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Stiftshütte

Stiftshütte

Stiftshütte wird von Luther das hebr. Wort ohel moëd = „Zelt der Zusammenkunft“ wiedergegeben. Denn er sah in dem also genannten israelit. Heiligtum „einen von Gott gestifteten gewissen Ort und Stätte, wie eine Pfarrkirch oder Stift, dahin das Volk Israel kommen und Gottes Wort hören sollte“. Doch diente ja dieses Zelt nicht der Versammlung des Volkes zum Zweck der Anhörung des göttlichen Wortes, sondern es war vielmehr die Wohnung Gottes, in welcher er mit seinem Volk zusammenkommen, das heißt sich ihm offenbaren und dessen Opfer und Gebete entgegennehmen wollte. Darauf weist auch der andere Name dieses Zeltes „Wohnung oder Hütte des Zeugnisses“ hin, 2 Mo. 38,21; 4 Mo. 1,50. 53; 9,15; 17,7f., wodurch dieses Zelt als Stätte der göttl. Offenbarung, der Bundeslade mit den Gesetzestafeln, bezeichnet wird. Am klarsten wird der Zweck und die Bedeutung desselben ausgesprochen, 2 Mo. 25,8: „sie sollen mir ein Heiligtum machen, daß ich unter ihnen wohnen.“ An dieses Heiligtum sollte sich das ganze gottesdienstliche Leben des israelitischen Volkes anschließen. Es wird darum auch sogleich nach dem feierlichen Bundesopfer 2 Mo. 24 die Anweisung zur Errichtung desselben gegeben, 2 Mo. 25-27 u. 30. 31, und nachher fast ebenso eingehend über die Ausführung des Baues berichtet, Kap. 36-38.

1) Die Wohnung des Herrn war ein zerlegbares, transportables Zelt, ähnlich den Zelten seines Volkes zur Zeit der Wanderung durch die Wüste, 2 Sa. 7,6 f. Deshalb bestand sie der Hauptsache nach aus Teppichen, welche aber nicht wie bei anderen Zelten auf Pfählen und Tragstangen ruhten, sondern auf einem hölzernen Gerüst aufgespannt waren. Dieses bestand aus starken Bohlen von Akazienholz, welche 10 Ellen hoch und 1½ Ellen breit, aufrecht in den Boden eingesenkt und an den Langseiten genau aneinandergepaßt, auf 3 Seiten gegen Nord, Süd und West eine feste Umfassungswand bildeten. Auf den Langseiten waren je 20, auf der Breitseite 6 und dazu noch 2 Eckbohlen, so, daß die Rückseite nicht zwischen die beiden Langseiten eingekeilt war, sondern die Eckbohlen Bretter mit 2 Schenkeln waren, die einen rechten Winkel bildeten, von denen der eine an die Hinterwand sich anschloß, der andere aber wohl das Ende der Langseitenwand von außen umfaßte. Die Ostseite blieb offen. So bildete die Grundfläche des Ganzen ein Rechteck von 30 (bezw. 31) Ellen Länge u. 12 Ellen Breite. Da aber wahrscheinlich die Bohlen auch eine Dicke von je 1 Elle hatten, so maß der innere Raum 30 Ellen Länge, 10 Ellen Breite. Mit dem Erdboden (vielleicht auch untereinander) waren die Bohlen verbunden durch 2 Zapfen („Hände“), dazu kamen 2 silberne Fußgestelle, in welche die Bohlen unten eingelassen waren, und durch welche hindurch wohl die Zapfen in den Boden reichten. Die Wände waren innen und Außen mit Goldblech überzogen. An jeder Bohle waren übereinander 3 goldene Ringe angebracht. Durch diese wurden, um den Wänden mehr Halt zu geben, an jeder Seite 5 vergoldete Riegel von Akazienholz gestoßen, von denen der mittlere über die ganze Lang- bezw. Breitseite hinlief, während die 4 anderen, über und unter demselben etwa halb so lang, in der Mitte ungefähr zusammenstießen. Wichtiger als das Gerüst waren die über dasselbe gebreiteten Teppiche, insbesondere die innerste, mit Cherubimfiguren durchwirkte, aus feinem weißem Vyssus, blauem und rotem Purpur u. Scharlach gewobene, unmittelbar über das Gerüste gebreitete Decke, welche auch selbst die Wohnung genannt wird, 26,7; 35,11; 39,33 f. Sie bestand aus 10 Stücken von je 28 Ellen Länge und 4 Ellen Breite, von denen wiederum je 5 an den Langseiten aneinandergenäht waren. Die 2 dadurch entstandenen großen Stücke hatten je an einer der Langseiten 50 blaue Schleifen, welche durch 50 goldene Häklein, die wahrscheinlich die Form eines lateinischen S hatten, zusammengehalten wurden, so daß eine große Decke von 40 × 28 Ellen entstand. Diese Decke war nicht im Innern tapetenartig aufgehängt, sondern so über das Gerüste gebreitet, daß sie nur an einer Fläche von 30 Ellen Länge und 10 Ellen Breite sichtbar war, nämlich da, wo sie den Plafond des Zeltes bildete. Je 8 Ellen hingen Außen über die Langseiten herunter, die auf der Westseite überschießenden 9 Ellen fielen entweder in einem Faltenwurf herab, oder waren über die Ecken umgeschlagen. Von einer besonderen Befestigung der Cherubimdecke ist nirgends die Rede. Eine solche war auch nicht nötig, da sie durch die straff angespannte darüber gebreitete schwere zweite Decke genügend festgehalten wurde. Die zweite Decke, aus zu Faden versponnenen Ziegenhaaren gewoben, hieß das Zelt, 2 Mo. 26,7-13; 36,14-18, und war so über die Cherubimdecke ausgebreitet, daß sie dieselbe nach Außen vollständig zudeckte, Sie bestand aus 11, je 4 Ellen breiten, 30 Ellen langen Teppichen, welche ebenfalls durch Zusammennähen von 5 und 6 Teppichen in 2 große Stücke vereinigt wurden. Diese wiederum wurden durch zweimal 50 Schleifen und 50 eherne Häklein zu einem Ganzen verbunden. Das größere, aus 6 Teppichen bestehende Stück lag vorn am Eingang. Der vorderste Teppich war um 2 Ellen zurückgeschlagen und so doppelt gelegt. Hinten hing diese Decke um 2 Ellen, aus den Langseiten je um 1 Elle über die Cherubimdecke herab und war durch Seile und durch in die Erde gesteckte eherne Pflöcke (Luther: Nägel) angespannt und befestigt, 27,19; 35,18; 38,20. 31. Über die Ziegenhaardecke wurde eine Decke von rötlichen Widderfellen und über diese eine von Tachaschfellen (s. Dachsfell) gebreitet. Näher sind diese 2 Decken nicht beschrieben. Innen war das heilige Zelt in 2 Räume geteilt, von denen der vordere, das Heiligtum, 20 Ellen, der hintere, das Allerheiligste, 10 Ellen lang war, getrennt durch einen Vorhang von derselben Weberei und Farbe wie die Cherubimdecke (vgl. Abb. 1). Der Vorhang war mittelst goldener Haken an 4 vergoldeten, mit silbernen Füssen versehenen Säulen aufgehängt. Im Osten war ein Vorhang aus Byssus, weiß, blau, purpur und karmesinrot gewoben, jedoch ohne Cherubimgestalten. Für diesen Vorhang waren 5 mit Gold überzogene Akazienholzsäulen gesetzt. Ihre Kapitäle und die Querstangen, an denen der Vorhang hing, waren vergoldet, ihre Füsse von Erz. In dem Allerheiligsten stand die Bundeslade mit dem Gnadenstuhl a. Im Heiligtum der Räucheraltar b, der Schaubrottisch d, der siebenarmige goldene Leuchter c (s. d. Artt.). Das Heiligtum war rings umschlossen von einem 100 Ellen langen, 50 Ellen breiten Vorhof. Die Umfassung desselben bildete ein Vorhang von gewöhnlichem weißem Byssus, der an 60 hölzernen, je 5 Ellen hohen und 5 Ellen von einander abstehenden Säulen mit versilberten Kapitälen und ehernen Fußgestellen angebracht war. Oben waren die Säulen durch silberne Ouerstäbe verbunden, unten mit ehernen Pflöcken und Seilen am Boden befestigt. Das Heiligtum stand, der Breite nach betrachtet, in der Mitte des Vorhofs, nicht aber der Länge nach. Vielmehr stand es gegen Westen wohl ebensoviel wie gegen Süden und Norden, nämlich je 19 bezw 20 Ellen von der Wand des Vorhofs ab. So entstand auf der Ostseite des Heiligtums ein freier Raum von 50 Ellen im Geoiert. Mitten in demselben stand der Brandopferaltare mit einem schrägen Aufgang von der Südseite her g. Zwischen diesem und dem Heiligtum, wohl etwas seitwärts nach Süden, stand das eherne Handfaßh oder Waschbecken, s. Art. Handfass. In der Mitte der Ostseise war der Eingang zum Vorhof. Vor demselben hing an 4, bezw. 5 Säulen ein Vorhang von derselben Buntweberei und demselben Stoff, wie der Vorhang vor dem Heiligtum. Das ganze Heiligtum samt dem Vorhof wurde immer so aufgestellt, daß der Eingang im Osten, das Allerheiligste im Westen lag. —

2) Die Bedeutung der Stiftshütte wie des Tempels liegt darin, daß sie die Offenbarungsstätte Jahvehs inmitten seines Volkes sein sollte, 2 Mo. 25,8; 29,42 f. 45 f. Sie entsprach dabei ganz der alttestamentl. Offenbarungsstufe. Aus der einen Seite war sie die Stätte, von der Jahveh seine Segnungen ausgehen ließ, und die Fragen seines Volkes und einzelner Glieder desselben beantwortete, das sichtbare Zeichen der Gnadengemeinschaft Gottes mit seinem Volke, 2 Mo. 20,24; 25,22; 30,6; 4 Mo. 27,21. Auf der andern Seite entsprach doch dieser Verkehr Gottes mit seinem Volk ganz dem Knechtesverhältnis, in welchem dieses zu Jahveh stand. Nicht überall, sondern nuran dieser Stätte wollte sich Jahveh offenbaren, 3 Mo. 17,5; 5 Mo. 12,4 ff., nur hier durfte man ihm opfern, und auch nur nach ganz bestimmten Gesetzen u. Ordnungen. Gott wohnte nur neben seinem Volk, zur Einwohnung in den Herzen kam es erst im N. B. Obwohl das Volk im ganzen zur innigsten Gemeinschaft mit Gott berufen war, 2 Mo. 19,5 f., so stand es doch tatsächlich noch nicht in dieser Gemeinschaft, 5 Mo. 5,27-29; 32,5 f., und das wurde ihm durch die Stiftshütte und ihre Einrichtung beständig vor Augen gestellt. Nur den Vorhof durfte das Volk betreten, das Heiligtum nur die Priester, das Allerheiligste, die eigentliche Wohnung Gottes, nur der Hohepriester einmal im Jahr und nur mit dem Sünde tilgenden Opferblut. Daß diese ganze, an die Stiftshütte sich anschließende Lebensgemeinschaft Gottes mit seinem Volke nur ein schattenhaftes Vorbild war von der durch das Opfer Christi gestisteten vollkommenen Gemeinschast der Glaubigen, davon handelt Hbr. 8-10. Ja, die Stiftshütte als irdische Gotteswohnung erscheint im Neuen Testament geradezu als das Bild von dem, in welchem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnte, Joh. 1,14; 2,19. 21; Kol. 1,19; 2,9. Die Ausdeutung des Einzelnen betr. ist deutlich, daß der Grundsatz: je näher der eigentlichen Wohnung Gottes, desto kostbarer an Stoffen und Verarbeitung durchgeführt ist. Dem Allerheiligsten entspricht auch die vollkommene Würselsorm desselben. Zu den Cherubim und der Bedeutung der Farben s. d. Artt. —

3) Die Geschichte der Stistshütte. Der Befehl zur Errichtung der Stiftshütte geht nach dem Bericht $$2 Mo. 25 ff::2. Mose 25$$. von Gott aus, welcher Mose zugleich die genaueste Anweisung zum Bau gibt. Zur Veranschaulichung wird ihm auf dem Berge das Bild der Wohnung und aller ihrer Geräte offenbar in einem Gesicht gezeigt, 2 Mo. 25,9-40; 26,30; 27,8. Die Ausführung soll ein gemeinsames Werk des ganzen Volkes sein. Deshalb muß jeder über 20 Jahre alte Israelite ½ Silberling (ca. 50 Ps.) beisteuern, gleichviel ob reich oder arm, zum Zeichen, daß jeder in Israel, ohne Unterschied des Standes und des Besitzes, gleichen Anteil am Heiligtum, gleiche Rechte und Pflichten gegenüber demselben habe, 2 Mo. 30,13. Außerdem wird das Volk aufgefordert, daß jedes, ohne Unterschied des Geschlechts, nach seiner Willigkeit Material sür den Bau, Gold, Silber, Webestoffe und dergl. beisteuere, 25,2 ff.; 35,4-29, und wer dazu fähig ist, Männer und Frauen, darf sich an der Zubereitung der Gegenstände beteiligen. 35,25 f.; 36,2. Die Ausführung nimmt etwa ½ Jahr in Anspruch. Daß an Gold und Silber unter dem Volk Israel so viel vorhanden sein konnte, daran ist nicht zu zweiseln. Von dem, was sonst nötig war, konnte manches unterwegs von den Arabern eingehandelt werden. Akazienholz wuchs damals noch in Menge in den Tälern des Sinaigebirges. Auch die Geschicklichkeit zu so kunstreichen Arbeiten konnten die Israeliten ganz wohl von den Ägyptern gelernt haben, die sich ja seit den ältesten Zeiten dadurch auszeichneten. Die Schwierigkeit des Transports der einzelnen Teile durch die drei Geschlechter des Stammes Levi, 4 Mo. 10,17. 21; 3,23-37; 4; 7,3-9 war sicherlich keine unüberwindliche, wenn auch vielleicht mehr Wagen dazu erforderlich waren, als 7,3-9 angegeben wird. Im Lande Kanaan wurde von Josua die Stiftshütte zu Silo im Stamm Ephraim aufgerichtet. Jos. 18,1, und hier stand sie während der Richterzeit, bis unter Eli die Bundeslade den Philistern in die Hände fiel. 1 Sa. 21,1 f. Die Bezeichnungen „Haus, Palast oder Tempel Jahvehs“ mit Türen und Türpfosten (Ri. 18,31; 19,18; 1 Sa. 1,7. 9. 24; 3,3. 15) wäre etwa dahin zu deuten, daß mit der Zeit sich allerlei feste Baulichkeiten an die Stiftshütte angeschlossen haben. Später erscheint sie in der Priesterstadt Nod 1 Sa. 21,1 f.; nach dem Chronisten wäre sie unter David 1 Chr. 21,29, wie unter Salomo 2 Chr. 1,3-6. 13 in Gibeon gewesen. Daß nach 1 Kö. 3,2-4 in Gibeon Götzendienst getrieben wurde, ist freilich schwer damit zu reimen, und warum David für die Bundeslade auf dem Zion ein neues Zelt herstellen ließ beim Vorhandensein der alten Stiftshütte ist nicht verständlich. Wahrscheinlicher ist, daß das alte Zelt, etwa in den Philister-Kämpfen, verloren gegangen war und David mit der Neuherstellung seines Zeltes an die Erinnerung an die alte Stiftshütte anknüpft. Im Zusammenhang mit den neueren Untersuchungen über die Entstehung der 5 Bücher Moses wird weiter vielfach angenommen, daß die genaue, im obigen wiedergegebene Beschreibung der Stiftshütte aus späterer Zeit stammt und ihr der fertige Tempel als Vorbild gedient hat, wie es denn auffallend ist, daß in den Berichten über den Tempelbau kein Wort über eine als Vorbild dienende Stiftshütte gesagt ist. Hiemit würde vielleicht auch die Differenz in Bezug auf den Lageplan der Stiftshütte erklärt: das alte Zelt stand nach 2 Mo. 33,7 ff. außerhalb des Lagers, während die Anordnung im Mittelpunkt (4 Mo. 1,53; 2,17) ein Gedanke des späteren Berichterstatters (vgl. auch Hes. 45; 48,21) wäre.