
Bevor ich direkt in das Buch Hesekiel einsteige, möchte ich nochmals aus der Vogelperspektive einen Überblick über das Alte Testament geben. Wir haben ja noch eine ganze Reihe kürzerer Bücher vor uns. Wenn ihr auf die Rückseite eures AT-Flyers schaut, werdet ihr feststellen, dass dort viele Vorträge für das nächste Jahr angekündigt sind. Das liegt daran, dass es noch die sogenannten kleinen Propheten gibt.
Vor den kleinen Propheten stehen jedoch die großen Propheten. Genau da befinden wir uns gerade mittendrin. Ihr merkt schon: Große Propheten sind diejenigen, bei denen man sechs Wochen lang immer wieder liest – Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel. Das sind unsere vier großen Propheten.
Bei den großen Propheten gibt es eine Einteilung: Zwei von ihnen haben vor der Zeit der Wegführung geschrieben, und zwei in oder kurz nach dieser Zeit. Ich möchte das noch einmal ausführlicher wiederholen, damit wir das vor Augen haben: Welche Propheten haben vor der Wegführung geschrieben? Und wann ist diese Zeit überhaupt einzuordnen?
Martin hat uns ja auch einiges an Zahlenmaterial präsentiert. Wo müsste man die Zeit der Wegführung zeitlich einordnen? Gebt mir mal ein paar Jahreszahlen, eine grobe Orientierung. Nicht gerade Martin, der schon sehr detailliert ist, sondern einfach so frei von der Leber weg: Wo packen wir das Thema Wegführung hin?
Mit Wegführung meine ich die Zeit, in der Gott Israel bestraft, indem er nach und nach die Einwohner Jerusalems deportiert. Wann ist das ungefähr? 600 v. Chr. ist ein Angebot, andere sagen 680 oder 580. Ich hatte schon ein bisschen den Eindruck, dass es sich um einen Zeitraum handelt. Man kann sich merken: 600 v. Chr. ist eine relativ gute Orientierung. 580 v. Chr. ist auch nicht schlecht, weil es eben ein bisschen vor 600 beginnt, etwa um 605 v. Chr.
Dort finden wir die erste Wegführung. Kennt ihr jemanden, der bei dieser ersten Wegführung mitgenommen wurde? Ein ganz Bekannter: Daniel. Genau, von ihm lesen wir gleich; er ist unser vierter großer Prophet. Daniel wurde 605 v. Chr. mitgenommen. Danach gab es weitere Deportationen, zum Beispiel 597 und schließlich 586 v. Chr. – alles vor Christus.
Das ist die Wegführung. Es ist ein Einschnitt, an dessen Ende 586 v. Chr. der Tempel zerstört wird. Man kann sagen, dass dies für die Geschichte Israels ein entscheidender Bruch war. Wie gesagt, zwei der großen Propheten schreiben vor der Wegführung, zwei danach.
Wer gehört zu den Propheten vor der Wegführung? Jeremia ist einer davon. Ihr habt vielleicht noch im Kopf, dass er die Zeit der Wegführung mitverfolgt hat. Wo lebt Jeremia? Er lebt in Jerusalem und erlebt diese Zeit hautnah mit. Sein Dienstsschwerpunkt liegt vor der Wegführung. Er warnt die Israeliten vor dem kommenden Gericht und sagt: Wenn ihr jetzt nicht umkehrt, wird es furchtbar. Als das Gericht eintrifft, fordert er sie auf, sich dem Gericht zu beugen – doch sie tun es nicht.
Jeremias Dienstsschwerpunkt liegt also vor der Wegführung, aber er erlebt sie noch mit. Noch etwas früher prophezeit ein weiterer großer Prophet: Jesaja. Von den vier großen Propheten ist Jesaja der früheste. Dann kommt Jeremia, dessen Dienst bis in die Wegführung hineinreicht.
Nach der Wegführung haben wir zwei große Propheten, die aus einer ganz anderen Perspektive auf die Ereignisse blicken. Sie betrachten das Geschehen aus der Entfernung. Der eine ist Daniel, der 605 v. Chr. mitgenommen wurde und am babylonischen Königshof lebt. Sein Buch beginnt logischerweise mit der ersten Wegführung und behandelt dann die Zeit nach der Wegführung.
Deshalb schreibe ich hier auf die rechte Seite: Die Propheten nach der Wegführung. Der zweite, der danach schreibt, ist Hesekiel, den ich euch heute vorstellen möchte. Auch Hesekiel lebt nicht in Jerusalem oder Israel, sondern in Babylon.
Jetzt stellt sich die Frage: Wann wurde Hesekiel mitgenommen? Gehört er zu einer der Deportationen von 605, 597 oder 586 v. Chr.? Man kann sagen, ja, auch er wurde irgendwann während dieser Zeit mitgenommen.
Und dazu schlagen wir einfach mal Hesekiel Kapitel 40 Vers 1 auf. Also Hesekiel, Kapitel 40, Vers 1.
Dort steht Folgendes: Ich mache jetzt mit euch ein kleines Mathematikstück, das ist ja immer ganz lustig. In der Bibel gibt es ja solche mathematischen Spielchen. Da heißt es nämlich folgendes: „Im fünfundzwanzigsten Jahr unserer Wegführung, am Anfang des Jahres, am zehnten des Monats, im vierzehnten Jahr, nachdem die Stadt geschlagen war, an eben diesem Tag kam die Hand des Herrn über mich.“
Ihr seht, das ist wie eine Gleichung mit zwei Unbekannten, wobei man eine Unbekannte auflösen kann und dann die andere bekommt. Was meine ich damit? Ich meine Folgendes: Hesekiel beschreibt hier den Zeitpunkt, wann er eine Vision bekommt, richtig? Also schauen wir mal, was wir alles aus dem Text herausfinden können.
Wann findet diese Vision statt? War das jetzt beim Ritual? Nein, das steht da nicht. Das mag in deiner Bibel so vermerkt sein, weil du es vielleicht mal ausgerechnet hast. Nein, du hast nicht gesagt, dass gerade jemand es rechnet. Ah, du hast schon ausgerechnet. Ja, lass uns die Schritte gemeinsam durchgehen. Nicht alle sind so kleine Mathe-Genies.
Also, was wissen wir? Fünfundzwanzig Jahre. Fünfundzwanzig Jahre was? Die Wegführung. Okay, also haben wir einen Zeitraum: Fünfundzwanzig Jahre sind seit der Wegführung vergangen, ja? Gut, weiter: Was wissen wir noch? Vierzehn Jahre nach der Zerstörung der Stadt. Okay, also haben wir eine zweite Zeitangabe.
Die Wegführung, von der Hesekiel hier spricht, ist gleichzeitig eine bestimmte Zeitspanne, die wir jetzt ausrechnen. Das ist unser Fragezeichen plus 14 Jahre seit was? Seit der Zerstörung. Also hier findet die Zerstörung statt.
Die Zerstörung ist 14 Jahre vor diesem Ereignis, und die Wegführung ist 25 Jahre vor diesem Ereignis. Dieses Ereignis ist der Moment, an dem er schreibt, dass die Hand des Herrn auf ihn kommt. Von diesem Moment aus kann er zweimal zurückreichen: Vor 25 Jahren wurde er weggeführt, und vor 14 Jahren wurde die Stadt zerstört.
Wann wurde die Stadt zerstört? 586 v. Chr. Genau, das ist diese Zeit hier. Diese letzte Belagerung führt zur kompletten Zerstörung der Stadt 586 v. Chr. Das heißt, hier trage ich 586 v. Chr. ein.
Die Hand des Herrn kommt also 25 Jahre nach der Wegführung, und 14 Jahre nach der Zerstörung, also wann findet diese Begegnung mit Gott statt? 572 v. Chr. Genau, also 572 v. Chr. passiert das, was im Text steht, nämlich 14 Jahre nach der Zerstörung Jerusalems.
Aber uns interessiert ja, wann er weggeführt wurde. Also in welcher Wegführung war er dabei? 605, 597 oder 586 v. Chr. kann es nicht sein. Dazu müssen wir sagen: Wenn die Wegführung 25 Jahre vorher ist und die Zerstörung 14 Jahre, dann bleibt ein Rest von elf Jahren, richtig? Okay, gut, also elf Jahre.
Jetzt muss ich mir überlegen: Hier ist 586 v. Chr. Was ist elf Jahre vorher? Welche Jahreszahl? 597 v. Chr. So, und da seht ihr: Daniel ist hier mitgegangen 605 v. Chr., Hesekiel ist in der zweiten, größeren Verschleppung mitgegangen, und das ist hier 597 v. Chr.
Also dreimal wurden Leute verschleppt: Zuerst Daniel 605 v. Chr., dann in der zweiten Deportation 597 v. Chr. Hesekiel. Wir merken uns also: Elf Jahre bevor Jerusalem fällt, ist Hesekiel bereits in Babylon. Das gibt uns so eine Größenordnung im Kopf.
Was lesen wir über Hesekiel, oder was habt ihr bereits über ihn gelesen? Ähnlich wie Jeremia war Hesekiel sowohl Priester als auch Prophet. Er lebte unter den Juden in Babylon, zusammen mit seiner Frau, an einem Ort namens Tel Abib. Dieser befindet sich an den Ufern eines Flusses namens Kebar.
Tel Abib bedeutet übersetzt so viel wie „Ehrenhügel“. Das klingt zunächst etwas merkwürdig. Stellt euch vor, ihr hättet eine hügelige Landschaft, die voller Ehren wäre. Was würde das über die Landschaft aussagen? Sie wäre fruchtbar. Offenbar lebten die Juden, unter denen Hesekiel wohnte, nicht in der Wüste. Das Gebiet war fruchtbar.
Der Fluss Kebar ist eigentlich kein Fluss, sondern ein Kanal. Schon damals wurden Kanäle gebaut. Dieser Kanal verbindet den Euphrat mit dem Tigris. Er liegt etwa achtzig Kilometer südöstlich von Babylon. Wer eine Karte in seiner Bibel hat, kann dort kurz nachsehen. Allerdings ist dieser Kanal oft nicht eingezeichnet, sodass ihr ihn in den Karten vergeblich sucht.
Um eine ungefähre Vorstellung zu bekommen, wo wir uns befinden: Auf einer Übersichtskarte sieht man zwei große Ströme, den Euphrat und den Tigris. Babylon, auch Babel genannt, liegt am Euphrat. Etwas östlich davon fließt der Tigris. Beide Ströme waren damals durch einen Kanal verbunden.
Habt ihr Babylon auf der Karte gefunden? Man muss etwas genauer hinschauen, denn der Kanal fehlt häufig auf den Karten. Das ist verständlich, da es sich um eine wenig bekannte Stelle handelt.
Was auf den ersten Blick verwundert, ist die Tatsache, dass die Juden deportiert wurden – das klingt nicht sehr positiv. Dennoch finden wir sie in einer Gegend, die eigentlich recht schön und fruchtbar ist. Man könnte denken: Da wohnen doch schon Leute. Wie kann das sein?
Was meint ihr, wie das zustande kommt? War es einfach so freundlich gemeint, dass man die Juden deportiert hat, ihnen aber eine angenehme Umgebung gab, damit es ihnen leichter fällt? Die Juden sollten arbeiten, doch sie hatten es dort relativ leicht. Man hätte sie doch auch in eine weniger fruchtbare Gegend schicken können, vielleicht in eine karge Gegend, wo sie härter arbeiten müssten und mehr Ertrag bringen würden.
Wir wissen nicht genau, warum es so war. Sicher ist nur, dass sie dort ganz gut aufgehoben waren.
Darf ich eine Frage stellen? Wer regierte damals in dieser Zeit? Wer war der oberste Herrscher über Babylon? Es war Nebukadnezar.
Hatte er Juden in seiner näheren Umgebung? Ja, mehrere. Das erfahren wir unter anderem im Buch Daniel. Dort wird deutlich, dass Daniel eine sehr hohe Stellung innehatte – vielleicht vergleichbar mit einem Premierminister oder zumindest einer sehr einflussreichen Person.
Es steht zwar nicht ausdrücklich in der Bibel, aber ich kann mir gut vorstellen, dass Daniel, als er von der Belagerung Jerusalems hörte und dass wieder Menschen deportiert wurden, seinen Einfluss geltend machte. Er wollte wohl verhindern, dass die Juden in der Wüste angesiedelt werden. Nach dem Motto: Was soll man mit den Israeliten, wenn man sie in die Wüste Gobi schickt, weit weg und ganz heiß – Problem gelöst.
Das ist natürlich Spekulation, aber durchaus denkbar.
Hesekiel beginnt seine Prophezeiungen im fünften Jahr nach der Wegführung des Königs Joachim, also im Jahr 597 v. Chr. Das bedeutet, seine Prophezeiungen starten im Jahr 592 v. Chr. Die erste Prophezeiung von Hesekiel datiert also auf 592 v. Chr. Wann immer bei Hesekiel eine Zeitangabe wie „im so und so vielten Jahr“ erscheint, bezieht er sich immer auf das Jahr der Wegführung, also auf das Jahr 597 v. Chr.
Das fünfte Jahr nach der Wegführung entspricht somit dem Jahr 592 v. Chr. Seine letzte datierte Prophezeiung finden wir in Kapitel 29, wo vom siebenundzwanzigsten Jahr die Rede ist. Nach unserer Berechnung wäre das Jahr 570 v. Chr. Die Wegführung beginnt 597 v. Chr., und von diesem Zeitpunkt an beginnt alles. Zwischen der ersten Prophezeiung im fünften Jahr (592 v. Chr.) und der letzten im siebenundzwanzigsten Jahr (570 v. Chr.) liegen also 22 Jahre.
Man erhält den Eindruck, dass Hesekiel innerhalb dieses Zeitfensters von 592 bis 570 v. Chr. spricht. Dabei spricht er nicht nur, sondern verwendet verschiedene Mittel, um seine Landsleute zum Zuhören zu bewegen. Hesekiel wird deshalb auch als „Multimedia-Prophet“ bezeichnet, weil er vielfältige Ausdrucksformen nutzt.
Der Dienst, den Hesekiel ausübt, ist ausgesprochen schwierig, aber zugleich sehr wichtig. Der Zorn Gottes hatte sich bereits 605 und 597 v. Chr. entladen, doch die Juden hatten aus ihren Fehlern noch nicht gelernt. Obwohl sie nun verschleppt waren und nicht mehr in Israel lebten, sondern am Fluss im Exil, waren sie keineswegs bereit, ihre Götzen aufzugeben und dem Gott ihrer Väter zu folgen. Auch die Unmoral wollten sie nicht lassen und ein gottesfürchtiges Leben führen. Ihr Verhalten ähnelte dem der Juden in Israel, wie wir es von Jeremia kennen.
Jeremia ruft zur Umkehr auf, doch die Menschen reagieren ablehnend. Sie bitten ihn, ihnen zu sagen, was der Herr von ihnen verlangt. Jeremia nennt ihnen die Forderungen, doch sie weigern sich, sie zu erfüllen. Diese Verstocktheit zeigt sich auch bei den deportierten Juden in Babylon.
Ein weiteres Problem unter den Weggeführten sind falsche Propheten, wie wir sie bereits bei Jeremia in Israel finden. Diese falschen Propheten behaupten, Gott habe ihnen gesagt, dass die Zeit der Gefangenschaft nur kurz sei und bald vorübergehen werde. Sie sagen etwa: „Macht euch keine Sorgen, das hier ist nur eine kurze Episode. Gott wird uns nicht länger als ein oder zwei Jahre hier lassen, vielleicht höchstens fünf, aber bestimmt nicht mehr als zehn Jahre.“ Diese falsche Sicherheit verbreiten sie unter den Menschen.
Dann kommt ein Brief von Jeremia, den wir beim letzten Mal oder beim Lesen von Jeremia schon kennengelernt haben. Was Jeremia in Kapitel 29 in diesem Brief schreibt, ist völlig anders. Er fordert die Israeliten auf, sich auf siebzig Jahre einzustellen. Er rät ihnen, vernünftige Häuser zu bauen, ihre Kinder zu verheiraten und für ein gutes Leben zu sorgen. Außerdem sollen sie für die Städte beten, in denen sie wohnen, denn der Frieden dieser Städte wird auch ihr Frieden sein. Jeremia fordert sie dazu auf, sich auf eine langfristige Perspektive einzustellen.
Dieser Brief soll den Israeliten in Babylon helfen, die durch falsche Propheten und durch Träume und Wahrsagerei verführt wurden. Sie sollten erkennen, dass sie nicht bald zurückkehren würden. Das Denken „Wir sind schon fast wieder zu Hause“ ist falsch.
Wenn wir uns dieses Bild vor Augen halten – eine große Gruppe von Juden, die durch die Deportation nichts gelernt hat, die falschen Propheten glaubt und sich in falscher Sicherheit wiegt –, dann wird deutlich, dass diese Gruppe jemanden braucht, der wie Jeremia in Jerusalem aufsteht. Auch in Babylon braucht es einen Hesekiel, der sagt: „Falsch, falsch, falsch! Ihr könnt nicht so weitermachen. Ihr müsst wirklich umkehren.“
Die Juden brauchen jemanden, der ihnen Logik beibringt, der ihnen sagt: „Macht eure Augen auf, schaut genau hin, was passiert ist.“ Sie sollen zurückblicken und sich fragen: „Wie haben wir gelebt? Was ist dabei herausgekommen? War das gut? Sollen wir so weitermachen?“ Die Antwort lautet: „Eigentlich nicht.“
Diesen Prozess des Hinschauens, Verstehens und der Kursänderung versucht Jeremia in Jerusalem und Hesekiel in Babylon zu vermitteln. Das Interessante ist, dass Hesekiels Perspektive weit in die Zukunft reicht. Sie bleibt nicht bei der gegenwärtigen Situation stehen.
Das Buch Hesekiel reicht bis ins tausendjährige Reich, bis zu einem neuen Tempel und vermutlich sogar in die Ewigkeit hinein. Es bietet eine unglaublich weite Sicht, aus einer Situation heraus, die für einen Juden schlimmer nicht sein könnte.
Wenn man sich vorstellt, es gibt ein Volk, das einen Gott hat. Dieser Gott sagt zu ihnen: „Ich werde euch in ein Land bringen, in dem jeder von euch wohnen kann.“ Dieses Volk blickt auf eine Geschichte zurück, in der dieser Gott sie befreit hat – aus Ägypten. Er führte sie in das Land, aus dem sie Menschen wie David hervorbrachten.
Dort stand der Tempel, an dem sie Gott anbeten konnten. Doch innerhalb weniger Jahre wurde all das zerstört. Die Menschen fanden sich außerhalb des Landes wieder und konnten nur noch sagen: „Alle Segnungen sind verloren.“
Dann kommt Hesekiel und sagt: „Lasst mich euch zeigen, wie es weitergeht. Ich möchte euch einen Anteil geben an dem, was Gott für euch bereithält, wenn ihr umkehrt.“ Die Vision reicht weit in die Zukunft, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Gott unter den Menschen wohnen wird.
Am Ende von Hesekiels Buch stellt er ihnen eine Stadt vor. Diese Stadt hat einen Namen: „Hier ist der Herr.“ Diejenigen, die ihre Stadt verloren haben, erhalten eine neue Perspektive. Obwohl sie eigentlich einen Rückschlag in Bezug auf ihre Nationalität erlitten hatten, der mehr oder weniger deutlich spürbar war, und trotz ihrer geringen Zukunftschancen, bekommen sie einen Blick in eine gewaltige Zukunft.
Ich kann mir vorstellen, dass Hesekiel mit seinen Prophezeiungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein offeneres Ohr fand – und zwar genau hier. Nach dem Fall Jerusalems im Jahr 586 v. Chr. merkten die Menschen, dass all ihre falschen Hoffnungen sie nicht weiterbringen würden.
Solange die Stadt noch stand, konnte man sagen: „Wir werden zurückkehren.“ Aber in dem Moment, in dem die Stadt zerstört war und die Letzten deportiert wurden, sodass man sagen konnte, es sei vorbei, wurde das, was Hesekiel ihnen gesagt hatte, besonders wichtig.
Und jetzt wollen wir uns noch ein paar Gedanken zum Buch Hesekiel machen und überlegen, wie es aufgebaut ist. Das ist bei Hesekiel nicht ganz so schwer.
Zum einen haben wir den Aufbau: Kapitel 1 bis 3 konfrontieren uns gleich mit einem furiosen Start. Das ist wie bei einem Actionthriller, bei dem in den ersten fünf Minuten richtig viel passiert. So ist es auch bei Hesekiel. Du schlägst das Buch auf, es gibt ein paar einleitende Gedanken, mit wem man es hier zu tun hat, und dann folgt eine Vision – die Vision von der Herrlichkeit des Herrn.
Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber es gibt immer ein paar Kapitel in der Bibel, bei denen man sagt: „Da verstehe ich nur Bahnhof.“ Kennt ihr das? Hesekiel Kapitel 1 bis 3 ist so ein Beispiel. Viele sagen, wenn sie ein Beispiel brauchen, wo sie nichts mehr verstehen, dann ist es diese Vision von der Herrlichkeit des Herrn.
Zusammen mit dieser Vision finden wir die Einsetzung Hesekiels, also seine Berufung. Das umfasst Kapitel 1 bis 3.
Dann folgt ein langer Block von Kapitel 4 bis 24. Hier würde ich das Thema „Gottes Gericht über Jerusalem und sein Bundesvolk“ nennen. Wir haben es hier mit Gericht zu tun. Vielleicht schreiben wir einfach „Gericht über Jerusalem“. Lasst da mal noch ein bisschen Platz drunter, weil ich später noch etwas ergänzen will.
Alles, was ihr an Zeitangaben in den Kapiteln 4 bis 24 findet, liegt noch vor dem Fall Jerusalems. Jerusalem fällt im Blick auf die Zeitangaben Hesekiels im 11. Jahr, also im elften Jahr. Die Zerstörung Jerusalems fand 586 statt. Wir rechnen immer von 597 an. Alle Zeitangaben in Kapitel 4 bis 24 liegen davor. Das heißt, alle Zahlen unter zwölf beziehen sich auf eine Zeit vor dem Fall.
Dann haben wir Kapitel 25 bis 39. Hier wechselt das Thema. Es geht plötzlich um zukünftige Dinge, nämlich um die Zukunft der Völker. Dabei gibt es eine Unterscheidung, die wir später noch sehen werden. Ich schreibe sie gleich schon mal hier rein: „Zukunft der Völker in zwei Stufen“.
Einmal geht es um heidnische Völker, also um Nichtjuden. Das ist Kapitel 25 bis 32. Dort werden ausgewählte heidnische Völker nacheinander aufgelistet. Wenn ihr beim Lesen schon so weit seid, wird euch das auffallen. Das ist ein ziemlich markanter Teil im Buch, den man auch erkennt, wenn man jeden Tag nur ein Stückchen vorankommt.
Dann folgt Kapitel 33 bis 39, ein weiterer Teil über Israel. Auch die Zukunft Israels wird hier beschrieben. Erst kommen die heidnischen Völker, dann Israel.
Der letzte auffällige Teil im Buch sind die Kapitel 40 bis 48. Das ist wiederum eine Vision. Bei dieser Vision geht es um die Themen Tempel, Gottesdienst und Stadt.
So, das sind die drei großen Teile. So könnte man, wenn man wollte, das Buch einteilen. Ich will später noch einmal genauer auf diese Einteilung zurückkommen.
Jetzt möchte ich zunächst erklären, worum es in dem Buch eigentlich geht. Wenn man in einem Buch herausfinden will, worum es geht, wird in guten Hilfsmitteln immer empfohlen, den Schlüsselbegriff zu finden. Das kann ein Schlüsselbegriff, ein Schlüsselwort oder manchmal auch ein Schlüsselvers sein. Dieser Teil erschließt das Verständnis des Buches.
Wenn ich diesen Schlüssel verstanden habe, also weiß, worum es geht, lese ich das ganze Buch vor diesem Hintergrund – sozusagen mit dieser Brille, dem Schlüssel, wie meine Brille. Ohne Brille laufe ich wie ein Halbblinder durch die Gegend. Manche Menschen lesen auch so die Bibel, denken sich: „Na ja, irgendwas findet man schon.“ Das ist auch nicht schlecht. Aber wenn ich den Schlüssel habe, setze ich meine Brille auf und sage: „Oh ja, jetzt passt alles. Das ist interessant.“ Dann verstehe ich viel besser, was Hesekiel mir eigentlich sagen will.
Der Schlüssel zum Buch heißt: „Sie werden erkennen, dass ich der Herr bin.“ Dieser Vers kommt in verschiedenen Abwandlungen über fünfzig Mal vor. Was Hesekiel also predigt, ist eine Botschaft mit einem bestimmten Ziel. Er will nicht einfach nur irgendetwas sagen oder fünfmal etwas unterschiedlich ausdrücken, sondern hat ein klares Ziel. Und dieses Ziel bringt er immer und immer wieder vor. Natürlich ist es nicht Hesekiel selbst, sondern Gott, der durch Hesekiel spricht.
Dieses Ziel lautet: Durch die Botschaft Hesekiels werden sie erkennen, dass ich der Herr bin. Oder anders formuliert: Sie werden erkennen, dass ich der einzig wahre Gott und der souveräne Herrscher der Geschichte bin.
Wodurch werden sie das erkennen? Sie werden es anhand von drei ganz unterschiedlichen Offenbarungen erkennen.
Das erste ist: Sie werden es im Umgang Gottes mit seinem Volk erkennen. Ich nehme das Volk Israel und schaue, wie Gott mit ihm umgeht. Die Geschichte zeigt, dass alles so passiert, wie Gott es vorhergesagt hat. Hesekiel arbeitet elf Jahre lang, davon kann er vom fünften bis zum elften Jahr prophezeien. Dabei gibt es viele falsche Propheten, die sagen: „Ach, alles nicht so schlimm. Wir werden da schon wieder rauskommen. Jerusalem wird schon irgendwie durchkommen. Gott hat uns immer irgendwie rausgeholt.“ Doch Hesekiel liegt auf seiner Seite und sagt: „Keine Chance!“
Er packt seine Sachen und sagt: „Tschüss, was ist mit dir los?“ So werden die Juden aus Jerusalem aussehen. Ja, sie werden nicht dort bleiben. Er predigt auf jede erdenkliche Weise immer wieder. Dann kommt der Tag X – zack – und die Stadt fällt.
Was denken die Leute? Sie sagen: „Er segelt das Rechtamt.“ Und was können wir daraus wissen? Wir können wissen, dass hinter Hesekiel der Gott steht, der Geschichte macht und durch seine Propheten Dinge prophezeit, die tatsächlich eintreten. Das ist ein wichtiger Punkt.
Woran erkenne ich also, dass der Gott der Bibel der wahre Gott ist, der wirkliche Herr? An seinem Umgang mit seinem Volk, gerade auch im Gericht.
Der nächste Punkt ist der Umgang Gottes mit den Völkern. Deshalb gibt es auch diesen Abschnitt über die Zukunft der Völker. So wird deutlich: Gott ist wirklich Gott, nicht nur der Gott der israelitischen Geschichte. Er ist kein nationaler Gott, der nur für die Juden zuständig ist, sondern ein Gott für alle.
Wenn wir diese lange Perspektive Hesekiels mit einbeziehen, erkennen wir das auch in der Bewahrung und der letztendlichen Wiederherstellung seines Volkes. Wir sollten heute davon einen besseren Eindruck oder ein besseres Verständnis haben als Menschen, die vor hundert oder hundertfünfzig Jahren lebten.
Wenn wir auf unsere Karten oder Atlanten schauen, sehen wir den Staat Israel. Wenn ihr so wärt wie die Fischers, die am Klo diesen alten historischen Weltatlas liegen haben – ich finde das spannend –, dann würdet ihr sehen, dass es dort immer wieder Karten gibt, hauptsächlich von Europa, das uns am meisten interessiert. Diese Karten zeigen unterschiedliche Farben, aber kein Israel.
Man geht durch die Jahrhunderte hindurch: Es gibt kein Israel, höchstens ein paar Kreuzzüge, aber keinen eigenständigen israelitischen Staat. Stattdessen sieht man das Osmanische Reich. Es gibt keine eigenständige israelitische Nation.
Dann gibt es die Reformation in Europa, die Erweckungsbewegung in England, aber immer noch keinen Staat Israel. Und plötzlich, 1948, gibt es den Staat Israel.
Jeder, der die Bibel ein wenig kennt, weiß: Das war eigentlich vorhergesagt. Gott würde sein Volk wieder sammeln. Das habe ich schon mal gelesen.
An dem Umgang Gottes mit seinem Volk, nicht nur im Gericht, sondern auch in der Wiederherstellung des Staates, können wir erkennen, dass der Gott der Geschichte real ist.
Wozu brauche ich das? Ich habe eine Zweiflerin bei mir zu Hause wohnen – Tabea. Tabea ist die absolute Bibelzweiflerin, das ist unglaublich. Sie kommt immer wieder mit Fragen zu mir, zum Beispiel: Woher weißt du, dass das nicht alles falsch ist? Das sind diese interessanten Fragen, bei denen man sich fragt, was eigentlich die Ursubstanz meines Glaubens ist, worauf mein Glaube steht. Das Fundament, das, wenn man daran rüttelt, nichts mehr übriglässt. Worauf stehst du? Was ist der letztgültige Beweis, der noch trägt?
Ich finde so eine Frage klasse. Da ist so ein kleines Mäuschen, das sagt: „Papa, woher weißt du eigentlich, dass das nicht alles falsch ist, dass sich das nicht einfach jemand ausgedacht hat, dass es Gott wirklich gibt?“ Ich finde die Frage toll, wirklich klasse, sie ist gut. Und ich habe Tabea etwas erklärt. Ich habe ihr gesagt: „Weißt du, ich kann dir nicht alles erklären, und es ist auch nicht das einzige Argument, das ich habe. Aber ein Argument ist, dass ich sehe, wie Gott mit seinem Volk in der Geschichte gehandelt hat.“
Ich habe Tabea genau dieses Bild gezeichnet: „Schau mal, da ist Gott, der sagt, ich nehme mir ein Volk, und ich werde so und so mit diesem Volk handeln.“ Meine Tochter weiß, dass es den Staat Israel gibt. Ich kann ihr das zeigen. Ist er da? Ja, er ist da. Wie kann das sein, dass Gott sagt: „Ich werde euch nehmen, ich werde euch zerstreuen, ich werde euch sammeln“? Und das geschieht über einen Zeitraum von, sagen wir mal, dreitausend Jahren. Wie kann das sein? Das muss doch Gott sein, oder? Ja, das muss schon Gott sein.
Da gab es einen Offizier in der Armee von Friedrich dem Großen, ein gläubiger Mann. Friedrich der Große, der selbst nicht gläubig war – zumindest soweit ich das beurteilen kann – kam zu ihm und sagte: „Beweisen Sie mir Ihren Glauben mit einem Satz.“ Das ist gut. Da kommt der König, und du hast die Möglichkeit, Zeugnis zu geben – hast nur einen Satz Zeit. „Beweis mir deinen Glauben.“ Die Antwort dieses Mannes gefällt mir heute noch sehr gut. Da hat jemand nachgedacht. Er sagt einfach nur: „Die Juden. Ja, die Geschichte der Juden ist ein Beweis für die Existenz Gottes. Wie kann es sein, dass dieses Volk noch existiert nach Jahrhunderten der Verfolgung?“ Wenn ihr dazu etwas sehen wollt, schaut euch das jüdische Museum an und seht, was alles passiert ist. Und dann sucht mal die paar Deutschen, die vor 150 Jahren nach Amerika ausgewandert sind.
Also, weiter. Was ich sagen wollte, ist: Lasst uns aufpassen, dass wir Geschichtsprophetie nicht gering achten. Es ist ein sehr guter Punkt, um zu zeigen, dass Gott Gott ist. Er selbst bringt diesen Punkt. Das habe ich mir nicht ausgedacht. In Jesaja 41,23 heißt es: „Verkündet das Späterkommende, damit wir erkennen, dass ihr Götter seid.“ Gott sagt selbst, es gibt einen Gott-Test. Möchte jemand wissen, ob jemand Gott ist? Gar kein Problem. Sag mir doch einfach, was zum Beispiel in fünf Jahren passiert. „Hm, kann ich nicht.“ Oh, das ist dumm. Dann glaube ich auch nicht, dass du Gott bist.
Warum glaube ich, dass bestimmte Propheten einfach Falschpropheten sind, obwohl sie auch in der Christenheit vielleicht groß anerkannt sind? Ich nehme ihre Prophezeiungen und sage: Das ist nicht eingetreten. Bei Gott ist das anders. Es gab schon eine Zwischenzeit. Was erhielt er für das beste Erschütter? Ja, also gut, nach den elf Jahren wusste Israel: Okay, das war der Falsche. Hatten sie eine Chance, vorher zu wissen, dass das die Falschen sind, und Hesekiel der Richtige? Was denkt ihr?
Auf jeden Fall fällt mir eines ein: Bei Jeremia war die Situation schon so, dass nach der ersten Verschleppung unter König Zedekia ein Prophet sagte, der Belagerungszustand würde bald enden. „Keine Sorge, ich glaube, in zwei Jahren sind wir wieder frei.“ Jeremia sagte dann, dass es ganz anders sein werde, dass eine lange Gerichtszeit auf sie wartet. Jeremia sagt selbst, mehr oder weniger: „Den Beweis kann ich jetzt nicht bringen, aber schaut, was in der Zukunft kommt.“ Und spätestens als dann die zweite Verschleppung kam und nach zwei Jahren nichts passierte, war klar, die Prophetie dieses Propheten war nicht richtig.
Ja, ich glaube, sie mussten auch noch die ganzen Sabbate abarbeiten, oder? Das sind die siebzig Jahre. Das sind die siebzig Jahre, ja. Das wussten sie vorher, oder? Dass sie die Sabbate hätten halten sollen? Ja, sie mussten sie abarbeiten. Ich meine, dass sie die Gefangenschaft ... Gott sagte es, denke ich, schon im Fünften Buch Mose. Ja, okay, aber dann mussten sie auch ... Gut, also in diesem Fall hätten sie es jetzt wissen können. Aber es ist ein guter Test im Nachhinein.
Woher merke ich das vorher denn? Wenn einer aufsteht und sagt: „Ich bin ein Prophet des Herrn“, das ist ein Problem. Woher weiß ich das? Das glaube ich sowieso pauschal. Ja, das ist auch gar nicht verkehrt. Wenn man das Biblische liest, ist es doch gut, erst mal zu sagen: „Keep cool, du willst ein Prophet des Herrn sein.“ Oder nehmen wir das Neue Testament: „Du bist ein Apostel.“ Das ist ja spannend, oder? Im Epheserbrief, wie gemeint in der Offenbarung, heißt es: „Ihr habt die getestet, die von sich sagen, sie sind Apostel.“ Es ist doch gut, erst mal kritisch zu sein.
Die Bibel verbietet es nicht. Das ist mal voll steil auf dem Tisch liegen. Ich wäre auch kritisch und würde dann denken: „Okay, wenn das wirklich eine Prophezeiung vom Herrn ist, dann würde ich erwarten, dass sie sich erfüllt.“ Und wenn er vorher mein ganzes Bankkonto haben will, dann würde ich es ihm erst mal nicht geben. Aber im Allgemeinen wollen echte Propheten nicht dein Bankkonto. Sie kommen nämlich, um dich zu warnen.
Deswegen würde ich, wenn mich jemand warnt, schauen, auf welcher Grundlage er das tut. Tut er es auf der Grundlage dessen, was ich sonst in der Geschichte finde? Ich denke, ein Israelit hätte, wenn er seine Geschichte einfach an sich vorbeiziehen lässt, merken können: „Ups, da ist ein bestimmtes Muster. Wir entfernen uns von Gott, und daraufhin folgt Strafe.“ Und wenn jetzt wieder ein Prophet kommt, dann steht dieser Prophet quasi in einer alten Tradition von Propheten, die schon mal aufgetreten sind mit der gleichen Botschaft.
Und die Gefahr besteht, dass, wenn ich jetzt auch nicht höre, mir womöglich das passiert, wie da und da und da und da. Wir hatten ja schon eine Wegführung gut hundert Jahre vorher, 722 v. Chr., als das Nordreich weggeführt wurde. Sie kannten das schon, sie wussten, das würde passieren.
Aber Martin möchte noch etwas sagen: „Also, es gibt in meinem Testament ja in dem Gesetz zwei Lügestellen, in denen zwei Zuzupeten gekennzeichnet sind. Die eine Stelle ist die, dass falsche Propheten etwas Falsches vorhersagen, was nicht eintrifft. Die andere ist, dass sie etwas Richtiges vorhersagen, was eintrifft, aber mit diesem Eintreffen sozusagen von Gott und von seinen Geboten wegweisen.“
Neben diesen Prophezeiungen hatte Israel damals – und haben wir heute – ja immer den offenbarten Weg Gottes anhand der Bibel, wie wir es heute sagen würden. Das heißt, die Frage ist, ob das, was der Prophet aus dem vielleicht echten Wunder oder aus der echten Prophezeiung für Schlussfolgerungen zieht, Schlussfolgerungen sind, die entlang des Wortes Gottes gehen oder eben nicht.
Als Lazarus bei Abraham auf dem Schoß war und der reiche Mann kam und sagte: „Schick doch wenigstens den da zurück, dass wenigstens meine Brüder oder meine Verwandten gewarnt sind“, antwortete Abraham: „Der Mose und die Propheten sollen sie hören. Und wenn sie auf die nicht hören, dann hören sie auch nicht auf dieses eine Wunder.“
Also gibt es immer die Möglichkeit, wenn ich wirklich in so einer Frage bin, mich auf das zurückzuziehen, was ich schon von Gott kenne. Da fangen wir ja nicht von Null an, sondern sind schon unterwiesen, sozusagen durch das Neue Testament, je nachdem. Das folgt Israel auch. Sie hatten neben dem Gesetz zum Beispiel, wie Paulus hingewiesen hat, auch andere Propheten, die schon gesprochen hatten.
Auch das finden wir im Neuen Testament: „Prüft aber alles, das Gute haltet fest.“ Wenn ich etwas prüfe, dann nehme ich dazu eine Prüflatte oder einen Standard, den ich schon habe, nämlich das Wort Gottes.
Reicht das so ein bisschen oder macht das die Sache klar? Also, da ist natürlich das Problem, dass ich bei einer Zukunftsprophezeiung das Eintreffen, weil ich zeitgebunden bin, erst mitkriege, wenn die Zeit dran ist. Nur jetzt würde man sagen: „Ja, aber es ist noch nicht alles eingetreten, deswegen weiß ich noch nicht, ob Gott ganz die Wahrheit sagt.“ Ja, da würde ich auch sagen, es ist nicht unlogisch. Wenn von so und so vielen Sachen immer das, was rankommt, sich tatsächlich erfüllt, dann darf ich auch sagen, dass das, was zukünftig drankommt, sich erfüllt. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr groß.
So, das war dieser Test, und das war dieser Punkt. Hesekiel möchte, dass seine Zuhörer erkennen, wer der Herr ist. Gott möchte sich durch den Dienst Hesekiels zu erkennen geben, damit sie verstehen: „Ah, da müssen wir hin.“
Das ist natürlich wichtig für ein Volk, das aus ganz anderen Umständen herauskommt. Gott züchtigt sein Volk, weil es Götzen anbetet. Gott züchtigt sein Volk, weil es in Unmoral lebt. Und deswegen musst du diesem Volk sagen: „Wer ist denn bitteschön der richtige Gott?“
Wenn man sich das vorstellt, hat man eine ganze Palette von Göttern. Vielleicht stellen wir uns das einen Tick zu leicht vor. Aber überlegen wir mal: Da wächst jemand in Jerusalem auf. Wir denken vielleicht, na ja, der geht in den Konfirmandenunterricht und hört dort etwas von Gott. Doch das stimmt nicht.
Seine Mutter betet zum Beispiel die Sonne an, und sein Vater ist ein leidenschaftlicher Anhänger von allerlei Göttern. Er wächst also mit einem ganzen Pantheon an Göttern auf – eine Art multikulturelle Theologie, bei der alles gilt. Natürlich wird er sich fragen: Was ist mit dem Tempel da oben? Ja, das ist unser alter Gott, der gehört auch noch dazu. So wächst er auf.
Er erlebt eine Gesellschaft, die abgestumpft ist gegenüber den ursprünglichen Gedanken Gottes und den moralischen und ethischen Vorstellungen, die Gott einmal hatte.
Dazu gibt es ein Buch – fast so wie heute in Deutschland, wenn Kinder groß werden und sagen: Ja, wir leben im christlichen Abendland. Wir haben auch eine Bibel irgendwo im Schrank stehen. Dort gibt es diese Gebäude mit spitzen Dächern, die Kirchen heißen. Ich war auch noch nie in einer, aber sie gehören irgendwie zur Kultur dazu. Jeder hat seine eigene Form von Religion gefunden.
Das ist doch genau wie heute.
Und wie lautet die Botschaft, die wir bringen wollen? Erkenne den einen wahren Gott und vergiss den Rest. Diese Botschaft ist total modern, auch wenn Hesekiel sie an ein Volk richtet, das vor zweieinhalbtausend Jahren lebte.
Aber die Botschaft selbst ist unsere Botschaft: Erkenne den Herrn, verstehe, dass es einen wahren Gott gibt, und lass den ganzen anderen Rest hinter dir.
Lass uns gemeinsam die Einteilung hier noch ein wenig verbessern, also den Aufbau. Ich habe noch ein paar Unterteilungen.
Ich hatte gesagt: Kapitel 1 bis 3 – Vision von der Herrlichkeit des Herrn; Kapitel 4 bis 24 – Gericht über Jerusalem. Das kann man noch etwas genauer unterteilen.
In den Kapiteln 4 bis 24 gibt es am Anfang einen Teil, den ich „Zeichen und Prophezeiungen zum Gericht über Jerusalem I“ nennen würde. Ich kürze das mal ab: Zeichen und Prophezeiungen zum Gericht über Jerusalem I. Wenn es einen ersten Teil gibt, gibt es natürlich auch einen zweiten. Also gibt es auch „Zeichen und Prophezeiungen zum Gericht über Jerusalem II“.
Der erste Teil umfasst die Kapitel 4 bis 7, der zweite Teil die Kapitel 12 bis 24. Dazwischen finden wir etwas anderes, und das wollte ich einfach mal herausstellen. Dazwischen steht eine Vision – wieder eine Vision. Die erste Vision war oben, von der Herrlichkeit des Herrn. Die zweite Vision schreibe ich mal hier hin: Vision – und zwar geht es diesmal um das Thema Tempel und Stadt.
Ezechiel sieht etwas, das nicht dort stattfindet, wo er lebt. Die erste Vision sieht er dort, wo er lebt, und jetzt sieht er etwas über Jerusalem und die Stadt. Der Inhalt dieser Vision über Tempel und Stadt ist wesentlich: Gottes Herrlichkeit verlässt den Tempel und die Stadt.
Oder um es ein bisschen dramatischer zu sagen: Gott wohnt bei seinem Volk. Das ist eigentlich auch sein Ziel. Gott möchte mit seinem Volk wohnen, er möchte dort sein – mit seiner ganzen Herrlichkeit, mit seiner ganzen Ausstrahlung, mit seinem ganzen Segen, wo sein Volk ist.
Und sein Volk wehrt sich und sagt: „Mit diesem Gott wollen wir nichts zu tun haben.“ Es wehrt sich hundert Jahre, zweihundert Jahre, dreihundert Jahre, vierhundert Jahre, und Gott erträgt sein Volk. Immer wieder schlägt ihm dieses Volk geistlich ins Gesicht.
Dann sieht Ezechiel etwas absolut Trauriges: Er sieht, wie Gott geht, wie Gott sich entfernt und sagt: „Okay, ich habe verstanden, was ihr wollt. Ihr wisst nicht, was es bedeutet, wenn ich gehe, aber ich tue es.“
Und das sieht er da, dass die Herrlichkeit Gottes zuerst den Tempel und danach die Stadt verlässt. Wir können später noch ein bisschen auf diese Vision eingehen.
Hier unten, bei dem nächsten Block 25–39, Zukunft der Völker, hatten wir gesagt: Das sind erst mal die heidnischen Völker (25–32) und dann Israel (33–39).
Dort ist ein interessanter Gedanke, auf den ich euch aufmerksam machen möchte. Schaut bitte mal in Hesekiel Kapitel 33. Das ist quasi ganz am Anfang dieses Blocks, wo es dann wieder über Israel geht. Vorher geht es um verschiedene ausländische Nationen, zuletzt um Ägypten.
An dieser Stelle passt die Überschrift sehr schön: Hesekiels Dienst als Wächter. Wenn ihr es schon gelesen habt, ist euch vielleicht aufgefallen, dass dies jetzt zum zweiten Mal erwähnt wird. In Kapitel 3 und Kapitel 33 lesen wir davon, dass er als Wächter eingesetzt wird.
Jetzt kann man sich die Frage stellen: Wann ist denn diese zweite Einsetzung? Die erste Einsetzung haben wir schon mitbekommen. Die erste ist hier vorne, 592 v. Chr., da beginnt der ganze Dienst.
Diese zweite Einsetzung hat thematisch zu tun mit dem, was danach steht. Kapitel 33, Verse 1–21 haben keine genaue zeitliche Zuordnung, aber wir wissen, wann das Nächste, was beschrieben wird, passiert.
Dort heißt es: Es geschah im zwölften Jahr unserer Wegführung, im zehnten Monat, am fünften des Monats. Das zwölfte Jahr der Wegführung – im Blick auf den Fall Jerusalems – ist welches Jahr? Jahr eins nach dem Fall. 597 v. Chr. war die Wegführung, dann folgt eine Zeitspanne von elf Jahren bis zum endgültigen Fall. Jetzt sind wir hier im zwölften Jahr.
Da kam ein Entkommener aus Jerusalem, also jemand, der sich irgendwie durchgeschlagen hat, und sagte: „Die Stadt ist geschlagen!“
Wir befinden uns also wahrscheinlich nicht am Anfang seines Wirkens, sondern mittendrin, genau in der Zeit, in der man davon ausgehen kann, dass das Volk anfängt, wieder richtig zuzuhören. Bis dahin war noch falsche Hoffnung möglich, aber jetzt ist es einfach vorbei.
Ezechiel, der natürlich schon ein paar Jahre predigt, erlebt, dass wenig passiert. Die Leute sagen: „Ach komm, da gibt es noch jemanden anderen, der hat eine viel schönere Botschaft.“
Jetzt kommt Gott und sagt: „Ich setze dich noch einmal als Wächter ein, fang noch mal an.“
Dann stellt sich die Frage: „Warum soll ich jetzt noch einmal durchstarten? Die wollen doch eh nicht hören.“
Die Antwort kommt von Gott, der das noch einmal unterstreicht, indem er ihn für eine Weile stumm macht und ihm dann die Sprache zurückgibt. Ezechiel merkt: „Okay, jetzt ist es wirklich dran, dass ich ganz deutlich rede und alles, was ich weiß, noch einmal mit aller Deutlichkeit sage.“
Es gelingt ihm, daran zu arbeiten, dass das Volk Israel, nachdem es aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkommt, ein ganz anderes Volk ist.
Könnt ihr euch vorstellen: In die babylonische Gefangenschaft geht ein Volk mit dieser Multikulti-Theologie. Da ist der alte Gott, das ist auch noch was, den gibt es auch noch, den kannst du auch mit anbeten. Aber es gibt noch einen ganzen Rattenschwanz von anderen Göttern, die viel populärer sind.
Und wenn ihr denkt, die wurden nur heimlich angebetet, dann müsst ihr in der zweiten Vision mit Ezechiel mal in den Tempel nach Jerusalem schauen und sehen, wer da wen anbetet.
Ihr werdet feststellen: Da wird alles angebetet – von jeder Gruppe in der Stadt – nur nicht der wahre Gott. Nicht einmal die Priester machen das.
So ein Volk zieht in die Verbannung. Bis hier etwas rauskommt, ist es wie bei einem Aktivkohlefilter: Du schüttest oben blaues oder verschmutztes Wasser rein, und unten kommt sauberes Wasser raus.
Da denkst du dir als Kind: „Boah, wie geht das?“ Da hast du ein Medium, das den ganzen Schmutz, die Farbstoffe und alles festhält.
Ein Stück weit ist es mit dem Aufenthalt in Babylon ähnlich: Du schüttest oben ein Volk rein, voller Unmoral, Hurerei, geistlicher Hurerei, Götzendienst, Abfall von Gott. Unten kommt ein Volk raus, bei dem man sagt: „Wo kommt ihr denn her? Das ist ja klasse!“
Das Volk Israel verlässt Babylon als ein Volk, das nie wieder in seiner Geschichte auch nur einen kleinen Millimeter vom Monotheismus abgerückt wäre. Nie wieder bekommt irgendein Götze eine Chance. Ein totaler Wandel.
Die Aufgabe, die Ezechiel hatte – zu zeigen, wer der wahre Gott ist –, das kommt. Das Buch Ezechiel beschreibt nicht, wie es genau kommt, weil es schon relativ früh, um 570 v. Chr., endet. Die Veränderung geht noch einige Jahrzehnte weiter.
Wenn wir uns anschauen, was aus Babylon zurückkommt, dann ist es ein geeintes Volk, und zwar geeint auf der Grundlage eines einzigen Gottes. Es gibt keine Diskussion mehr. Es ist dieser eine Gott.
Die Reformation, die später kommt, mit Nehemia und Esra, richtet noch einiges gerade, aber es wird nie wieder ein Problem mit Götzendienst geben. Es ist klar: Wir haben einen Gott, und zu dem Gott gehören wir, und zu dem Gott stehen wir.
Jetzt kann man sagen: „Ja, aber man kann auf unterschiedliche Weise einem Gott dienen.“ Ja, das kann richtig sein. Es kann auch so sein, dass der Herr Jesus sagt: „Das sind Menschengebote, was ihr hier habt, aber das hat mit mir nichts mehr zu tun.“
Das gibt es: Pharisäismus, Gesetzlichkeit und all diese Dinge. Aber an der Tatsache, dass es diesen einen Gott gibt und dass man nicht noch die ganzen anderen mit anbeten soll, daran haben sie nie wieder gezweifelt.
Es ist schon fantastisch, dieser umwälzende Schritt in der Geschichte.
Gehen wir noch einen Schritt weiter. Hesekiel erhält zweimal diese Beauftragung. Nun möchte ich schnell zur letzten Vision hier unten kommen.
Es gibt drei große Visionen: in Kapitel 1 bis 3, dann ab Kapitel 8 und schließlich in Kapitel 40 bis 48. Diese letzten Kapitel möchte ich noch etwas unterteilen, so wie ich es hier schon grob hingeschrieben habe.
Zunächst die Vision vom zukünftigen Tempel, die beginnt in 40,1 und geht bis 43,12. Wisst ihr, was das Schöne an dieser Vision ist? Die Herrlichkeit des Herrn zieht wieder in den Tempel ein. Ist das nicht toll? In der zweiten Vision oben zieht die Herrlichkeit des Herrn aus. Wir merken, Gott lässt sein Volk zurück und will erst einmal nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Hier aber kann Gottes Herrlichkeit in vollkommener Weise zurückkehren. Gott kann sagen: „Jetzt ist es genau so, wie ich es mir vorstelle, da möchte ich mittendrin sein.“
Dann folgen Kapitel 43,13 bis 47,12. Dort geht es um einen erneuerten Gottesdienst. Das Thema ist Gottesdienst im Mittelpunkt: Wie wird das in diesem Tempel ablaufen? Das letzte Teil, Kapitel 47,13 bis 48,35, beschäftigt sich mit dem Thema Land – wer wohnt wo – und mit der Stadt, also Land beziehungsweise Stadt.
Wie ihr seht, gibt es in Hesekiel drei große Blöcke von Visionen: die Eingangsvision oben, dann einen Block in den Kapiteln 8, 9, 10 und 11 im zweiten Teil und schließlich die Zukunftsvision eines zukünftigen Tempels.
Ich will nicht sagen, dass ich diese Vision bis ins Letzte auslegen kann. So weit bin ich nicht. Aber ich denke, man kann zu den Visionen ein paar Dinge sagen, sodass es nicht nur ein drüberlesen ist, bei dem man gar nichts versteht. Diese paar Dinge möchte ich zum Schluss noch ansprechen.
Bei so einer Vision ist es häufig wie bei einer Walnuss. Eine Walnuss hat einen Kern, der ziemlich real ist. Den kann man essen, das ist nicht schwer, man versteht ihn schnell. Dann gibt es außen herum eine Hülle, auf der man lange herumkauen kann, ohne dass es schmeckt. So hat eine Vision oft einen recht realen Kern. Da ist etwas, das man gar nicht lange deuten muss, das versteht man sofort.
Dann gibt es eine Hülle aus Symbolen außen herum. Über diese kann man eine Weile nachdenken und bekommt Ideen, was das bedeuten könnte und wohin das geht. Aber man muss geistig eine Weile darauf herumkauen, bis man das weich bekommt.
Eine Vision hat also einen realen Kern, den man sofort versteht, aber sie ist umhüllt von einer Reihe von Symbolen.
Ich will euch das mal an der ersten Vision zeigen. Ich hoffe, ihr habt die erste Vision ein bisschen vor Augen. Wenn man will, ist die erste Vision dreigeteilt, und diese drei Teile ergeben für sich einen Sinn.
Zuerst der Hintergrund der ersten Vision. Was sieht er? Wir können uns ein paar Sachen vorlesen, die dort schnell stehen: Sturmwind, eine große Wolke, Feuer – es steht eigentlich „Feuerzungen“, die sich selbst fangen. Was meint er damit? Er könnte sich züngelnde Feuer vorstellen, die ineinander greifen. Es ist so ein richtiger Feuerball, eine Wolke aus sich selbst verschlingenden Feuerzungen. So etwas sieht er.
Das ist der Hintergrund der ersten Vision. Wenn man das jetzt von der Seite der Bibel beleuchtet, wird man sagen: Ja, Feuer, Feuerzungen, so viel Feuer hat irgendwie mit Gericht zu tun. Es geht anscheinend um Gericht, das kommt. Das heißt, es kommt aus dem Norden. Damit weiß man, woher es kommt, und das passt auch ganz gut, weil die Armeen Babylons tatsächlich aus dem Norden eingefallen sind.
Damit man auch merkt, dass das noch ein bisschen verstärkt wird, heißt es in Hesekiel 2,10, dass Klagen, Seufzen und Wegeschrei zum Zentrum dieser Botschaft an Israel zählen. Man könnte sagen: Worum geht es grob bei der Vision? Es geht um ein Gericht. Etwas Schlimmes kommt auf Israel zu.
Gut, das ist ja nicht neu. Es ist nicht der erste Prophet, der sagt: Wenn ihr nicht umkehrt, wird es Gericht geben. Schauen wir ein bisschen weiter.
Das Nächste, was er sieht, aus dieser „Gerichtsfeuer-Sturmwind-Wolke“ heraus, ist plötzlich etwas anderes: Cherubime. Cherubim sind Wesen mit verschiedenen Flügeln und Händen und verschiedenen Gesichtern. Sie werden an anderer Stelle in der Bibel auch als lebendige Wesen bezeichnet und tauchen an verschiedenen Stellen auf.
Das erste Mal, dass man von einem Cherubim liest, ist im Garten Eden. Falsch! Nein, genau dort. Adam und Eva werden hinausgewiesen, und wer sorgt dafür, dass sie nicht wieder hineinkommen? Ein Cherubim steht dort.
Das nächste Mal tauchen Cherubim bei der Bundeslade auf. Auf dem Deckel der Bundeslade sind Cherubime angebracht. Dann finden wir sie noch im salomonischen Tempel. Dort ist auch viel von Cherubimen die Rede.
Dann tauchen sie bei Hesekiel auf. Danach herrscht eine Weile Funkstille, und erst in der Offenbarung kommen wieder lebendige Wesen vor, die als lebendige Wesen bezeichnet werden.
Ich könnte euch das nicht aufmalen. Wenn ihr den Kurs gemacht habt und versucht habt, es zu malen, werdet ihr an eure Grenzen stoßen. Das war mir aber auch völlig klar. Vielleicht hätte Mary es mit ihrem künstlerischen Geschick hinbekommen.
Diese Wesen haben Flügel und vier Gesichter. Es geht mir jetzt auch nicht so sehr darum, dass wir uns das genau vorstellen können, denn Hesekiel schreibt die ganze Zeit, dass es nicht so aussieht, sondern nur ungefähr so ist.
Ich bringe euch mal eine Idee, wie ich es beschreiben würde, wenn ich es könnte: „Ich nehme mal etwas, das so ähnlich aussieht wie ...“ Näher kommt er nicht ran. Wenn in der Bibel steht, die Gestalt sei von so und so, dann meint das eigentlich, dass sie so ähnlich aussehen.
Wir merken, dass mit dem Hintergrund, dass Gericht kommt, das haben wir schnell verstanden. Aber wenn wir uns diesen lebendigen Wesen nähern, sehen wir ein Ochsengesicht, ein Löwengesicht, ein Adlergesicht und ein Menschengesicht. Was soll das bedeuten? Das ist jetzt nur noch die Schale. Jetzt muss man länger darüber nachdenken, das erschließt sich nicht mehr leicht.
Ich möchte euch zwei, drei Tipps geben, worüber ihr bei den Cherubimen nachdenken könnt. Die Cherubimen tauchen nämlich eigentlich immer in Bezug auf den Thron Gottes auf. Dort, wo die Cherubimen sind, ist auch immer der Thron Gottes.
Jetzt mag ich mich bei ein, zwei Stellen irren, und ich habe da noch nicht tief genug darüber nachgedacht, aber sonst – egal, ob das beim Sühnedeckel ist, denn die Bundeslade wird als der Thron bezeichnet, oder ob wir die Stelle in Offenbarung 4 mit den lebendigen Wesen sehen.
Johannes sieht den Thron Gottes, und um den Thron herum sind vier lebendige Wesen. Ah, hier ist es wieder! Die erste Stufe ist unsere Gerichtsfeuer-Sturmwind-Wolke, das war das Große. Aus ihr heraus tauchen diese lebendigen Wesen auf.
Diese Wesen stehen in Verbindung mit dem Thron. Wenn ihr mich fragt, Jürgen, was ich denke – und das ist keine abschließende Meinung, ihr könnt in zwanzig Jahren etwas viel Besseres sagen, dann bringt das gerne –, dann würde ich im Moment sagen: Diese vier lebendigen Wesen zusammen mit den Rädern, von denen dort gesprochen wird, haben etwas damit zu tun, wie Gott regiert.
Sie sind ein Sinnbild für die unterschiedlichen Eigenschaften der Regierung Gottes. Der Thron ist natürlich ein Bild, ein Symbol. Wofür? Bei einem Thron ist es nicht schwer: für die Herrschaft. Dort, wo ein Thron ist, ist ein König, und wo ein König ist, ist Herrschaft.
Wenn ich den Thron sehe, ist das ein Bild für die Herrschaft. Immer spielen diese lebendigen Wesen und auch die Räder mit hinein. Sie haben etwas mit der Herrschaft zu tun.
Ich persönlich denke, dass sie unterschiedliche Aspekte der Herrschaft Gottes widerspiegeln. In diese Richtung könntet ihr denken.
Ich will an dieser Stelle nicht weiterdenken. Etwas anderes möchte ich noch sagen: Das Erste, was er sieht, sind diese lebendigen Wesen. Nach meinem Verständnis sind sie Auswirkungen der Herrschaft Gottes – das, was der Mensch von der Herrschaft Gottes mitbekommt.
Entsprechend sind auch die Räder, die man sieht, nicht etwas, das im Himmel ist, sondern etwas, das auf die Erde reicht. Über den Cherubim thront Gott.
Der dritte Schritt in unserer Vision ist nun, dass der Thron Gottes gesehen wird. Wir haben also unsere Gerichtsfeuer-Sturmwind-Wolke als Bild für Gericht, dann die lebendigen Wesen als Ausdruck für unterschiedliche Aspekte, wie Gott herrscht, und schließlich Gott selbst, der mit seinem Thron in Erscheinung tritt.
Was mache ich denn damit? Ich könnte auch sagen, ich habe auch noch den Regenbogen, über den ich mich persönlich sehr freue. Denn der Regenbogen – ich weiß nicht, ob ihr das wisst – wisst ihr, wann ein Regenbogen zu sehen ist? Die Sonne scheint und es regnet, oder?
Genauer gesagt: Physikalisch oder von der Bedeutung her – was will er denn sein? Nein, erst mal: Wann sieht man die meisten Regenbögen? Genau, es regnet, und wenn der Regen vorbei ist, dann erscheint ein Regenbogen. Das ist übrigens auch die geistliche Bedeutung. Vielleicht hast du noch eine andere.
Man könnte jetzt an die Verheißung an Noah denken. Was ist der Kern der Verheißung an Noah? Das Versprechen, dass diese Art von Wassergericht nicht mehr kommen wird. Genau: Gott wird diese Art von Gericht nie wieder praktizieren. Gott wird zwar mit Feuer diese Erde vernichten, aber eine Flut wird es nie wieder geben.
Im übertragenen Sinne ist ein Regenbogen das, was kommt, wenn der Sturm vorbei ist. Du lässt den Sturm durchziehen, danach gibt es den Regenbogen. Und soweit ich es verstehe, ist der Regenbogen immer auch ein Zeichen dafür, dass nach dem Gericht noch etwas kommt. Anders gesagt: Es geht nach dem Gericht weiter. So will ich das mal vorsichtig formulieren.
Nach dem Gericht, wo alles dunkel ist, geht die Sonne wieder auf. Am Ende siegt Gottes souveräne Liebe – so will ich es mal nennen. Vielleicht denke ich zu weit. Ich will die Vision kleiner machen.
Die erste Vision, die wir haben, zeigt uns – oder zeigt Hesekiel erst einmal, der ja Gericht predigt – wer und was hinter dem Gericht steckt. Da kommt diese Gerichtswolke vom Norden. Übrigens: Alle Armeen, die Israel eingenommen haben, kamen aus der Gegend des Nordens, weil die Geographie es gar nicht anders zulässt.
Und hinter dieser Wolke, hinter diesem Gericht, steckt eigentlich Gott. Es ist wichtig, dass Hesekiel das versteht: Das Gericht ist an dieser Stelle nicht zufällig. Das ist die erste Vision.
Die zweite Vision gibt ihm den Grund dafür, warum Gott richtet. Also die erste zeigt ihm, wer richtet, die zweite Vision zeigt ihm ganz grob, warum Gott das eigentlich tut. Denn Hesekiel ist ja in Babylon und soll verstehen, warum in Jerusalem ein Gericht stattfindet.
Also nimmt Gott ihn in Kapitel 8 mit auf eine Reise nach Jerusalem. Auch hier müssen wir vorsichtig sein und nicht denken, dass alles, was er sieht, eins zu eins passiert. Es ist erst einmal eine Vision, in der er symbolisch Dinge sieht.
Das, was er sieht, ist, dass im Tempel überall Götzendienst getrieben wird. Das nächste, was er sieht, ist, dass Gott Gericht befiehlt. Bevor das Gericht losbricht, sorgt Gott jedoch dafür, dass die, die sich eigentlich ekeln vor dem System – die Treuen oder die Frommen oder wie auch immer man sie bezeichnen will – gesondert markiert werden.
Das Dritte, was er sieht, ist, dass die Herrlichkeit des Herrn erst den Tempel und dann die Stadt verlässt.
Wie sagt man es zusammengefasst? Vision eins: Wer richtet? Gott steckt hinter dem Ganzen. Vision zwei: Warum richtet Gott? Weil Götzendienst und Abfall so weit vorangeschritten waren, dass die Herrlichkeit Gottes nicht mehr dort bleiben konnte. Es ging nicht mehr, die Zeit ist abgelaufen.
Die dritte Vision – ich kann sie ja noch mal hier ansprechen – hat drei Schwerpunkte: Tempel, Gottesdienst und Stadt. Sie beschreibt das endgültige Ziel, das Gott mit seinem Volk hat, mit seinem Volk Israel.
Auch an dieser Stelle müssen wir uns überlegen – und das müssen wir selber tun –, wo ich es mit dem Kern zu tun habe, was real und leicht fassbar in dieser Vision ist, und wo das Symbol anfängt. Das ist nicht einfach.
Es ist wahrscheinlich zu leicht, einfach nur zu sagen, die gesamte Beschreibung ist real, es ist gar keine Vision und hat überhaupt nichts Symbolisches. Das ist ein bisschen heikel. Aber was klar ist: Gott sagt, wir schauen doch mal in die Zukunft. Wie wird es da aussehen?
Oh ja, das interessiert Hesekiel. Jetzt ist die Stadt kaputt und er predigt die ganze Zeit, man soll umkehren. Wird es denn klappen? Das würde uns doch auch interessieren. Wird das was werden?
Ich stelle mir vor, ich könnte einen Blick in die Zukunft meiner Kinder machen. Wird die ganze Mühe mit der Erziehung etwas bringen? Würde ich gerne tun. Hesekiel darf es, und dann schaut er in die Zukunft. Und was sieht er?
Er sieht einen Tempel – klasse! Er sieht Gottesdienste – super, alles wieder da! Er sieht, dass das Land wieder aufgeteilt ist. Es sind ja mehr als nur Benjamin und Juda, da sind die anderen auch noch da – klasse, toll! Und dann sieht er eine neue Stadt.
Vielleicht war Hesekiel auch einer, der wie Abraham die zukünftige Stadt erwartete. Und dann sieht er den Namen der Stadt, den ich vorhin schon genannt habe. Den möchte ich noch mal vorlesen:
„Und der Name der Stadt heißt von nun an ›Jahwe Schamma‹“, auf Deutsch: „Hier ist der Herr.“ Ist das nicht schön?
Er muss sehen, dass das Gericht kommt, und er begreift, warum es kommen muss. Aber am Ende steht der Regenbogen, oder? Am Ende, wenn wir den Thron Gottes sehen, von dem alle Herrschaften und alles Gericht ausgeht, wissen wir: Gott bleibt nicht beim Gericht stehen. Er geht weiter und kommt dort an, wo er ankommen will – dass er unter seinem Volk wohnen kann. Hier ist der Herr.
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