Ehe. Wenn die Auffassung der Ehe immer ein Maßstab für die sittliche Stufe eines Volkes ist, so braucht sich Israel neben den Kulturvölkern des Altertums nicht zu schämen. Es ist allerdings zu unterscheiden zwischen der ursprünglichen Gottesordnung der Ehe und den tatsächlichen Verhältnissen der Folgezeit. Aber einmal blieb die Stellung, welche Gott Mann und Weib bei der Schöpfung angewiesen hat, eine niemals völlig vergessene Forderung, und sodann vollzog sich allmählich unter der weisen Zucht des Gesetzes eine Läuterung des Begriffs der Ehe, welche zu der hohen Auffassung des ehelichen Lebens im Neuen Testament überleitete. Nach Gottes Willen sollte die Frau des Mannes Gehilfin sein, zwar seinem Willen unterworfen, aber des gleichen Wesens mit ihm. Diese würdige und wahrhaft befriedigende Stellung ist nur möglich bei der Einehe, und daß nur diese dem göttlichen Willen entspreche, geht deutlich aus der Erzählung 1 Mo. 2,20 ff. hervor. Die Doppelehe findet sich bezeichnenderweise zuerst bei den Kainiten. Später kommen Beispiele von Vielehe auch bei dem auserwählten Geschlecht vor. Aber es ist zu beachten, daß Abraham auf ausdrückliches Verlangen seiner Frau ein Kebsweib nahm und daß Jakob gegen seinen Willen zwei Frauen bekam (vgl. Jakob). Dagegen ist die Ehe Isaaks ein Beweis dafür, daß die ursprüngliche Ordnung noch nicht vergessen war. Das mosaische Gesetz hat in weiser Rücksicht auf die Schwäche des Volks die Vielehe nicht geradezu verboten, sondern nur Mißbräuche abgeschnitten, insbesondere dafür Sorge getragen, daß nicht aus Vorliebe für eine der Frauen das Erbrecht willkürlich abgeändert werde (5 Mo. 21,15). Auch durfte niemand gleichzeitig zwei Schwestern zu Weibern haben (3 Mo. 18,18). Wie aber die Einehe als das Normale galt, ist namentlich daraus zu entnehmen, daß das Verhältnis Gottes zu seinem Volk im Alten Testament sehr häufig unter dem Bild der Ehe dargestellt wird (zum Beispiel Hos. 2,19 f.). Die Verheiratung des Sohnes war nach patriarchalischer Sitte Sache der Eltern. Sie suchten ein Weib für denselben. Man fragte die Eltern, etwa auch den Bruder (1 Mo. 24,50; 34,11) der begehrten Braut um ihre Zustimmung, keineswegs immer das Mädchen selbst. Bei der Verlobung wurden der Braut und ihren Verwandten Geschenke gemacht (1 Mo. 24,53). Darüber, ob die „Morgengabe“ eine förmliche Kaufsumme oder ein freies Geschenk war, wird gestritten. Man wird sich dessen erinnern müssen, daß im Morgenland in alter und neuer Zeit manches ein Geschenk genannt wird, was in Wirklichkeit ein unvermeidlicher, genau abgemessener Tribut ist, und so mag auch bei der Eheschließung in Israel häufig das Geschenk, welches der Bräutigam der Sitte gemäß darbrachte, vorher fixiert worden sein. Auf eine vertragsmäßig verabredete Summe weist namentlich 2 Mo. 22,15 f. hin, wo nach dem Grundtext die Kaufsumme dem Vater zu entrichten ist. Siehe auch 1 Sa. 18,22 ff., welche Stelle übrigens zeigt, daß unter Umständen auch eine andere Leistung die Stelle des Geldes vertreten konnte, vgl. 1 Mo. 29,18; Jos. 15,16. Der Tochter gab der Vater etwa Mägde oder Äcker mit; wahrscheinlich wird man aber, wie dies noch heute geschieht, aus dem Geldgeschenk des Bräutigams die Aussteuer bestritten haben. Ein schriftlicher Ehevertrag kommt erst Tob. 7,15 f. vor. Ein Bruch des Verlöbnisses durch fleischliches Vergehen wurde an der Braut, falls sie sich nicht gesträubt, mit dem Tode bestraft, 5 Mo. 22,23 ff. Das heiratsfähige Alter trat ohne Zweifel für beide Geschlechter, wie noch heute im Morgenland, früher ein als bei uns.
War der Tag der Hochzeit gekommen, so holte der Bräutigam, von seinen Freunden begleitet, die Braut, die verschleiert und geschmückt war, mit ihren Gespielinnen unter Musik und Gesang ins Haus seines Vaters. Die Hochzeit dauerte mehrere Tage. Die Freude dieser Zeit ist bei den Propheten („die Stimme des Bräutigams und der Braut“) sprichwörtlich. Darüber, daß eine Einsegnung durch einen Priester stattgefunden hätte, findet sich im Alten Testament keine Andeutung. Die religiöse Auffassung der Ehe (Spr. 2,17; Mal. 2,14) läßt übrigens etwas derartiges vermuten.
Verboten waren vom Gesetz die Ehe zwischen Israeliten u. Kanaanitern, 2 Mo. 34,16. Es war nicht verwehrt, Weiber aus andern heidnischen Völkerschaften zu nehmen, 5 Mo. 21,10 ff.; nur verstand sich in diesem Fall von selbst, daß die Frau ihrem Götzendienst entsagen mußte. Ferner bestand in einer Reihe von Fällen das Ehehindernis der Verwandtschaft (s. 3 Mo. 18; 20,11 ff.; 5 Mo. 27,20 ff.). Todesstrafe war gesetzlich auf die fleischliche Vermischung mit der Mutter, der Stiefmutter, der Enkelin (die Tochter wird wegen Undenkbarkeit des Falles übergangen), der Stiefenkelin, der Stieftochter, der Schwiegertochter, der Schwiegermutter. Mit Ausrottung war bedroht die Ehe mit der Schwester und mit der Stiefschwester. Ob diese Ausrottung von Gott selbst oder von Menschen vollzogen werden sollte, wird nicht gesagt und ist daher Gegenstand des Streites. Die Strafe der Kinderlostgkeit stand auf der Ehe mit der leiblichen Tante, mit der Witwe des Vaterbruders, mit dem Weib des Bruders, wenn derselbe Kinder hinterlassen hatte, mit zwei Schwestern zugleich. Erlaubt war dagegen die Heirat mit der Nichte, mit der Witwe des mütterlichen Oheims, mit der Witwe des Schwestersohnes, mit der Schwester der verstorbenen Frau und die Ehe zwischen Geschwisterkindern. Der Grund dieser Eheverbote ist nicht bloß darin zu suchen, daß die Heiraten zwischen nahen Verwandten erfahrungsgemäß für die Nachkommenschaft oft nachteilige Folgen haben, sondern es ist besonders darauf Gewicht zu legen, daß die Liebe, welche naturgemäß zwischen den nächsten Angehörigen besteht, anderer Art ist als die eheliche Liebe. Daher sträubt sich schon das natürliche Gefühl gegen fleischliche Vermischung derer, welche durch Bande des Blutes zusammengehören.
Während das Gesetz nicht duldete, daß ein Mann die mit Kindern gesegnete Witwe seines Bruders heirate, wurde dagegen die Heirat mit der Witwe des kinderlos gestorbenen Bruders zur moralischen Pflicht gemacht, 5 Mo. 25,5-10. Selbstverständliche Voraussetzung ist, daß der überlebende Bruder überhaupt in der Lage war, zu heiraten. Der erste aus solcher Schwagerehe (Leviratsehe) hervorgehende Sohn hatte als Sohn des Verstorbenen zu gelten, damit dessen Geschlecht nicht erlösche. Diese uralte Sitte (vgl. 1 Mo. 38,6 ff.) wurde vom Gesetz anerkannt, ohne daß ein förmlicher Zwang geübt wurde. Der Verpflichtete konnte sich entziehen, mußte sich aber dann vor den Ältesten der Gemeinde die Schmach antun lassen, daß ihm die Schwägerin den Schuh auszog und ihm ins Gesicht spie. Das Ausziehen des Schuhs bedeutet den Verzicht auf die Erbschaft des Verstorbenen. Daß Mt. 22,23 ff. auf diese Sitte Bezug genommen wird, ist bekannt.
Der Ehebruch, das heißt der außereheliche, fleischliche Umgang einer in der Ehe lebenden Person wurde an beiden Schuldigen nach 3 Mo. 20,10; 5 Mo. 22,22 mit dem Tode bestraft. Der Mann konnte sich übrigens dieses Vergehens nur schuldig machen durch Unzucht mit der freien Gattin eines andern. Hatte er sich mit einer Sklavin vergangen, so kamen beide mit einer gelinden Strafe davon, 3 Mo. 19,20 ff. In seiner ganzen Strenge galt das Verbot des Ehebruchs nur der Frau, was damit zusammenhängt, daß die Vielweiberei nicht ausgeschlossen war. Übrigens war der Mann nicht genötigt, seine Frau, wenn sie die Ehe gebrochen hatte, zur Strafe zu bringen (vgl. Mt. 1,19). Falls der Mann seine Frau im Verdacht des Ehebruchs hatte, konnte er von ihr fordern, daß sie sich durch das sogenannte Eiferopfer von diesem Verdacht reinige, 4 Mo. 5,11-31. Die Frau mußte ein bitteres Wasser trinken, in welchem sich Staub vom Boden der Stiftshütte befand. Der ihr vom Priester vorgehaltene Fluch wurde auf einen Zettel geschrieben und hierauf letzterer mit dem Fluchwasser abgewaschen, damit die Frau den Fluch gleichsam trinke. War sie unschuldig, so schadete ihr dieser Trank nicht. Im Fall der Schuld sollte durch besondere göttliche Wirkung ein Anschwellen des Unterleibs u. damit zusammenhängend die fernere Unfruchtbarkeit eintreten. Es ist nicht gesagt, daß die Strafe sofort kommen werde, auch nicht, daß das Wasser an sich schädlich sei. Vielmehr wird es Gott dem Herrn, der das Verbot des Ehebruchs gegeben, überlassen, diejenige zu strafen, welche sich durch das Leugnen ihrer Schuld dem menschlichen Richter zu entziehen sucht.
Die Ehescheidung war ein Recht des Mannes, nicht der Frau. Das Gesetz konnte und wollte die bestehende Rechtsungleichheit nicht aufheben; zuvor hätte die Vielweiberei beseitigt werden müssen. Aber es wurde wenigstens der Willkür des Mannes eine Schranke gezogen. Es wird 5 Mo. 24,1-4 gefordert, daß der Mann, der seine Frau entlassen will, ihr einen Scheidebrief mitgeben solle. Dadurch erhielt sie die Ermächtigung, sich wieder zu verheiraten, freilich nie mit dem Mann, der sie einmal entlassen hatte. Dies war eine Beschränkung der Laune des Ehemanns. Der Ausdruck V. 1 „um einer Schändlichkeit willen“, der übrigens wie der ganze Vers nicht Bestandteil eines Gebots ist, sondern nur das Herkommen bezeichnet, ist allerdings vieldeutig. Die Juden haben zur Zeit Jesu sogar behauptet, wenn die Frau ihrem Manne irgend Grund zur Unzufriedenheit gegeben habe, so sei er befugt, sie zu entlassen, während allerdings andere jenen Ausdruck auf Unzuchtvergehen bezogen. Das Gesetz hat auf dem Gebiet des ehelichen Lebens dem fleischlichen Sinn des Volkes Zugeständnisse gemacht, welche nicht für immer gelten konnten, hat aber auch die Aufhebung derselben angebahnt. Der, welcher auch Mose gegenüber sprechen konnte: „ich aber sage euch“, hat die Ehescheidung - abgesehen vom Fall des Ehebruchs — völlig verworfen und dem Verbot des Ehebruchs eine Auslegung gegeben, durch welche auch die letzte Spur der Unwürdigkeit beseitigt wurde, welche unter dem Alten Bund der Stellung des weiblichen Geschlechts noch anhaftete. Vgl. 1 Kor. 7,4 und den Art. Frauen.