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Hesekiel 5

Hesekiel (Ezechiel), Prophet priesterlichen Geschlechts, einer der mit Jojachin i. J. 599 nach Babel geführten Zehntausend (2 Kö. 24,12-16), wirkte unter den Berbannten in Tel Abib (3,15), am Fluß Chebar (s. d. Art. u. Thel). Im 5. Jahre seiner Gefangenschaft, 593, wurde er zum Propheten berufen (1,1-3,21), als Bote Gottes an das abtrünnige Volk (2,3) und Wächter über das Haus Israel (3,17), demselben Gottes Wort zu verkündigen, persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß kein Sündigender ungewarnt bleibe (3,18 ff.). An ihm wird besonders deutlich, wie der Prophet nicht nur seinen Mund, sondern seine ganze Person, Leib und Leben in den Dienst Gottes und seines Berufes stellen muß, s. zum Beispiel 24,15 ff. (vgl. Hos. 1 und Art. Hosea). Ob auch das Gebot, er solle 390 Tage auf der linken und 40 auf der rechten Seite liegend die Missetat Israels und Judas tragen, 4,4 ff., hierher gehört, ist zweifelhaft. Vielleicht handelt es sich hier nur um ein Erlebnis im Zustand der Verzückung; denn nach 11,25 verkündigt der Prophet ein vor Ablauf der 430 Tage (nämlich 1 Jahr und 2 Monate nach seiner Berufung, vgl. 8,1 mit 1,1 f.) empfangenes Gesicht, ohne daß angedeutet wäre, daß die Verkündigung nicht unmittelbar auf den Empfang des Gesichts gefolgt wäre.

Durch die regelmäßige Anrede „Menschensohn“ erinnert Gott den Propheten beständig an seine kreatürliche Schwäche und Nichtigkeit, vielleicht „damit er sich der hohen Offenbarungen nicht überhebe“ (2 Kor. 12,7).

Das Buch des Hesekiel, lesenswerter als viele meinen, zeigt durch seinen Reichtum an Gesichten und sinnbildlichen Handlungen und die ins einzelne gehende Schilderung eine eigentümliche Darstellung. Planmäßig angeordnet zerfällt es in zwei Teile: Kap. 1-32 u. 33-48.

1) Der erste Teil, eingeleitet mit der Berufung des Propheten durch eine Erscheinung der Herrlichkeit des über dem Cherubim thronenden Gottes (vgl. den Art. Cherub), enthält Drohweissagungen

a. gegen Israel bis Kap. 24,

b. gegen heidnische Völker bis Kap. 32, der zweite Heilsweissagungen für Israel. Die Reden in Abschnitt 1a aus der Zeit vor, und Teil 2 aus der nach Jerusalems Zerstörung, sind nach der Zeitfolge, die teils vor, teils nach diesem Ereignis gegen Heiden ergangenen Weissagungen in 1b nach dem sachlichen Gesichtspunkt geordnet. 1a. Die Drohreden wider Israel bezeugen zur Rechtfertigung der göttlichen Strafgerichte über sein Volk die unerhörten Sünden und Greuel desselben, zumal seiner weltlichen und geistlichen Leiter, und die unabwendbaren Schrecken der Belagerung und Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar. Kap. 10,4. 19 und 11,22 f. schaut der Prophet Jahvehs zuerst das Allerheiligste, dann den entweihten Tempel überhaupt und zuletzt die dem Gericht verfallene Stadt verlassen. b. Aber auch den Heiden

— den Ammonitern, Moabitern, Edomitern, Philistern, Tyrus, Sidon und Ägypten — wird furchtbares Gericht verkündigt. Sie haben es verschuldet durch ihre Schadenfreude über den Untergang des Volkes Gottes (25,3. 6. 8; 26,2) und Feindseligkeit gegen dasselbe (25,12. 15) oder auch durch unzuverlässige Freundschaft (29,6 f.), wie durch Selbstüberhebung. Besonders bedeutend und großartig sind die Reden gegen Tyrus und seinen Fürsten, Kap. 26 bis 28,19, und gegen Ägypten, Kap. 29-32.

2) Mit der Kunde von Jerusalems Zerstörung durch einen Entronnenen, also mit der Bestätigung der Gerichtsweissagungen des Propheten durch ihre Erfüllung beginnt für seine prophetische Wirksamkeit ein neuer Abschnitt. An dem Tag, da Nebukadnezar sich auf Jerusalem geworfen hatte (24,2), hatte Hesekiel zum letztenmal über Juda geredet und war dann verstummt (Vers 25-27), aber jetzt wird ihm sein Mund wieder aufgetan (33,22) und zwar zu Heilsweissagungen, in denen er dem fast vernichteten Volk herrliche Wiederherstellung verheißen darf. In den Gerichtsreden des ersten Teils hatte der Prophet die Heilsgedanken Gottes nur kürzer ausgesprochen (vgl. 11,17 ff.; 16,53 ff.

— eine Weissagung, die mit Israel auch Sodom und eben damit Heiden Wiederbegnadigung verheißt — 17,22 ff.; 20,39 ff.; 21,32; 25,14; 28,24 ff.; 29,21), nun aber werden sie als der Hauptinhalt der Weissagung weiter entwickelt. Nachdem dem Hesekiel, Kap. 33, die Aufgabe seines Wächteramtes ähnlich wie 3,16 ff. aufs neue vorgestellt worden, folgt Kap. 34 die Verheißung, daß Gott selber sich seines bisher von selbstsüchtigen Hirten vernachlässigten und ausgebeuteten Volkes annehmen und ihm seinen Knecht David (den Messias) zum Hirten geben wird. Während das feindselige Edom der Verwüstung preisgegeben wird (K. 35), soll das verödete Land Israel wieder bevölkert, angebaut, mit Segen gekrönt werden, das Volk aber von Gott gereinigt von all seiner Unreinigkeit, bekommt durch den Geist Gottes ein neues Herz (K. 36, besonders V. 25 bis 27). In dem großartigen Gesicht von dem Feld voller Totengebeine, die durch den Geist Gottes belebt werden, wird die Wiederbelebung nicht der einzelnen gestorbenen Israeliten, sondern des erstorbenen Volkes Israel geweissagt (37,1-14). Israel und Juda werden wieder vereinigt unter dem „Knecht Gottes, David“ (Vers 15-28). Den Schluß dieses Kreises von Weissagungen bildet Kap. 38. 39 die von Gog, dem Fürsten von Magog, der zu einem letzten Ansturm der heidnischen Weltmacht gegen das wiederhergestellte Volk Gottes die entlegensten Völker vereinigt, aber nur um durch seine Vernichtung Anlaß zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes zu werden (vgl. die Wiederaufnahme dieser Weissagung, Offb. 20,7-10). Es folgt noch Kap. 40-48 eine prophetische Beschreibung des neuen Gottesstaates mit dem neuen Tempel, der neuen Gottesdienstordnung und der neuen Verteilung des Landes Kanaan. „eine Weissagung auf den neuen Gnadenbund in der Sprache des alten Gesetzesbundes“. Auf Grund dieser Weissagung eine Erneuerung der alttestamentl. Formen im tausendjähr. Reich zu erwarten, ist eine Verirrung.

Als Grundgedanke des Buchs tritt hervor, daß Jahveh durch Gerichts- und Heilstaten sich als den wahren Gott erweist, daß alles zur Heiligung und Verherrlichung seines Namens dienen muß. Das Gericht über sein Volk wie das über die Weltvölker, aber ebenso die Wiederbringung Israels bis hinaus zur Errettung des Gottesvolks bei dem Ansturme Gogs geschieht, „daß sie erfahren, daß ich Jahveh bin“, in welche Worte die Weissagungen Hesekiels auszulaufen pflegen (vgl. 6,7. 10. 14; 7,4. 9. 27; 11,10; 12,16. 20; 13,14. 23; 25,5. 7. 11 und viele andere Stellen). Besonders lehrreich sind in dieser Hinsicht 36,16-23 und 39,21-29.

Wenn man dem Hesekiel den Charakter eines Propheten mehr oder weniger absprechen und ihn richtiger als Seelsorger betrachten zu sollen glaubt, so stimmt dazu das Vorherrschen dieses echt prophetischen, aber nicht seelsorgerlichen Gesichtspunktes nicht. Hesekiel hatte ja eine seelsorgerliche Aufgabe (vgl. 3,17 ff.; 33,1 ff., auch Kap. 18), aber sein Buch ist keine seelsorgerliche Schrift, die den einzelnen Seelen nach ihren mannigfaltigen geistl. Bedürfnissen die entsprechende geistliche Nahrung bieten wollte, sondern eine prophetische, welche die Gesetze des göttl. Reiches verkündigt und die Geschichte in das Licht des göttl. Ratschlusses stellt. Gerade bei Hesekiel tritt auch die Vorhersagung in der Weissagung deutlich hervor, vgl. die Weissagung über Zedekia 12,12 f., ferner 17,20; 21,28 ff.; 24,1 f. Was Am. 3,7 von den Propheten gesagt ist, findet vollständig Anwendung auf Hesekiel, der entgegen den Hoffnungen seines Volks die Zerstörung Jerusalems bestimmt vorhersagte, aber auch die Wiederherstellung des scheinbar verlorenen Volkes, wie denn auch 33,33 das Eintreffen des Vorherverkündigten als untrüglicher Beweis für sein Prophetentum geltend gemacht ist. Als wahrer Prophet Gottes unter den Verbannten war er diesen ein Zeichen, daß Gott sein doch nicht ganz verstoßen hatte. Auch das ist unberechtigt, ihn statt für einen Propheten für einen Gesetzgeber zu erklären. Die wenigen Stellen gesetzgebenden Inhalts in dem prophetischen Gemälde von dem neuen Gottesstaat berechtigen nicht dazu.

Daß er gottesdienstlichen Ordnungen großen Wert beilegt, erklärt sich nicht allein aus seiner priesterlichen Abkunst; sondern auch daraus, daß dieselben für die göttliche Bestimmung des Volks wirklich Wert hatten. Machte doch schon die Zerstreuung Israels unter die Heiden eine starke Betonung dessen, wodurch sich israelitisches Wesen vom heidnischen unterschied, notwendig, wenn die Israeliten nicht in den Heiden aufgehen sollten. Wie wenig aber Hesekiel hinter den zeremoniellen die sittlichen Gebote zurückstellt, zeigt Kap. 18, und wie tief er die sittlich-religiöse Aufgabe erfaßt, beweisen die Aussprüche über die durch den Geist Gottes zu bewirkende Herzenserneuerung, 11,19 f.; 36,25 ff. Das Urteil, er habe dem späteren Judentum seine Bahnen vorgezeichnet, ist daher nicht durchaus richtig. Mag er zu dem levitischen Geist desselben einiges beigetragen haben, so darf er doch für dessen äußerliche Gesetzlichkeit nicht verantwortlich gemacht werden. Wohl aber wird es mit eine Frucht seiner Wirksamkeit gewesen sein, daß das Volk auch unter den Heiden seine religiöse Besonderheit bewahrte und so hernach die Gottesgemeinde des zweiten Tempels bilden konnte.