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Hiob

Hiob (ebräisch Jjjôb), die Hauptperson des nach ihm benannten Buches, als Muster der Frömmigkeit und Geduld im Leiden Hes. 14,14; Tob. 2,12; Jak. 5,11 erwähnt, war ein ebenso frommer als mit Glücks-gütern gesegneter Mann von fürstlichem Ansehen (Hi. 29,21-25), eine Gestalt wie Abraham, in ähnlichen Verhältnissen lebend, doch mit festem Wohnsitz. Daß er dem patriarchalischen Zeitalter angehört, zeigt sein hohes Lebensalter (42,16), die Art, wie er als Familienhaupt das Priestertum verwaltet (1,5), auch das Fehlen des Namens Jahveh in seinem und seiner Freunde Mund. Seine Heimat Uz (1,1) lag jedenfalls östlich von Palästina im nördlichen, dem sogenannten wüsten Arabien; denn Hiob gehört zu denen, die gegen Morgen wohnen (1,3). Da das Buch Hiob kein Geschichtsbuch ist, sondern ein Lehrgedicht, da jedenfalls die seinen Hauptinhalt bildenden Reden, dichterisch in Form und Ausdruck, augenscheinlich das kunstvolle, planmäßig durchgeführte Werk eines hochbegabten, an geistlicher Weisheit und Erfahrung reichen Dichters sind, so entsteht die Frage, ob Hiob eine geschichtliche Versönlichkeit ist. Wer die Geschichte vom reichen Mann, Luk. 16,19 ff., als von Jesu zum Zweck der Belehrung frei gebildet ansieht, wird es auch unanstößig finden, daß ein Weiser des Alten Testaments seine Lehre in eine freigebildete Geschichte gekleidet habe, eine Ansicht über das Buch Hiob, die sich schon im jüdischen Altertum (Talmud) findet. Aber es ist dem höheren Altertum fremd, für einen Lehrzweck Personen zu erdichten; auch wäre dann zu erwarten, daß die vorkommenden Namen sinnbildliche Bedeutung hätten, was sich nicht einmal von dem Namen Hiob selber mit voller Sicherheit nachweisen läßt, da sowohl die Deutung „der Angefeindete“ als die „der (zu Gott) Zurückkehrende“ Bedenken erwecken. So wird Luthers Urteil, das Buch sei die dichterische Bearbeitung einer alten Geschichte, richtig sein. Wieviel Geschichtliches vorliegt, läßt sich freilich nicht ausmachen, ist auch von untergeordneter Bedeutung, da die Lehre der Hauptzweck des Buches ist. Dasselbe beschäftigt sich nämlich mit einem der schwersten Lebensrätsel, der Frage, wie das Leiden der Gerechten zu erklären ist. Auch manche Psalmen, wie der 39. 49. 73., zeugen von dem Ringen alttestamentlicher Gottesmänner mit diesem Rätsel, von den Kämpfen und Anfechtungen, die es ihrem Glauben bereitete; aber am tiefsen läßt uns das Buch Hiob in die Kämpfe hineinblicken, wie auch in die Verirrungen, in welche ein seiner Frömmigkeit sich bewußter treuer Knecht Gottes durch schweres, ihm unverständliches Leiden geraten kann. Der Eingang Kap. 1. 2 erzählt, wie Hiobs von Gott selbst anerkannte, aber vom Satan verdächtigte ausgezeichnete Frömmigkeit durch den Satan, aber mit Gottes Zulassung auf die schwersten Proben gestellt wird. Durch rasch aufeinander folgende Unglücksschläge wird Hiob an einem Tag aller seiner Habe, selbst seiner Kinder beraubt, aber herrlich bewährt sich seine Gottergebenheit (1,21 f.). Da bekommt Satan Macht, ihn auf noch schwerere Vrobe zu stellen dadurch, daß er ihn mit schrecklichem Aussatz schlägt. Aber noch bleibt Hiob in Gott gelassen (2,10). Drei Freunde, Eliphas, Bildad, Zophar, kommen ihn zu trösten, aber angesichts der Größe des Jammers finden sie sieben Tage lang kein Wort des Trostes. Nun bricht Hiob — damit beginnt der 1. Hauptteil, das Gespräch Hiobs mit den drei Freunden, Kap. 3-31 — dem durch das Verstummen der Freunde die ganze Trostlosigkeit seines Zustandes bewußt geworden ist, das Schweigen mit grauenvoller Verfluchung des Tags seiner Geburt und bitterer Klage (K. 3). Dadurch veranlaßt er auch die Freunde zum Reden und es kommt zum Redestreit, der in drei Gängen verläuft (K. 4-14; 15-21; 22-26) und mit einer Schlußrede Hiobs an die Freunde (K. 27. 28) schließt, daran reiht sich noch eine längere Rede Hiobs, ein Monolog (K. 29-31); in jedem der drei Gänge des Streits nimmt jeder der Freunde nach der Reihenfolge des Alters das Wort und bekommt von Hiob Antwort; im letzten verzichtet Zophar aufs Wort. Anlaß für die Reden der Freunde ist das Unrecht, das in Hiobs Hadern mit Gott liegt. Sie wollen Gott rechtfertigen und Hiobs Geschick erklären. Aber da sie Gottes Walten einseitig unter den Gesichtspunkt der vergeltenden, belohnenden und strafenden Gerechtigkeit stellen und so das Leiden nur als Strafe der Sünde beurteilen, so Können sie Hiobs unverschuldetes Leiden nicht verstehen und ihren Glaubenssatz von Gottes Gerechtigkeit nur mittelst Preisgabe von Hiobs Gerechtigkeit festhalten. Statt den Freund zu trösten, suchen sie sein Leiden als ein verdientes hinzustellen und tun ihm damit bitteres Unrecht; um Gottes Ehre zu retten, reden sie über Hiob die Unwahrheit (vgl. 13,7). Diesem aber steht das Bewußtsein seiner Unschuld zu fest, als daß es durch die Freunde zu erschüttern wäre. Die Erhabenheit Gottes, um deren willen sie ihm das Recht wider Gott zu reden absprechen, kennt er so gut als sie und weiß ihre Schilderungen noch zu überbieten, aber damit ist sein Geschick nicht erklärt. Die hohen Worte der Freunde von Gottes Gerechtigkeit reizen ihn zum Widerspruch, wobei er sich zur Leugnung der göttl. Gerechtigkeit und lästerlichen Reden fortreißen läßt. Andererseits aber treibt ihn das Unrecht, das ihm seine Freunde antun, doch wieder zur Gerechtigkeit Gottes sich zu flüchten und von demselben Gott, der ihm jetzt wie ein grausamer Feind erscheint, den er aber in früherem vertrauten Verkehr anders kennen gelernt hat, seine Rechtfertigung und die Rettung seiner Ehre zu erwarten. In der Verhandlung zeigt sich folgender Fortschritt. Im ersten Gang machen die Freunde ihre Zweifel Hiobs Frömmigkeit in bescheidener, mehr verhüllter Weise geltend, da ihnen Hiobs Frömmigkeit bekannt war. Sie reden von der allgemeinen Unreinigkeit der Menschen (4,17 ff.), Bildad (8,4) zunächst nur von der Missetat der umgekommenen Kinder Hiobs, nur der leidenschaftliche Zophar wagt schon (11,6) zu sagen, Gott habe noch nicht einmal aller Sünden Hiobs gedacht. Eliphas sucht zuerst noch Hiobs Leiden als in der natürlichen Unreinigkeit begründetes, heilsames Zuchtleiden zu verstehen (besonders 5,17-19), und alle drei stellen ihm, wenn er sich zu Gott wende, Wiederherstellung seines Glücks in Aussicht (5,17-26; 8,5-7; 11,13-19). Aber durch Hiobs Widerstand gereizt und durch seine lästerlichen Reden im Gedanken an seine Schuld bestärkt, sehen sie im zweiten Gang von dieser tröstlichen Seite ihrer Vergeltungslehre ab und entwickeln nur noch ihre düstere Seite. Sie halten dem Hiob das Bild eines trotzigen Gottlosen, der von Gottes Gericht getroffen wird, als Spiegel vor, wobei einzelne Züge des Gerichts dem Unglück Hiobs entnommen sind (15,17 ff.; 18,5 ff., vgl. die Beziehung auf Hiobs Aussatz in V. 13 u. K. 20). Im dritten Gang endlich geht Eliphas (K. 22) soweit, den Hiob grober Sünden zu beschuldigen, während — ein Zeichen, daß die Weisheit der Freunde zu Ende geht — Bildad sich auf allgemeine Wahrheiten beschränkt und Zophar nicht mehr spricht. Bei Hiob finden wir im ersten Gang die heftigste Erregung gegen Gott. Seine Klage steigert sich zum bittern Rechten mit Gott und lästerlichen Reden. Weil er der Allmächtige sei, müsse er freilich immer Recht behalten und Könne keine noch so berechtigte Beschwerde, kein noch so klarer Beweis der Unschuld ihm gegenüber aufkommen, der jede Widerrede mit seiner Allmacht niederschlage und nach Willkür die Menschen mißhandle (bes. Kap. 9). Doch fängt Hiob schon in der Antwort auf Zophars Rede an, die ihm Unrecht zufügenden Freunde auf Gottes Gerechtigkeit zu verweisen (13,7-13) und die Verbitterung weicht einen Augenblick, als er sich in der ergreifenden Stelle 14,13-15 ausmalt, wie es wäre, wenn es eine Auferweckung aus dem Tod zu einem neuen Leben in der Gemeinschaft Gottes gäbe, Gedanken, die freilich alsbald trostloser Hoffnungslosigkeit weichen. Aber noch stärker wird er im zweiten Gang durch die sich steigernden Angriffe der Freunde und die sich mindernde Hoffnung auf Anerkennung seiner Unschuld bei ihnen zu Gott hingetrieben, daß er für seine Unschuld eintrete (16,19-21), und den Höhepunkt erreicht sein Hoffen auf Gott in der berühmten Stelle, 19,25 ff., daß Gott als sein Erlöser über seinem Staube sich erheben werde, ihn zu rechtfertigen, und daß er, des Fleischesleibes entledigt, das schauen werde. Aber schon in der letzten Rede dieses Ganges, wie im dritten Gang, verweilt Hiob wieder bei der Betrachtung des Widerspruchs menschlicher Geschicke mit der Gerechtigkeit Gottes, wiewohl er jetzt seine Fassung wiedergewonnen hat und ruhiger geworden ist. In der Schlußrede an die Freunde faßt er das Ergebnis des Streits für seine Person zusammen: An seiner Unschuld muß er festhalten (27,1-7); aber daß Gott die Frevler richtet, gibt er zu (Vers 8-23). Doch findet das auf ihn keine Anwendung; sein Leiden ist noch unerklärt. Denn den Menschen ist die Weisheit verborgen, welche des Lebens Rätsel ergründet; sie sind auf die praktische Weisheit, die Furcht Gottes, angewiesen (K. 28). Die letzte längere Rede Hiobs, mit der der 1. Teil schließt, schildert sein früheres Glück und Ansehen (K. 29), sein jetziges jammervolles Los (K. 30) und die Unsträflichkeit seines Wandels vor Gott und Menschen (K. 31). In einem 2. Teil des Buchs tritt nun ein neuer Redner auf, Elihu (K. 32-37). Obwohl er sich bewußt ist, eine der Hiobs und der der Freunde überlegene Erkenntnis zu besitzen, hat er, der jüngere Mann, aus Achtung für das Alter bisher geschwiegen, vermag das aber nicht länger mehr über sich, da die andern dem Hiob so wenig geschickt geantwortet und nun verstummt sind (K. 32). Und er hat Neues zu sagen. Er lehrt die Leiden auffassen als Läuterungsmittel, auferlegt von dem göttlichen Liebeswillen, damit nicht der Mensch durch unerkannte Sünde, namentlich Selbstüberhebung, die als Bann auf ihm liegt, dem Verderben verfalle (33,17. 27 ff.; 36,8-10). Durch den Gesichtspunkt der erziehenden und vom Verderben rettenden göttlichen Liebe unterscheidet sich Elihus Auffassung auch von der des Eliphas in Kap. 5, bei der der Gesichtspunkt der Vergeltung vorherrscht. Auch den Angriffen Hiobs gegen Gottes Gerechtigkeit begegnet Elihu in neuer und eigentümlicher Weise. Sie widersprechen dem Wesen Gottes, der in selbstloser Liebe den Geschöpfen das Leben gegeben hat, und werden widerlegt durch die Tatsache der göttl. Weltregierung (K. 34) und dadurch, daß Gott vermöge seiner Erhabenheit der Frömmigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen ohne eigenes Interesse, somit unparteiisch, gegenübersteht (K. 35). Mit einer Schilderung der Gerechtigkeit des göttl. Waltens, welche den Elenden, auch dem Hiob, Hoffnung auf Rettung gibt, und der göttlichen Majestät, welche dem Hiob seine Vermessenheit zum Bewußtsein bringen und ihn zur Demut erwecken soll, schließen Elihus Reden (K. 36. 37), Während dieselben das Wahre in den Reden der Freunde, nämlich daß Gott der Gerechte ist, Hiobs, daß sein Leiden keinem Strafzweck dient, anerkennen, bereiten sie die folgende Löfung vor, indem sie den Hiob zum Schweigen bringen und seine Unterwerfung anbahnen, aber auch auf die Notwendigkeit seiner Wiederherstellung, die aus seinem Leiden als Läuterungsleiden folgt, hinweisen. Die Lösung selber bringt der 3. Teil des Buches (K. 38-42). Gott selber erscheint. Aber ehe er Hiobs Unschuld bezeugt, muß dieser zur Erkenntnis und Anerkennung des mit seinen Reden gegen Gott begangenen Unrechts gebracht werden. Darum hält ihm Gott die Wunder seiner Schöpfung vor, damit Hiob einsehe, wie er so gar nicht seine Einsicht und Macht mit der Gottes messen Könne (K. 38. 39). worauf Hiob gedemütigt die Leichtfertigkeit seiner Reden eingesteht. Und noch einmal hebt Gott an, den Hiob, der ihn gemeistert hatte, zu demütigen. Hiob soll es einmal versuchen, ob er gleich Gott stolze Frevler stürzen Könne, und soll an der unbändigen Stärke solcher Geschöpfe Gottes wie Behemoth und Leviathan (Nilpferd und Krokodil), die jedes Angriffs spotten, die Unüberwindlichkeit und Macht ihres Schöpfers erkennen (K. 40. 41). Da demütigt sich Hiob abermals und tut Buße (42,1-6). Jetzt kann er auch gegenüber seinen Freunden gerechtfertigt werden, die nun Hiobs, des Knechtes Gottes, Fürbitte in Anspruch nehmen müssen, damit sie nicht um ihrer ungerechten Reden wider Hiob willen von dem Zorn Gottes getroffen werden (Vers 7-9). Mit der Erzählung des erneuten Glücksstandes Hiobs (42,10-17) schließt das Buch. Es zeigt eine vierfache Auffassung des Leidens.

1) Es ist Strafe des gerechten Gottes für begangene Sünden — so die drei Freunde, von denen nur Eliphas einmal eine höhere Auffassung ausspricht, darnach ist es

2) Zuchtleiden um der allgemeinen menschlichen Sündhaftigkeit willen. Dagegen kennt

3) Elihu ein vom Liebeswillen Gottes verhängtes Läuterungsleiden zur Bewahrung vor tieferem Sündenverderben. Das Ergebnis des Buches aber ist, was schon im Eingang in der Verhandlung Gottes mit Satan ausgesprochen ist, daß es

4) auch ein nicht durch die Sünde verschuldetes Bewährungsleiden der Knechte Gottes gibtzur Verherrlichung Gottes durch die Seinigen. Dieses Leiden hat am meisten Ähnlichkeit mit dem Märtyrerleiden. Jede dieser Auffassungen hat ihre Wahrheit und wird nur unwahr, wenn sie, wie von den drei Freunden, einseitig geltend gemacht und demnach alles menschliche Leiden gleich beurteilt wird. Die Behauptungen der Freunde, an sich wahr, werden unrichtig durch ihre Anwendung auf Hiob Zu beachten ist, daß die schließliche Lösung des Rätsels noch innerhalb der der alttestamentl. Erkenntnis gezogenen Schranken stehen bleibt. Das neutestamentl. Licht, welches von der durch Christi Auferstehung verbürgten Hoffnung des ewigen Lebens auf das Leiden der Kinder Gottes fällt, fehlt dem Buch Hiob noch. Allerdings zeigen Stellen wie 14,13-15; 19,25-27, wie die lebendige Gemeinschaft mit Gott im Glauben hindrängt auf den Gedanken, daß dieselbe auch mit dem Tod nicht endigen Könne, wie der lebendigen Glaubensgemeinschaft mit Gott die Ewigkeit ihrer Dauer als eine in ihrem Wesen begründete Notwendigkeit sich aufdrängt (vgl. Mt. 22,32), aber geoffenbart war das ewige Leben noch nicht. Darum wird Hiob nicht damit getröstet, daß dieser Zeit Leiden nicht wert sind der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbart werden, sondern er findet seinen Lohn für die um der Ehre Gottes willen erduldeten Leiden in diesem Leben. Die Erkenntnis der Zeit der Abfassung des Buches ist für das Verständnis seines Inhalts von untergeordneter Bedeutung. Es dürfte in das 7. oder auch schon in das 8. Jahrhundert gehören. Die Meinung, welche es in die mosaische Zeit versetzte, beruht auf dem Irrtum, daß das Zeitalter des Verfassers dem seines Helden nahe gewesen sein müsse. Aber schon die vollendete dichterische Kunst des Buches widerlegt diese Meinung.