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Geduld

Geduld, geduldig. Geduld ist diejenige Herrschaft über die Gemütsbewegungen, welche dem Menschen in widrigen Erfahrungen Fassung gibt und Erbitterung wie Entmutigung von ihm fern hält. Das Christentum erweitert und vertieft diese Tugend, und schafft ihr die rechte Stätte im Herzen, indem es ihr im Glauben an Gottes väterliche Leitung und der Liebe zum Nächsten ein sicheres Fundament und in der Hoffnung eine mächtige Stütze gibt. Die h. Schrift redet nicht bloß von menschlicher, sondern auch von göttlicher Geduld.) Diese offenbart sich schon im Alten Testament: 2 Mo. 34,6; 4 Mo. 14,18; Ps. 103,8; 145,8; Joel 2,13. Gott straft den Sünder nicht gleich mit Vernichtung, sondern läßt ihm Zeit zur Buße, weil er nicht seinen Tod will, sondern daß er sich bekehre und lebe (Hes. 18,23). Insbesondere hat das Volk Israel die Geduld Gottes als eine Erweisung seiner Bundestreue zu erfahren (Jes. 48,9). Seltener redet das Neue Testament von der Geduld Gottes, weil sie hier von der Sonne seiner Gnade überstrahlt wird, Röm. 2,4; 9,22; 2 Petr. 3,9. 15. (In Luk. 18,7 ist die Geduld Gottes nicht auf die Auserwählten, sondern deren Feinde zu beziehen und zu übersetzen: wenngleich er langmütig ist in ihrer Sache.) Von der göttlichen Gnade und Verzeihung nämlich unterscheidet sich die Geduld dadurch, daß jene nur dem bußfertigen und Versöhnung Vegehrenden zuteil werden kann, diese schon dem Unbußfertigen Sünder sich zuwendet, um ihn zur Buße zu leiten. Vgl. 1 Tim. 1,16. Und weil es vor der Veröhnung durch Christus überhaupt nicht zu einer vollen göttlichen Vergebung kommt, so sagt Paulus von der Sünde der vorchristlichen Menschheit, daß sie unter göttlicher Geduld geblieben sei (Röm. 3,25). Diese Geduld hebt aber Gottes Gerechtigkeit nicht auf; der Sünder, der sich nicht zur Buße leiten läßt, verfällt der gerechten Strafe. Darum stehen auch gerne Gottes Geduld und strafende Gerechtigkeit unmittelbar neben einander. Vgl. außer 2 Mo. 34,6. 7 noch Ps. 130,4; Nah. 1,2. 3. Auf die Geduld, welche Christus in seinem Leben und Leiden bewiesen hat (Joh. 1,29), werden wir namentlich Hbr. 12,1 ff. als unser Vorbild hingewiesen. In anderen Stellen, wie 2 Th. 3,5; Offb. 3,10, wohl auch 1,9 ist unter Geduld Christi die geduldige Erwartung Christi, das heißt seiner Wiederkunft zu verstehen, was ja auch ganz zu dem Hauptanliegen dieser Schriften paßt. Schon das Alte Testament. nennt die Geduld ein wesentliches Stück menschlicher Weisheit (Spr. 14,29), und fetzt ihre Übung ebenso in stille Ergebung in Gottes Führungen (Klagel. 3,26; Tob. 5,14; Sir. 2,4), wie in Beherrschung des Unmuts gegenüber dem Nächsten (Spr. 15,18; 16,32 — wo Geduld schön erklärt wird = seines Mutes, so viel als Gemütes, Herr sein —; 19,11; Pr. 7,9; Sir. 29,11). Noch viel mehr kann vom Christen gefordert werden, daß er Geduld übt (Luk. 21,19; Röm. 12,12), denn sie ist eine Frucht des Geistes (Gal. 5,22), aber freilich auch eine Tugend, der es nachzujagen gilt (1 Tim. 6,11). Als herzliche Zufriedenheit und Ergebung in den Willen Gottes entspringt sie aus dem Glauben, wenn er anders echt ist (Jak. 1,3), und wird gestärkt, je mehr die Erkenntnis Gottes wächst (Kol. 1,11). Wie jede Kraft durch Übung sich entwickelt, so wird auch die Geduld in der Trübsal erprobt und gefestigt (Röm. 5,3). Sie ist verwandt mit der Selbstbeherrschung, welche die Ansprüche mässigt und die Begierden im Zaum hält (2 Petr. 1,6), und hat ihre beste Stütze an der Hoffnung (Röm. 8,25; 1 Th. 1,3), insbesondere an der Hoffnung auf die Zukunst Christi (Jak. 5,7. 8); zugleich läutert sie die Hoffnung, indem sie ihr alles Leidenschaftliche nimmt. Sie ist keineswegs bloß eine leidende Tugend, sie erweist sich in ausdauernder Arbeit (Röm. 2,7), in mutigem Kampf (Hbr. 12,1), wie in stillem Leiden (2 Kor. 1,6). Ihr Ziel das Erbe der Verheißung (Hbr. 6,12; 10,36; Mt. 10,22).

Aber auch dem Nächsten gegenüber gilt es die Geduld zu haben, die aus der Liebe hervorwächst (Eph. 4,2; 1 Kor. 13,4. 7). Sie soll geübt werden durch Verzeihung gegenüber dem Feind und Verfolger (Offb. 13,10), wie durch Nachsicht mit dein Schwachen, noch Unerzogenen (2 Tim. 4,2), gegen jedermann ohne Ausnahme (1 Theff. 5,14), und am meisten, wo sie am schwersten ist. Geduld müssen wir endlich auch mit uns selber haben (Luk. 8,15), um nicht mutlos zu werden, wenn die Früchte des neuen Lebens langsam reifen. So ist die Geduld ein Schmuck der Auserwählten Gottes (Kol. 3,12), das sichere Kennzeichen eines Dieners Christi (2 Kor. 6,4), weil aus ihrem Dasein auf die Echtheit und Gesundheit der Wurzeln des christlichen Lebens geschlossen werden kann.