Am besten beginnen wir gleich mit dem ersten Kapitel von Hesekiel. Wir lesen es gemeinsam durch, und danach versuche ich, eine allgemeine Einführung in das Buch Hesekiel zu geben.
Gerade das erste Kapitel ist besonders schwer zu verstehen. Deshalb muss sich niemand seltsam fühlen, wenn er praktisch nichts versteht, obwohl wir es auf Deutsch und nicht auf Hebräisch lesen.
Bruno, kannst du bitte vorlesen? Danke. Habe ich zu viel gesagt? Es ist schon ziemlich schwierig.
Aber es steht ja in den Sprüchen: „Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht.“ Wenn wir uns heute Nachmittag etwas anstrengen, wird uns das, was wir in diesem Kapitel finden, umso wertvoller sein.
Man muss etwas Energie und Einsatz investieren, um in solche Kapitel hineinzukommen. Gerade dann erweisen sich die besonders schwierigen Kapitel der Bibel als besonders segensreich.
Einführung in das Buch Hesekiel
Nehmen wir einmal das Blatt „Einführung des Buches Ezechiel“ zur Hand. Ich habe versucht, das Buch in zwei Sätzen zu umschreiben. Daniel, kannst du vielleicht die ersten zwei Sätze auf dem Blatt vorlesen?
Das Buch Ezechiel beginnt mit der nationalen Katastrophe des babylonischen Exils und endet mit der harten und hoffnungsvollen Zukunft des messianischen Weltreiches. Diese Schrift gibt uns eine grandiose prophetische Gesamtschau der Heilsgeschichte über einen Zeitraum von mindestens circa 2.600 Jahren.
Der Anfangspunkt des Buches Ezechiel ist das babylonische Exil. Das ist die Zeit, in der das Königtum in Israel ein Ende nahm. Jerusalem wurde zerstört, der salomonische Tempel in Staub und Asche gelegt, und das jüdische Volk wurde nach Babylon deportiert. Das war einer der tiefsten Einschnitte in der jüdischen Geschichte überhaupt.
Wir müssen uns das so vorstellen: eine Zeit, in der gewissermaßen alles am Boden lag und alle Hoffnungen zerstört waren. So beginnt das Buch. In dieser Situation eröffnet sich jedoch eine Aussicht, eine prophetische Schau bis hin zum messianischen Weltreich. Das ist das tausendjährige Reich, in dem der Messias Jesus über die ganze Welt herrschen wird. Jerusalem wird zur Welthauptstadt, und der Tempel in Jerusalem wird das Zentrum der Anbetung sein.
All das wird im Detail in den Schlusskapiteln des Buches Ezechiel beschrieben, mit Stadtplan und einem genauen architektonischen Tempelplan – alles ist darin enthalten. Wir können also wirklich sagen: Das Buch beginnt auf dem größten Tiefpunkt und endet auf dem Höhepunkt der Wege Gottes mit den Menschen.
Ich habe geschrieben, es umfasst einen Zeitraum von mindestens circa 2.600 Jahren. Damit meine ich die Zeit vom babylonischen Exil bis heute. Da es natürlich darüber hinausgeht, habe ich bewusst „mindestens“ geschrieben.
Historischer Hintergrund und Einordnung Hesekiels
Zum Zeitpunkt des Buches begann die Katastrophe des Babylonischen Exils in den Jahren 605 bis 582 v. Chr. Die babylonische Armee unter Nebukadnezar II. brachte dem jüdischen Volk eine nationale Katastrophe ungeahnten Ausmaßes. Der Höhepunkt dieser Ereignisse war das Jahr 586 v. Chr.
Es gibt einige Jahreszahlen, die sich kaum auswendig lernen lassen. Dennoch gibt es Fixpunkte, an denen sich die einzelnen biblischen Ereignisse besser einordnen lassen. So ist 586 v. Chr. das Jahr der Zerstörung Jerusalams durch Nebukadnezar und die Zerstörung des salomonischen Tempels.
Diese Katastrophe vollzog sich jedoch in mehreren Phasen. Sie begann 605 v. Chr. mit der ersten Wegführung, die in 2. Chronik 36,5-8 beschrieben ist. Dort wird auch die Wegführung Daniels nach Babylon erwähnt (Daniel 1-2). Damals wurde nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Jerusalems von den Babyloniern deportiert.
In der zweiten Phase griffen die Babylonier Jerusalem erneut an, und zwar im Jahr 597 v. Chr. Diese zweite Wegführung wird in 2. Chronik 36,9-16 beschrieben und entspricht der Wegführung Hesekiels. Hesekiel erhielt seine Visionen im fünften Jahr der Wegführung des Königs Jojachin, wie es in Hesekiel 1,2 heißt: „Zum fünften des Monats, im fünften Jahr der Wegführung des Königs Jojachin, kam das Wort des Herrn an den Propheten Hesekiel.“ Das war also das Jahr 597 v. Chr., in dem Hesekiel in das Gebiet des heutigen Irak deportiert wurde. Babylon und Babylonien entsprechen dem Gebiet des heutigen Irak.
Eine dritte Wegführung fand 586 v. Chr. statt. Diese war die schrecklichste: die Zerstörung Jerusalams und des Tempels, beschrieben in 2. Chronik 36,17-21. Dabei wurden auch große Teile der Bevölkerung ins Exil geführt.
Später, im Jahr 582 v. Chr., gab es noch eine vierte Wegführung. Diese wird in der Bibel nur an einer Stelle erwähnt und ist deshalb oft unbekannt. Jeremia 52,30 nennt dieses Ereignis, das vier Jahre nach der Zerstörung des jüdischen Staates stattfand.
Hesekiel lässt sich somit in die zweite Deportation 597 v. Chr. einordnen. Wohin wurde er deportiert? An den Fluss Kebar. Ist der Fluss Kebar ein Begriff? Wahrscheinlich nicht so bekannt wie Euphrat und Tigris. Der Kebar ist ein großer Seitenkanal, also ein Nebenfluss im Irak. Dort lag eine jüdische Kolonie namens Tel Abib, die in Hesekiel 3,15 erwähnt wird. Kann jemand diesen Vers vorlesen? Dort heißt es: „Ich kam nach Tel Abib zu den Weggeführten, die am Fluss Kebar wohnten. Und dort, wo sie saßen, blieb ich sieben Tage lang stumm und betäubt.“
Dieses Tel Abib, modern hebräisch ausgesprochen Tel Aviv, ist nicht das heutige Tel Aviv in Israel, das unter anderem für den Flughafen bekannt ist. Das damalige Tel Abib lag im Irak, in der Nähe von Nippur, etwa 75 Kilometer südlich der Stadt Babylon.
Übrigens bedeutet Kebar auf Akkadisch, also auf Babylonisch, „Kabaru“ und heißt einfach „der Große“, also der große Kanal, ein Seitenkanal des Euphrat.
So lässt sich Hesekiel gut einordnen: Er wurde in eine jüdische Kolonie am Fluss Kebar deportiert.
Hesekiels Herkunft und Berufung
Was war ihr Beruf? Priester, genau wie er hier! Du fragst dich, woher ich das weiß? Das steht im Text. Führe ich einen Beweis? Ja, dann lies doch!
Gut! Das Wort des Herrn wurde hier ausdrücklich gesprochen. Du siehst den Priester. Er war ein Kohen, das heißt Priester. Seine Aufgabe wäre es also gewesen, als Priester im salomonischen Tempel zu dienen.
Jetzt muss man sich vorstellen: Mit 25 Jahren wurde er in den Irak deportiert. Seine ganzen Lebensaussichten waren damit am Boden zerstört. Bei seiner Wegführung war der Tempel noch intakt, denn er wurde erst 586 v. Chr. zerstört. Trotzdem wurde er schon weggeführt und wusste, dass aus seiner beruflichen Laufbahn nichts mehr werden würde. Er hätte diese Aufgabe gehabt, doch das war nun unmöglich.
Wir müssen uns auch seelisch vorstellen, wie das für Hesekiel war: ein junger Mensch ohne Zukunft, der deportiert wurde. Eine richtige „No future“-Stimmung muss er erlebt und durchgemacht haben.
Im fünften Jahr seiner Wegführung bekam er plötzlich Visionen. Das haben wir ja gelesen, in Vers 2: „Am fünften Tag des Monats, im fünften Jahr der Wegführung des Königs Jojachin, geschah das Wort des Herrn ausdrücklich zu Hesekiel.“ Wie alt war er da? Dreißig. Das erklärt auch Kapitel 1, Vers 1: „Und es geschah im dreißigsten Jahr, im vierten Monat, am fünften Tag des Monats.“
Man kann in vielen Bibelkommentaren nachlesen, und es wird gerätselt, was dieses „dreißigste Jahr“ genau bedeutet und ab wann man es rechnen muss. Das Buch Hesekiel ist sonst voller genauer Daten, die alle klar sind – nur in diesem Fall nicht. Das ist nichts anderes als das dreißigste Lebensjahr.
Plötzlich tat sich für ihn der Himmel auf. In Vers 1 steht: „Da taten sich die Himmel auf, und ich sah Gesichte Gottes.“ Aber fünf Jahre musste er quasi mit dieser Situation fertigwerden. Er war nicht einfach nur deportiert worden, alles war am Boden. Dann hat Gott ihn getröstet und ihm neue Perspektiven aufgezeigt. Er musste fünf Jahre gewissermaßen durch einen Tunnel gehen.
Man muss sich auch fragen: Was ist der Sinn dieser Wegführung? Diese fünf Jahre waren eine innere geistliche Vorbereitung. Dann plötzlich öffnet sich der Himmel, und Hesekiel sieht ganz neue Perspektiven.
Es ist auch kein Zufall, dass Hesekiel den letzten Tempel, den dritten Tempel, im Detail beschreibt. Ebenso den zukünftigen Priesterdienst in Jerusalem in der messianischen Zeit. Er hat das beschrieben, weil er selbst Priester war – ein Priester, der eigentlich im salomonischen Tempel hätte dienen sollen.
Er sah, wie die ganze Herrlichkeit zugrunde ging. Und dieser Priester musste den dritten Tempel beschreiben, der herrlicher sein wird als alle früheren Tempel. So steht es ausdrücklich: Der letzte Tempel wird die höchste Herrlichkeit haben.
Kommt jemand? Haggai II, das war anlässlich des Wiederaufbaus des Tempels, also beim Bau des zweiten Tempels. Dort gab Gott die Verheißung in Haggai 2,7-9. Lest jemand bitte? Manfred, möchtest du lesen?
„Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste“, spricht Jehova, der Herrscher. „Und an diesem Ort will ich Frieden geben“, spricht Jehova, der Herrscher.
Also, die letzte Herrlichkeit wird größer sein als die erste. So sind Gottes Wege. Hesekiel hat den Zusammenbruch erlebt, auch innerlich. Aber dafür durfte er von der höchsten und herrlichsten Zeit sprechen, die noch kommen soll.
Dauer und Struktur von Hesekiels Prophetendienst
Ich habe bereits erklärt, dass das Buch Hesekiel außerordentlich viele genaue Daten enthält, mit denen man die einzelnen Prophezeiungen sehr genau datieren kann. Die letzte Datierung findet man in Kapitel 29, Vers 17, und das ergibt dort das Datum 28. April 571 v. Chr. Das macht deutlich, dass Hesekiel seinen Prophetendienst über eine Periode von mindestens 22 Jahren ausgeübt hat. Es gibt eine biografische Übersicht über sein Leben.
Gut, jetzt gehen wir weiter zur Struktur des Buches. Peter, kannst du mal lesen, damit wir ein bisschen verschiedene Stimmen hören? Sonst wird es langweilig.
Das Buch Hesekiel zerfällt in drei Hauptteile. Die Kapitel 1 bis 22 beschreiben die Zeit vor der Zerstörung Jerusalems. Sie verkünden das endgültige Gericht Gottes über Jerusalem, den herrlichen Tempel, das jüdische Volk und seinen souveränen Staat.
Die Kapitel 25 bis 31 enthalten die göttliche Gerichtsankündigung über sieben nichtjüdische Nationen und Städte. Die Verantwortung des auserwählten Volkes ist größer, deshalb folgt dieser Teil erst an zweiter Stelle.
Die Kapitel 33 bis 48 stellen Gottes herrlichen Plan im Blick auf eine vollständige Wiederherstellung des jüdischen Volkes, des Landes Israel, der Stadt Jerusalems und des Tempels vor. Das Buch enthält eine sehr leicht erkennbare Dreiteilung.
Jetzt habe ich das nochmals aufgeführt: Diese drei Teile, zuerst römisch I, das sind die Kapitel 1 bis 24. Das war übrigens ein Schreibfehler da, der erste Teil umfasst also Kapitel 1 bis 24, nicht 1 bis 23.
Diesen Teil habe ich überschrieben mit „Der Weggang der Herrlichkeit des Ewigen“. Wir haben ja schon in Kapitel 1 diesen Ausdruck gefunden: „Die Herrlichkeit des Herrn“. Er kommt immer und immer wieder vor in Hesekiel. Das ist ein Fachausdruck in der Bibel, der ganz besonders die geheimnisvolle Wolken- und Feuersäule, die Schechina, bezeichnet. Diese war schon über der Stiftshütte und deutete die Gegenwart Gottes sichtbar an. Die Schechina war auch auf dem ersten Tempel, dem salomonischen Tempel, sichtbar.
Im ersten Teil, Hesekiel 1 bis 24, wird eindrücklich beschrieben, wie kurz vor der Zerstörung des salomonischen Tempels die Schechina vom Tempel weggeht. Das wird in den Kapiteln 8, 9, 10 und 11 in Etappen beschrieben.
Zuerst wird sie im inneren Vorhof des Tempels gesehen. Dann geht sie weiter weg, so zögernd. Anschließend sieht man sie beim Osttor, das heute als das Goldene Tor bekannt und zugemauert ist. Dieses Goldene Tor stammt natürlich aus viel späterer Zeit, aber innerhalb dieses Torgebäudes kann man heute noch zwei Torpfosten sehen. Der eine ist dreieinhalb Meter hoch, ein Monolith, also ein einzelner Stein, der andere viereinhalb Meter. Diese Torpfosten stammen mindestens aus der Zeit von Nehemia.
Man kann also sehr genau sagen, dass dort das Osttor des Tempels, auch des salomonischen Tempels, war. Dort ging die Schechina hindurch. Ezekiel sieht sie dann noch auf dem Ölberg, der östlich vom Tempelberg liegt. Dazwischen liegt das Kidron-Tal. Dort verschwindet sie schließlich. Sie ist nie mehr zum Tempel zurückgekehrt.
Auch später, nachdem die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt waren und den zweiten Tempel aufgebaut hatten, kam die Schechina nie mehr zurück. Im salomonischen Tempel war sie da, aber im zweiten Tempel kehrte sie nicht zurück.
Selbst als unter Herodes der zweite Tempel prachtvoll ausgebaut wurde und zum größten Heiligtum der Welt wurde, kam die Schechina nie zurück. Obwohl der zweite Tempel in der Zeit Jesu herrlicher, schöner und doppelt so groß war wie der salomonische Tempel, kehrte die Schechina nicht zurück.
Im dritten Teil von Hesekiel, römisch III, habe ich überschrieben mit „Die Rückkehr der Herrlichkeit des Ewigen“ (Kapitel 33 bis 48), sieht Hesekiel, wie im dritten Tempel die Schechina zurückkehren wird. Und zwar wieder von Osten her, vom Ölberg her, durch das Osttor.
Sie kommt in den messianischen Endzeit-Tempel zurück. Das macht deutlich, wie der erste und der letzte Teil von Hesekiel spiegelbildlich angeordnet sind: der Weggang der Herrlichkeit und die Rückkehr der Herrlichkeit.
So haben wir gewissermaßen als Zwischeneinschub die Kapitel 25 bis 32, in denen Gottes Gericht über die Heidenvölker, Nationen und Städte verkündet wird.
Wie wir gelesen haben, kommt das Gericht über die Heidenvölker an zweiter Stelle. Zuerst kommt das Gericht über das jüdische Volk (Kapitel 1 bis 24), weil das jüdische Volk die Tora besaß. Das Alte Testament war es. Es war viel verantwortlicher vor Gott für sein Handeln als die Heidenvölker.
Darum ist in Hesekiel zuerst das Gericht über die Juden, und danach kommt das Gericht über die Heiden.
Parallelen im Neuen Testament und Gericht über die Gemeinde
Eine Analogie finden wir auch im Neuen Testament. In welchem Bibelbuch? Ja, ich meine ein Buch, das vom Aufbau her dieses Prinzip hat.
Wieso denken Sie vom Aufbau her, von der Struktur des Buchs her? Meinen Sie 1. Petrus 4? Wenn der Gerechte mit Not erinnert wird, wo wird dann der Gottlose und Sünder erscheinen? Sehr gut, das können wir später noch in 1. Petrus 4 nachschlagen.
Von der Struktur her hat Bruno gesagt, es sei die Offenbarung. Wo ist Bruno? Ah ja, da hinten, ich sehe ihn kaum. Erklär mal, was du meinst.
In Kapitel 2 und 3 sieht man das Gericht über die Gemeinde Gottes. Das sind die sieben Sendschreiben an sieben örtliche Gemeinden. Und dann? Danach folgt Kapitel 6, das Gericht über die Nationen, also über die Welt im Allgemeinen. Zuerst Gottes Urteil über die Gemeinde, dann über die Welt im Allgemeinen.
Jeder Christ, der in eine örtliche Gemeinde geht, ist automatisch in Gottes Augen verantwortlicher als irgendein Mensch. Das ist dieses Prinzip.
Schlagen wir doch 1. Petrus 4, Verse 17-18 auf. Wer möchte lesen? Wollen Sie es gleich lesen? Ja?
"Denn die Zeit ist da, dass das Gericht anfängt am Hause Gottes. Wenn aber zuerst an uns, was wird es für ein Ende nehmen mit denen, die dem Evangelium Gottes nicht glauben? Und wenn der Gerechte kaum gerettet wird, wo wird dann der Gottlose und Sünder bleiben?"
Übrigens, vom Zusammenhang her, wenn Petrus sagt, das Gericht fängt an beim Haus Gottes, woran denkt er da konkret? An welches Gericht?
Petrus erwähnt Christenverfolgung in Kapitel 4, Vers 12: "Geliebte, lasst euch das Feuer der Verfolgung, das euch zur Versuchung geschieht, nicht befremden." Der erste Petrusbrief bringt uns in die neronische Zeit, also die Zeit von Kaiser Nero, in der die Christenverfolgungen beginnen.
Petrus sagt, diese Christenverfolgungen sind ein Gericht Gottes über die Gläubigen. Weil wir verantwortlicher sind und in unserem Zeugnis versagt haben. Man muss sich vorstellen, dass das schon damals galt: Wir haben ein zu wenig klares Zeugnis gegeben, schon in den sechziger Jahren. Was würde heute gelten, wenn wir den Zustand der Gemeinden damals mit dem Zustand im zwanzigsten Jahrhundert vergleichen?
Peter sagt, jetzt ist die Zeit gekommen, wo das Gericht anfängt beim Haus Gottes. Aber einmal wird die Welt dran sein. Darum sagt er: Was wird dann mit denen geschehen, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen?
Das ist eine Parallele zu Hesekiel.
Der Herr Jesus hat das Evangelium dann nicht lange wieder nicht gerichtet. Wie verstehe ich das jetzt?
Ich weiß natürlich aus Offenbarung Kapitel 2 und 3, dass der Herr Jesus inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt und den Zustand jedes Einzelnen beurteilt.
Es geht, wie ich gerade erklärt habe, in 1. Petrus 4 um ein irdisches Gericht über die Gemeinde. Es geht nicht um die ewige Verdammnis, sondern um ein irdisches Gericht, eine Zucht Gottes.
So wie Pharao auch in 1. Korinther 11 sagt zur Gemeinde in Korinth: "Es ist ein Gericht Gottes, dass viele unter euch schwach und krank sind, ein Teil sogar entschlafen, weil ihr das Abendmahl unwürdig genommen habt."
Aber er sagt im gleichen Kapitel: "Dies geschieht als Zucht", und das Griechische sagt sogar "zur Kindererziehung".
Das macht deutlich, es geht um einen erzieherischen Akt und nicht einfach um das Gericht an sich.
In der Rechtsprechung ist es ähnlich: Wenn Jugendliche sich verfehlen, hat das Urteil, das über sie fällt, erzieherischen Charakter.
Wenn ein Erwachsener eine Verfehlung macht, steht nicht mehr Vergeltung im Vordergrund, sondern eher die Strafe.
Die Rechtsprechung verfolgt dabei den Gedanken der Vergeltung. Natürlich hofft man, dass das auch etwas bewirken kann, aber das ist nicht mehr so vordergründig wie bei der Jugendjustiz.
So kann man das vergleichen.
In Hesekiel 14 geht es um ein Gericht über die Gemeinde, das zur Verbesserung führen soll. Es hat nichts zu tun mit dem ewigen Gericht.
Darum sagt Paulus auch, dass wir nicht mit der Welt verurteilt werden sollen.
Gott macht deutlich, dass das Gericht über die Gemeinde nichts mit dem ewigen Gericht zu tun hat.
Wenn Jesus sagt, wer an mich glaubt, wird nicht gerichtet, meint er, dass der wahrhaft Gläubige nicht in die Verdammnis kommt.
Dass ein wahrhaft Gläubiger aber auch unter die Zucht Gottes kommen kann, wenn er ungehorsam ist, ist eine andere Sache.
Gut, dieser Einschub.
Der zweite Teil des Gerichts betrifft die Nationen. Das ist nicht einfach ein Anhängsel, sondern hochinteressant.
Wir werden sehen, was wir dort über Gottes Plan finden, zum Beispiel über Ägypten oder die Prophetie über den Untergang von Tyrus.
Es ist beeindruckend, wie sich diese Prophezeiungen in der Geschichte dramatisch erfüllt haben.
Wenn ich Einschub sage, hat man oft das Gefühl, ein Einschub sei weniger wichtig.
Aber dieser Einschub ist genauso wichtig. Nur in Bezug auf das Ganze ist es noch ein Zwischeneinschub.
Der Weg zur Wiederherstellung Israels und der neue Tempel
Jetzt habe ich noch auf dem Blatt gezeigt, dass der dritte Teil wieder in zwei kleinere Abschnitte aufgeteilt werden kann, nämlich Kapitel 33 bis 39 und dann 40 bis 48.
Der erste Teil kann überschrieben werden mit: Der Weg zur Wiederherstellung und Erneuerung Israels. Das ist eine ganz merkwürdige Prophetie. Wir wissen, dass es viele Prophezeiungen im Alten Testament gibt, wonach das jüdische Volk in der Zukunft wiederhergestellt und zurückkehren wird. Einige davon sind bereits in Erfüllung gegangen. Kapitel 33 bis 39 zeigt jedoch die ganze Entwicklung, wie das im Einzelnen abläuft. Das ist einfach fantastisch.
Mit den ersten Einwanderungen wird die gesamte Entwicklung dargestellt, wie es schließlich dazu kommt, dass Israel vollständig unter dem Messias in seinem Reich wiederhergestellt wird. Der ganze Weg wird aufgezeigt. Man kann es so aufteilen, dass zuerst Hesekiel als Wächter in seiner Verantwortung vorgestellt wird. Dann schreibt er über den neuen Hirten, der über Israel kommen wird. Danach folgt die Beschreibung des erneuerten Landes und anschließend das neue Herz, das das jüdische Volk erhalten wird. Weiterhin geht es um das Volk, das als solches erneuert wird. Schließlich wird noch der Untergang des letzten Judenfeindes beschrieben: Gog aus dem äußersten Norden. So ist gewissermaßen der Endzustand erreicht.
Kapitel 40 bis 48 behandeln den neuen Tempel und die neue Landverteilung. Auch dieser Teil ist unterteilt: Kapitel 40 bis 47 beschreiben zuerst den neuen Tempel und den neuen Gottesdienst. Kapitel 47 bis zum Schluss behandeln die Neuverteilung des Landes Israel. Die Grenzen werden ganz neu gezogen; es entsteht ein Großisrael – ob die UNO das will oder nicht. Das Land wird völlig neu verteilt, wie es zuvor noch nie der Fall gewesen ist. Was uns auffällt, ist, dass alles neu wird – neu, neu, neu.
Diese Aussicht auf das Ende gab Hesekiel Kraft und Mut, um in seiner Situation, die sich zu seinen Lebzeiten nicht verbessert hatte, seinen Glauben zu leben und durchzustehen. Hier sehen wir das Prinzip, wie wesentlich die Hoffnung auf die Zukunftsverheißungen Gottes ist, um hier und jetzt bestehen, leben und glauben zu können.
Sind bis hierhin Fragen?
Könntest du bitte, Froschi, noch einmal angeben, wo wir das auf dem Blatt ändern müssen? Ich habe das nicht ganz verstanden.
Kapitel 38 – wo muss das hin?
Im Abschnitt A.
Ja, A ist überschrieben mit „Der Weg zur Wiederherstellung und Erneuerung Israels“, Kapitel 33,1 bis 39, Vers 28.
Nicht 37, sondern 39.
Noch eine Frage?
Ja?
Wir haben in der Schechina-Zeit gelernt, dass die Schechina eigentlich Christus im Alten Testament ist. Hast du verstanden, ob die Schechina Christus im Alten Testament ist?
Die Schechina hat ja die Gegenwart Gottes sichtbar angezeigt. Man kann sagen, wo die Schechina war, da war Christus gegenwärtig. So kann man es ausdrücken. Und wir werden das gerade in Kapitel 1 bei Hesekiel noch deutlicher finden. Aber vielleicht gehen wir der Reihe nach und kommen dann auf diesen Punkt.
Ist das dieselbe Wolke, die bei der Verklärung anwesend war, als der Herr Jesus mit den Jüngern eingetreten ist, also auch die Schechina?
Das ist eigentlich sehr naheliegend, dass es auch die Schechina war. In Lukas 9, Vers 34 heißt es: „Als er dies sagte, kam eine Wolke und überschattete sie. Sie fürchteten sich, als sie in die Wolke eintraten, und es geschah eine Stimme aus der Wolke, die sagte: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn höret!‘“ Das war nicht irgendeine Wolke, sondern die Wolke, aus der dann die Stimme Gottes hervorkam, so wie im Alten Testament.
Das ist offensichtlich eine Neuerscheinung der Schechina.
Dasselbe geschah auch bei Maria schon früher. Denn bei Maria heißt es in Lukas 1, Vers 35, im Zusammenhang mit der Geburt oder Erzeugung des Messias: „Der Engel antwortete und sprach zu mir: Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden.“
Dieser Ausdruck „überschatten“ kommt nochmals vor, nämlich auf dem Berg der Verklärung, Matthäus 17, Vers 5. Dort heißt es ebenfalls „überschatten“, und wir haben es auch in Lukas gelesen. Das ist genau der Ausdruck, wie die Wolke überschattet hat, so sollte Maria überschattet werden und die Zeugung durch den Heiligen Geist geschehen.
Von dieser Wolke auf dem Berg der Verklärung wird in 2. Petrus 1, Vers 17 übrigens gesagt, dass sie bezeichnet wird als die prachtvolle Herrlichkeit – ein Ausdruck, der im Alten Testament für die Schechina benutzt wird. Ich gebe nur die Stelle an: „Den er empfing von Gott dem Vater Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit her eine solche Stimme an ihn erging: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn.‘“
Hier wird die Wolke als die prachtvolle Herrlichkeit bezeichnet, das ist die gleiche Bezeichnung „Herrlichkeit“, wie wir sie in Hesekiel immer wieder bei der Schechina finden.
Deshalb habe ich mich ganz genau ausgedrückt: Ich habe gesagt, die Schechina ging beim salomonischen Tempel weg und kehrte nie mehr zum Tempel zurück. Aber ich habe nicht gesagt, dass sie nie mehr auf die Erde zurückgekehrt sei. Denn in Verbindung mit Maria ist sie zurückgekehrt, in Verbindung mit dem Berg der Verklärung ist sie zurückgekehrt, aber nie mehr zum Tempel.
Noch eine Frage?
Ja?
Ich habe noch eine Frage zu Vers 3: War mit Priester der Hesekiel gemeint oder der Vater?
Wenn der Vater Priester war, dann war der Sohn sowieso auch Priester, denn die Priesterlinie wurde vererbt. Ein Priester musste aus der Linie Aarons, des Hohenpriesters, stammen.
Ja, ja, sonst könnte man grammatikalisch Zweifel haben, das stimmt.
Gut, jetzt gehen wir in die Pause, machen zwanzig Minuten Pause. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.
Herr Chey, entschuldigen Sie bitte, wir haben noch eine Frage.
Erstens ist uns nicht ganz klar geworden, warum die Reisendenjahre ganz am Anfang bei Hesekiel sein Lebensalter angeben. Das haben wir nicht ganz verstanden.
Zweitens: Wenn er zum Aufheckdienst in Babylon gerufen wurde, war er dann Priester? Also, was ... Du hattest das erklärt, aber wir haben es nicht ernsthaft verstanden.
Also, er war Priester von der Abstammung her und hätte damit automatisch die Funktion gehabt, im salomonischen Tempel zu dienen. Nach der rabbinischen Literatur hat er sogar schon im Tempel gedient. In der Bibel wird jedoch nur gesagt, dass er aus priesterlichem Geschlecht war.
Er war also schon fünf Jahre in der Wegführung, als die Vision kam. Es geschah im dreißigsten Jahr, aber es wird nicht erzählt, ab welchem Ereignis man rechnen soll. Bei den vielen Daten in Hesekiel ist es sonst immer deutlich, ab wann gerechnet wird. Das macht deutlich, dass wir dieses Ereignis in seinem Leben sehen müssen.
Sein dreißigstes Lebensjahr war es, und da er fünf Jahre zuvor weggeführt wurde, schließen wir daraus, dass er mit fünfundzwanzig nach Babylon kam.
Und dann der Priesterdienst im fünften Jahr seiner Wegführung?
Er hatte keine Möglichkeit, als Priester zu dienen. Man muss sich vorstellen, einen Menschen, vergleichbar mit jemandem heute, der eine gute Ausbildung gemacht hat, aber keine Arbeit findet.
Ja, das haben wir verstanden. Aber hier steht, er wurde zum Prophetendienst berufen. Von wem und für wen?
Jetzt ist klar: Prophetendienst, nicht Priesterdienst.
Es geschah das Wort des Herrn, Vers 3, ausdrücklich zu Hesekiel. Gott, der Herr, hat Hesekiel zum Prophetendienst berufen.
Zunächst sieht er diese Vision, und in Kapitel 2 folgt dann die Berufung zum eigentlichen Dienst.
Zunächst eben diese Schau.
Es ist ja so, ja?
Wenn wir uns fragen, ob Priester oder die aus der Priesterklasse während der katholischen Empfangschaft nicht auch irgendeinen Dienst ausgeführt haben, dann ja.
Priester hatten nicht nur den Dienst des Opferns, sondern der Priesterdienst war auf verschiedene Aufgaben verteilt. Zum Beispiel waren sie auch Mediziner, denn Priester mussten Aussatz diagnostizieren. Sie waren auch Spezialisten in Musik. Nicht alle wurden in allen Gebieten ausgebildet; je nach Spezialisierung übernahmen sie verschiedene Aufgaben.
Eine Aufgabe war auch der Richterdienst. Solche Funktionen konnten sie auch während der Gefangenschaft ausüben.
Auch heute noch im Judentum ist es so: In einer Familie betet am Tisch der Hausvater. Wenn aber jemand zu Besuch ist, der Cohen oder Levi heißt, wird dieser gebeten zu beten. Sie haben noch heute eine Vorrangstellung in der jüdischen Gesellschaft. Sie sind begehrte Personen für Dienste in der Synagoge.
Diese Vorrangstellung hatten sie auch in der zweitausendjährigen Diaspora und bestimmt auch in den siebzig Jahren der babylonischen Gefangenschaft.
Noch etwas?
Gut, also, wie gesagt, wir haben viel zu tun.
Wir haben das Kapitel durchgelesen. Es ist so schwierig, man fühlt sich, als hätte man gerade eine Fremdsprache gelernt und ginge in ein Land, in dem man nichts versteht. Außer man weiß schon, worüber die Leute sprechen, dann versteht man am meisten.
Auch hier ist es so: Man liest das Kapitel, aber am besten wäre es, wenn wir wüssten, worum es überhaupt geht. Dann kommen wir besser hinein.
Ich will das Geheimnis mal verraten: Hesekiel sah in der Vision den Thron Gottes.
Die Vision des Throns Gottes
Liest jemand Vers 26? Die unverhüllte Ausdünnung über ihrem Häuptern war die Gestalt eines Thrones, wie das Aussehen eines Saphirsteins, und auch die Gestalt des Thrones war wie das Aussehen eines Menschen obendrauf.
Jawohl, also auf diesen eigentümlichen Erscheinungen da steht ein Thron, und darauf sitzt jemand wie ein Mensch. Wer ist das wohl? Christus, der Sohn Gottes. Wie ein Mensch – das ist ja noch fast sechshundert Jahre vor der Menschwerdung. Aber wir haben verschiedene Christuserscheinungen im Alten Testament, und immer wieder erscheint er in der Form „wie ein Mensch“, obwohl er noch kein Mensch war.
Das schattet bereits voraus, dass er einmal Mensch werden sollte, der Sohn Gottes auf dem Thron. Und dieser Thron wird von lebendigen Wesen getragen. Die Frage, was das eigentlich ist, ist die Frage auf dem Blatt hier, Frage zwei: Worum handelt es sich bei den vier lebendigen Wesen? Also diese vier lebendigen, eigenartigen Wesen tragen diesen Thron über sich. Was, worum handelt es sich hier? Wer hat eine Idee?
Es gibt ja eine Analogie zur Offenbarung. Glauben Sie, die taucht dann genauso wieder auf? Ja, eine Analogie zur Offenbarung. Schlagen wir das mal auf: Kapitel vier, Vers sechs. Offenbarung 4. Wollen Sie gleich lesen? Lesen Sie vielleicht zunächst mal Vers 2:
„Gottes Geist ergriff mich, und dann sah ich: Im Himmel stand ein Thron, auf dem jemand saß. Die Gestalt leuchtete wie ein Edelstein, wie ein Jaspis oder Karneol, und mit dem Thron strahlte ein Regenbogen.“
Und jetzt Vers 7: „Die erste dieser Gestalten sah aus wie ein Löwe.“ Verzeihung, Vers 6 schon natürlich. Gleich vor dem Thron war so etwas wie ein Meer, durchsichtig wie Glas, strahlend und hell wie Kristall. In der Mitte und um den Thron herum standen vier mächtige Lebewesen, die überall Augen hatten. Die erste dieser Gestalten sah aus wie ein Löwe, die zweite glich einem Stier, die dritte hatte ein Gesicht wie ein Mensch, und die vierte glich einem fliegenden Adler. Jede dieser Gestalten hatte sechs Flügel, auch die Flügel waren innen und außen voller Augen. Unablässig, Tag und Nacht, singen sie: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der allmächtige Gott, der schon immer war, der heute da ist und der kommende.“
Also eine Parallele: Die Parallele umfasst sogar noch mehr, als nur dass es auch hier vier lebendige Wesen sind, vier lebendige Wesen mit Flügeln und verschiedenen Gesichtern, die auch übereinstimmen. Aber es wird auch dort nicht näher gesagt, worum es sich handelt. Sie sind aber auch in Verbindung mit dem Thron Gottes.
Nun, das geht schon ein bisschen weiter. Hier sind wir also im Himmel, wir sehen den Thron Gottes im Himmel und diese lebendigen Wesen. Aber jetzt brauchen wir eine Brücke, eine beweiskräftige Brücke, die erklärt, was diese Wesen sind. Stellen Sie sich vielleicht die verschiedenen Eigenschaften und Funktionen Christi dar?
Ja, das wäre dann aber schon ein weiterer Schritt zur Bedeutung der Symbolik. Darauf müssen wir dann eingehen. Aber zunächst einmal: Was sind sie ganz konkret? Das heißt, gerade diesen Schlag erhoben war uns Silber eins, danach sah ich vier Engel. Hat es mit dem Zettel das Engel zu tun? Das sind aber wieder andere Engel, die sind ja an den vier Enden der Erde, nicht wahr? Aber da sind es Wesen rund um den Thron Gottes her.
Sagst du mir, der Stiftzüttel nicht mit Cherubim zu führen? Wieso denkst du das?
Ja, weißt du, auch den Thron quasi überdecken. Also du meinst, über der Bundeslade gab es ja solche Cherubimgestalten mit Flügeln, die werden Cherubim genannt, aber es wird ja nicht genau gesagt, wie die ausgesehen haben. Jesaja 6 findet man noch einen Hinweis. Jesaja 6 findet man auch solche Wesen rund um den Thron Gottes, die genau dasselbe sagen wie in Offenbarung 4: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth.“ Und die haben wie viele Flügel? Seraphim. Und wie heißen sie? Seraphim. Seraphim kommt vom Hebräischen Saraf, brennen. Man könnte sie also mit Feuerwesen übersetzen. Der Ausdruck Seraphim kommt aber nur in Jesaja 6 vor.
Also es gibt auch schon eine Brücke, und auch dort sieht Jesaja diese Seraphim. Wo? Im Tempel, gab es im Himmel? Bist du sicher, dass es im Himmel war? Nein, es wird nicht so ausdrücklich gesagt. Aber jedenfalls in Verbindung mit dem Tempel Gottes, oder? Und mit seinem Thron.
Wir können das aufschlagen, Jesaja 6, ganz wichtiges Kapitel. Bruno liest mal Verse eins bis drei:
„Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und seine Schleppen erfüllten den Tempel. Seraphim standen über ihm, an jeder von ihnen hatte das Herz sechs Flügel. In zweien bedeckte er sein Angesicht, in zweien bedeckte er seine Füße, und in zweien flog er. Einer rief dem anderen zu und sprach: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit.‘“
Lest auch bis Vers fünf:
„Und es erbebten die Grundfesten der Schwellen von der Stimme der Rufenden, und das Haus wurde wie von Rauch erfüllt. Und ich sprach: ‚Wehe mir, denn ich bin verloren, denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes von unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, den Herrn Zebaoth, gesehen.‘“
Jawohl, also auch hier Engel um den Thron Gottes herum. Er sieht nämlich den Herrn sitzen auf hohem und erhabenem Thron. Aber hier sind sie doch nach Jesaja über ihm und bei Hesekiel unter dem Herrn. Haben Sie dazu etwas zu sagen?
Gut, hier beten sie ja an, sind auch gewissermaßen ringsherum, während in Hesekiel sie den Thron tragen. Das ist also eine andere Situation. In Hesekiel sind sie nicht am Anbeten, sondern am Tragen. Und hier sind sie am Anbeten.
Übrigens, wenn Jesaja hier eine Vision hatte vom salomonischen Tempel, vom Allerheiligsten, dann sah er den Herrn auf hohem und erhabenem Thron sitzen. Die Bundeslade war ja eigentlich sehr niedrig, wenn man darüber nachdenkt. Aber es ging ja im salomonischen Tempel, das haben wir vor einiger Zeit gesehen, drei Meter hinauf auf den Felsen, der heute in der Al-Aqsa-Moschee ist, und obendrauf war die Bundeslade.
Also wenn Jesaja diese Vision hatte, der Herr auf hohem und erhabenem Thron, dann muss man sich das vorstellen: die Bundeslade drei Meter auf dem Felsen erhöht, und diese Seraphim eben rundherum, die Gott anbeten.
Auch da sieht er jemanden konkret, eine Person sitzen auf dem Thron, wie Hesekiel. Und das Interessante ist: In Johannes 12 zitiert der Evangelist aus Jesaja 6, und dann schreibt er dies: Diese Worte sagte Jesaja, weil er von ihm, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete. Das ist ein ganz interessanter Beweis, um zu zeigen, dass der auf dem Thron, einer Gotteserscheinung im Alten Testament, Yahweh Jesus Christus persönlich ist.
Johannes 12, Vers 40, da kommt das Zitat aus Jesaja. Kannst du das gleich lesen?
„Er hat ihre Augen verbändet und ihr Herz verstockt. Er hat ihre Augen verbändet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht sehen mit den Augen und verstehen mit dem Herzen und sich bekehren, dass sie geheilt werden.“
Dies sprach Jesaja, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete.
Jawohl, und im Zusammenhang geht es um Jesus, ab Vers 37:
„Wiewohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn, auf dass das Wort Jesajas erfüllt würde.“
Dies sprach Jesaja, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete. Also der Herr Zebaoth in Jesaja 6 ist Jesus Christus selbst. Und Jesaja sagte: „Denn meine Augen haben den König, den Herrn Zebaoth, gesehen.“
Das hilft uns also auch schon weiter: Irgendwie sind das Wesen rund um den Thron herum, die in Jesaja Seraphim genannt werden.
Jetzt sollten wir noch den entscheidenden... Ja? Ja, ja, genau, Hesekiel. Also was wollt ihr lesen aus Hesekiel 10?
Hesekiel 10, Vers 20. Ja, liest doch Vers 20, das reicht, das ist beweiskräftig.
„Das waren die Gestalten, die ich unter dem Gott Israels am Fluss Keba gesehen hatte, und ich merkte, dass es Cherubim waren.“
Jawohl. Und da – also ganz wörtlich ist auch hier der Ausdruck. Bei mir steht: „Das war das lebendige Wesen, welches ich unter dem Gott Israels am Fluss Keba gesehen hatte, und ich erkannte, dass es Cherubim waren.“
Und Cherubim kommen immer und immer wieder vor in der Bibel. Es sind Engel, die besonders die Heiligkeit und die Autorität Gottes verteidigen.
Zum ersten Mal in der Bibel – wo kommen die Cherubim vor? Ich muss erklären: Cherubim ist die Mehrzahl, also Cherub ist Einzahl, Cherubim ist die Mehrzahl. Der Cherub, die Cherubin – wie? Der, der den Weg zum Baum des Lebens versperrte für den sündigen Menschen. Und diese Cherubim finden wir später in der Stiftshütte, zum Beispiel auf dem Scheidevorhang. Die symbolisieren, dass der Zugang zu Gott versperrt ist für den sündigen Menschen, der Scheidevorhang, der das Heilige vom Allerheiligsten abtrennte. Und sie kommen immer und immer wieder vor, eben auch in Hesekiel.
Aber ich wollte noch einmal auf den Unterschied kommen: In Hesekiel wird ja einer der Cherubim als Cherub bezeichnet. Im Vergleich zur Offenbarung ist da der Unterschied, dass einer dieser Wesen das eine Gesicht eines Stiers hat. Das ist der Unterschied zwischen Offenbarung und Hesekiel. Ich denke, dass sie wahrscheinlich das Wesen des Herrn reflektieren, und hier bekommt er eben nicht mehr das eines Cherubs, sondern das eines Kalbs, nämlich das Opfer, das er selbst gebracht hat, oder?
Ach so, du meinst, weil Kalb oder Stier, ja? Und dann wird es hier in Hesekiel das Cherub genannt und nicht Kalb.
Ja gut, das würde eben bedeuten, dass das typische Cherubgesicht eigentlich das Gesicht eines Stiers ist.
Übrigens, auch natürlich in der heidnischen Welt sind solche Engelwesen bekannt. Wenn man an die assyrischen Darstellungen denkt, in den Thronsälen der assyrischen Könige findet man zum Beispiel die Darstellung von einem Baum des Lebens, flankiert von solchen Wesen mit Löwengesicht oder mit Stiergesicht oder auch solche Gestalten, die den Thron bewachen – so symbolisch. Das findet man bei den alten Völkern zuhauf.
Das bedeutet, dass auch die heidnische Welt in Verbindung mit der finsteren, gefallenen Engelwelt Kenntnis vom Aussehen solcher Engelwesen hat. Und so haben die assyrischen Könige Dinge eigentlich reproduziert, die nur für Gott zutreffen. Damit zeigten sie eigentlich, dass sie sich die Stellung anmaßen, die dem wahren Gott auf dem Thron gebührt. Es ist eine Perversion und Kopie von dem, was im Himmel eine Realität ist.
Gibt es in der Bibel noch andere Hinweise, die bestätigen, dass es sich bei diesen Wesen auch um Stiere handelt?
Nein, das wäre das Argument speziell aus Hesekiel 10, denn es wird relativ wenig gesagt. Natürlich haben wir eine ganze Liste von Stellen, aber wenn wir alles zusammennehmen, ist es relativ wenig, doch so, dass wir einiges wissen über die Funktion dieser Engel, die also Gottes Thron verteidigen, Gottes Heiligkeit.
Und nun, was bedeutet das für Hesekiel? Er sah Gottes Thron, Gott ist auf dem Thron, er wird getragen von solchen Cherubim, mächtigen Engeln. In seiner Situation, wo alles am Boden lag, geht plötzlich der Himmel auf, und da sieht er das.
Man kann das schön umschreiben mit einem Lied, es gibt das bekannte Lied „Gott ist noch auf dem Thron, Gott ist noch auf dem Plan, und alles ist ihm untertan.“ Das ist genau das, was Hesekiel hier erkennt, auch wenn quasi das totale Chaos da ist, das Volk Gottes am Ende ist, man hat das Gefühl, irgendwie ist Gott das Steuer aus der Hand gegangen.
Und dann sieht er plötzlich: Gott ist auf dem Thron. So erhaben, er hat alles in der Hand, alles unter Kontrolle. Aber das konnte Hesekiel nur sehen, weil der Himmel geöffnet wurde. Wäre der Himmel zu gewesen, wie das normalerweise für die Menschen ist, dann hätte er eigentlich nur gesehen: Irgendwie hat Gott die Situation nicht mehr in der Hand.
Da sehen wir den Unterschied zwischen dem Weltbild des Menschen, der keine Beziehung zu Gott hat, der die Offenbarung der Bibel ablehnt, und dem, der Gott kennt und der in der Bibel Gottes Wort erkennt. Der darf gewissermaßen die weitere Sicht haben, die über das vordergründig Sichtbare hinausgeht. Und dann sehen wir: Gott ist noch auf dem Plan, und alles ist ihm untertan.
Reinhold: Ja, ich dachte gerade, du hättest gesagt, das alles war so im Chaos, und da ist vielleicht der Name Hesekiel auch sehr bedeutsam.
Wie übersetzt du Hesekiel?
Der Name heißt ja, ich habe das in meinem Buch raus, „Gott wird stärken.“
Ja. Ich denke, dass Hesekiel wohl doch diese Stärkung sehr notwendig hatte, eben gerade in dieser Hoffnungslosigkeit. Das gibt genau so einen Grundton in das ganze Buch Hesekiel hinein: Gott stärkt – oder es ist eigentlich sogar hebräisch ein Durativ, „Gott stärkt immer wieder“, kann man sogar so übersetzen.
Und das war sehr Gnade. Hesekiel bekommt Kraft in seiner aussichtslosen Situation, indem er Gottes Macht sieht: Er ist auf dem Thron, er hat alles in seiner Hand.
Sind da noch Fragen? Die Bedeutung von den Gesichtern haben wir heute auch etwas angesprochen, das mit dem Löwen, Stier und Adler. Ja, darauf müssen wir jetzt kommen, die Symbolik dieser Engelgestalten.
Übrigens noch ein Hinweis: Satan ist selber auch ein Cherub. Wo steht das? Nur in Hesekiel. Und zwar Kapitel 28, wo der Fürst von Tyrus beschrieben wird, und dann die Engelmacht, die hinter ihm stand und ihn beherrschte.
Wer liest Hesekiel 28, Vers 11 bis 14?
„Und das Wort Jehovas geschah zu mir: Menschensohn, erhebe ein Klagelied über den König von Tyrus und sprich zu ihm: So spricht der Herr Jehova: Da du das Bild der Vollendung warst, voll von Weisheit und vollkommener Schönheit. Du warst in Eden, dem Garten Gottes; allerlei Edelsteine waren deine Decke: Saphir, Diamant, Chrysolith, Onyx, Jaspis, Saphir, Hämatit und Smaragd und Gold, das Kunstwerk deiner Tamburine und deiner Flöten war bei dir. An dem Tage, da du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein schimmernder gesalbter Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht. Du warst auf Gottes heiligem Berge, du wandeltest inmitten feuriger Steine. Vollkommen warst du in deinem Leben, von dem Tage an, da du geschaffen worden bist. Unrecht wurde an dir gefunden. Durch die Größe deines Handels wurde dein Inneres mit Gewalttat erfüllt, und du sündigtest. Ich habe dich entweiht vom Berg Gottes hinweg und habe dich, du schimmernder Cherub, vertilgt aus der Mitte der feurigen Steine. Dein Herz erhob sich wegen deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichtegemacht wegen deines Glanzes.“
Ja, ich danke, das reicht.
Da hat man an der Stelle eine Frage: Die erste Sünde war doch von diesem Cherub, dass er sich sagte: „Ich will, also ich will meinen Thron über die Sterne setzen.“
Ja, das ist Jesaja 14, Vers 12 und folgende. Ja, „Ich will“ – das war eigentlich doch der Absturz, sich Gott gleichmachen.
Jesaja 14, ab Vers 12.
Aber nur in Hesekiel finden wir im Ausdruck Cherub: „Du warst ein schirmender Cherub.“
Und zwar sehen wir hier auch einen Engel im Tempel, denn es wird hier über Gottes heiligen Berg gesprochen. Vers 14: „Du warst auf Gottes heiligem Berg“, das ist der himmlische Tempelberg, das himmlische Zion.
Nach Offenbarung 11, Vers 19 gibt es ja einen Tempel im Himmel, und dieser Tempel ist auch auf einem Tempelberg. Davon ist also das irdische Zion nur ein Abbild vom Himmlischen.
Der Garten Eden wurde ja erst später für die Menschen bereitet, und da war der Teufel schon gefallen, denn er erscheint bereits als der Versucher.
Nein, Eden hier ist das himmlische Eden, nämlich der Tempelberg im Himmel, und da war er schirmender Cherub, der den Thron schützt mit seinen Flügeln. Und dieser Engel aus dem Heiligtum wollte sein wie Gott und wurde dadurch gestürzt.
Wozu muss im Himmel der Thron Gottes geschützt werden? Wovor?
Es ist so: Gott brauchte die Engel nicht, aber all diese Engel vergegenwärtigen gewissermaßen sichtbar Gottes Macht und Gottes Herrlichkeit.
Das führt uns nun genau zur Erklärung der verschiedenen Gesichter, was sie bedeuten. Wir werden sehen, alles weist letztlich hin auf die Herrlichkeit Gottes, auf die Herrlichkeit von Christus.
Also Gott braucht diese Diener nicht, denn er kann ja alles. Warum setzt er Engel als Diener ein? Weil Gott offensichtlich will, dass seine Geschöpfe ihm dienen dürfen.
Es ist ja genau dasselbe: Braucht Gott uns, um zu evangelisieren? Er braucht uns nicht. Darum sagt der Herr in Lukas: „Wenn ihr gedient habt, dann sagt: Wir sind unnötige Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
So ist es auch mit der Engelwelt: Gott braucht sie nicht, und trotzdem benutzt er sie, wie eben beim Baum des Lebens, um den Weg zu versperren. Gott hätte das auch selber machen können, und trotzdem benutzt er sie, gewissermaßen, um etwas von seiner Herrlichkeit und von seiner Macht widerzuspiegeln.
Mir fällt etwas ganz Wichtiges auf in dem Zusammenhang, dass diese Engel überhaupt gar nichts tun. Und zwar genau dann tun sie etwas, wohin der Geist gehen wollte, gingen sie. In Vers 12 und Vers 20: „Wohin der Geist gehen wollte, gingen sie dahin, wohin der Geist gehen wollte, und die Räder erhoben sich.“
Da denke ich jetzt auch an Johannes 3: Ist es richtig, der Geist weht, wo er will?
Jawohl, das sind also Engel, die überhaupt gar nichts tun, wenn der Geist sie nicht dazu leitet.
Ja, also wir können sagen: Engel, die Gott dienen, die Gefallenen haben sich gerade dieser Leitung widersetzt, aber Engel, die Gott dienen, werden durch Gottes Geist geleitet.
Darum ist es auch interessant: Wir haben jetzt bereits Gott den Sohn gefunden auf dem Thron, und wir finden sehr oft in Hesekiel Gott den Geist. Der Heilige Geist wird sehr oft in Hesekiel erwähnt, aber interessant gerade in diesem Buch, also etwa zwanzig Mal liest man über den Geist Gottes, aber unzählige Male liest man über die Herrlichkeit Gottes in diesem Buch.
Der Herr Jesus sagt in Johannes 16: Wenn der Heilige Geist kommt, wird er mich verherrlichen. Das passt also wunderbar zusammen.
Dieses Kennzeichen: Hesekiel spricht viel über den Geist Gottes, dann aber auch viel über die Herrlichkeit Gottes, denn der Geist Gottes verherrlicht die Person Jesu.
Ja, ganz genau.
Jetzt nochmals zur Frage wegen dem Schirmen, warum eben schirmende Engel. Das soll einfach symbolisieren: Gott kann nicht akzeptieren, dass in seiner Gegenwart Böses kommt. Und die Engel sind gewissermaßen symbolisch immer da, um diesen Gedanken wachzuhalten: Wenn Böses eindringen will, dann muss Gott eingreifen.
Ja, aber wenn vor dem Sturz Satans Böses überhaupt nicht bekannt war, warum dann trotzdem?
Ja, es war noch nicht in der Tat bekannt, aber als Möglichkeit war es. Ja, für Gott, für die Dinge auch?
Ja, die Engel waren ja auch geschaffen als Wesen mit einem Willen, mit einem freien Willen, und darum war Böses überhaupt auch möglich. Also dieser beschirmende Cherub konnte zum Satan werden.
Ja, woher kommen wir da drauf, wenn der ein beschirmender Cherub war, dass er unbedingt Gott beschirmen musste? Das Beschirmen kann ja auch jemand anderem gelten.
Ja gut, aber dort in Hesekiel 28 wird er in Verbindung gebracht mit dem Tempelberg: „Du warst auf meinem heiligen Berge“, also hat er seine Funktion im himmlischen Tempel. Aber dort hätte er doch Dinge oder Engel oder andere Lebewesen schützen können. Es ist doch nicht zwingend, dass er dort unbedingt Gott schützen musste.
Nicht Gott schützen, sondern es geht darum, Gottes Thron quasi zu bewachen gegenüber allem, was der Autorität Gottes widerspricht.
Ich wollte den Gedanken bringen als Antwort auf die Frage vorhin, warum braucht Gott einen Schutz? Das steht ja dort gar nicht, dass dieser Engel Gott geschützt hätte.
Nein, nicht Gott wird beschützt, das sowieso nicht. Aber es geht einfach darum, prinzipiell gegen alles, was gegen Gottes Autorität geht, zu stehen.
Meine Fragen stehen nur indirekt im Zusammenhang mit dem, was wir durchgenommen haben. Ich meine, wir finden das still im Buch der Richter und anderswo, wo Männer Gottes sagen und aufschreien: „Herr, ich muss sterben, denn meine Augen haben Gott gesehen.“ Sie mussten da nicht sterben.
Wie erklärt sich das?
Hier ist es ja genau dasselbe. Hesekiel sieht auch Gott auf seinem Thron und muss nicht sterben, wie Jesaja und viele andere Beispiele.
Das ist so zu erklären: Gott kann sich dem Menschen sichtbar machen in einer Gestalt, die erträglich ist. Alle Gotteserscheinungen im Alten Testament sind gewissermaßen unter einer Gestalt „wie ein Mensch“, so dass der Mensch dann nicht sterben musste.
Wenn Gott sich gezeigt hätte in seiner vollen Gottheit, ohne diese Form anzunehmen, dann wären die Menschen gestorben.
Und das nimmt aber schon vorweg, wie dann später eben der Sohn Gottes sogar wirklich Mensch wird, Fleisch und Blut annimmt, um uns zu zeigen, wer Gott wirklich ist.
Aber so war es erträglich.
Johannes schreibt: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, die Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Sie haben ihn gesehen, die Herrlichkeit Gottes, aber weil er Mensch geworden ist. Und das war gewissermaßen in einer Form, die für den Menschen erträglich war.
Aber umgefallen sind sie ja trotzdem alle.
Ja, natürlich, aber nicht immer. Gott sagt im Alten Testament: „Niemand kann mich sehen und leben.“ Also doch in einer Verhüllung, in erträglicher Form. Da muss ich sehr vorsichtig ausdrücken, weil das übersteigt unsere Begriffe genau.
Ich habe noch eine Frage: Können wir da irgendwo eine Anwendung für uns machen, wenn zum Beispiel diese Engel Beteiligte und Hüter der Heiligkeit Gottes waren – und zwar unter der Leitung des Geistes selbst? Bedeutet das für uns heute nicht auch irgendwo, dass die Versammlung des lebendigen Gottes die Grundfeste der Wahrheit ist, dass der Heilige Geist uns befähigt, die Gedanken Gottes wirklich zu schützen, zu wahren? Das heißt, dass wir zum Wort Gottes nichts hinzutun und nichts wegnehmen. Ist das nicht für uns heute ein großer Auftrag?
Ja, natürlich. Der Zusammenhang ist sogar sehr direkt. Wenn du denkst an 1. Korinther 3, Vers 16: Paulus sagt zu Korinth: „Ihr seid der Tempel Gottes, denn der Geist Gottes wohnt in euch.“
Also die Gemeinde ist der Tempel Gottes heute auf Erden, und wir haben diese Cherubim in Verbindung mit dem Thron und dem Allerheiligsten. Also ist die Verbindung sehr direkt: Die Gemeinde soll auch der Ort sein, wo Gottes Heiligkeit aufrechterhalten wird, im Leben jedes einzelnen Gläubigen.
Schon und wo wir die Wahrheit Gottes an ihr festhalten und für sie kämpfen. Nicht, dass die Bibel eine Verteidigung bräuchte, aber in Bezug auf die Menschen ist es nötig, dass Zeugen da sind und für die Wahrheit Gottes hinstehen.
Ganz genau.
Und jetzt kommen wir zu diesen Gesichtern. Vers 10: „Sie hatten eines Menschen Angesicht, dann eines Löwen Angesicht, eines Stiers Angesicht – man kann auch übersetzen Ochsen Angesicht, Hebräisch ‚or‘ kann bedeuten Stier oder Ochse – und weiter eines Adlers Angesicht.“
Nun, diese vier Kennzeichen passen wunderbar mit der Beschreibung von Jesus Christus in den vier Evangelien. Im Matthäusevangelium wird mit dem Akzent beschrieben, er sei der König Israels, der Löwe, der König der Tiere, repräsentiert das wunderbar.
Dann das Markusevangelium zeigt genau das Gegenteil: Jesus Christus ist Knecht geworden, er hat sich so tief erniedrigt und ist gekommen, um zu dienen. Ein Ochse ist ja das Tier, das man im Altertum ganz ausgesprochen benutzt hat fürs Dreschen. Man denke an 5. Mose, „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden.“ Das gleiche Wort dort in 5. Mose, auch schon wie hier. Er ist Diener geworden.
Das Markusevangelium betont, Jesus Christus ist gekommen, um zu dienen.
Dann haben wir das Lukasevangelium, geschrieben von einem Arzt. Er schreibt am ausführlichsten über die Geburt Jesu, er betont, Jesus Christus ist wahrhaftiger, vollkommener Mensch. Und da haben wir eines Menschen Angesicht.
Und das Johannesevangelium zeigt den Gegensatz: Jesus Christus selber ist der wahrhaftige Gott. Es beginnt ja schon: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Eines Adlers Angesicht, er ist vom Himmel hergekommen, der Sohn Gottes.
Diese Grundzüge der Offenbarung Gottes, wie sie dann später in den Evangelien, wo Jesus Christus wirklich Mensch geworden ist, ganz ausgesprochen aufleuchten.
Und wir finden sie ja auch wieder, diese Kennzeichen haben wir gesehen in Offenbarung 4, aber dort geht es um das Gericht über die Welt, nicht mehr um die Gnade des Evangeliums.
Und so können diese verschiedenen Aspekte einerseits von der Gnade Gottes gegen uns Menschen sprechen, aber auch vom Gericht Gottes, denn das Gericht Gottes wird das Gericht des Königs sein über diese Welt, das Gericht so schrecklich wie ein Löwe.
Und dieses Gericht in der Offenbarung wird ein andauerndes Gericht sein, das durchhält, bis das Ziel erreicht ist, wie eines Ochsen Angesicht.
Und es wird ein Gericht sein, das aus dem Himmel kommt. Es ist Gottes Gericht über diese Erde. Das wird ja in der Offenbarung sehr deutlich mit den Schalengerichten, die vom Himmel ausgegossen werden über die Erde.
Der Adler – es sind Gerichte, die von Intelligenz und Weisheit sprechen, darum eines Menschen Angesicht.
Also sie können sowohl von Gnade als auch von Gericht sprechen.
Aber wir haben noch viel mehr in Hesekiel 1. Gehen wir mal zu diesen Rädern, Vers 15. Da wird beschrieben, wie neben jedem Engelwesen ein ganz eigenartiges Rad war, voller Augen.
Und dieser Thronwagen Gottes bewegt sich, er kann in alle vier Richtungen fahren, aber es ist immer vorwärts. Jede Richtung ist immer vorwärts, denn es wird ausdrücklich gesagt, Vers 12 am Schluss: „Sie wandten sich nicht, wenn sie gingen.“
Das zeigt uns: Gott ist ein dynamischer Gott, nicht statisch. Er greift ein in die Geschichte.
So wie es heißt in Offenbarung 1: Gott wird genannt, der da war und der da ist und der da kommt – nicht einfach der da sein wird, der da kommt – dynamisch.
Kein König auf dieser Welt hat einen fahrenden Thron, die sind alle statisch. Aber Gottes Thron ist dynamisch: Der da war, der da ist und der da kommt.
Aber der Gedanke der Räder ist natürlich interessant. Da dreht sich was.
Ich meine, wenn man so die Natur betrachtet als Philosoph, so sagen wir in Indien am Ganges, man sieht, wie die Jahreszeiten drehen, man sieht, wie die Sonne aufgeht am Morgen, sie geht am Abend unter auf der anderen Seite, und dann kommt sie wieder auf dieser Seite, also ein Rad.
Wenn man darüber nachdenkt über das Windsystem, das hat sich entpuppt als ein Zyklus, wie das in Prediger 1 beschrieben wird: Der Wind geht nach Norden und kehrt dann wieder zurück nach Süden zu seinen einstigen Windungen.
Oder in Prediger 1 wird auch beschrieben, das Wasser hat einen Zyklus: Alle Flüsse gehen in das Meer, und das Meer wird nicht voll. An dem Ort, woher sie gekommen sind, gehen sie nämlich wieder zurück, sagt der Prediger.
Und effektiv, das ist doch der Wasserkreislauf, alles dreht sich irgendwie.
Und in Jakobus 3 haben wir ausdrücklich sogar den Ausdruck „das Rad der Natur“. Die Stelle ist Jakobus 3, Vers 6. Aber wörtlich steht im Grundtext „das Rad der Natur“. Also alles geht irgendwie im Kreis, und daraus haben dann die heidnischen Philosophen abgeleitet, es ist eigentlich alles ein Rad, ein Kreislauf.
Und sie haben dann in ihrer Philosophie das, was sie beobachtet haben, übertragen auf das, was sie gar nie beobachtet haben. Und sie haben dann behauptet, auch der Mensch ist quasi – er stirbt und er kommt wieder, er stirbt und er kommt wieder, ein ewiger Kreislauf.
Salomo hat diesen Kreislauf beobachtet. Prediger 1 beschreibt es so eindrücklich: der Kreislauf, der Kreislauf.
Und dann sagt er: „Ich habe alle Dinge gesehen unter der Sonne. Unter der Sonne ist alles eitel und ein Haschen nach Wind.“
Das bringt einen zur Frustration, zur Depression vielleicht.
Aber Hesekiel sieht nun auch dieses Rad am Thron Gottes.
Aber das dreht sich nicht an Ort, sondern dieses Rad geht immer vorwärts, und dieser Wagen wendet sich nie.
Das heißt, Gott muss in seinem Handeln mit dem Menschen nie etwas bereuen.
Man hat ja schon oft herausgestrichen: Das biblische Denken, das abendländische Denken, das von der Bibel herkommt, ist ein lineares Denken.
Man geht aus von einem Anfang der Geschichte, die sich entwickelt, und es gibt eine Vollendung im Reich Gottes.
Die östlichen heidnischen Völker kennen nur das Rad, den ewigen Kreislauf.
Nun sehen wir, das ist hier in Hesekiel 1 begründet.
Natürlich gibt es den Kreislauf, aber Gottes Plan geht weiter.
Und er hat durch alle Zeiten hindurch einen klaren Heilsplan gehabt, der zum Höhepunkt gekommen ist, als der Herr Jesus am Kreuz gestorben und auferstanden ist.
Er ist aber in den Himmel gegangen, es ist die Zeit der Evangeliumsverkündigung der Welt gekommen, es geht weiter bis zum Reich Gottes.
Und das ist nun auch eine Ermutigung für Hesekiel gewesen.
Er sieht: Gott ist noch auf seinem Thron, Gott ist auf dem Plan, alles ist ihm untertan.
Er hat ein ganz klares Ziel, und das verfolgt er, ob jetzt das Volk Gottes am Boden ist oder nicht.
Der Plan geht weiter, der Wagen rollt, und Gott muss nie etwas bereuen, was er getan hat.
Der Wagen muss nämlich nie drehen, und wir kommen zurück.
Gott geht seinen Weg.
Natürlich kann der Wagen mal so durchgehen, dann so und so, in alle Richtungen, wir können das nicht voraussehen, wie Gott handelt, einfach wenn man so den Thron so sieht.
Aber Gott hat seinen Plan, und diesen Weg geht er bis ans Ziel.
Und das ist der Gegensatz zu uns: Wir müssen dauernd umkehren.
Sobald wir sehen: Nein, das war falsch, dann müssen wir zurück an den Punkt, wo wir abgewichen sind.
Und wenn der Mensch das nicht tun will, dann ist das eigentlich etwas so Widerliches.
Ich habe das schon öfter, wenn ich über Hesekiel 1 gesprochen habe: Das Lied erwähnt von Edith Piaf, kennen doch die meisten noch, als sie da ihr Comeback hatte in den sechziger Jahren und sang, also Mireille Mathieu hat das dann ihr nachgesungen: „Rien de rien, non je ne regrette rien.“ Möchtet ihr euch noch erinnern?
Ja?
Die Frau war von Drogensucht gekennzeichnet, als sie da kam.
Ich sage nichts, nichts bereue ich in meinem Leben.
Es ist ein tragisches Leben, sie ist auf den Straßen von Paris im Winter geboren worden und hat also schon nicht gerade sehr glücklich begonnen und hat ihr Leben mit Drogen und mit der Sünde zerstört.
Und dann kam sie mit einem Lied, und ihre Lieder haben oft eben autobiographisches ausgedrückt.
Sie hat also nicht einfach einen Song gesungen, weil es gut klingt, sondern das drückte aus, was sie dachte: Nichts, nichts bereue ich.
Aber eben, der Mensch muss bereuen, umkehren, nur Gott muss das nicht.
Gott kann sagen: „Rien de rien, non je ne regrette rien.“
Gott kann das so sagen, er geht ans Ziel, und das war für Hesekiel etwas ganz Gewaltiges.
Und jetzt kommt noch ein Punkt: Diese Räder waren voller Augen.
Und diese Augen symbolisieren Gottes Allwissenheit.
Gott kennt alles, und er sieht auch das Ziel.
Auch wenn für uns jedes Jahr vielleicht gleich aussieht: Jetzt kommt der Herbst, und wir denken, es ist eigentlich ziemlich ähnlich wie letztes Jahr und wie vorletztes Jahr.
Aber wir sind bereits wieder ein Jahr näher bei der Wiederkunft Christi.
Das ist das Gewaltige.
Wir gehen wirklich unaufhaltsam hin zum Ziel.
Und darum, wenn Hesekiel das so sah, was war seine Reaktion schließlich?
Seine Reaktion?
„Und als ich es sah, fiel ich nieder auf mein Angesicht und hörte die Stimme eines Redenden.“
Und das, Vers 28 am Ende.
Er sieht also so die Herrlichkeit Gottes und betet spontan an.
Und das führt uns auch dazu: Wenn wir sehen, dass wirklich Gott alles in der Hand hat, wie es auch in unserem Leben aussehen mag, ihm ist nie das Steuer entgangen.
Und nachdem Hesekiel diese Erfahrung gemacht hatte – wenn wir nächstes Mal sehen, Kapitel 2 – konnte er berufen werden zum Dienst.
Also es braucht dieses Überwältigtwerden von Gottes Macht, Heiligkeit und Größe.
Das ist eine ganz entscheidende Voraussetzung, um Gott dienen zu können in einer Welt des Widerstandes, wie wir noch sehen werden bei Hesekiel.
Aber das gab ihm Kraft, in dieser Situation unerschrocken Gottes Stimme weiterzugeben.
Und es ist so schön hier auch: Es wird immer wieder gesagt, Gott spricht hier.
Und auch da fällt er auf sein Angesicht, und ich hörte die Stimme eines Redenden.
Gott ist ein Gott, der spricht.
Das ist für uns vielleicht so selbstverständlich, aber es ist gar nicht selbstverständlich.
Wie viele Philosophen haben darüber nachgedacht, und sie haben irgendwie so zwanzigste Jahrhundertphilosophen an das Universum und seine Weiten gedacht, und sie haben das empfunden wie eine schreckliche Leere, die einen anschweigt.
Da ist niemand, der mit uns spricht, ein schweigendes Universum – so haben sie es empfunden.
Aber eben, sie sind gewissermaßen mit dem Blick des Predigers, der alles angeschaut hat unter der Sonne, stehen geblieben und nicht wie hier, wo der Himmel aufgetan wird und dann sehen wir: Nein, es ist ein Gott da, der nicht schweigt, sondern spricht durch sein Wort.
Ja, wir müssen zum Schluss kommen.
Mich wundert es, dass hier Hesekiel nicht niederfällt wie tot, wie bei Johannes in der Offenbarung, denn das ist ja die Weite, was er hier gesehen hat.
Ja gut, aber er muss dann doch ermutigt werden, überhaupt aufzustehen.
Da kommen wir dann dazu, Kapitel 2.
Er sagt jetzt nicht, was er innerlich da empfunden hat, aber wir können davon ausgehen, dass diese Erscheinung ihn wirklich zutiefst betroffen gemacht hat.
Und es war der Ausgangspunkt für einen gesegneten, unerschrockenen Dienst für den Herrn.
Gut, wollen wir noch beten zum Schluss?