[Predigtmanuskript, nicht wortidentisch mit der Aufnahme]
Beziehungen muss der Mensch haben. Nur "Vitamin B" bringt etwas. Ohne Verbindungen läuft nichts. Ein Student kennt den Firmenchef. Früher wohnte er auf der andern Straßenseite, sein Sohn ging mit ihm zur Schule. Wenn jetzt Semesterferien sind und er einen Job braucht, kommt er gar nicht in die schwierige Lage seiner Kommilitonen. Er muss nicht zur Zeitung und eine Anzeige aufgeben. Er muss auch nicht die Stellenangebote abklappern und Körbe einsammeln. Er muss erst recht nicht auf dem Arbeitsamt Schlange stehen und auf eine winzige Chance hoffen. Unser Student schreibt direkt an den Firmenchef. Ihm schildert er seine Notlage und weil dieser ihn kennt, bekommt er den Job. Beziehungen muss der Mensch haben. Oder ein Arbeiter kennt den Bürgermeister. Über sechs Ecken herum ist er mit ihm verwandt. Wenigstens hat dies seine Frau einmal behauptet. Wenn jetzt der Bausparvertrag fällig wird und er ein Grundstück braucht, kriegt er gar nicht die gleichen Probleme wie seine Kumpels. Er muss nicht zum Makler und verhandeln. Er muss auch nicht zum Grundstückbesitzer und feilschen. Er muss erst recht nicht auf diesem leergefegten Markt suchen und überhöhte Preise bezahlen. Unser Arbeiter wendet sich direkt an den Bürgermeister. Ihm erzählt er von seinen Bauplänen und weil dieser ihn kennt, bekommt er das Grundstück. Beziehungen muss der Mensch haben. Oder ein Lehrer kennt den Oberschulrat. Beide tragen die Farben der gleichen akademischen Verbiegung. Als sogenannte alte Herren duzen sie sich. Wenn jetzt der Schulleiter in den Ruhestand geht und die Rektorenstelle ausgeschrieben wird, hat er gar nicht die Aufregung seiner Kollegen. Er muss nicht antichambrieren. Er muss sich auch nicht produzieren. Er muss erst recht keinen Mitkonkurrenten denunzieren. Unser Lehrer spricht direkt beim Oberschulrat vor. Ihm unterbreitet er seinen Herzenswunsch und weil dieser ihn kennt, bekommt er die Stelle. Beziehungen muss der Mensch haben. Nur "Vitamin B" bringt etwas. Ohne Verbindungen läuft nichts. Auch Jeremia kennt jemand. Von Kindheit an ist ihm der Name vertraut. Schließlich ist er in einem Pfarrhaus, sprich Priesterhaus aufgewachsen. Seit dem 23. Lebensjahr steht er vollzeitig in dessen Dienst. Gegen seinen anfänglichen Widerstand wurde er von ihm zum Propheten bestellt. Als "Mundbote", wie Luther sagte, machte er dessen Wille bekannt. Selbst vor gekrönten Häuptern nahm er kein Blatt vor den Mund. Gott, der lebendige Gott, ist sein Herr. Wenn jetzt Feinde kommen, und sie kommen kolonnenweise, und er einen Schutz braucht, bekommt er dann von ihm auch einen Schutz? Wenn jetzt Ankläger kommen, und sie kommen haufenweise, und er einen Anwalt braucht, bekommt er dann von ihm auch einen Anwalt? Und wenn jetzt Verleumder kommen, und sie kommen scharenweise, und er einen Beistand braucht, bekommt er dann von ihm auch einen Beistand? So fragen wir auch. Als Säuglinge wurden wir auf seinen Namen getauft. Im Kindergarten hörten wir biblische Geschichten. Bei der Konfirmation bekannten wir uns zum christlichen Glauben. Der Name Gottes ist uns altbekannt. Wenn jetzt Schwierigkeiten kommen, und sie kommen karrenweise, und wir einen Helfer brauchen, bekommen wir dann von ihm auch einen Helfer? Wenn jetzt Unglücksfälle kommen, und sie kommen bündelweise, und wir einen Tröster brauchen, bekommen wir dann von ihm auch einen Tröster? Wenn jetzt Krankheiten kommen, und sie kommen unerwarteterweise, und wir einen Heiland brauchen, bekommen wir dann von ihm auch einen Heiland? Gott kennen, was haben wir davon? Gott kennen, was springt dabei heraus? Gott kennen, was bringt's? Auch wenn diese Frage kein übermäßiges Gottvertrauen verrät, darf sie einmal gestellt werden. Jeremia beantwortet sie nämlich in dreifacher Richtung: Gott kennen bringt Weisheit, Stärke und Reichtum.
Unruhige Zeiten waren es, in denen Jeremia lebte. Zwei Reiche, das assyrische und babylonische, kämpften um die Vorherrschaft. Überall wurden Waffen geschmiedet und Heere mobilisiert. Wie konnte die Zukunft gesichert werden? Die einen setzten in ihrer Klugheit auf das politische Können ihrer Herrscher. Mit einer ausgewogenen Bündnispolitik zwischen den Blöcken ist die Freiheit zu bewahren. Die andern glaubten in ihrer Klugheit den frommen Versprechungen ihrer falschen Propheten. Gott wird ein goldenes Zeitalter für Juda heraufführen. Und die Dritten vertrauten in ihrer Klugheit auf das eigene Können. Mit Kraft, Ausdauer und Selbstvertrauen ist die Zukunft zu packen. Unruhige Zeiten waren es, so wie heute. Zwei Weltmächte kämpfen um die Vorherrschaft. Überall laufen Waffenschmieden heiß und Kasernen über. Wie kann die Zukunft gesichert werden? Die einen setzen mit ihrem klugen Kopf auf das politische Können ihrer gewählten Volksvertreter. Mit Augenmaß und Bündnispolitik ist die Freiheit zu bewähren. Die andern glauben mit ihren klugen Gedanken den frommen Versprechen ihrer Zukunftsapostel: Wassermann wird ein strahlendes Zeitalter für uns heraufführen. Und die Neunmalklugen vertrauen auf die eigenen Möglichkeiten: "Wir werden hier auf Erden schon das Himmelreich errichten." Und Jeremia sagt: "Gesegnet ist der Mann, der sich auf den Herrn verläßt." Gesegnet ist die Frau, die sich auf den Herrn beruft. Gesegnet sind die Menschen, die auf den Herrn setzen. Er, nur er, kann die politischen Fäden so ziehen, dass die Freiheit bewahrt bleibt. Auch der stärkste und finsterste Machthaber ist nur eine Figur in der Hand dieses Gottes, der am Zuge ist und das Spiel gewinnen wird. Er, nur er, kann eine kosmologische Wende herbeiführen, die eingebildete Geister herbeireden wollen. Nach allen Aussagen der Schrift geht es ohnehin keinem goldenen oder goldigen Zeitalter entgegen, sondern dem Tag des Gerichts. Er, nur er, kann jene Kräfte und Säfte schenken, mit denen wir Gutes schaffen und Rechtes vollbringen können. Ohne ihn sind wir schwach wie ein Blatt im Wind. Das ist die Weisheit, die alle Klugheit überragt. Auf Gott ist Verlass. Er hat nicht nur Worte gemacht. Er hat sein Wort wahr gemacht. Jesus ist sogar Fleisch geworden. Alle Gottesverheißungen sind Ja und Amen in ihm. Liebe Freunde, Politiker können einen enttäuschen, wenn plötzlich dunkle Machenschaften ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Zukunftsapostel können einen enttäuschen, wenn ihre Prognosen wie bunte Seifenblasen zerplatzen. Zeitgenossen können einen enttäuschen, wenn ihre Versprechen nicht eingehalten werden. Allernächste können einen enttäuschen, wenn sie ohne Bedenken die Treue brechen. Nur Gott enttäuscht nicht. Er kennt keine dunklen Machenschaften. Seine Zukunftsperspektiven stimmen. Treue wird von ihm nicht in den Schmutz getreten. Wer sich auf ihn verlässt, ist nie verlassen. Gott kennen bringt diese Weisheit.
Gefährliche Zeiten waren es, in denen Jeremia lebte. Der Wind blies ihm direkt ins Gesicht. Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Zuerst erntete er den Spott der Leute. Als er auf dem Tempelplatz und in den Gassen Jerusalems verkündigt: dass der Feind vom Norden heranrücke und die ganze Stadt verwüste, hielten sie sich die Bäuche vor Lachen. Mit frivolem Leichtsinn zerschnitt der König Jojakin die schriftlichen Aufzeichnungen des Propheten und warf sie ins offene Kaminfeuer. Wer wollte diesem Verrücktgewordenen schon Glauben schenken? Dann erfuhr er die Härte der Polizei. Als er im Tophet-Tal, wo man dem Moloch Kinderopfer brachte, einen irdenen Krug zerschmetterte und ankündigte, so vernichtend werde Gottes Zorn sein, wurde er von Polizeikommissar Pashur verhaftet, ausgepeitscht und in den Stock gelegt. Der Wachthof wurde zum Kerker, in dem er halbverhungert einem dunklen Morgen entgegendämmerte. Mit solchen Volkszersetzern wurde kurzen Prozess gemacht. Schließlich erfuhr er den Hass des Königs. Als er immer noch seine Kriegspolitik nicht unterstützen und segnen wollte, wurde er einigen Scharfmachern am Hof überlassen. Diese seilten ihn kurzerhand in eine wasserlose Zisterne ab, wo er langsam aber sicher im Schlamm versackte. Solche hartnäckigen Widerständler haben es nicht anders verdient; sie mögen krepieren! Jeremia also ohne Kraft, ohne Hilfe, ohne Hoffnung? Jeremia am Ende? Er machte eine andere Erfahrung. Dort auf dem Tempelplatz und in den Gassen mitten drin im Gejohle und Gelächter der Leute, die ihn auf die Schippe nahmen, wusste er von der Verheißung seines Gottes: "Ich will mit dir sein, wo du hinziehst". Ohne Zulassung konnte ihm kein Haar gekrümmt werden. Und dort auf dem Wachthof, mitten drin zwischen den Soldaten, die ihre Witze rissen, erfuhr er die Wahrheit des Psalmisten: "Du bereitest vor mir einen Tisch, im Angesicht meiner Feinde." Jeden Tag wurde ihm ein Laiblein Brot von der Bäckergasse zugestellt. Und dort in der Zisterne, mitten drin zwischen Angst und Tod, erlebte er die Wirklichkeit: "Gott wird mich erlösen aus des Todes Gewalt!" Und Ebed-Melech, ein äthiopischer Palastbeamter, zog den Propheten wieder aus dem Loch. Das ist die Stärke Gottes, die den Schwachen nicht fallen lässt. An Jesus wurde sie noch einmal demonstriert. Unter den Grölern und Spöttern in der Stadt machte sie ihn zum einzig Überlegenen, der sogar sagen konnte: "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Unter den Schlägern und Grobianen auf dem Wachhof machte sie ihn zum einzig Freien, der nur vom Willen Gottes gebunden war. Unter den Henkern und Mördern am Kreuz machte sie ihn zum einzig Überlebenden, der aus dem Felsengrab herausgeholt wurde. Diese Stärke ist bis heute nicht erlahmt. Wenn wir Ablehnung erfahren, weil wir's nicht lassen können von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben, vielleicht sogar Ablehnung durch die eigenen Kinder, dann gilt: "Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang." Und wenn wir eingekerkert sind, weil uns die Sorge knebelt und die Not fesselt und die Sünde in den Stock legt, dann gilt es wieder: "Der Herr ist meine Stärke und mein Schild." Und wenn wir im finstern Loch sitzen, weil uns eine Krankheit abgeseilt hat und eine Depression ganz tief fallen ließ, dann gilt es erst recht: "Der Herr ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht." Das ist unsere Stärke, dass wenn wir schwach sind, er in uns stark wird. Gott kennen bringt diese Stärke.
Elende Zeiten waren es, in denen Jeremia lebte. Der Feind vom Norden rückte tatsächlich heran. Nebukadnezars Truppen umzingelten die Stadt. Jerusalem fiel in Schutt und Asche. Ein langer Zug von Gefangenen zog Richtung Babel. Auch Jeremia war darunter, der Sprecher Gottes, der genau dieses schlimme Ende prophezeit hatte. Auf königlichen Sonderbefehl wurde er zwar noch einmal nach Hause geschickt, zurück in die rauchenden Trümmer der heiligen Stadt. Aber ein paar Restbewohner rotteten sich zusammen, überfielen den Gottesmann mitsamt seinem Schüler Baruch und entführten beide nach Ägypten. Dort in Tachpanhes, inmitten der Wüste, vielleicht im Nildelta, aber jedenfalls dort, wo sich Fuchs und Haas Gute Nacht sagen und kein Hahn mehr nach ihm kräht, dort hatte er buchstäblich nichts mehr: keine Habe, kein Gut, kein Geld mehr, vielleicht noch ein paar Fetzen auf dem Leib und ein Paar Sandalen an den Füßen, mehr nicht. Arm war, bettelarm, ärmer als jede Kirchenmaus und trotzdem reich, steinreich, reicher als jeder Krösus, denn er hatte die Verheißung: "Du sollst dein Leben davonbringen wie eine Beute." Was nützen am Schluss ein paar Kröten auf der hohen Kante, wenn wir doch alles zurücklassen müssen und das Leben verlieren? Der ist reich, der das Leben in Jesus findet. Der ist reich, der das Leben durch den Tod hindurch wie eine Beute davonbringt. Der ist reich, der das Leben als ewiges Leben in Herrlichkeit ausleben kann. Dann mögen wir unser Eigentum verlieren, dann mögen wir unsere Lieben und Liebsten zurücklassen müssen, dann mögen wir buchstäblich ausgezogen sein bis aufs Hemd, aber niemand kann uns diesen Reichtum nehmen, diesem Herrn jetzt schon und dann einmal erst recht ganz zu gehören. Was sind wir bei allem Wohlstand für arme Schlucker, wenn wir nicht reich sind in Gott? Seine Verheißung des ewigen Lebens macht selbst den Bettelstudent zum Millionär der Ewigkeit. Man muss nur die richtige Beziehung haben. Man muss nur die richtige Verbindung pflegen. Man muss nur die richtige Adresse kennen. Gott kennen bringt Reichtum, Stärke und Weisheit.
Amen