Zorn, zürnen. Die Erregung gegen den, der uns schädigt und verletzt, ist in ihrer Art und Stärke von der Richtung und Kraft unserer Liebe abhängig. Um deswillen, was wir als Gut und Glück innig und tief empfinden und schätzen, entzündet sich gegen den, welcher uns dasselbe gefährdet und nimmt, der Zorn, zürnen Wenn die im Zorn entstandene Willensbewegung in uns stetig und fest wird, so wird aus dem Zorn, zürnen der Haß. Wegen dieses engen Zusammenhangs, der zwischen dem Lieben und Zürnen besteht, beschäftigt sich der Unterricht der Bibel sehr eingehend mit dem Zorn, zürnen Gegen alle menschlich verkehrten Gedanken über Gottes Zorn, zürnen offenbart und bezeugt sie die Wahrheit desselben, und unsern eigenen Zorn, zürnen reinigt und heilt sie von seiner verkehrten, eigenliebigen Art. Jede Erinnerung an Gott, auch wenn sie trübe und heidnisch ist, hat auch den Gedanken an seinen Zorn, zürnen in sich. Es gehört zum ursprünglichen Wissen des Menschen, daß Gott nicht alles an uns schätzt und liebt, sondern vielem seinen Widerwillen und Widerstand entgegensetzt. Wir erfahren dies auch in unserer Lebensgeschichte im kleinen und großen an zahlreichen und offenkundigen Wirkungen Gottes, die uns hindern und beugen und oft aufs schwerste treffen. Durch die finsteren Gedanken, die sich der Mensch über Gott macht, wird aber auch sein Blick auf Gottes Zorn, zürnen trübe. Entweder verdeckt er sich denselben und leugnet ihn und verlangt von Gott eine blinde Güte, die alles deckt und trägt und jedes Gesetz zerbricht, oder er schilt Gottes Zorn als willkürlich und grausam, als wäre er eine unheimliche Macht, vor der sich niemand schützen kann. Darum bildete es für Gottes Regierung in Israel und für das prophetische Wort, das er ihm gab, einen Hauptzweck, Israel kund zu tun, wie und weswegen Gott z. Je reicher und heller Gottes Gnade offenbar wurde, um so schärfer und deutlicher richtete das göttl. Wort den Blick auch auf Gottes Zorn, zürnen Schon im Rückblick auf die Schöpfung heißt uns die Schrift nicht allein die Segnung Gottes bedenken, welche allein Leben und Gedeihen gibt, sondern stellt das Wort des Zorns, den Fluch, daneben und macht seinen Grund im Ungehorsam und Fall des Menschen sichtbar. Sie zeigt uns nicht bloß, wie Gott das Menschengeschlecht groß machte, sondern auch, wie er es vernichtete in der Flut, nicht bloß, wie gnädig er Abraham besuchte und ihm die Verheißung gab, sondern auch, wie er Sodom zerstörte, nicht bloß, wie er in der Ausführung Israels aus Ägypten den Reichtum und die Macht seiner Güte ihm bewies, sondern auch, wie er seinen Zorn, zürnen offenbarte, und dies nicht bloß an Pharao, sondern auch an der auserwählten Gemeinde seines Volkes, wenn sie ihm widerstrebte und sich am Heiligtum vergriff. Demgemäß sind auch die Worte der Propheten zuerst damit beschäftigt, Israel den Zorn, zürnen Gottes zu erläutern. Als Tat des göttlichen Zorn, zürnen sollte es seinen Untergang durch die Assyrer und Babylonier verstehen und anerkennen, daß derselbe in der Sünde des Volks überreichlich begründet war, während der Unglaube des Volkes die Sünde nicht sah und trotzig auf Gottes Hilfe rechnete und mit allerlei Zauber und verkehrtem Gottesdienst dieselbe erkaufen wollte, und wenn dies nichts half, an ihr verzweifelte. Gegen diese blinden Gedanken von Gottes Zorn, zürnen waren die Propheten, Amos und Hosea, Jesaja und Jeremia, die Zeugen der Gerechtigkeit Gottes auch in seinem Zorn, und deswegen hatten sie zugleich den Beruf, zu zeigen, daß der Zorn, zürnen Gottes sich seiner Gnade nicht widersetzt und den gütigen Willen Gottes nicht vernichtet, vielmehr mit demselben geeint und ihm dienstbar ist, so daß über der Offenbarung des göttlichen Zorn, zürnen dennoch die Verheißung Gottes ihre ganze Herrlichkeit und Festigkeit behält. Darum ist auch im Neuen Testament die Lehre vom göttlichen Zorn, zürnen nicht verschwunden, sondern noch reicher und mächtiger geworden als vorher. Während das prophetische Wort Gottes Zürnen zunächst am Sterben und Verderben Israels nachwies, wie es sich innerhalb der zeitlichen und irdischen Geschichte vollzog, so kommt nun der Blick in die Ewigkeit hinzu, und als die Wirkung des göttlichen Zorn, zürnen wird der ewige Tod erkannt. Aber auch der vollkommene Friede und die heil. Eintracht, die zwischen Gottes Zorn, zürnen und Gottes Gnade walten und dieser das Regiment auch über alle Äußerungen des göttlichen Zorn, zürnen verleihen, wird durch das Evangelium mit besonderer Klarheit ausgesprochen. Deswegen begründet Paulus die Offenbarung der Gnade Gottes, die uns die Gerechtigkeit durch Glauben schenkt, dadurch, daß der Zorn, zürnen Gottes über jede Ungerechtigket offenbar wird, Röm. 1,18. Das Walten des Zorn, zürnen, welcher unsere Sünde verfolgt und sie uns zur Unseligkeit macht, wird der Gnade Gottes zum Grund, uns die Erlösung zu bereiten und jede gläubige Anrufung Gottes zu erhören und uns dieselbe als unsere Gerechtigkeit anzurechnen, nachdem uns jeder andere Ruhm verloren ging. Demgemäß läßt Paulus den Heiden zuerst wahrnehmen, wie in seinem Leben der Zorn, zürnen Gottes sichtbar wird, der ihn dahingegeben hat in die Gewalt seiner blinden Gedanken u. unnatürlich verdorbenen Triebe, durch welche er sich selbst schändet und vernichtet, selbst gegen seinen Willen. Nur dann, wenn er den Zorn, zürnen Gottes als gerecht und heilig ehrt, kann er gläubig Gottes Gnade suchen und begehren, ohne daß er sich an Gottes Heiligkeit vergreift. Darum hält Paulus auch dem Juden den Ernst des göttlichen Zorn, zürnen vor, der sich erst künftig am Tage Gottes vollständig zeigen wird, Ro. 2,5, und warnt ihn, sich trotzig gegen den Zorn, zürnen Gottes zu wehren, als wäre er ungerecht, 3,5; 9,22. Die Majestät des Gesetzes, das uns schuldig spricht und die Folgen unserer Bosheit uns zumißt, bringt Paulus dadurch zum Ausdruck, daß er sagt: das Gesetz wirkt Zorn, zürnen, Röm. 4,15, und unsere Verknechtung an die Sünde stellt er dadurch ins helle Licht, daß er uns von Natur „Kinder des Zorn, zürnen“ heißt, Eph. 2,3, weil unser fleischliches Wesen und Leben bewirkt, daß Gott nicht für uns, sondern wider uns ist, und uns nicht zu sich beruft, sondern von sich entfernt. Auch die neutest. Weissagung stellt nicht bloß die Herrlichkeit des ewigen Lebens in der Figur des himmlischen Jerusalems dar, sondern bezeugt zuerst ausführlich, daß die Schalen des Zorn, zürnen auf die Erde ausgegossen werden, denn dadurch wird sie für Christi Sieg und Reich gereinigt und bereit gemacht.
In Bezug auf unser menschliches Zürnen spricht die Schrift aus, daß es in allen seinen Regungen verdorben sei. Als Jesus von der Macht und Größe der menschlichen Sünde redete, hat er nicht erst denen, welche den Bruder töten, sondern schon denen, welche dem Bruder z., gesagt, daß sie des Gerichts schuldig seien, M. 5,22. Er verlangt damit nicht eine stumpfe Gleichgültigkeit von uns, die Gutes und Böses, Wohltat und Übeltat hinnimmt, als wäre beides einerlei. Unser Zorn, zürnen wird aber in derselben Weise sündig, wie unsere Liebe unrein wird, dadurch, daß wir in der Liebe und im Zorn, zürnen nur unsere eigene Lust und Ehre suchen und für unseren Besitz unseren Namen, unser Recht streiten und uns selbst erhöhen und den Bruder erniedrigen wollen. Darum wird unser Zürnen auch maßlos und endlos und das volle Widerspiel der Güte und der Gerechtigkeit. „Der Zorn, zürnen des Mannes vollbringt nicht Gottes Gerechtigkeit,“ Jak. 1,20. Darum mahnt Paulus, daß wir uns nicht selber rächen, sondern dem Zorn, zürnen Raum geben, Röm. 12,19, das heißt den eigenen Zorn, zürnen stillen und es im Glauben festhalten, daß Gottes Zorn, zürnen wacht und die Sünde derer, die uns unrecht tun, mit vollkommener Gerechtigkeit vergelten wird. Von der Obrigkeit dagegen sagt er, daß sie Gottes Dienerin sei zur Ausrichtung des Zorn, zürnen, Röm. 13,4, weil Gott durch ihren Dienst die Bösen faßt und straft.