor. 3,22 f.). Dagegen gab es auf alttestamentlichem Boden eine religiöse Betrachtung der Natur und der Geschichte, wie ersteres das Buch Hiob, letzteres sämtliche Geschichtsbücher des Alten Testaments zeigen. (Auch die Naturbetrachtungen Salomos, 1 Kö. 5,13, waren sicherlich religiöser oder jedenfalls praktischer Art.) In diesen religiösen Erkenntnissen sind die Anfänge einer weltlichen Natur- und Geschichtskunde eingehüllt; ebenso in den Betrachtungen über die Weltregierung Gottes die Anfänge einer Philosophie. Diese Anfänge sind auch im Neuen Testament nicht weiter entwickelt, sondern es ist nur ihrer freien Entwicklung die Bahn gebrochen. Aber bei aller Freiheit der Wissenschaft behalten doch Warnungen ihren Wert, wie Spr. 25,27: Wer schwere Dinge forschet, dem wird’s zu schwer; und auch für die Erkenntnis gilt das Wort Christi: Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? (Mt. 16,26.) — Was die religiöse Erkenntnis selbst betrifft, so ist über die Wege, die zur Erkenntnis Gottes führen, der Art. Gott zu vergleichen. Hier nur soviel: Die ganze Bibel betrachtet es als eine Gnadenwohltat Gottes, daß er seine Erkenntnis durch Offenbarung den Menschen dargeboten hat. Dies gilt in gewissem Sinn sogar von den Heiden (Röm. 1,19 ff.), mehr noch vom Volk Gottes, dem er seinen Namen durch Mose und die Propheten und zuletzt durch seinen Sohn geoffenbart hat (2 Mo. 6,1-7; Mt. 11,27; Joh. 17,6). Darum ist alle Leugnung und alle Verkennung Gottes immer in gewissem Grad eine Verleugnung der heilsamen Gnade Gottes, die uns erschienen ist und die sich an Herz und Gewissen nicht unbezeugt läßt (Apg. 14,17; 5 Mo. 32,18; Hos. 2,10; Joh. 15,21-24). Doch weil die Offenbarung Gottes selbst eine stufenweise ist, so kann auch die Erkenntnis Gottes auf einer Stufe eine unvollkommene sein — wenn man nur das, was man von ihm erkennt, treulich benützt, so ist Gott schon zufrieden (Mt. 12,41. 42; Luk. 17,15-19; Hbr. 11,31). Andererseits kann die höchste Gotteserkenntnis, wenn sie sich nicht im Leben tätig erweist, uns nur eine größere Verantwortung aufladen (1 Kor. 13,2; Luk. 12,48; Tit. 1,16). Denn Erkenntnis ohne Liebe blähet auf (1 Kor. 8,1). Wo aber beides in richtigem Verhältnis steht, wo die Wahrheit Gottes den Menschen im Innersten erfaßt, da wirkt sie als eine beseligende, befreiende und kräftigende Macht auf ihn (Joh. 8,32; 17,3; 2 Kor. 4,6). Daher die Freude des Herrn und der Apostel an Fortschritten der Gläubigen in der Erkenntnis (Mt. 16,17; Kor. 1,5), bezw. die Bitte darum (Kol. 1,9. 11; Phi. 1,9; 2 Petr. 3,18). Solche lebendige Gotteserkenntnis erweist sich fruchtbar in uns, indem sie uns hineinführt in ernste Selbsterkenntnis und nüchterne Welterkenntnis (Kol. 2,2 f.), wie dies der ganze Inhalt der Schrift, die ja aus solcher Gotteserkenntnis hervorgewachsen ist, bezeugt. Diese göttliche Wahrheit ist auch stark genug, alle Hindernisse, die sich ihr in den Weg stellen, vorgefaßte Meinungen und Liebhabereien zu überwinden (2 Kor. 10,5; Phi. 3,8). Wie schon erwähnt wurde, ist die Erkennen, Erkenntnis auch des Glaubigen noch im Wachstum begriffen und darum nicht vollendet. Zwar stehen sich da, wie allen Punkten, wo die Schrift vom neuen Geistesleben der Christen redet, zweierlei Aussagen gegenüber. Auf der einen Seite: „Ihr habt die Salbung und wisset alles“ (1 Joh. 2,20, vgl. 1 Kor. 2,10); auf der anderen Seite: „Unser Wissen ist Stückwerk“ (1 Kor. 13,9). Der Widerspruch löst sich dadurch, daß die einen Stellen alles Große, was im Wesen des neuen Geistesmenschen an sich liegt, hervorheben, die anderen das allmähliche Wachstum desselben betonen. Und nach letzterer Betrachtungsweise behält auch unsere Gotteserkenntnis in diesem Leben ihre Schranken und Unvollkommenheiten (Röm. 11,33 f.). Aber in der Ewigkeit soll auch unsere Erkennen, Erkenntnis vollkommen werden: „wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh. 3,2); oder wie es 1 Kor. 13,12 ausdrückt: es wird die jetzige Art der Erkennen, Erkenntnis, die gleich dem Sehen im Spiegel nur ein Ahnen und Erraten ist, ganz aufhören, um einem vollkommenen Schauen von Angesicht zu Angesicht Platz zu machen. —

2) über Gottes Erkennen s. Allwissenheit. Nur ist noch zu erwähnen, daß das Wort oft einen tieferen Sinn hat, nämlich daß Gott in seinen Gedanken sich liebend mit etwas beschäftigt (vgl. Ansehen) und sich ihm hingibt (2 Mo. 3,7; Ps. 31,8; Am. 3,2; 1 Kor. 8,3; 13,12). Ähnlich 1 Kor. 16,18; 1 Th. 5,12 von Menschen. —

3) Erkennen 1 Mo. 4,1 und sonst von ehelicher Beiwohnung.

— Erkenntnis Apg. 25,21 = richterliche Entscheidung, vgl. 2 Mo. 21,22.