Erziehen, Erziehung. „Auferziehen“ ist im Alten Testament das von der leiblichen und geistigen Ernährung und Verpflegung des Kindes hergenommene Bild der göttlichen Führung mit seinem erwählten Volke, und es wird die Pflicht der Treue und Dankbarkeit des Pfleglings aus solcher Leib und Geist umfassenden Pflegerschaft Gottes hergeleitet, Jes. 1,2. Damit ist fürs erste die ganze Führung Gottes mit seinem Volke unter den Gesichtspunkt der Erziehen, Erziehung gestellt, als was sie sich auch durch ihr von Anfang an bestimmt ins Auge gefaßtes Ziel und ihren weisheitsvollen Stufengang erweist, und sofern durch Israels Erziehung alle Völker gesegnet werden sollen und gesegnet worden sind, offenbart sich hierin eine göttliche Erziehen, Erziehung des ganzen Menschengeschlechts. Sodann, wenn auch das Wort Erziehen, Erziehung im Sinn der menschlichen Jugenderziehung nicht vorkommt, so ist doch durch das Angeführte schon im Alten Testament der leitende Grundsatz und Grundgesichtspunkt für dieselbe aufgestellt, nämlich: die menschliche (Jugend-) Erziehen, Erziehung soll in ihrer Treue und ihrem Ziel ein Abbild der göttlichen Erziehungsweise u. Erziehungsweisheit sein. Das Alte Testament hat in dieser Hinsicht einen bedeutenden pädagogischen Gehalt. Das Ziel der göttlichen und also auch menschlichen Erziehen, Erziehung ist ausgesprochen schon 2 Mo. 19,6: ihr sollt mir ein heiliges Volk sein. Damit stimmt das Buch der Sprüche überein, worin die Grundsätze der alttest. Pädagogik (Erziehungslehre) am vollständigsten vorliegen. Es drückt den leitenden Grundgedanken der Erziehen, Erziehung aus in den Worten: „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang“ (Spr. 1,7; 9,10, vgl. Ps. 111,10). Es faßt die Untertänigkeitspflicht der Kinder unter die Eltern sehr streng, 30,17, kennt aber als Zuchtmittel nicht nur Strafen, insbesondere körperliche (22,15; 23,13), sondern auch das mahnende Wort (17,10) und die Macht der Gewöhnung (22,6). Die Pflicht der Unterweisung der Jugend im Gesetz tritt schon 2 Mo. 12,24 ff.; 13,8 hervor (vgl. auch 5 Mo. 6,7. 20 ff.).
Das Christentum bringt den neuen Gedanken der barmherzigen Liebe, in welcher Gott in Christo als der Erzieher des Menschen erscheint und dadurch auch der menschlichen Erziehen, Erziehung ein Vorbild gibt. Dieser neue Grundgedanke der Liebe liegt deutlich vorgebildet in der Freundlichkeit, womit der Herr Jesus die Kinder zu sich ruft und sie in seinem Namen aufzunehmen gebietet, Mt. 18,5; 19,14; Mk. 10,14. Infolge dieser Aufforderung darf auch die h. Taufe den unmündigen Kindern zukommen als eine göttl. Gnadenannahme derselben, welche die eigentliche Grundlage bildet für den Aufbau und Fortbau einer christlichen Erziehen, Erziehung Die einzigen Stellen, welche gewisse Einzelregeln auch für die christliche Erziehen, Erziehung geben, sind die Ermahnungen der sogen. Haustafel, Eph. 6,1-4 (vgl. Kol. 3,20 f.). Sie fügen dem Bisherigen den neuen Gesichtspunkt hinzu, daß christliche Erziehen, Erziehung eben nur im Schoß einer christl. Familie sein und gedeihen kann, wo alles in einem Glauben eins ist. Mit der Heiligung des Familienlebens, mit der Stiftung einer „christlichen Familie“ hat das Christentum erst recht eigentlich den Boden für die Erziehen, Erziehung geschaffen. In der Familie findet sich der einzelne als ein Glied, hat am Ganzen seine Umschränkung. Aber er hat doch auch als Einzelglied, als Einzelwesen in seiner besonderen Eigenart (Individualität) seine Berechtigung und Bedeutung — auch jedes Kind. Die Berechtigung u. Beachtung der Individualität bleibt also gewahrt; die individuelle Erziehung, das heißt die weise Berechnung der Erziehen, Erziehung auf die besondere gottgeschenkte Art und Anlage einer jeden Seele, zum Zweck der Heiligung, der gottgefälligen Herausbildung, nicht der Vernichtung derselben, ist einer der wesentlichsten Züge der göttl. Erziehen, Erziehungweise, darum auch ein innerster Gedanke christl. Erziehen, Erziehung, der nicht übersehen werden darf! Timotheus erscheint als die Frucht einer solchen, in christlichem Familienboden wurzelnden Erziehen, Erziehung, 2 Tim. 1,5. Im übrigen zeigen jene Stellen der Haustafel sowohl, daß der christl. Hauptgrundsatz der Liebe die Zucht nicht ausschließt, als auch, daß in der christlichen Erziehen, Erziehung eine gewisse weise und milde Freiheit herrschen muß (Eph. 6,4: „reizet nicht“), welche aus der eigenen Selbstzucht des Erziehenden hervorgeht, Maß hält in den Forderungen und der jugendlichen Entwicklung Zeitläßt. Als Hauptstück der Erziehen, Erziehung erscheint dort eben so klar die religiöse („zum Herrn“), wie als die Hauptseite des kindlichen Wesens, an welche sich der Erziehende wenden muß, das Gemüt, das Herz, das sittliche Bewußtsein hervortritt („Vermahnung“, wörtlich: „Zugemütführung“).
Daß der große christl. Grundsatz von der Sündhaftigkeit der Menschennatur auch auf die liebsten Kinder angewendet werden muß, daß diese niemals „Engel“ sind, versteht sich von selbst. Röm. 7,18; Joh. 3,6. Aber ebenso gewiß ist auch der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Keime des Guten, Züge nach oben auch in verderbten Menschen und Kindesherzen nicht fehlen, woran vielmehr anzuknüpfen ist, als daß man dieselben verkennen und vollends ertöten, irgend einmal den ganzen Menschen verdammen oder wegwerfen dürfte. Auch diese Praxis könnte nur „reizen“, Eph. 6,4. Endlich mögen christliche Eltern das weise Wort des Apostels 1 Kor. 3,7 bedenken, um sich nicht allzuviel auch von ihrer treuesten Sorgfalt zu versprechen, oder nicht untröstlich zu werden, wenn sie mit ihrem besten Bemühen nicht durchzudringen scheinen: „Wir pflanzen und begiessen; aber Gott ist es, der das Gedeihen gibt.“.