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Micha

Micha (Abkürzung für Michael oder Michajah: „wer ist wie Gott? oder Jahveh?“)

1) der judäische Prophet, der Verfasser des unter unsern sog. kleinen Propheten an sechster Stelle stehenden Buches. In der Überschrift und Jer. 26,18 heißt er der Moraschtiter wohl nach seinem Geburtsort Moreseth (s. d.) zum Unterschied von dem älteren Propheten zur Zeit des Ahab, dem Sohne Jimlas. Ältere Schrifisteller haben wegen 1 Kö. 22,28 beide Männer für einen und denselben erklärt; allein die Schlußworte dieses Verses: Und er sprach: „höret zu alles Volk“ scheinen aus Mi. 1,2 (Luther hier: „alle Völker“) zu stammen; sie fehlen in der griechischen Übersetzung. Die Zeitbestimmung in Mi. 1,1 erlaubt an eine Gleichsetzung beider Propheten nicht zu denken. Nach dieser Überschrift fällt Michas Wirksamkeit in die Zeit der judäischen Könige Jotham, Ahas, Hiskia. Er ist somit Zeitgenosse des Jesaja, wohl etwas jünger als dieser. Diese Angabe wird Jer. 26,18 bestätigt, wo Älteste des Landes den Jeremia gegen Anklagen wegen seiner Unheilsweissagung durch Berufung auf Micha den Moraschtiten in Schutz nahmen (Mi. 3,12 wird von ihnen angeführt), der die Zerstörung Jerusalems und des Tempels geweissagt habe und trotzdem von dem damaligen König Hiskia nicht bestraft worden sei.

Nicht nur in der Zeit, auch seinem ganzen prophet. Charakter nach, zeigt Micha vielfache Ähnlichkeit mit Jesaja. Die strenge, oft schneidig ernste Rüge der sittlichen Schäden Judas, besonders seiner Großen, die reformatorische Kraft seiner Rede, der hoffnungsvolle Ausblick auf die messianische Zeit erinnern den Leser unwillkürlich an den großen Sohn des Amoz. Ob Jesaja außerdem den schönen Spruch über den Berg Zion ($$Mi. 4,1-4::Mic1-4$$ = Jes. 2,2-4) sich wörtlich angeeignet oder ob er von einem dritten Propheten stammt, ist nicht sicher.

Durch Jer. 26,18 ist sichergestellt, daß 3,12 etwa 100 Jahre später als ein Wort des Micha in Jerusalem bekannt war; ob aber der Prophet selbst seine Reden zusammenstellte und als einheitliches Buch herausgab, läßt sich nicht entscheiden. Und wie in einer Predigt sammlung die einzelnen Stücke aus verschiedenen Zeiten stammen können u. zwischen ihnen kein zeitlicher oder sachlicher Zusammenhang bestehen muß, so kann dies auch hier der Fall sein; ja es könnten sogar Stücke von andern Verfassern und aus späteren Zeiten denen des Micha angefügt sein, etwa so, daß seine Drohworte durch Trostworte ergänzt wurden. Hier muß es genügen, den Inhalt des ganzen Buches kurz anzugeben. Kap. 1-3 droht fast ausschließlich mit dem Gericht, das zuerst Samarien, dann Jerusalem treffen muß; nur 2,12 f. ist eine tröstende Einschaltung. In 2,10-13 verläuft die Drohung in lauter Wortspielen mit den Ortsnamen (für uns schwer verständlich, wie in Schillers Kapuzinerpredigt „Rheinstrom-Peinstrom“). Der Grund des Gerichts ist namentlich das soziale Unrecht der Reichen Der zweite Teil verkündet das die Welt umspannende Friedensreich (4,1-5) eines zweiten David (Vers 6 bis 5,2). In Kap. 6 ist ergreifend der Rechtsstreit des Herrn mit seinem Volk. Klagen über Unredlichkeit in Jerusalem, Abnahme der Frommen wechseln mit Hoffnungen in Kap. 6. 7 und schließen mit der frohen Zuversicht auf die Gnade und Treue des Herrn. Im Neuen Testament knüpft, wie Mt. 2,5 an Mi. 5,1, so Luk. 2,8 ff. die Erzählung von den Hirten, an den Herdenturm von Mi. 4,8 an (Luther: „Turm Eder). In Luthers Übersetzung von 6,8 ist „Gottes Wort halten“ Umschreibung von „Rechttun“, Gerechtigkeit üben. —

2) Ein anderer Prophet Micha ist der Sohn Jemlas oder Jimla, 1 Kö. 22,8 ff., der im Reich Israel zur Zeit Ahabs lebte, also Zeitgenosse des Elia: ein echter Jahvehprophet, während seine 400 Genossen, wie sie dem König zu Gefallen reden, so auch wahrscheinlich dem Hofkulte des Stierdiensies ergeben sind. Josaphat, der den Feldzug als Ahabs Verbündeter mitmachen soll, traut diesen Propheten nicht und wünscht, daß noch andere befragt werden. Ahab hat jedoch eine Abneigung gegen Micha, weil dieser ihm immer „eitel Böses und kein Gutes“ weissage. Auf Josaphats Andringen berusen, stimmt Micha zuerst in spöttischem Tondenselben Spruch an; dann aber weissagt ihm Micha seine Niederlage und deckt ihm auch auf, daß die falschen Sprüche der 400 Propheten durch einen Lügengeist eingegeben seien, weil Gott den Ahab ins Verderben stürzen und zugrunde richten wolle. Den Micha ließ Ahab, nachdem er zuerst die Mißhandlung durch einen der falschen Propheten geduldet, in Gewahrsam setzen; über Micha s weitere Schicksale ist nichts bekannt. —

3) Micha hieß auch der Mann auf dem Gebirge Ephraim, der in einer Zeit, da „ein jeglicher tat, was ihm recht deuchte“, sich ein Privatheiligtum, „Schnitz- und Gußbild, Ephod und Teraphim“ machte, wofür er zunächst einen seiner Söhne, hernach aber einen zufällig zu ihm gekommenen Leviten Namens Jonathan, einen Enkel Moses, zum Priester bestellte, Ri. 17. 18 (vgl. Art. Jonathan 1) S. 351 und Art. Leibrock S. 435). Das ganze Unternehmen hatte, wie es scheint, abergläubischen Ursprung. Der Mutter Michas war Geld gestohlen worden; sie hatte über den Dieb einen Fluch ausgesprochen; aber der Dieb war ihr eigener Sohn; als er ihr bekannte und das Geld zurückgab, verwandte sie, ohne Zweisel, um den Fluch von ihrem Sohn abzuwenden, einen Teil des Geldes zu Beschaffung dieses Heiligtums (17,2 ff.). Es ist bezeichnend, daß dem Micha erst durch den Dienst eines Leviten sein Heiligtum den rechten Wert zu gewinnen schien, 17,13. Nach Ri. 18 wurde später dem Micha sein Heiligtum von den Daniten abgenommen, sein Priester ihm abwendig gemacht (18,18 ff.) und das Bild in Dan, dem früheren Lais, aufgestellt (18,30 f.). Dieser Kultus war der Vorläufer des von Jerobeam I. in Dan eingesetzten Kälberdienstes.