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Welt

Wo Luther im Alten Testament dieses Wort gebraucht, ist es meist die Übersetzung von „Erde“ und bezeichnet bald die bewohnte Erde selbst — so in dem Ausdruck: „der Welt Ende“ (5Mo 28,49 und öfter) — bald die auf der Erde wohnende Menschheit (1Mo 11,1 und öfter). Ein zusammenfassendes Wort für die ganze Schöpfung hat das Alte Testament nicht, sondern es setzt dafür „Himmel und Erde“ (1Mo 1,1). Erst in den Apokryphen taucht das entsprechende griechische Wort „Kosmos“ auf, welches das Weltgebäude als ein wohlgeordnetes, sinnvolles Ganzes bezeichnet und das dann auch im Neuen Testament das gewöhnliche Wort für Welt in ihren verschiedenen Bedeutungen geworden ist. In den Apokryphen hat dieses Wort noch nirgends eine sittlich ungünstige Bedeutung.

An anderen Stellen des Alten Testaments ist Luthers „Welt“ die Übersetzung für olam, welches eigentlich die ins unbestimmte Dunkel sich verlierende Vergangenheit oder Zukunft, oder weiterhin die Ewigkeit bezeichnet, so in der Redensart „von der Welt her“ (Ps 25,6; 119,52; Jes 64,3 so auch Ps 24,7.9: „erhöht euch, ihr uralten Pforten“ (statt Luther: „die Tore in der Welt“)). Bedeutsam ist aber diese Übersetzung Luthers von olam mit Welt für das Neue Testament geworden, weil auch das entsprechende griechische Wort: aion, Äon, von Luther oft mit „Welt“ übersetzt worden ist; hier oft wirklich dem wahren Sinn damit näher kommend. Im Neuen Testament ist der Sprachgebrauch der einzelnen Bücher zu unterscheiden. In den drei ersten Evangelien und der Apostelgeschichte ist Welt ganz wie im Alten Testament bzw. in den Apokryphen bald die Gesamtheit des Erschaffenen (Mt 24,21; 25,34; Lk 11,50; Apg 17,24 usw.), bald der ganze von der Menschheit bewohnte Erdkreis (Mt 4,8; 13,38; 18,7; Mk 16,15). Dieser Sprachgebrauch kehrt zwar in allen anderen Büchern des Neuen Testaments auch wieder (Joh 17,24; Röm 1,20; Eph 1,4; Joh 12,19; Röm 1,8; 1Kor 4,9; Kol 1,6), aber daneben geht, besonders bei Johannes und Paulus, ein anderer Sprachgebrauch her, nach welchem die Welt als das Ungöttliche, ja Widergöttliche erscheint. In keinem anderen Wort hat sich die Überzeugung, dass die Sünde mit ihrem Verderben die ganze Menschheit, ja die ganze mit der Menschheit zusammenhängende Sphäre der Schöpfung ergriffen hat, so klar und scharf ausgesprochen, als in diesem Sprachgebrauch, wonach ein Wort die Gesamtheit des von Gott Geschaffenen und die Gesamtheit des von Gott Abgefallenen bezeichnet. Genauer gliedert sich diese Bedeutung des Wortes Welt in dreifacher Beziehung.

1) Die Welt als Gesamtheit des gottlosen, gottfeindlichen Wesens und seines Verderbens.
In dieser Beziehung heißt der Teufel „Fürst oder Gott der Welt“ (Joh 12,31; 14,30; 16,11; 2Kor 4,4; Eph 6,12). Ja die Welt selbst erscheint als die personifizierte gottfeindliche Macht, die durch die Scheingüter von Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen und durch falsche Weisheit ihre Opfer an sich fesselt (1Joh 2,15; 2Petr 1,4; 1Kor 1,20; 3,19; Jak 1,27), aber sie mit sich hineinzieht in das Verderben (1Joh 2,15ff.; 2Petr 1,4; 2,20; 1Kor 7,31). Das Weltleben zeigt sich als ein Leben, das aufgeht in rein irdischen Sorgen und Freuden (1Kor 7,33f.; 2Kor 7,10), und sich zur Feindschaft gegen Gott entwickelt (Jak 4,4). Diese Welt ist ohne Licht und Leben (Joh 3,19; 6,33), ist Gott gegenüber im Schuldbann (Röm 3,19), sie liegt im Argen (1Joh 5,19). Um sie von der jenseitigen, gotterfüllten Welt zu unterscheiden, heißt die gottfeindliche Welt auch oft genauer „diese Welt“ (Joh 8,23; 12,31; 13,1; 16,11; 18,36; 1Kor 1,20; 5,10; 7,31; Eph 2,2).

2) Die Welt als Gegenstand des göttlichen Erbarmens und der Erlösung.
Gott hat die Welt geliebt, das bezeugt die Sendung seines Sohnes (Joh 3,16f.; 4,42; 12,47; 2Kor 5,19; 1Tim 1,15; 1Joh 4,9.14). Er trägt und versöhnt die Sünden der Welt (Joh 1,29; 1Joh 2,2), er gibt ihr, was sie ohne ihn entbehrt, Licht, Leben und Frieden (Joh 1,4; 3,19; 6,33.51; 8,12; 9,5; 12,46; 14,27). In diesen Worten ist allerdings bald die Größe der Welt, die erlöst wird, bald das Verderben der Welt, das überwunden wird, der Hauptgesichtspunkt.

3) Die Welt als Gegensatz der erlösten Gotteskinder. Weil nämlich nicht die ganze Welt sich erlösen lässt, so entfaltet sich das ursprüngliche Wesen der Welt vollends ganz in ihrer Verstockung gegen die Wahrheit und in ihrer Feindschaft gegen Christus und seine Gemeinde (Joh 1,10; 15,18ff.; 17,25; 1Kor 1,21ff.; 1Joh 3,13). Obwohl das Reich Gottes ja stetig in der Welt sich ausbreitet und die Welt überwindet (1Joh 5,4), so bleibt doch der Name Welt an dem ungläubigen Rest hängen. Durch falsche Propheten, die von der Welt ausgehen und das Welt wesen an sich tragen, wird die Welt immer mehr in ihrem Sinn bestärkt (1Joh 4,5); aber es vollzieht sich eben damit auch schon ein Gericht an der Welt, so wenig Jesus selbst gekommen ist, um die Welt zu richten (Joh 3,17ff.; 9,39; 12,31; 1Kor 1,19ff.). Aber der sich gegen ihn abschließenden Welt wird immer mehr seine Offenbarung und vollends der Geist der Wahrheit vorenthalten (Joh 14,19ff.; 17,9; 14,17). Dem gegenüber hat die Jüngerschaft Jesu, die durch ihn der Welt entnommen ist, die Pflicht, sich innerlich los zu machen von der Welt (Joh 15,19ff.; 17,12ff.; Jak 1,27), um nicht in ihr Gericht verwickelt zu werden (1Kor 11,32); Christen sind tot für die Welt und die Welt für sie (Gal 6,14; Kol 2,20). Auch von den Resten von Wahrheitserkenntnis, die in der Welt etwa vorhanden sind, soll ein Christ sich nicht binden und von der vollen, freien Erkenntnis der Wahrheit abhalten lassen, denn ihr Gehalt ist dürftig und ihre gesetzliche Form schädlich (die äußerlichen „Satzungen der Welt“ (Gal 4,3; Kol 2,8.20). Am schärfsten ist dieser Gegensatz zwischen der Welt und den Jüngern Jesu zum Ausdruck gekommen in den Abschiedsreden und im hohepriesterlichen Gebet Jesu, sowie im 1. Johannisbrief.

Während aber in den drei ersten Evangelien dieser Sprachgebrauch von Welt (kosmos) als der Gesamtheit des Widergöttlichen und auch die Verbindung: „diese Welt“ nicht vorkommt, findet sich daselbst das schon oben erwähnte Wort „Äon“ öfters allein oder in der Verbindung „dieser Äon“, und Luther hat dasselbe gewöhnlich auch mit „Welt“ übersetzt, obwohl es in diesen Stellen genauer „Weltzeit“ bedeutet. Und hier klingt nun auch der Gedanke durch, daß die gegenwärtige „Weltzeit“ eine durchaus von Gott abgekehrte ist; so in dem Ausdruck: die „Kinder dieser Welt“ (Lk 16,8; 20,34), „die Sorgen der Welt“ (Mt 13,22). Bei Paulus kommt das Wort ebenso ganz in derselben Bedeutung wie kosmos vor (Röm 12,2; 1Kor 1,20; 2,6; 3,18; 2Kor 4,4; Gal 1,4; 2Tim 4,10). Der gegenwärtigen Weltzeit steht die künftige gegenüber als die Vollendung des Reiches Gottes (Mk 10,30; Lk 20,35, vergleiche Hebr 6,5). Jene schließt und diese beginnt mit der Wiederkunft Christi.