Einführung in die Sendschreiben der Offenbarung
Und jetzt kommen wir richtig zur Offenbarung, Kapitel 2 und 3. Ich lese aus dem Sendschreiben an Ephesus, Kapitel 2, Vers 1. Es lohnt sich, in der eigenen Bibel mitzulesen:
„Dem Engel der Gemeinde in Ephesus schreibe: Dieses sagt der, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält und der inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt: Ich kenne deine Werke, deine Arbeit und dein Ausharren. Du kannst das Böse nicht ertragen und hast diejenigen geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind. Du hast sie als Lügner entlarvt. Du hast Ausharren bewiesen und getragen um meines Namens willen und bist nicht müde geworden.
Aber ich habe etwas wider dich: Du hast deine erste Liebe verlassen. Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße. Tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.
Aber dieses hast du: dass du die Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse. Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, welcher in der Mitte des Paradieses Gottes ist.“
In jedem Sendschreiben stellt sich der Herr Jesus vor. Diese Vorstellung hat immer einen besonderen Zusammenhang mit der Botschaft. Am Schluss jedes Sendschreibens heißt es: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“
Das ist interessant, denn es macht deutlich, dass dieses Sendschreiben an Ephesus nicht nur Ephesus betraf, sondern alle Gemeinden. Die Offenbarung wurde ja zuerst an alle diese sieben Gemeinden geschickt. Diese sehr persönlichen Briefe an einzelne örtliche Gemeinden wurden aber allen zugeschickt.
Das heißt, auch die in Laodizea wussten genau, was das Problem in Ephesus war. Aber die in Ephesus wussten auch, was das Problem in Laodizea ist – und noch mehr, in Sardes, in Thyatira und so weiter.
Die Bedeutung der Sendschreiben für alle Gemeinden
Was können wir daraus ableiten?
Das zeigt uns, dass man nicht sagen kann: „Das ist unsere Gemeinde vor Ort, das geht die anderen Christen nichts an.“ Es ist eigentlich ganz klar: Der Leib Christi umfasst immer alle Gläubigen, alle wahren Gläubigen auf der ganzen Erde, nach 1. Korinther 12. Nicht nur die Gläubigen der Ortsgemeinde. Nirgends wird eine Ortsgemeinde als „der Leib Christi“ bezeichnet.
Ja, es heißt zwar in 1. Korinther 12, wenn Paulus zu Korinth spricht: „Ihr seid Christi Leib.“ Aber wichtig ist, dass die Ellenfelder Bibelübersetzung ganz genau wiedergibt: „Ihr seid Christi Leib.“ Paulus sagt nicht: „Ihr seid der Leib Christi.“ Würde er sagen „Ihr seid der Leib Christi“, dann wäre die Gemeinde von Korinth der Leib Christi. Aber er sagt: „Ihr seid Christi Leib.“ Das heißt, sie gehören zum Leib Christi, so wie alle anderen.
Und der Apostel Paulus gehörte ja nicht zur Gemeinde in Korinth. Trotzdem sagte er in 1. Korinther 12, dass wir alle durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft worden sind. Er, der nicht zu Korinth gehörte, macht sich mit den Korinthern eins und sagt: „Wir sind alle zu einem Leib getauft.“ Das macht klar, der Leib umfasst alle Gläubigen auf der Erde und nicht nur die Ortsgemeinde.
Darum sollte man auch Sorgen haben im Blick auf andere Gemeinden, wo man selbst nicht ist. Man sollte für sie beten und diese Dinge vor den Thron Gottes bringen. Das geht alle etwas an. Wenn Gemeinden hier und dort abweichen, kann man nicht sagen: „Das ist deren Sache.“ Das muss uns alle betreffen.
Das drückt die Liebe der Erlösten untereinander aus. Das können wir daraus ableiten: Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Das heißt, alle diese Sendschreiben gehen alle Gemeinden etwas an.
Damit wird klar: Die Gemeinde in Laodizea oder sagen wir die in Philadelphia müssen sich auch mit dem Brief an Ephesus auseinandersetzen. Sie können nicht sagen: „Ja gut, das Verlassen der ersten Liebe, das ist das Problem von Ephesus, das haben wir hier nicht.“ Nein, wenn sie lesen: „Du hast deine erste Liebe verlassen“, dann müssen die in Philadelphia denken: „Oh, und wie sieht das in meinem persönlichen Leben aus? Hat der Herr bei mir wirklich den ersten Platz?“ So hatte das Sendschreiben an Ephesus auch eine Bedeutung für jemanden in Philadelphia.
Die zeitlose und persönliche Bedeutung der Sendschreiben
Das zeigt uns auch, wie wir heute diese Texte lesen müssen. Die Gemeinde in Pergamos gibt es heute nicht mehr, ebenso wenig wie die Gemeinde in Thyatira. Was haben diese Briefe also heute noch für eine Bedeutung, wenn es die Gemeinden an diesen Orten nicht mehr gibt?
Diese Briefe hatten damals eine Bedeutung für die Gemeinden in Pergamos, Thyatira und anderen Städten. Heute müssen wir uns fragen: Was bedeuten sie für die Gemeinde, in der ich heute lebe? Jeder muss sich diese Frage stellen – nicht nur in Bezug auf die Gemeinde als Ganzes, sondern auch im eigenen persönlichen Leben.
Es kann sein, dass die örtliche Gemeinde in einem guten Zustand ist, sodass man sagen kann: Nein, das trifft nicht auf diese Gemeinde zu. Aber vielleicht hat der Einzelne darin doch die Erste Liebe verlassen. Vielleicht ist die ganze Gemeinde nicht dadurch gekennzeichnet, aber der Einzelne schon. Dann hat das eben eine moralische Bedeutung für diesen Einzelnen. So muss man diese Briefe lesen.
Zu jeder Zeit hat jedes Sendschreiben mir persönlich etwas zu sagen und auch der Gemeinde, in der ich bin. Zusätzlich sehen wir in diesen sieben Sendschreiben eine prophetische Bedeutung, in der sich die ganze Kirchengeschichte widerspiegelt.
Ich erinnere mich noch, dass ich als Jugendlicher einen Kommentar gelesen habe, der genau das so darstellte – kurz, knapp und einleuchtend. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mir überlegt, dass die Abfolge Ephesus, Smyrna, Pergamos, Thyatira genau der Erfüllung dieser Epochen in der Kirchengeschichte bis heute entspricht.
Wenn zum Beispiel Ephesus am Ende stünde und Laodizea am Anfang, wäre das Ganze durcheinander und würde nicht mehr stimmen. Oder wenn Thyatira am Ende wäre und Laodizea an der Stelle von Thyatira, würde es ebenfalls nicht passen.
Ich habe darüber nachgedacht, wie viele Möglichkeiten es eigentlich gibt, die Sendschreiben falsch anzuordnen, sodass sie nicht mit der Kirchengeschichte übereinstimmen. Das ist eine einfache Rechnung aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung, der Kombinatorik.
Stellen wir uns vor, Maria und Hans sitzen auf zwei Stühlen. Wie viele Möglichkeiten gibt es, sie anzuordnen? Ganz einfach: Zwei. Maria kann auf dem ersten Stuhl sitzen und Hans auf dem zweiten, oder umgekehrt.
Wenn nun Bruno dazukommt, gibt es natürlich mehr Möglichkeiten: Maria kann auf dem ersten Stuhl sitzen, Bruno auf dem zweiten und Hans auf dem dritten, oder Bruno und Hans tauschen die Plätze, und so weiter. Mit vier Personen wird es noch schwieriger, aber es ist eine einfache Fakultätsrechnung.
In diesem Fall haben wir sieben Sendschreiben. Die Anzahl der Möglichkeiten, sie anzuordnen, ist 7 Fakultät, also 7!. Das rechnet man so: 1 × 2 × 3 × 4 × 5 × 6 × 7 = 5040.
Das bedeutet, es gibt 5040 mögliche Anordnungen, von denen 5039 falsch sind. Doch in der Bibel ist genau die richtige Reihenfolge angegeben. Das ist schon sehr beeindruckend.
Das Sendschreiben an Ephesus: Lob und Vorwurf
Und nun sagt der Herr Jesus in Kapitel 2, Vers 2: „Ich kenne deine Werke und deine Arbeit und dein Ausharren.“ Er beginnt mit Lob. Er weiß, wie aktiv diese Gemeinde ist und wie sie sich einsetzt.
Aber wenn man die Bibel so liest, dass man immer wieder zurückschaltet, dann ist darin doch schon ein Vorwurf. Warum? Schlagen wir mal auf 1. Thessalonicher 1. Dort sagte der Apostel Paulus zu den Thessalonichern, und sie waren wirklich eine sehr ermutigende junge Gemeinde.
In 1. Thessalonicher 1 spricht er genau über diese drei Begriffe. Er sagt in Vers 3: „Wir sind schuldig, Brüder, Gott allezeit für euch zu danken, wie es angemessen ist, weil euer Glaube überaus wächst und die Liebe jedes einzelnen von euch allen zueinander überströmend ist, so dass wir selbst uns euer Rühmen in den Gemeinden Gottes nicht versagen können.“
Verzeihung, ich bin beim Zweiten gelandet und wollte den Ersten vorlesen. 1. Thessalonicher 1, Vers 2: „Wir danken Gott allezeit für euch alle, indem wir euch erwähnen in unseren Gebeten, unablässig gedenkend eures Werkes des Glaubens.“
Das gleiche Wort „Werke“, aber hier „Werke des Glaubens“ und der „Bemühung“ oder „Arbeit“ – dasselbe Wort wie im Sendschreiben an Ephesus – und der Arbeit der Liebe und des Ausharrens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus.
Hier heißt es nicht einfach nur „eure Bemühung“, sondern es ist „Bemühung der Liebe“. Es heißt nicht einfach „eure Arbeit“, sondern „Arbeit“ im Sinne von viel mehr. Es ist also Werk des Glaubens und dann eben Arbeit der Liebe, die aus der göttlichen Liebe, aus der Agape, herauskommt. Dann das Ausharren – nicht nur einfach ausharren. Man kann ausharren, warten und warten, ja, aber was?
Das ist ja wie das Schauspiel von Godot, ein Theaterstück, das von einem Atheisten geschrieben wurde. Dort sprechen den ganzen Abend auf der Bühne zwei Menschen miteinander. Es macht überhaupt keinen Sinn, was sie da eigentlich sagen. Aber sie warten auf Godot, und er kommt nie.
Dieser Atheist wollte mit diesem Theater ausdrücken, dass das zwei Menschen sind, die warten auf Gott. Godot ist eine Anspielung auf „God“, also Gott, und er kommt nie. Quasi die Christen, die auf Jesus Christus warten. Es ist alles sinnlos, das Leben ist nur ein Geschwätz, und am Schluss kommt er nicht. Völlige Hoffnungslosigkeit.
Aber die warten, sie warten. Das ist Ausharren. Den ganzen Abend warten sie auf Gott, und er kommt nicht.
Und Jesus sagt: „Dein Ausharren“ – aber hier steht „Ausharren“ eben auf unseren Herrn Jesus Christus, dass er wiederkommt. Also der Vorwurf ist eigentlich schon da: „Ich kenne deine Werke, deine Arbeit, dein Ausharren.“ Alles gut, die Aktivität.
Aber wenn man nicht sagen kann, das sind Werke des Glaubens, Arbeit der Liebe und Ausharren auf den Herrn Jesus Christus, dann fehlt etwas Wesentliches.
Der Herr sagt weiter nochmals positiv: „Du hast die geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner entlarvt.“ Das ist ein Lob.
Da sind also Leute gekommen, die haben gesagt: „Wir sind Apostel“, so wie die zwölf Apostel, so wie der Apostel Paulus. Aber das Neue Testament macht klar, es gab nur diese zwölf Apostel, die Jesus mit einer besonderen Autorität eingesetzt hatte – im Blick auf die zwölf Stämme Israels – und den Apostel Paulus als Apostel im Blick auf die Heidenvölker.
Es gab keine anderen Apostel mehr, und diese Apostel haben nie Nachfolger eingesetzt. Es gab also keine apostolische Sukzession, also keine Nachfolger. Wirklich der letzte Apostel, der noch lebte am Ende des ersten Jahrhunderts, um 95, war Johannes. Alle anderen waren schon heimgegangen.
Die Gemeinde ist ja aufgebaut nach Epheser 2,20 auf der Grundlage der Apostel und Propheten. Das ist quasi die Basis dieses Tempelhauses, das eine Behausung Gottes im Geist ist. Jeder Gläubige, der hinzukommt, wird an den Mauern eingebaut, bis einmal alles voll ist, die Vollzahl der Nationen. Dann kommt die Entrückung.
Aber das Fundament sind die Apostel und Propheten. Bekanntlich legt man ein Fundament nicht nochmals oben beim Dach.
Darum ist es sehr wichtig: Wenn heute Leute kommen und sagen „Ich bin Apostel Soundso“ oder „Ich bin Apostel sowieso“, dann geht das gar nicht. Das Fundament ist unten, und diese Apostel und neutestamentlichen Propheten – das heißt also Markus, Lukas, die waren keine Apostel, Jakobus und Judas, die je einen Brief geschrieben haben, das waren keine Apostel, aber inspirierte Schreiber, und sie waren anerkannt von den Aposteln.
Das ergibt die Briefe des Neuen Testaments. Das ist die Basis. Aber damals gab es schon solche, die kamen und sagten: „Ich bin auch ein Apostel.“ Und Jesus sagt, du hast sie geprüft und als Lügner entlarvt.
Heute würde man sagen, wenn man solche Dinge tut, ist das schon negatives Urteilen. Das sind negative Leute, die haben sie geprüft und dann gesagt: „Das ist ein Lügner.“ Aber der Herr Jesus lobt die Gemeinde, dass sie das damals noch gemacht haben.
Aber das Traurige ist, die innere Haltung stimmte nicht. Darum sagt der Herr in Vers 4: „Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast.“
Und was ist die erste Liebe? Das ist die Liebe, die dem Herrn Jesus den ersten Platz im Leben gibt. Er ist nicht bereit, den zweiten Platz zu akzeptieren. Alles oder nichts.
Darum sagt er so grundsätzlich in Vers 5: „Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße, bekenne das als Sünde und kehre um. Und tue die ersten Werke.“
Er hat ja schon gesagt, dass sie Werke haben, aber die ersten Werke – das waren eben Werke des Glaubens und der Liebe, und nicht nur einfach Werke. Dann sagt er: „Tue die ersten Werke, wo es noch so war, wo ich den ersten Platz eingenommen hatte.“
Und dann sagt der Herr: „Wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.“
Das heißt, wenn die Gemeinde von Ephesus nicht eine Umkehr lebt, wird er ihr Zeugnis wegtun. Und es ist geschehen.
Der Verlust des Leuchters und die Bedeutung des Tempeldienstes
Es dauerte noch lange, bis die islamische Eroberung im Nahen Osten stattfand. Dabei wurde die Christenheit, die auf die allerfrühste Zeit der Apostelgeschichte zurückgeht, stark beeinträchtigt. Wir wissen aus der Apostelgeschichte, wie intensiv und weitreichend der Apostel Paulus gerade im Gebiet der heutigen Türkei evangelisiert und gewirkt hat und Gemeinden gegründet hatte.
Durch die Eroberung im siebten Jahrhundert wurde das Christentum in diesen Gebieten durch den Islam massiv zurückgedrängt und vielerorts ausgelöscht. Von da an war es vorbei – der Leuchter wurde weggerückt.
Dieser Begriff stammt übrigens aus dem Tempeldienst von Jerusalem. Im Zweiten Tempel gab es im Heiligen unter anderem die Menorah, den siebenarmigen Leuchter, den goldenen Schaubrottisch und den goldenen Räucheraltar. Von den Tempelgeräten wurden immer Ersatzgeräte auf dem Tempelberg gelagert. Wenn aus irgendeinem Grund ein Tempelgerät unrein wurde – zum Beispiel, wenn ein Priester eine levitische Verunreinigung erlitten hatte – dann musste der Leuchter weggerückt und ein Ersatzleuchter aufgestellt werden.
Wenn der Herr sagt: „Ich werde deinen Leuchter wegrücken“, ist genau dieser Ausdruck gemeint. Das Gerät ist nicht mehr tauglich und muss ersetzt werden. Das wird hier angedroht. Wenn der Herr nicht den ersten Platz hat, dann bleibt eigentlich nur noch, dass man als Gemeinde kein Zeugnis mehr sein kann.
Aber dann folgt noch ein Lob: „Aber dieses hast du, dass du die Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse.“ Die Nikolaiten waren eine Irrlehre-Bewegung der Gnostiker. Die Gnostiker behaupteten, Jesus Christus sei kein richtiger Mensch geworden, sondern habe nur einen Scheinkörper angenommen. Sie leugneten also grundlegende Dinge des Evangeliums.
Übrigens wurde gerade das Johannesevangelium als Kampfschrift gegen die Gnostiker geschrieben. Dort wird betont: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“, also wurde das Wort, der ewige Sohn Gottes, ein wirklicher Mensch (Johannes 1,14). Auch der erste und der zweite Johannesbrief sind Kampfschriften gegen diese Irrlehre.
Der Herr sagt das auch wieder positiv: „Aber dieses hast du, dass du die Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse.“ Übrigens heißt das nicht, dass sie die Nikolaiten als Personen gehasst haben, sondern die Werke der Nikolaiten. Und das ist etwas anderes.
Wenn man eine Irrlehre hasst, bedeutet das nicht, dass man die Menschen, die sie vertreten, hasst. Das ist ein Unterschied. Doch heute ist es unter vielen Gläubigen ein No-Go, etwas zu hassen. Man müsse doch positiv sein und nur das Positive erwähnen.
Nein, der Herr sagt erst das Positive – und das ist wichtig –, aber dann nennt er auch, was nicht stimmt. Er spricht die ganze Wahrheit und betont auch positiv, dass man die Dinge, die falsch sind, nach dem Wort Gottes vehement ablehnen soll.
Schließlich heißt es in Vers 7: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“ All das, was gesagt worden ist, sollen sich alle zuerst zu Ohren nehmen und dann zu Herzen nehmen. Man muss zuerst hören, erst dann kann man es sich zu Herzen nehmen.
Dann folgt eine Verheißung für die Überwinder: „Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der in der Mitte des Paradieses Gottes ist.“
Die Überwinder und ihre Verheißung
In jedem Sendschreiben gibt es eine besondere Verheißung für diejenigen, die Überwinder sind. Wer sind die Überwinder? Ganz einfach: Der Mann, der die Offenbarung geschrieben hat, hat auch den ersten Johannesbrief verfasst. Und dieser erste Johannesbrief sagt in Kapitel fünf, Vers vier: „Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt. Und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“
Also sind Überwinder solche, die wirklich wiedergeboren sind.
Nun aber ganz wichtig: In Offenbarung 2 und 3 werden Gemeinden angesprochen. Es sind alles Christen, aber ob wirklich alle wiedergeboren sind, das ist eine zweite Frage. Ist das möglich? Ja, natürlich.
Der Apostel Paulus sagt in Galater 2: „Es war aber der neu eingeführten falschen Brüder wegen, die unsere Freiheit in Christus auskundschaften wollten.“ Und er sagt weiter: „Denen wir nicht eine Stunde durch Unterwürfigkeit nachgegeben hätten, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch verbliebe.“ Schon damals, als die Apostel noch da waren, gab es Leute, die sich in die Gemeinden eingeschlichen haben. Auch der Judasbrief spricht von solchen, die hineingekommen sind.
Diese Vermischung in der Christenheit gibt es also nicht erst später in der Kirchengeschichte, sondern sie hat bereits in den Anfängen im ersten Jahrhundert begonnen.
Darum müssen wir uns in Offenbarung 2 im Klaren sein: Gemeinden werden angesprochen, und die, die wirklich überwinden, das sind die, die wiedergeboren sind. Denn durch das neue Leben haben sie die Kraft, diese Missstände zu überwinden.
Und genau das steht nun bei jedem Sendschreiben am Schluss.
Das Sendschreiben an Smyrna: Ermutigung in der Verfolgung
Jetzt gehen wir weiter und kommen zu Smyrna, Offenbarung 2,8, und dem Engel der Gemeinde in Smyrna. Dort heißt es:
Dieses sagt der Erste und der Letzte, der starb und wieder lebendig wurde: Ich kenne deine Drangsal und deine Armut, du bist aber reich. Und die Lästerung von denen, die sagen, sie seien Juden und sind es nicht, sondern eine Synagoge des Satans. Fürchte dich nicht und fürchte nichts von dem, was du leiden wirst. Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr geprüft werdet, und ihr werdet Drangsal haben zehn Tage. Sei getreu bis zum Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben. Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Wer überwindet, wird nicht beschädigt werden vom zweiten Tod.
Hier haben wir ganz klar das Thema der Christenverfolgung vor uns. Smyrna heißt übrigens Myrrhe, und Myrrhe bedeutet Bitterkeit. Die Myrrhe ist im Geschmack bitter, und im Alten Testament wurde die Myrrhe im Zusammenhang mit dem wohlriechenden Rauchwerk im Tempel verbrannt. Diese verbrannte Myrrhe spricht eben von dem Tod des Messias, der bitter war, aber für Gott ein Wohlgeruch.
Smyrna heißt also Myrrhe, Bitterkeit, und hier geht es um die Gläubigen, die wie ihr Herr abgelehnt werden und leiden müssen bis zum Tod. Darum stellt sich der Herr Jesus hier dieser Gemeinde anders vor als der Gemeinde in Ephesus.
Im Sendschreiben an Ephesus sagte der Herr: Dieses sagt der, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält, der inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt. Ephesus hatten wir gesehen: Äußerlich war alles in Ordnung, aber innerlich nicht, die erste Liebe war aufgegeben. Der Herr ist der, der diese sieben Sterne, diese Gemeinden, die ein Zeugnis in dieser Welt sein sollen, in seiner Hand hält. Er ist es, der als hoher Priester inmitten der goldenen Leuchter – wie im salomonischen Tempel, wo es elf Leuchter gab insgesamt, aber hier geht es um die sieben Gemeinden – inmitten der sieben Leuchter wandelt, alles kontrolliert und eben sieht, wo die Beschädigungen sind, auch wenn sie ganz versteckt sind, nur im Herzen.
Aber hier bei Smyrna stellt sich der Herr so vor: Dieses sagt der Erste und der Letzte, der starb und wieder lebendig wurde, der selbst eben abgelehnt wurde und schließlich in den Tod gehen musste. Und jetzt ist es mit seinen Nachfolgern so, dass das genau der gleiche Weg sein kann.
Was auffällt, ist, dass der Herr in diesem Sendschreiben keinen einzigen Vorwurf macht, sondern einfach Mut zuspricht. Er sagt in Vers 9: Ich kenne deine Drangsal. Das heißt, er nimmt ganz genau wahr, was geschieht. Er weiß um die äußere Armut, betont aber, dass sie reich sind. Und er kennt auch die Lästerung und Verfolgung, die sie erleiden.
Schließlich betont er: Ihr werdet Drangsal haben zehn Tage. Interessanterweise gab es in der Kirchengeschichte unter zehn Kaisern eine Christenverfolgung. Die letzte war unter Diokletian, die allermassivste und am weitesten ausgedehnte im Römischen Reich. Viele haben dabei ihr Leben verloren.
Diese Verfolgung führte jedoch dazu, dass das christliche Zeugnis sich noch mehr verbreitete. Vielen wurde klar, dass das Evangelium keine törichte menschliche Idee sein kann. Wenn Menschen bereit sind, alles bis zum Tod zu geben, muss mehr dahinterstecken. So kamen immer mehr Menschen im Römischen Reich zum Glauben an das Evangelium und an den Herrn Jesus.
Der Herr macht Mut und sagt am Schluss von Vers 10: Sei getreu bis zum Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben. Das Wort Krone (Stephanos) kann eine Königskrone oder einen Siegeskranz bei den Sportspielen bedeuten. Hier ist der Siegeskranz gemeint.
Wir haben heute Morgen von den 24 Ältesten mit goldenen Kronen und weißen Gewändern gehört. Das sind Priester (weiße Gewänder) und Könige (goldene Kronen). Dort muss man Stephanos mit Krone übersetzen. Aber hier geht es um den Siegeskranz.
Der Apostel Paulus sagt in 1. Korinther 9: Wisst ihr nicht, dass zwar alle in der Rennbahn laufen, aber nur einer den Preis bekommt? Er spricht über die unverwältliche Krone, besser übersetzt den unverwältlichen Siegeskranz, der dem Sieger im Sportkampf zuteil wird.
Hier ist das genauso gemeint: Der Siegeskranz des Lebens wird die Auszeichnung für die Märtyrer sein. Sie erhalten eine ganz besondere Belohnung dafür, dass sie für ihren Glauben bis zum Tod gegangen sind.
Manche, die nicht den Märtyrertod erleiden müssen, könnten traurig sein, weil sie diese Krone nicht bekommen. Doch es gibt eine Möglichkeit.
Jakobus 1,12 sagt: Glückselig ist der Mann, der die Prüfung oder Versuchung erduldet. Denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone oder den Siegeskranz des Lebens empfangen, den er denen verheißt, die ihn lieben.
Es geht also insgesamt darum, dass, wer Versuchungen und Prüfungen im Leben besteht und dem Herrn treu bleibt, ebenfalls den Siegeskranz des Lebens erhält – auch wenn er nicht bis zum Tod leiden muss.
Es gibt noch weitere Kronen: Die Krone der Gerechtigkeit, die Paulus in 2. Timotheus 4 erwähnt, die er erwartet, und den Siegeskranz der Herrlichkeit für treue Älteste nach 1. Petrus 5.
Es wird also verschiedene Auszeichnungen geben, die der Herr an seinem Richterstuhl vergeben wird, wenn wir in die himmlische Herrlichkeit kommen. Diese Auszeichnungen stehen für Treue im Leben.
Das bedeutet auch unterschiedlicher Lohn, und das wird Auswirkungen haben auf das tausendjährige Friedensreich, wo je nach Treue Kompetenz und Aufgaben verteilt werden.
Das sehen wir im Gleichnis aus Lukas 19: Ein Herr geht in ein anderes Land und gibt seinen Knechten einen Auftrag zu handeln, bis er wiederkommt. Er kehrt zurück und setzt den einen über zehn Städte, den anderen über fünf. So wird es sein – je nach Treue.
Jetzt wird unterschiedliche Regierungsgewalt über die Gläubigen der Gemeinde verteilt werden: Der eine wird zehn Städte bekommen, der andere fünf, und so weiter, je nach Treue. Das hängt zusammen mit diesen Siegeskränzen.
Man könnte denken, das sei vielleicht nur für das tausendjährige Friedensreich von Bedeutung, und danach in der Ewigkeit, wenn der neue Himmel und die neue Erde kommen, sei das nicht mehr wichtig. Damit könne man leben.
Doch der Apostel Paulus sagt in 1. Korinther 9, dass die, die in der Rennbahn laufen, einen vergänglichen Siegeskranz bekommen. Wenn es aber um die Treue dem Herrn gegenüber geht, dann geht es um eine unverwältliche Krone, einen unverwältlichen Siegeskranz.
Wenn dieser nach tausend Jahren verwelkt, war er nicht unverwältlich. Ähnlich wie Wilhelm Busch, der Ungläubige, der Jesus unser Schicksal schrieb, sagte: „Der Ruhm, wie alle Schwindelware, hält selten mehr als tausend Jahre.“ Für ihn wäre schon tausend Jahre Schwindelware.
Aber ein unverwältlicher Kranz hat Konsequenzen für die ganze Ewigkeit. Viele Gläubige sind sich dessen gar nicht bewusst: Der graue Alltag heute entscheidet darüber, wie die Ewigkeit sein wird. Es wird ganz klar Unterschiede geben, und diese werden bleiben in Ewigkeit.
So macht der Herr hier Mut: Sei getreu bis zum Tod, und ich werde dir den Siegeskranz des Lebens geben.
Dann heißt es ganz allgemein: Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Wer überwindet, wird nicht beschädigt werden vom zweiten Tod.
Der zweite Tod ist die Bezeichnung für die ewige Trennung von Gott. Tod bedeutet immer Trennung. Der körperliche Tod bedeutet, dass der Körper von Seele und Geist getrennt wird. Seele und Geist existieren weiter.
Tod bedeutet Trennung. Der geistliche Tod nach Epheser 2 bedeutet, dass Menschen ohne Gott sind, von ihm getrennt, keine Gemeinschaft mit Gott haben. Sie existieren, aber diese Existenz ohne Gott wird als Tod in Sünden und Vergehungen bezeichnet.
Der ewige Tod, der zweite Tod, ist die ewige Trennung von Gott im Feuersee. Hier wird gesagt: Den Überwindern wird der zweite Tod nichts anhaben.
Wie wir heute Morgen in 1. Johannes 5 gelesen haben, heißt es dort: Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt. Das ist die Verheißung für die wirklich Wiedergeborenen. Sie werden das Ziel erreichen, und über sie wird der zweite Tod keine Gewalt haben.
Das Sendschreiben an Pergamos: Die Zeit der Machtübernahme
Wir gehen weiter zu Vers 12. Das Sendschreiben an Pergamos und den Engel der Gemeinde in Pergamos beginnt so: „Dieses sagt der, der das scharfe zweischneidige Schwert hat.“ Interessant ist, dass der Herr sich in jedem Brief anders vorstellt. Doch diese Vorstellung hat stets eine besondere Bedeutung in Bezug auf das, was folgt. Das scharfe zweischneidige Schwert trennt Dinge, die nach Gottes Gedanken nicht zusammengehören. Es macht eine klare Trennung, und das wird jetzt sehr wichtig sein.
Denn wir werden gleich sehen: Pergamos stellt die Zeit dar ab der konstantinischen Wende. Wie gesagt, die Christen wurden vom ersten Jahrhundert bis zur Machtübernahme Kaiser Konstantins verfolgt. Dieser setzte der Christenverfolgung unter Diokletian ein totales Ende. Er erlaubte zuerst die christliche Religion, die zuvor illegal im Römischen Reich war.
Man kann sich natürlich fragen, warum das Christentum illegal war, während die Juden schließlich legal waren. Ja, die Juden waren im Römischen Reich toleriert. Zwar gab es viel Antisemitismus und Ablehnung, weil sie so anders waren. Sie hatten ihre eigenen Gesetze, glaubten nur an einen einzigen Gott und sagten auch, dem Kaiser dürfe man nicht räuchern. Doch das war Staatsgesetz: Alle Bürger mussten dem Kaiser räuchern. Sie durften zwar glauben, was sie wollten, aber das mussten sie tun. Dann konnten sie ihre Religion völlig frei praktizieren.
Die Juden aber sagten Nein, das konnten sie nicht, und deshalb bekamen sie eine Sondergenehmigung. Diese wurde keinem anderen Volk gewährt. Für die anderen war das kein Problem: Man konnte mehreren Religionen angehören. Ja, man war einerseits Verehrer von Zeus, Apollo und so weiter oder Jupiter, der römischen Entsprechung. Viele waren auch Anhänger von Geheimkulten aus dem Osten, aus Ägypten, wie dem Isiskult. Das war eine andere Religion, aber man gehörte trotzdem zu mehreren Religionen. So war es für sie kein Problem, auch dem Kaiser zu opfern.
Die Juden sagten jedoch Nein und erhielten eine Sondergenehmigung. Ganz am Anfang meinten die Römer, die Christen seien einfach Nichtjuden, die zum Judentum übergetreten waren. Deshalb mussten sie auch nicht dem Kaiser opfern. Doch mit der Zeit merkten sie, dass das nicht stimmte. Die Christen ließen sich nicht beschneiden und stellten sich nicht unter das Gesetz von Sinai. Genau so, wie das Neue Testament es lehrt.
Sie erkannten den Unterschied, und darum wurden die Christen verfolgt. Sie akzeptierten nicht, dem Kaiser zu opfern, hatten aber keine Sondergenehmigung wie die Juden. Deshalb wurden sie grausam verfolgt. Dann kam die große Wende mit Konstantin: Zuerst wurde die Religion erlaubt, das Christentum wurde legal. Bald danach wurde es Staatsreligion. Unglaublich! Es war nun die Religion des Reiches, und es war plötzlich ein Vorteil, Christ zu sein. Man kam leichter in die höheren Ämter des römischen Reiches.
Man muss sich vorstellen: Plötzlich war der Weg zur Macht offen. Nun fahren wir weiter zu Vers 13:
„Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist. Aber du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht verleugnet, auch in den Tagen, in denen Antipas mein treuer Zeuge war, der bei euch, wo der Satan wohnt, ermordet worden ist.“
Ich weiß, wo du wohnst – wo der Thron des Satans ist. Wo wohnen die Gläubigen? In dieser Welt. Der Satan wird im Neuen Testament als der Fürst dieser Welt bezeichnet (Johannes 14 am Schluss, Johannes 16). In 2. Korinther 4,4 wird er sogar als der Gott dieser Welt genannt. Der Satan herrscht in dieser Welt.
Wenn der Herr sagt: „Ich weiß, wo du wohnst“, dann bedeutet das, dass er weiß, wo du dich zu Hause fühlst. Der Apostel Paulus erklärt den Christen in Philippa 3, Vers 20: „Unser Bürgertum ist im Himmel, von wo wir auch den Herrn Jesus erwarten als Heiland, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zu Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit.“ Christen sind Fremdlinge in dieser Welt.
Paulus hatte das römische Bürgerrecht, Petrus nicht. Trotzdem betrachtete Paulus sich als Fremdling. Die eigentliche Heimat ist im Himmel. Wenn der Herr Jesus hier sagt: „Ich weiß, wo du wohnst“, dann weist das darauf hin, dass diese Gemeinde sich an dem Ort, wo sie sich als Fremdlinge fühlen sollten, als zu Hause fühlte.
Man muss beachten: In der Offenbarung kommt dieser Satz immer wieder vor – „die, welche auf der Erde wohnen“. Damit werden die Gottlosen bezeichnet. Immer wieder. Man kann sich alle Stellen heraussuchen. Das bedeutet die Menschen, für die diesseits das alleinige und eigentliche Zuhause ist. Und das sollte es für die wahren Gläubigen eben nicht sein.
So sagt der Herr: „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist.“ Das hat für Pergamos noch eine besondere Bedeutung, denn in Pergamos gab es einen gigantischen Hochaltar für Zeus. Hinter Zeus, dem obersten Gott der griechisch-römischen Religion, versteckte sich der Satan. Paulus sagt in 1. Korinther 10, Vers 20, dass das, was die Nationen ihren Göttern opfern, sie nicht Gott, sondern Dämonen opfern. Dämonen verstecken sich hinter den verehrten Bildern in den Religionen und hinter Zeus, dem Obersten, eben speziell der Satan.
Darum: „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist“ ist eine spezielle Anspielung auf diesen besonderen Hochaltar des Zeus in Pergamos oder Pergamon. Wo ist er heute? In Deutschland, in Berlin, im Pergamonmuseum. Das ist ein sensationelles Museum. Es ist unglaublich, welche archäologischen Schätze dort im Besitz sind. Der originale Hochaltar von Pergamon wurde abgebaut und zu Beginn der Hitlerzeit in Berlin wieder aufgebaut.
Dann begann die Zeit Hitlers. Interessant, dieser Zusammenhang, nicht wahr? Aber eben, Jesus kritisiert das. Die Gemeinde fühlt sich dort in der Welt zu Hause, wo der Satan regiert. Und genau das geschah mit der konstantinischen Wende. Die Verfolgung war vorbei, und das Christentum wurde Staatsreligion. Das heißt, man verband von da an Kirche, Gemeinde, mit Staat und Welt. Das, was eigentlich nicht zusammengehört, wurde zusammengefügt.
Darum sagt der Herr in Vers 12: „Der, der das scharfe zweischneidige Schwert hat“, der klar die Trennung macht von dem, was nicht zusammengehört. Es war so: Man hatte einen Vorteil, wenn man Christ war. Man bekam leichter höhere Ämter, und darum wurden viele Heiden Christen. Von außen hätte man beobachten können: „Wow, das ist Gemeindewachstum wie nie zuvor. Das ist noch großartiger als während der Verfolgung – so viele kommen in die Kirchen, die füllen sich.“ Das war fantastisches Gemeindewachstum pur.
Aber die meisten waren gar keine echten Christen geworden. Es war einfach eine tolle Sache, Christ zu sein, und die Christen hatten die Macht auf ihrer Seite. Pergamos heißt Hochburg. Das Christentum kommt zur Macht. Das hat viele Christen verwirrt. Sie sagten: „Ja gut, wir wussten ja aus der Offenbarung, dass Christus wiederkommen wird und dann das tausendjährige Friedensreich aufrichten wird.“ Offenbarung 19: Er kommt aus dem Himmel, Offenbarung 20: Er richtet das tausendjährige Friedensreich auf, und der Satan wird in der Zeit gebunden sein.
Aber jetzt plötzlich kann die Kirche regieren. Das ist fast wie das tausendjährige Friedensreich, fast, aber nicht ganz. Man hat schon gemerkt: Christus ist ja nicht zurückgekommen. Trotzdem kommt die Kirche zur Macht. Was ist das? Dann kamen Gedanken auf: Man muss das anders interpretieren, ein bisschen bildlich. Die Wiederkunft Christi müsse man nicht so wörtlich nehmen, dass er zuerst auf die Erde kommt und dann das tausendjährige Friedensreich beginnt.
Nein, jetzt breitet sich das Christentum aus. Es durchdringt und transformiert das römische Reich. Dieses heidnische Reich wird jetzt ein christliches Reich und wird durchdrungen vom Christentum. Das ist es: Das tausendjährige Friedensreich ist jetzt.
Das hat Augustin zum Beispiel verbreitet, der um 400 lebte. Das war eine fatale Lehre, denn sie führte dazu, dass die Kirche, wie sie dann in Tirtira mit dem Papsttum entstand, eine Kirche wurde, die herrscht – und herrscht mit dem Schwert in der Hand. Alles aus einer falschen Prophetieauslegung.
Man sieht, wie wichtig es ist, wenn jemand behauptet, heute sei das tausendjährige Friedensreich. Das ist nicht einfach so eine mögliche Privatmeinung, sondern hat Auswirkungen darauf, wie wir die Welt sehen und unseren Auftrag als Christen verstehen. Das hat ganz konkrete Auswirkungen.
Diese Lehre verbreitet sich heute in der evangelischen Welt wieder massiv. Auch die Meinung, Mission bedeute die Transformation der Gesellschaft, das Christentum müsse alles durchdringen. Darum werden soziale Werke heute viel mehr gefördert. Das war schon immer klar in der Mission: Man kann nicht den Leuten predigen und dann zuschauen, wie sie verhungern. Man muss schon dafür sorgen, dass sie Wasser haben, Brunnen gegraben werden und so weiter.
Aber der Kernauftrag war immer klar: Das Evangelium von Jesus Christus verkündigen. Menschen müssen für die Ewigkeit gerettet werden. Doch heute dreht sich alles darum. Das hängt damit zusammen, dass diese Lehre heute wieder massiv unter Evangelikalen verbreitet wird – dass das tausendjährige Friedensreich heute schon sei.
Das war genau der Irrtum zur Zeit der konstantinischen Wende und führte zu einer völlig falschen Sicht. Man sah nicht mehr, dass die Gemeinde, die Kirche ein Fremdling in der Welt ist. Unsere Heimat ist oben, und wir warten auf die Wiederkunft Christi.
Nein, wir sind hier. „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist.“ Einmal fragte mich eine Bibelschülerin. Ihr Dozent hatte sie verwirrt, indem er sagte, das tausendjährige Friedensreich sei schon jetzt. Ich sagte: „Du kannst das so herausfinden: Geh in den Zoo nach Zürich. In einer Hand hast du Fleisch, in der anderen Stroh. Halte beides dem Löwen hin. Wenn er das Stroh nimmt, dann sind wir im tausendjährigen Friedensreich, sonst nicht.“ Das ist Jesaja 11.
Mach das klar: Nein, wir sind nicht im tausendjährigen Friedensreich, und der Teufel ist heute los, er ist nicht gebunden. Es ist unglaublich, wie Dinge verdreht werden können. Aber das war damals schon so und hatte verheerende Auswirkungen. Die Gläubigen verloren ihren Fremdlingscharakter in dieser Welt.
Doch der Herr sagt auch etwas Positives: Er sagt gleich, „aber du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht verleugnet.“ Da gab es diese Wellen von Christenverfolgung vom ersten bis ins vierte Jahrhundert. Der Teufel versuchte mit brutaler Gewalt, die Gemeinde zu zerstören und ihr Zeugnis zu vernichten. Als das nicht funktionierte, schrieb Tertullian um 200: „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“ Je mehr Menschen dem Tod überantwortet wurden, desto mehr kamen zum lebendigen Glauben.
Jetzt war alles anders geworden mit dieser Wende. Es kamen viele Irrlehren auf, die das Zentrum des Glaubens betrafen: Wer ist Jesus Christus? Es wurde gesagt, Jesus Christus sei nicht Gott, sondern ein Mensch, ein höheres Wesen, die erste Schöpfung von Gottvater, aber nicht von Ewigkeit her. Oder es wurde gesagt, er sei kein wirklicher Mensch geworden. Er habe zwar einen menschlichen Körper gehabt, aber der Geist sei nicht menschlich gewesen. Der Logos, das Wort, habe nur einen menschlichen Körper angenommen.
Ich könnte viele Variationen aufzählen, die damals verbreitet wurden: Jesus Christus sei dem Vater nicht gleich und so weiter. Die Christenheit war am Rand des Abgrunds. Gerade in der Germanenmission wurde verbreitet, Jesus Christus sei nicht Gott, sondern das erste Geschöpf von Gottvater. Das ist genau die Lehre der Zeugen Jehovas. Sie glauben an einen anderen Jesus.
Der Apostel Paulus warnt in 2. Korinther 11, wenn jemand einen anderen Jesus predigt – einen anderen Jesus. Der Jesus der Zeugen Jehovas ist ein anderer Jesus als der Jesus der Bibel. Die Germanen übernahmen durch einen Irrlehrermissionar diese falsche Lehre.
Dann kam das Konzil von Nizäa 325. Das war ein ökumenisches Konzil. Ökumenisch heißt, es umfasste den ganzen Erdkreis des Römischen Reiches. Vertreter von Kirchen aus dem gesamten Reich waren dabei. Dort wurde die Frage behandelt: Wer ist Jesus Christus?
Schließlich wurde bekannt: Jesus Christus ist dem Vater gleich, von Ewigkeit her Gott. Damit war diese Gefahr für große Teile der Christenheit abgewendet. Doch in der Geschichte gab es Skandale und Intrigen. Die Christenheit war korrupt und verdreht. Trotzdem kam die Wahrheit der Bibel durch.
Die Bibel lehrt, dass Jesus Christus dem Vater absolut gleich ist. Er ist ewiger Gott und wahrer Mensch geworden. Darum heißt es auch in Titus 2, Vers 13:
„Indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus.“
Hier wird Jesus Christus genannt: unser großer Gott und Heiland. „Unser großer Gott“ bezieht sich in dieser Stelle nicht auf Gottvater, sonst wäre es in der griechischen Grammatik anders formuliert. Grammatikalisch ist es ganz eindeutig, dass „großer Gott“ und „Heiland“ dieselbe Person darstellen.
Das ist eine Regel in der Grammatik, wenn zwei Hauptwörter a und b mit „und“ verbunden sind, in der Einzahl, aber nur vor einem der Wörter steht der bestimmte Artikel im Griechischen, dann ist es dieselbe Person. Diese Regel nennt man Granville-Sharps-Rule. Es ist überhaupt nicht möglich, eine Ausnahme zu zeigen.
Man muss klar definieren: Es dürfen keine Eigennamen sein, sondern zwei Hauptwörter in der Einzahl. Grammatikalisch ist eindeutig: „Unser großer Gott und Heiland“ ist dieselbe Person, Jesus Christus.
Das wurde dort bekanntgegeben und abgelehnt. Genau da, in diesem Sendschreiben, sagt Herr Jesus: „Und du hältst fest an meinem Namen.“ Der Name drückt in der Bibel aus, was eine Person ist. Der Name Gottes drückt aus, was Gott in seinem Wesen ist. „Du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht verleugnet.“
Auch in den Tagen, in denen Antipas, mein treuer Zeuge, bei euch ermordet worden ist, wo der Satan wohnt. Antipas heißt „einer gegen alle“. Antipas war ein treuer Zeuge. Solche Männer gab es damals, die aufstanden und klar machten: Wenn wir den Glauben an Jesus Christus aufgeben, dass er wahrer Gott und wahrer Mensch ist, dann verlieren wir alles.
Dann sind wir wie Maria Magdalena, die am Grab weinte und sagte: „Sie haben meinen Herrn weggenommen.“ Aber er lebt ja damals. So verliert man Jesus Christus. Es wurde seelsorgerlich argumentiert, nicht einfach kalt theologisch: „Ja, war Gott, war Mensch, dack dack dack.“ Nein, die Herzen wurden angesprochen. Es wurde erklärt: Wenn wir das aufgeben, verlieren wir alles. Dann hat unser Glaube keinen Sinn mehr.
Obwohl die Christenheit damals korrupt war, kam die Wahrheit durch in diesem Konzil. Eine Klammer: Es darf keine Verwirrung entstehen, wenn ich über ein ökumenisches Konzil spreche. Die Reformatoren – wir kommen später bei Sardes darauf – verworfen die Macht der Konzilien völlig. Sie sagten: Nur die Schrift allein kann uns die Wahrheit zeigen. Nicht das, was Päpste oder Konzilien bestimmen.
Doch die Reformatoren hielten am Bekenntnis von Nizäa und späteren Bekenntnissen von Konstantinopel 381 fest, wo bekannt wurde, dass der Heilige Geist Gott ist und keine unpersönliche Kraft. Wie konnten sie das tun? Sie sagten: Wir glauben das nicht, weil ein Konzil es bekannt hat. Das hat keine Autorität. Wir glauben es, weil es der Heiligen Schrift entspricht. Wir glauben es, weil die Bibel es lehrt, nicht weil das Konzil von Nizäa es bekannt hat.
Wenn wir die Kirchengeschichte betrachten, sehen wir, dass die Christenheit am Rand war, den wahren Glauben zu verlieren, Jesus Christus zu verlieren. Dort kam die Wende – durch Einzelkämpfer wie Antipas, „einer gegen alle“, die bereit waren, sich ganz für den Herrn hinzugeben.
Vers 14: „Aber ich habe ein Kurzes gegen dich, dass du solche dort hast, die die Lehre Bileams festhalten, der den Balak lehrte, einen Fallstrick vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben.“
Manche Übersetzungen sagen „Ich habe ein Weniges gegen dich.“ Dieser Ausdruck im Griechischen bedeutet nicht, dass das, was folgt, unwichtig ist, sondern dass es in wenigen Worten gesagt wird. Also: Etwas Kurzes habe ich gegen dich, nämlich dass es solche gibt, die die Lehre von Bileam halten.
Was hatte dieser Prophet, der Israel am Ende der Wüstenwanderung verfluchen sollte, gelehrt? Er sah ein Geschäft. Der König von Moab ließ ihn von weit her kommen, um Israel zu verfluchen. Er dachte: Wenn Gott mir erlaubt, Israel zu verfluchen, dann werde ich viel Geld verdienen. Gott erlaubte es ihm nicht. Er musste Israel segnen.
Aber dieser Halunke überlegte, wie er doch noch einen Fluch bringen könnte. Er gab dem König von Moab den Tipp: Schau, Israel kann man nicht verfluchen. Gott segnet sie. Aber wenn du sie zum Götzendienst verführst, dann wird Gottes Gericht über sie kommen.
Darum organisierten die Mädchen von Moab eine Baal-Feier mit schrecklichster Unmoral und luden die Israeliten ein. Das ist die Sünde von Baal-Peor. Dort wurde Unzucht getrieben in Verbindung mit der Baal-Religion, etwas Abscheuliches. Dann kam Gottes Gericht über Israel, und 24.000 starben.
Die Lehre Bileams ist: Man kann einen Wiedergeborenen zwar nicht verfluchen, er ist gerettet, aber man kann ihn verführen, und dann kommt Gottes Zucht über ihn. Hier wird von Götzenopfern und Hurerei gesprochen.
Beides kam in dieser Zeit von Pergamos in die Kirche hinein. Das war die Zeit, in der immer mehr Aberglaube, die Verehrung von Heiligen und Reliquien, und so weiter in die Kirche kamen. Das war nichts anderes als Götzendienst.
Der Teufel konnte die Gemeinde nicht durch Verfolgung zerstören. Jetzt versuchte er es, indem er sie mit der Welt verband. Sie kamen zur Macht, und er brachte Aberglaube und Okkultismus in die Kirche hinein. Das entspricht der Lehre Bileams, einem Fallstrick, der Gläubige zu Fall bringt.
Weiter heißt es in Vers 15: „So hast auch du solche, die in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten.“ Immer mehr ihrer Lehren kamen ab dem vierten Jahrhundert in die Kirche, ganz entsprechend der Situation in Pergamos.
Der Herr sagt in Vers 16: „Tu nun Buße! Wenn aber nicht, so komme ich bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwert meines Mundes.“ Der Herr ruft zur Buße auf, und wenn nicht, wird er kommen, um Gericht zu halten.
Vers 17: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“ Diese Warnungen gelten für alle Gemeinden, auch für uns heute.
Dann die Verheißung an die Überwinder: „Dem, der überwindet, werde ich von dem verborgenen Manna geben, und ich werde ihm einen weißen Stein geben, und auf den Stein einen neuen Namen geschrieben, den niemand kennt als nur der, der ihn empfängt.“
Hier werden die wahren Wiedergeborenen angesprochen, die diese Dinge überwinden. Was beinhaltet das verborgene Manna? Den weißen Stein?
Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Im Altertum, wenn man einen VIP-Gast ehren wollte, ließ man ihm einen weißen Stein mit seinem Namen überbringen. Das war eine Einladung. Der Herr Jesus sagt also den Überwindern eine spezielle Einladung zu.
Was gibt es zu essen? Verborgenes Manna. Manna ist das Brot vom Himmel während der Wüstenwanderung. Das erste Mal, als es erschien (2. Mose 16), kamen die Israeliten aus ihren Zelten und sagten: „Man hu, man hu!“ – „Was ist das?“ So wurde die Speise genannt: Manna, im Neuen Testament „Manna“ ausgesprochen.
Es ist eine Frage: Was ist das? Herr Jesus macht in Johannes 6 klar, dass er das wahre Brot vom Himmel ist. Wenn man die Bibel liest, findet man Jesus Christus auf jeder Seite. Man muss beim Bibellesen fragen: Was bedeutet das? Man hu, man hu! Das ist Manna, das ist Jesus in seiner Person.
Verborgenes Manna ist die Ration, die Mose nehmen musste und in einen goldenen Krug tat (2. Mose 16). Dieser goldene Krug wurde später in der Bundeslade im Allerheiligsten aufbewahrt. Hebräer 9 spricht über diesen goldenen Krug in der Bundeslade.
Das ist also Manna an dem verborgensten Ort, der denkbar ist. Nicht irgendwo in Israel, sondern in der Stiftshütte, nicht im Vorhof, sondern im Tempelhaus, nicht im Heiligen, sondern im Allerheiligsten, und dort im Zentralsten, in der Bundeslade, in einem goldenen Krug.
Das sind die verborgensten Herrlichkeiten der Person des Herrn Jesus. Hier sagt er den Überwindern: Wer überwindet, den werde ich besonders einladen. Ich werde ihm Herrlichkeiten meiner Person zeigen und ihn in der Ewigkeit daran teilhaben lassen – in die tiefsten Tiefen der Gottheit hinein.
Das ist etwas ganz Gewaltiges, was hier versprochen wird. Und wieder hat das einen Zusammenhang. Pergamos spricht von der Zeit der vielen Irrlehren über die Person des Herrn Jesus. Aber die Überwinder werden ihn umso tiefer in der Ewigkeit erkennen.
Das Sendschreiben an Thyatira: Die Gefahr falscher Lehren
Jetzt gehen wir weiter, Vers 18: „Und dem Engel der Gemeinde in Thyatira schreibe: Dieses sagt der Sohn Gottes, der seine Augen hat wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer. Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und deinen Ausharren und weiß, dass deine letzten Werke mehr sind als die ersten.
Aber ich habe gegen dich, dass du die Frau Jesabel duldest, die sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen. Ich gab ihr Zeit, damit sie Buße tue, und sie will nicht Buße tun von ihrer Hurerei. Siehe, ich werde sie in ein Bett werfen und die, die Ehebruch mit ihr treiben, in großer Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken. Und ihre Kinder werde ich mit Tod töten, und alle Gemeinden werden erkennen, dass ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht. Ich werde euch einem jeden von einem jeden nach euren Werken vergelten oder geben.
Euch aber sage ich, den Übrigen, die in Thyatira sind, so viele, die diese Lehre nicht haben und die die Tiefen des Satans, wie man sagt, nicht erkannt haben: Ich werfe keine andere Last auf euch, doch was ihr habt, haltet fest, bis ich komme. Und wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben. Er wird sie weiden mit eisener Rute, wie Töpfergefäße zerschmettert werden, wie auch ich von meinem Vater empfangen habe, und ich werde ihm den Morgenstern geben.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“
Thyatira heißt „verdorbener Opfergeruch“. Es ist die Fortsetzung dessen, was Pergamos darstellt. Als Folge der konstantinischen Wende und der Vermischung mit der Welt und der Macht entstand das Papsttum und die römische Kirche.
Das geschah um 440, als der Papst in Rom – damals einfach der Bischof von Rom – sagte: „Ich bin übrigens der höchste Bischof über alle Bischöfe der Welt.“ Damit war das Papsttum geboren.
Wie ist es so weit gekommen? Die Entwicklung war diese: Im Neuen Testament sehen wir, dass örtliche Gemeinden, wenn sie von einer Führerschaft geleitet wurden, von Ältesten geleitet wurden – immer in der Mehrzahl. Es gibt nicht den Ältesten der Gemeinde, sondern die Ältesten. Das heißt, durch Personen, die auch Aufseher genannt werden. Dieses Wort Aufseher, griechisch Episkopos, hat später das Wort Bischof gegeben. Also Bischof ist einfach ein Ältester in einer Gemeinde, der als Vorbild vorangehen soll in der Leitung einer örtlichen Gemeinde.
Im zweiten Jahrhundert hat man diese Ämter Bischof, also Aufseher, und Ältester auseinandergerissen. Im Neuen Testament ist es dasselbe, denn Paulus ruft ja in Apostelgeschichte 20 die Ältesten von Ephesus nach Milet und sagt, der Heilige Geist hat euch als Aufseher eingesetzt. Aber es wurde auseinandergerissen, das heißt, über den Ältesten war der Bischof. Dann hat man den Bischof später noch weiter mit Macht versehen.
Über mehrere Gemeinden gab es einen Oberbischof. Der Oberbischof war über mehrere Gemeinden, wo auch über den Ältesten ein Bischof war. Mit der Zeit wurden die Oberstenbischöfe über alle Bischöfe ernannt. Ja, das waren die Bischöfe von Jerusalem, Alexandria, Ägypten, Konstantinopel (heutige Türkei) und Rom. Schließlich hat um 440 der Bischof in Rom gesagt: „Ich bin der Oberste auch über Alexandria, Jerusalem, Konstantinopel.“ Damit war das Papsttum geboren.
Das Papsttum war gewissermaßen der Ausdruck der Idee, dass die Kirche die Lehrgewalt hat. Die Kirche wurde in der katholischen Theologie als die reine, unbefleckte Kirche bezeichnet, und sie lehrt, sie habe die Lehrgewalt – praktisch eben über das Amt des Papstes, über die Kardinäle, die unter dem Papst standen, und die Konzilien.
Hier wird gesagt: „Ich habe gegen dich, dass du die Frau Jesabel duldest, die sich eine Prophetin nennt und sie lehrt.“ Jetzt muss man daran denken: Der Apostel Paulus sagt in 1. Timotheus 2,11: „Einer Frau erlaube ich nicht zu lehren, noch über den Mann zu herrschen.“ Also die Aufgabe des Lehrens mit männlicher Autorität soll die Frau nicht übernehmen. Aber hier macht es eine Frau – das ist also eine Person, die Macht in Anspruch nimmt, die ihr gar nicht gehört – und sie lehrt, aber sie lehrt falsch.
So hat die Kirche über das Papsttum sich diese Macht angeeignet: Die Kirche lehrt. Das werden ja die Reformatoren später korrigieren, die sagen: „Nein, nicht die Kirche lehrt, Jesus Christus lehrt durch sein Wort.“ Das ist die Autorität, der wir uns beugen müssen. Aber die Kirche kann sich irren, wir können uns irren.
Hier wird diese Kirche dargestellt in der katholischen Theologie als eine Frau, die in sich unfehlbar ist und eben rein. Was heißt Jesabel? Die Unbefleckte? Ja, unglaubliche Parallelen.
Sie lehrt und verführt meine Knechte, sagt der Herr, eben Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen. Man muss sich zum Beispiel vorstellen, die Lehre, dass bei der Messe das Brot und der Wein in den wirklichen Leib Jesu und das wirkliche Blut Jesu verwandelt werden. Dann wird die Hostie angebetet, und Menschen knien nieder vor der Hostie, weil sie sagen: „Das ist Gott. Jesus Christus ist Gott, und dieses Brot ist Jesus Christus, also kann man das Brot anbeten.“
Nach der Bibel ist die Verehrung von Materie Götzendienst, und das ist genau ein Götzenopfer. Dann wurde das Zölibat eingeführt, also die Verpflichtung zur Ehelosigkeit, auch für solche, die gar nicht die Berufung haben, einen Weg der Ehelosigkeit zu gehen. Das wurde, wie wir wissen, für unzählige Kleriker zum Fallstrick, sodass sie gerade in Hurerei fielen.
Dadurch erkennt man die Parallelen zur Frau Jesabel, die sich eine Prophetin nennt und ihre Knechte verführt, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen. Der Herr sagt: „Ich gab ihr Zeit, Buße zu tun.“ Wenn man an die lange Zeit des Mittelalters denkt – ab 440, als Leo I. der erste Papst wurde, dann um 600, je nach Historiker das Frühmittelalter beginnt – dann das Sieben-, Acht-, Neunhundert und so weiter, Hochmittelalter, Spätmittelalter, fünfzehntes Jahrhundert –, das sind ungefähr tausend Jahre in diesem Zustand. „Ich gab ihr Zeit, Buße zu tun.“ Das war eine unglaublich lange Zeit, aber Gott hat gewartet.
Interessant ist, dass in Vers 24 der Herr sagt: „Euch aber sage ich den Übrigen, die in Thyatira sind, so viele, die diese Lehre nicht haben.“ Der Herr sieht, in Thyatira sind nicht alle gleich. Es gibt auch solche, die innerlich getrennt sind von diesen falschen Lehren, und die kennt er – die Übrigen.
Da wird also über die Hauptmasse von Thyatira gesprochen und dann über die Übrigen in Thyatira.
Wenn der Herr zu Thyatira spricht, sagt er in Vers 18 am Anfang: „Und dem Engel der Gemeinde in Thyatira schreibe.“ Er spricht den Engel der Gemeinde an. Wir haben gemerkt, ich habe noch kein einziges Wort über diesen Ausdruck gesagt, obwohl er immer wieder vorkommt. Ich habe ihn einfach vorgelesen und nichts dazu erklärt. Jetzt muss ich etwas dazu sagen, damit man es besser versteht.
Engel, griechisch Angelos, heißt „einer, der geschickt ist“, ein Bote. Das Wort wird im Alten Testament verwendet für Engel, Geistwesen, die Gott geschaffen hat, um ihm zu dienen. Das Wort wird aber auch gebraucht, zum Beispiel für Boten eines Königs.
In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, in 2. Könige 1, werden Boten eines Königs auch Engel genannt. Darum sagt Johannes der Täufer in Markus 1: „Siehe, ich sende meinen Boten, dass er den Weg vor mir bereite.“ Mein Bote ist mein Angelos. Niemand übersetzt „mein Engel“, weil es ein Mensch ist, aber es ist dasselbe Wort: mein Bote.
Engel heißt also einfach „einer, der gesandt ist“. Jetzt ist die Frage: Was meint hier „Engel der Gemeinde“ in Ephesus, Smyrna, Pergamos, Thyatira?
Wir müssen schauen, was der Herr dann sagt. In den weiteren Versen spricht er die Gemeinde an. Er sagt: „Ich kenne deine Werke und deine Arbeit und deinen Ausharren“ (Vers 2) oder bei Pergamos: „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist“ (Vers 13). Er spricht die Gemeinde an.
Es hat also nichts mit der Idee zu tun, dass da ein Engel am Eingang des Gemeindehauses steht. Das wäre der Engel der Gemeinde von außen. Das geht überhaupt nicht. Auch die Idee, das sei der Pfarrer, geht nicht. Den Begriff des Pfarrers gibt es im Neuen Testament gar nicht, sondern eben die Ältesten.
Aber hier ist die Gesamtheit angesprochen: Bei Ephesus heißt es: „Du hast meine erste Liebe verlassen.“ Das war nicht ein Engel am Eingangstor der Gemeinde, sondern die Gemeinde hat es gemacht. Die Gemeinde ist der Engel in dem Sinn, dass die Gemeinde von Gott gesandt ist, in dieser Welt ein Zeugnis zu sein, als Sterne, die himmlisches Licht verkündigen.
Der Begriff Engel meint also die Gemeinde, die gemeinschaftlich einen Auftrag hat, gesandt in diese Welt. Sie sind keine Apostel Jesu Christi – das waren eben die Zwölf und Paulus –, aber sie sind Gesandte. Wir haben alle einen missionarischen Auftrag.
Jetzt sehen wir, dass hier unterschieden wird: In Thyatira spricht der Herr ganz allgemein: „Ich kenne deine Werke, deine Liebe, deinen Glauben.“ Dann sagt er „den Übrigen, die in Thyatira sind.“ Also der Engel meint die Gemeinde oder die Hauptmasse der Gemeinde, und dann wird unterschieden, dass einige einen anderen Kurs gehen und ein echtes Problem haben.
Das sehen wir in dieser langen Geschichte vom fünften Jahrhundert über das Frühmittelalter, Hochmittelalter, Spätmittelalter immer wieder: Gläubige, die merken, das stimmt gar nicht, was da gelehrt wird. Die Heilige Schrift sagt etwas ganz anderes. Aber man hat den Menschen die Heilige Schrift weggenommen, es war verboten, die Bibel in die Volkssprachen zu übersetzen, nur Latein war erlaubt. Wer verstand dann schon Latein? Das war ein echtes Problem.
Aber es gab immer wieder Aufbrüche, bei denen man merkte: Das stimmt gar nicht. Man denkt zum Beispiel an die Waldenser und andere Bewegungen. Das entspricht den Übrigen, die in Thyatira sind. Und daher sieht er sie.
Das Sendschreiben an Sardes: Hinweis auf die Reformation
Und dann kommen wir zu Kapitel drei und dem Engel der Gemeinde in Sardes. Dort heißt es: „Dieses sagt der, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne.“
Bei Sardes sehen wir einen kirchengeschichtlichen Hinweis auf die Reformation. Nach einer langen Zeit, in der Gott gewartet und Gelegenheit zur Buße gegeben hat, will die Gemeinde nicht Buße tun.
Dann kam die Reformation, am 31. Oktober 1517. Sie wurde durch einen Katholiken ausgelöst. Das ist ganz wichtig: Die Reformation entstand innerhalb der katholischen Kirche. Luther wurde erst später aus dem System ausgeschlossen. Doch er erkannte die Wahrheit, als er noch Teil des Systems war. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.
Bevor wir weitermachen, möchte ich eine kurze musikalische Unterbrechung einlegen. So können wir den Rest mit der nötigen Spannkraft aufnehmen.