Einführung in die Episode und Textstelle
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode einhundertsechzig: Jesus wird zornig.
Werfen wir einen letzten Blick auf das Thema Jesus und der Sabbat sowie die Pharisäer.
Markus 3,1-6:
Und er ging wieder in die Synagoge. Dort war ein Mensch mit einer verdorrten Hand. Sie lauerten auf ihn, um zu sehen, ob er ihn am Sabbat heilen würde, damit sie ihn anklagen konnten.
Er sprach zu dem Mann mit der verdorrten Hand: „Steh auf und tritt in die Mitte!“ Dann wandte er sich an die Anwesenden und fragte: „Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun? Das Leben zu retten oder zu töten?“
Sie aber schwiegen. Jesus blickte sie mit Zorn an, betrübt über die Verhärtung ihres Herzens. Dann sagte er zu dem Mann: „Strecke deine Hand aus!“
Der Mann streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt.
Daraufhin gingen die Pharisäer hinaus und hielten sofort mit den Herodianern Rat, wie sie ihn umbringen könnten.
Beobachtungen zum Text und die wachsende Gegnerschaft
Zwei kurze Anmerkungen zu diesem Text:
Erstens fällt auf, dass der Mann mit der verdorrten, also gelähmten Hand Jesus selbst gar nichts sagt. Er wird geheilt, aber nicht, weil er Jesus darum bittet oder weil er Glauben zeigt. Jedenfalls steht nichts Derartiges im Text. Ich denke auch nicht, dass er davon ausging, in der Synagoge geheilt zu werden, zumal Sabbat war und er die Regeln kannte. Für ihn war es einfach ein normaler Samstag, und er war in der Synagoge, weil man am Sabbat dort Gottesdienst feierte.
Zweitens wächst die Gegnerschaft Jesu. Während wir bislang eher davon gelesen haben, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer mit Jesus wenig anfangen konnten und ihn für ein Sicherheitsrisiko hielten, kommen jetzt die Herodianer hinzu. Dabei handelt es sich wohl um einflussreiche jüdische Personen, die pro-römisch eingestellt waren. Theologisch standen die Herodianer eigentlich den Sadduzeern näher als den Pharisäern.
Doch in ihrer Ablehnung von Jesus fanden diese beiden recht unterschiedlichen Gruppen zusammen, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Das Königreich, das Jesus verkündete, war den Pharisäern nicht politisch genug und den Herodianern wahrscheinlich schon deutlich zu politisch. Für die Pharisäer war dieser Rabbi aus Nazaret eine Bedrohung ihrer theologischen Deutungshoheit und damit ihrer Autorität. Für die Herodianer stellte jeder, der ein neues Königreich verkündete, eine Bedrohung des politischen Status quo dar. Aber...
Jesu Zorn über die Verhärtung der Herzen
Kommen wir zu der in meinen Augen eigentlichen Auffälligkeit dieses Textes. Ich lese noch einmal die Verse vier und fünf:
„Und er spricht zu ihnen: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, das Leben zu retten oder zu töten? Sie aber schwiegen. Und er blickte auf sie umher mit Zorn, betrübt über die Verhärtung ihres Herzens, und spricht zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt.“
Mir fällt auf: Das Schweigen der Religiösen macht Jesus zornig. Und das ist etwas ganz Besonderes. Jesus ist nämlich ganz selten zornig, aber hier steht bewusst, dass er genau das ist.
Er ist es, weil Menschen das Leid eines anderen Menschen instrumentalisieren, statt sich für ihn Heilung zu wünschen. Jesus ist zornig, weil er ihren Mangel an Barmherzigkeit, die Verhärtung ihrer Herzen, sieht. Deshalb stellt er ihnen eine ganz einfache Frage: „Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, das Leben zu retten oder zu töten?“
Sie hätten ganz einfach mit „Ja“ antworten können – ja, weil Jesus sie eigentlich fragt, ob es in ihren Augen erlaubt ist, irgendetwas am Sabbat zu tun. Sie hätten sagen können: Natürlich ist es am Sabbat erlaubt, Gutes zu tun und Leben zu retten.
Aber sie wissen auch, dass diese Antwort eine Steilvorlage für die Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand durch Jesus gewesen wäre. Diese Vorlage wollen sie ihm nicht geben. Deshalb schweigen sie. Und deshalb wird Jesus zornig.
Die Ursache für Jesu Zorn und die Haltung der Pharisäer
Wenn du Jesus richtig zornig erleben willst, dann gehe unbarmherzig mit deinen Mitmenschen um!
Hier sind Pharisäer und Schriftgelehrte, die mehr daran interessiert sind, Jesus durch ein Heilungswunder am Sabbat bloßzustellen, als sich über die Heilung eines armen Krüppels zu freuen. Der kranke Mensch bedeutet ihnen nichts, aber die Chance, Jesus eins auszuwischen, bedeutet ihnen alles.
In dem Moment, in dem sie merken, dass Jesus ihr falsches Denken aufdeckt und ihr falsches Spiel nicht aufgeht, halten sie lieber den Mund, als Jesus dazu zu ermutigen, einen Menschen zu heilen. Soll er doch seine verkrüppelte Hand behalten, wenn nur dieser Jesus sich nicht profilieren kann? Das ist, was sie denken, und genau das macht Jesus zornig.
Harte Herzen, die unbarmherzig und lieblos mit Menschen umgehen, denen es schlecht geht, sind der Grund für seinen Zorn. Wenn du also Jesus richtig sauer erleben willst, dann lass es im Umgang mit Menschen an Mitleid, Gnade und Barmherzigkeit fehlen.
Merkmale und Bedeutung des gerechten Zorns
Es ist wichtig, dass wir das verstehen: In der Bibel finden wir sowohl gerechten als auch ungerechten Zorn. Gerechter Zorn hat dabei meines Erachtens vier herausragende Eigenschaften.
Erstens ist gerechter Zorn gegen die Sünde gerichtet und auch gegen den Sünder. Im Psalm 11, Vers 5 heißt es: „Der Herr prüft den Gerechten, aber den Gottlosen und den, der Gewalttat liebt, hasst seine Seele.“ Gerechter Zorn richtet sich also gegen die Sünde und den Sünder. Er ist jedoch nie nur zornig oder grob und will nicht zerstören um der Zerstörung willen. Vielmehr ist er immer mit Liebe durchzogen. Gerechter Zorn ist geprägt von der Sehnsucht, dass der andere, der Sünder, seine Bosheit ablegt, wahres Leben findet, die Wahrheit erkennt und nicht ewig verloren geht.
Zweitens warnt gerechter Zorn. Er sagt: „Pass auf, du bist in Gefahr, du wirst dich und andere verletzen.“ Gerechter Zorn offenbart die Sünde, nimmt dem anderen aber niemals das Recht auf eine freie Entscheidung. Verantwortung und Freiheit bleiben erhalten.
Drittens ist gerechter Zorn ein Werkzeug der Wiederherstellung. Er wird getragen von dem Wunsch, ein Segen zu sein und zu helfen. Gerechter Zorn will Umkehr und Neuanfang bewirken.
Viertens ist gerechter Zorn gelebte Entrüstung. Er ist nicht zahm, sondern kann sehr intensiv sein. Dabei ist er kein unkontrollierter Wutausbruch, sondern zielgerichtet und direkt. Gerechter Zorn verwundet, um zu heilen. Er klagt an, schimpft und straft, aber immer mit der Hoffnung, dass der Schlag den Nächsten vor noch größerem Unheil bewahrt.
Zurecht heißt es in Sprüche 27,6: „Treu gemeint sind die Schläge dessen, der liebt, aber überreicht die Küsse des Hassers.“ Über Gott als Vater lesen wir: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt aber jeden Sohn, den er aufnimmt.“
Schlussfolgerung und Ausblick
Fazit: Jesus ist zornig. Und das, was wir bei ihm sehen, ist gerechter Zorn. Gerechter Zorn ist von Liebe getragen. Er warnt, aber zwingt nicht. Er sehnt sich nach Veränderung beim Täter und ist bereit, zu verletzen, weil er vor Schlimmerem bewahren will.
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir überlegen, ob du die zwei Predigten über Zorn aus der Predigtreihe „Negative Gefühle“ anhören möchtest. Du findest sie auf YouTube.
Das war's für heute. Bete doch für deine Gemeinde, dass sie zu einem Ort wird, an dem schräge Vögel einander zum Segen werden. Das geschieht, weil sie geeint werden durch die gemeinsame Erfahrung der Vergebung ihrer Schuld.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.