Fasten. Das Fasten, der gänzliche oder teilweise Verzicht auf Nahrung, ist ein auch in außerbiblischen, besonders oriental. Religionen, so bei den Ägyptern, Indern, Muhammedanern sich findender Ausdruck der Demütigung vor der Gottheit. Bei Griechen und Römern findet es sich nicht als stehende relig. Sitte, sondern wird nur bei besonderen öffentlichen Unglücksfällen angeordnet. Auch im Alten Testament hat es als Ausdruck relig. Demütigung — darauf meist schon der haufige Ausdruck für Fasten: die Seele demütigen (Luther: den Leib kasteien) hin — seine Stelle. Die Vorstellung einer besonderen Verbienstlichkeit des Fasten liegt ursprünglich ferne, es gilt vielmehr als naturgemäßer Ausdruck wie der Trauer, 1 Sa. 1,7; 20,34; 2 Sa. 1,12; Ps. 69,11, so insbesondere demütiger und bussfertiger Gesinnung, Joel 1,14; 2,12 f. Wo diese Gesinnung, die dem Fasten seinen Wert gibt, fehlt, da wird es von den Propheten als heuchlerisch und Gott mißfällig getadelt, Jes. 58,3-5; Jer. 14,12.
Mit dem Fasten verbanden sich gerne noch andere Äußerungen der Trauer oder der Buße, so die Anlegung des Trauergewands Ps. 69,11 f., Geberden der Trauer 1 Kö. 21,27, Zerreißen der Kleider 2 Sa. 1,11 f., der Fastende lag auf der Erde, wusch und salbte sich nicht, 2 Sa. 12,20; Mt. 6,17, streute Erde oder Asche auf das Haupt, Neh. 9,1; 1 Makk. 3,17. Die Regel bildete das eintägige Fasten von einem Abend bis zum andern, bei welchem alle Speise streng gemieden wurde, dreitägiges strenges Fasten wird Esth. 4,16 erwähnt; bei länger dauerndem Fasten, wie zum Beispiel Dan. 10,2 f., hat man sich wohl nur Beschränkung auf notdürftige einfachste Nahrung zu denken, vgl. V. 3. Am Sabbat oder Festtag durfte nie gefastet weden, Judith 8,6.
Seiner allgemeinen Bedeutung gemäß finden wir das Fasten nach Niederlagen, Ri. 20,26; 1 Sa. 31,13, oder sonstigem öffentlichem Unglück, Joel 2,12, bei Buße über öffentliche Versündigungen, 1 Sa. 7,6; Jon. 3,5. 7, wohl auch vor bedeutungsvollen Unternehmungen, um dem Gebet um Gottes Beistand noch einen besonders ernsten Ausdruck der Demütigung beizufügen, 2 Chr. 20,3; Esra 8,21; Jud. 4,7. Privatpersonen f. aus denselben Anlässen: zum Ausdruck der Bekümmernis, 1 Sa. 1,7; 20,34, der Trauer um einen Toten 2 Sa. 1,12, der Buße 1 Kö. 21,27, der demütigen Bitte um Abwendung eines Unglücks 2 Sa. 12,16. Das Fasten dient später auch wohl zur Vorbereitung auf den Empfang göttlicher Offenbarung, Dan. 10,3. 12, vgl. 2 Mo. 34,28.
Das einzige regelmäßig wiederkehrende Fasten, von welchem das Gesetz weiß, ist das am großen Versöhnungstag, 3 Mo. 16,29; 23,27 ff.; Apg. 27,9. Die Zeit nach dem Exil machte das Fasten in immer weiterem Umfang zur gesetzl. Sitte. Die nationalen Unglückstage, welche den Fall Judas herbeigeführt und besiegelt haben, werden mit Fasten begangen, so der Tag der beginnenden Belagerung (10. Tag des 10. Mon.) 2 Kö. 25,1, der Einnahme Jerusalems (9. Tag des 4. Mon.) Jer. 52,6 f., der Zerstörung des Tempels (7. Tag des 5. Mon.) 2 Kö. 25,8, der Ermordung Gedaljas (im 7. Mon.) Jer. 41,1 ff., vgl. Sach. 8,19. Es entspricht aber weiter der religiösen Veräußerlichung der nachexilischen Zeit, daß das Fasten von besonderen Veranlassungen abgelöst und häufig auch der inneren Verfassung, der es zum Ausdruck dienen sollte, entleert, zu einem selbständigen, als verdienstlich geltenden Stück des relig. Lebens wurde, Jud. 8,6; Sir. 34,31; Tob. 12,9.
So finden wir es noch im Neuen Testament Die Pharisäer f. zweimal in der Woche, Luk. 18,12, nämlich am 5. Wochentag, an welchem Mose auf den Sinai gestiegen, und am 2. Wochentag, an welchem er wieder herabgekommen sein sollte. Die Jünger des Johannes f. viel. Mt. 9,14. Jesus hat seinen Jüngern für die Zeit, da er bei ihnen war, kein Fasten auferlegt, Mt. 9,15, dasselbe aber auch nicht bekämpft, sondern vor allem nur auf seine Wahrheit zurückgeführt, Mt. 6,16 ff.; nach Mt. 17,21 hat er auch die Meinung, die er in seiner Zeit schon vorfand, gebilligt, daß das Fasten die relig. Geisteskraft steigere und nach Mt. 4,2 selbst vor Beginn seines Lehramts gefastet. Daß die ersten Christen — wohl noch im Anschluß an die jüdische Sitte — gefastet haben, geht aus Apg. 13,2 auch 2,15 hervor. Insbesondere pflegte der außendung v. Evangelisten oder der Verordnung von Gemeindeältesten ein Fasten voranzugehen, Apg. 13,3; 14,23. Dagegen haben wir unter dem Fasten, welches Paulus 2 Kor. 6,5 u. 11,27 von sich aussagt, wohl nicht freiwillig übernommenes, sondern unfreiwilliges Entbehren der Nahrung, wie es sein Beruf je und je mit sich brachte, zu verstehen, Vgl. Kirchenlexikon I, S. 514, Art. Fasten.