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Opfer

Opfer

Opfer wurden nach der Bibel schon von den Söhnen Adams dargebracht, 1 Mo. 4,3; ebenso vom Völkervater Noah, 8,20, ohne daß ein darauf bezügliches Gebot Gottes an die Menschheit berichtet wird. Die Religionsgeschichte bestätigt, daß das Opfern in der alten Zeit etwas allgemein Menschliches war, was sich bis auf die frühesten Anfänge des Völkerlebens zurückverfolgen läßt. Offenbar war den Menschen in jener Periode der Kindheit das Opfern ein so natürliches Bedürfnis wie das Beten. Aber in lebendiger Tat, sichtbar und greifbar, darum auch für ihr Bewußtsein kräftiger als bloße Gebete, drückten die Opfer handlungen ihre Huldigungen an die Gottheit aus. im Opfer (= Darbringung) gibt der Mensch sein wertvolles Eigentum an Gott hin, sei es nun getrieben von Dankbarkeit, um durch Weihung eines Teiles seiner Habe zu bezeugen, daß er die ganze als Geschenk der Gottheit anerkenne (Dankopfer); sei es im Gefühl der Abhängigkeit von ihr, um ihre Gunst für ein Anliegen zu gewinnen (Bittopfer), sei es gequält vom Gefühl der Schuld, welche durch eine Sühngabe an den beleidigten Gott gutgemacht werden soll (Sühnopfer). Aber auch Opfermahlzeiten, welche die Gemeinschaft mit der Gottheit vermitteln sollen, finden sich bei den verschiedensten Völkern. Nur treten diese Beweggründe des Opfer in verschiedenem Grade hervor. Z. B. bei den Judogermanen überwiegen die Bittopfer, durch welche man die Gottheit günstig zu stimmen hofft, während bei den Israeliten, die viel tiefer vom Bewußtsein der Sünde und Schuld durchdrungen sind, die Sühnopfer in den Vordergrund treten. In Israel hat das mosaische Gesetz solche Opfer nicht neu eingeführt (s. 1 Mo. 15,9; 31,54; 46,1), sondern es hat den vorhandenen Brauch geläutert, vertieft und ausgebildet. So einläßlich aber beschäftigte es sich mit den Opfer handlungen und legte so großes Gewicht darauf, daß der israelitische Gottesdienst in denselben seinen Mittelpunkt und Höhepunkt fand.

1) Was das Opfermaterial betrifft, so schließt das göttl. Gesetz namentlich das Menschenopfer aus, 3 Mo. 18,21, auf welches das Heidentum in seinem Eifer, Gott das Kostbarste zu weihen, leicht kommen konnte. Vgl. 1 Mo. 22,12 f., wo dem zu opfernden Isaak ein Widder untergeschoben wird, zum Zeichen, daß im Dienste des wahren Gottes eine Stellvertretung für das menschliche Leben, welches er fordern könnte, möglich, ja geboten sei, da er kein Menschenblut durch die Menschen vergossen haben will, 1 Mo. 9,6; Jer. 7,31; 19,5. Im übrigen opferte man Gott seit frühester Zeit teils Früchte der Erde, teils Tiere, 1 Mo. 4,3 f. Das Gesetz hat beiderlei Opfer, blutige und unblutige, Schlachtopfer und Speisopfer (1 Sa. 3,14; Ps. 40,7, Luther: Opfer und Speisopfer), vorgeschrieben. Zu den unblutigen, die sonst meist als Zugabe zu den blutigen erscheinen, gehörten die Schaubrote und die Erstlingsfrüchte. Es wurden Früchte im Naturzustand dargebracht, aber auch Mehl und ausgebackene Brote, letztere außer 3 Mo. 23,17 immer ungefäuert, ferner Wein und Öl. Die Tieropfer, welche im allgemeinen als die vorzüglicheren gelten, weil sie stellvertretenden Charakter haben nach 3 Mo. 17,11, waren auf die reinen Tiergattungen beschränkt und bestanden meist aus Rindern, Kälbern, Schafen, Ziegen, Turteltauben und jungen Tauben. Zuweilen ist dabei das männliche Geschlecht (als das vorzüglichere) vorgeschrieben, das weibliche (symbolisch die Fruchtbarkeit andeutend) 4 Mo. 19,2, nicht selten auch ein bestimmtes Alter. Nach 3 Mo. 22,27 mußten die Opfertiere mindestens 8 Tage alt sein; die Rinder wurden meist 3jährig geschlachtet. Natürlich wurde auf körperliche Fehlerlosigkeit Gewicht gelegt, 3 Mo. 22,20, vgl. Mal. 1,8 ff. Weniger streng nahm man es mit den völlig freiwilligen Opfern, 3 Mo. 22,23. Immer aber mußte der Mensch sein rechtmäßiges und zwar sein durch Arbeit und Pflege erworbenes (nichts bloß gefundenes oder erjagtes) Eigentum opfern. Daß es gerade Nahrungsmittel sind, welche man opfert, deutet darauf, daß der Mensch von dem ihm Notwendigsten, was mit seinem eigenen Leben zusammenhängt und es erhält, etwas für Gott, den Schöpfer des Lebens und Spender seines Unterhalts, abbrechen soll. In der ältesten Zeit tritt aber auch noch die naive Vorstellung hervor, daß Gott selbst einen Genuß dabei habe (1 Mo. 8,21), und wenn auch die Propheten dies ablehnen (Jes. 1,11 ff.; vgl. Ps. 50,12 u. a.), so redet doch noch Maleachi vom „Tische des Herrn“ 1,7. 12; vgl. Hes. 41,22, was noch an jene primitive Anschauung erinnert. —

2) Die Weise der Opferung ist im allgemeinen die, daß man auf den Selbstgenuß oder doch den profanen Genuß verzichtet und die Gabe Gott hingibt, indem man sie an sein Heiligtum abliefert. Die vegetabilischen Gaben wurden dort entweder vom Feuer auf dem Altar verzehrt oder von den Priestern gegessen, die Schaubrote vor Gottes Angesicht ausgestellt, damit sein Blick immer auf Gaben seines Volkes falle. Die zum Opfer bestimmten Tiere wurden zuerst vor dem Eingang der Stiftshütte oder des Tempels dargestellt; dann folgte die Handauslegung oder -aufftemmung. Durch diese kraftvolle Gebärde legte der Opfernde das, was er durch sein Opfer vor Gott bringen wollte (nicht immer speziell eine Schuld, sondern auch Dank, Bitte u. dgl.), auf das Tier, so daß es gewissermaßen damit belastet auf den Altar kam und ihn vor Gott vertrat. Darauf wurde die Schlachtung vollzogen und zwar bei Gemeindeopfern von Priestern, bei Privatopfern in der Regel von den Darbringenden. Dabei handelte es sich vor allem darum, das Blut (s. d. Art.) zu gewinnen; denn nicht etwa auf den Schmerzen, die das Tier bei der Schlachtung erlitt, lag der symbolische Nachdruck, sondern auf der Hingabe seines Blutes und damit seiner lebendigen Seele an Gott. Die verschiedenartige Verwendung des Bluts, das meist um den Altar ausgegossen, in gewissen Fällen aber auch um die Hörner desselben gestrichen, an den Vorhang gesprengt, ins Heilige und Allerheiligste getragen wurde, war stets ein hochwichtiger, oft der wichtigste Akt der Darbringung. Schließlich folgte die Verbrennung des Opfers, sei es des ganzen oder gewisser Teile, wie namentlich des um die Gedärme gelagerten Fettes (s. Art. Fett) auf dem Altar, wobei zu beachten, daß das Feuer wie kein anderes irdisches Element geeignet ist, die h. Macht Gottes darzustellen, wie denn auch bei außerordentlichen Bezeugungen des göttl. Wohlgefallens Feuer vom Himmel auf das Opfer fiel (s. d. Art. Feuer), sowie daß der zum Himmel auffteigende Opferdampf die Richtung der Gabe nach oben aufs beste darstellt. Es soll ein Wohlgeruch für den im Himmel wohnenden Gott sein (4 Mo. 28,6 u. a.), was freilich nicht grob sinnlich verstanden werden sollte. Die nicht verbrannten Stücke fielen den Priestern zu, die als Diener des Herrn vom Einkommen seines Tisches lebten, vgl. 1 Kor. 9,13. Bei einer ausgebreiteten Klasse von Opfern dagegen wurde der größte Teil des Opfertieres von den Darbringern selbst verzehrt. Siehe darüber unten. —

3) Nach ihrer Bedeutung und Bestimmung, welche die Art der Darbringung verschieden gestalten, lassen sich die alttestamentlichen Opfer einteilen in fünf Hauptarten:

a. die Brand- oder ganzen Opfer (3 Mo. 1,3 ff.; 6,1 ff.) heißen so, weil dabei das ganze Tier nach Verwendung des Blutes und dem Abziehen der Haut auf dem großen Altar im Vorhof, der deshalb Brandopferaltar genannt wird, verbrannt wurde. Solche Opfer brachten schon Noah (1 Mo. 8,20) und $$Hiob (1,5)::Hiob 1,5$$. Das Gesetz ordnete als Brandopfer für jeden Morgen und jeden Abend je ein Lamm an, 4 Mo. 28,6; für den Sabbat je zwei Lämmer (Vers 9 f.). Das Brandopfer ist die allgemeinste Opferart, welche die einzelnen Beziehungen der übrigen in sich begreist. So kommt bei ihm die Sühnung zum Ausdruck in der Darbringung des Blutes. Aber der Hauptnachdruck liegt nicht auf dieser, sondern darauf, daß das ganze Tier im Opferduft emporsteigt. Es soll das die huldigende Anbetung überhaupt und zwar die völlige, ungeteilte Hingabe an Gott versinnbildlichen.

b. Dankapfer (so Luther) oder besser Friedens- und Gemeinschaftsopfer (3 Mo. 3,1 ff.; 7,11 ff.29 ff.), wurden in der Regel freiwillig dargebracht oder infolge eines besonderen Gelübdes. Eine besondere Art davon ist das Lobopfer (7,12 f.) zum Dank für erlangten Segen. Das Eigentümliche aber an diesen Gemeinschaftsopfern ist, daß der größte Teil des Tieres von den Darbringern selbst in einer fröhlichen Opfermahlzeit an heiliger Stätte verzehrt wurde (vgl. 5 Mo. 12,7), woran alle Glieder der Familie, die nach dem Gesetze rein waren, teilnahmen und wozu auch Gäste eingeladen, namentlich aber Arme, Witwen und Waisen, auch Leviten und niedergelassene Fremdlinge (natürlich beschnittene) zugezogen werden sollten (5 Mo. 16,11). Dem Genusse entzogen waren nur Blut, Fett, Bruststück und die rechte Keule (Luther: Schulter), 3 Mo. 7,30 ff. Das Bruststück wurde als Webeopfer Gott dargebracht und dann vom opfernden Priester als sein Anteil behalten; ihm fiel auch die rechte Keule zu als Hebe, s. den Art. Das Fleisch sollte am selben Tage oder doch am folgenden verzehrt werden. So stellen diese Gemeinschaftsopfer eine Tischgenossenschaft zwischen Gott und den Menschen dar, eine Art Kommunion. Die streitige Frage, ob dabei die Menschen zu Gottes Tisch Geladene seien, oder Gott auf die Einladung der Menschen sich zur Teilnahme an ihrem Mahle herablasse, ist nicht einseitig zu beantworten. Einerseits ist das Mahl ein menschliches, an welchem der Herr Anteil erhält, andererseits aber ist das ganze Mahl geweiht und wird im Hause Gottes genossen, welcher der eigentliche Spender der Gaben ist. Nach den Umständen machte die eine oder die andere Seite mehr zum Bewußtsein kommen. Zu den Opfermahlzeiten gehört auch das Passahmahl, das in den Häusern verzehrt wurde, nachdem das Lamm im Tempel war geschlachtet worden.

c. Beim Sündopfer (3 Mo. 4,2 ff.; 6,18 ff.) steht die Absicht, eine bestimmte Sünde oder Verunreinigung, auch wohl die allgemeine Unreinigkeit und Sündhaftigkeit zu führen, im Vordergrund. Solches Sündopfer war für gewisse Übertretungen und Unreinigkeitszustände, sowie für gewisse Weihen vorgeschrieben. Nur das Fett wurde dabei auf dem Altar verbrannt, das Fleisch von den Priestern gegessen, dagegen bei Sündopfern höheren Grades außerhalb des Lagers verbrannt, 3 Mo. 6,23; 4,12. Die eigentliche Darbringung aber bestand im Blute; man strich es an die Hörner des Brandopferaltars; bei Opfern für das ganze Volk oder den Hohepriester aber trug man es ins Heiligtum und sprengte es gegen den inneren Vorhang. Am großen Versöhnungstag trug es der Hohepriester ins Allerheiligste und sprengte es auf den Gnadenstuhl. Das eigentlich Sühnende ist also das vergossene Blut, das ausströmende, Gott an Stelle der verfallenen Menschenseele hingegebene Leben. Daß die Sünde und Unreinigkeit hier auf das Tier übertragen gedacht wird, zeigt das Verfahren mit dem Fleisch (3 Mo. 4,12) und den Geschirren (6,21). Nur im Fall, wo die Armut ein animalisches Sündopfer unmöglich machte, durfte ein vegetabilisches an seine Stelle treten, 3 Mo. 5,11 f.

d. Beim Schuldopfer (3 Mo. 5,1 ff.; 7,1 ff.), das mit dem Sündopfer verwandt ist, fällt das Fleisch nach Verbrennung der Fettstücke den Priestern zu. Es ist ein Ersatzopfer, das bei gewissen Beeinträchtigungen des göttl. Rechtes vorgeschrieben ist, je nach der Größe der Schuld. Der Nachdruck liegt hier auf der Bezahlung einer Buße an Gott, beziehungsweise die Organe seines Dienstes.

e. Speisopfer und Trankopfer (3 Mo. 2,1 f.; 6,14 ff.; 4 Mo. 15,4 ff.) sind unblutiger Art, bestehend aus Mehl, Brot u. dgl. mit Weihrauch, ferner aus Wein und Öl. Hier tritt der Begriff der Sühnung ganz zurück; die Bestimmung ist: der Anerkennung göttlicher Segnung in den Gaben der Natur Ausdruck zu geben. Am häufigsten sind diese Speis- und Trankoder Spendopfer nur Beigabe zum Tierapfer, so zum Brand- und zum Gemeinschaftsopfer (dagegen nicht zum Sünd- und Schuldopfer, weil Sünde und Schuld erst gesühnt sein müssen, ehe eine gottgefällige Gabe kann dargebracht werden); dach kommen sie auch selbständig vor. Zu ihnen gehören die dargebrachten Erstlingsfrüchte und die Schaubrote, welche immer im Heiligtum aufliegen mußten, damit der Blick des Herrn stets auf Gaben seines Volkes falle. Ein Teil der Speisopfer wurde auf dem Altar verbrannt zum „Gedächtnis“ (3 Mo. 2,2. 9) oder Gedenkopfer (vgl. Sir. 38,11), da der Mensch sich mit seiner Gabe dem Andenken Gottes empsiehlt.

— Über die Füllopfer s. Priester.

Dieser ganze Opferknltus nun ist symbolischer Art: er drückt in seiner Äußerlichkeit nur unvollkommen innerliche Vorgänge aus. Trotz seiner Unvollkommenheit aber war er für das Volk eine vortreffliche Schule, in welcher es die höchsten Realitäten kennen lernen sollte. Aufs eindringlichste mußten ihm diese nicht leicht zu leistenden Opfer seine Abhängigkeit von Gott, die Heiligkeit des Herrn, die eigene Sündhaftigkeit, die verhängnisvollen Wirkungen der Sünde und die Notwendigkeit einer Sühnung derselben, ebenso aber auch die Freundlichkeit, Gnade und Barmherzigkeit Gottes einprägen. In diesen Zeremonien schattete sich schon das selige Geheimnis der durch Christum vollbrachten Erlösung ab. Sollten aber diese Opfer-handlungen im Alten Bunde Gott gefällig sein, so mußte die Gesinnung dem entsprechen, was sie äußerlich darstellten. Die Opfer sollten nichts weniger als ein bequemes Ablaßinstitut sein, wo man sich Sündenvergebung durch Gaben erkaufen kannte. Ohnehin waren das Sünd- und das Schuldopfer nicht zur Sühnung von Sünden bestimmt, welche mutwillig oder boshaft, „mit erhobener Hand“, also in bewußter Auflehnung wider Gott, vorsätzlich und „aus Frevel“ (Luther) begangen worden waren (solche sollten vielmehr nach 4 Mo. 15,30 mit dem Tode bestraft werden), sondern nur von solchen, die man sich aus Verschen oder Irrtum, unter Mitwirkung verzeihlicher menschlicher Schwachheit hatte zu Schulden kommen lassen, 3 Mo. 4,2; 4 Mo. 15,27; 3 Mo. 5,15. 17. Wo freilich die tiefere Einsicht und der sittliche Ernst, welchen diese Opfergebräuche voraussetzen, mangelten, konnten sie zu Selbstgerechtigkeit und falscher Sicherheit führen. Daß dies in Israel oft der Fall war, sehen wir aus den Schriften der Propheten, welche gegen solche der Absicht Gottes zuwiderlaufende Überschätzung der äußeren Opferhandlungen und des dabei getriebenen Aufwandes eifern. Grundsatz der Propheten ist 1 Sa. 15,22. Vgl. Jes. 1,11 ff.; Jer. 6,20 f.; 7,21 ff.; Hos. 8,11. 13; Am. 4,4 f.; 5,22 usw. Damit verwerfen sie nicht den Opferdienst an sich, den sie vielmehr noch in der seligen Zukunft schauen (Jer. 17,26; 33,18), wohl aber das Vertrauen auf eine äußerliche Werkgerechtigkeit, der die innere Wahrhaftigkeit abgeht. Vgl. auch Ps. 40,7; 51,19; Spr. 21,3.

Das N. T. hat die Erfüllung jener Ideen und Geheimnisse gebracht, welche die levitischen Opfer darstellten, und damit auch deren Abschaffung angezeigt. Christus, der Hohepriester, ist zugleich das wahre Opferlamm, einmal dargebracht zur vollkommenen Versöhnung für alle Welt und alle Zeit, so daß die Opfer der Söhne Aarons keine Berechtigung zur Fortdauer haben (s. Hbr. Kap. 9 u. 10). In Christo haben die verschiedenen Formen der versöhnenden Opfer ihre Vereinigung gefunden und zugleich eine über die Schranken des A. B. weit hinausgehende Vertiefung und Verklärung erfahren.