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Markus

Markus war nach Apg12,12; 15,37 der Zuname eines gewissen Johannes, dessen Mutter Maria in Jerusalem ein Haus besaß und der ersten Christengemeinde angehörte (siehe Maria 5) ). Er war nach Kol 4,10 ein Neffe des Barnabas. Auf der ersten Missionsreise begleitete er Paulus und Barnabas als Diener (Apg 13,5), trennte sich aber von ihnen, als die Reise sich auf Kleinasien erstreckte (13,13), weshalb Paulus bei der zweiten Reise sich weigerte, ihn wieder mitzunehmen, und Barnabas in seiner Begleitung eine eigene Reise unternahm (15,37-39). Dass er später des Paulus Vertrauen wieder gewann, zeigt das Zeugnis, das ihm dieser im Kolosserbrief (4,10. 11, vgl. Philem 24) ausstellt. Danach war er in der Gefangenschaft bei Paulus, übrigens im Begriff, in dessen Auftrag nach Kolossä zu gehen; 2 Tim 4,11 wird Timotheus beauftragt, ihn wieder zu Paulus zu bringen („denn er ist mir nützlich zum Dienst“). Aber auch Petrus schreibt im ersten Brief (5,13) von Babylon (= Rom) aus Grüße von seinem „Sohn“ Markus an die kleinasiatischen Gemeinden. Dass der Ausdruck Sohn hier geistlich zu verstehen und dass der hier Genannte mit dem Gehilfen des Paulus eine Person sei, hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. Demnach hat sich Markus nach dem Tode des Paulus an Petrus angeschlossen. So berichtet auch die altkirchliche Überlieferung, welche dann weiterhin erzählt, Markus habe, was er als Begleiter des Petrus aus dessen Vorträgen von dem Leben Jesu erfuhr, niedergeschrieben. Wie schon im Artikel Evangelium gesagt wurde, bildet diese Schrift des Markus, wenn auch nicht unser zweites Evangelium selbst, so doch dessen Grundlage.

Welch wichtige Stellung diese Schrift unter den drei ersten Evangelien einnimmt, haben wir ebenfalls dort gehört: die beiden andern haben ihr nicht nur einen großen Teil ihres Erzählungsstoffs, sondern insbesondere den ganzen Aufriss des Lebens Jesu entlehnt und, was sie aus andern Quellen beizufügen hatten, in den Zusammenhang dieser Markusschrift eingeschaltet. Die Anlage derselben ist sehr einfach und klar. Ohne Kindheitsgeschichte beginnt sie mit dem Auftreten des Vorläufers Johannes und geht über Taufe und Versuchung rasch zum Auftreten Jesu in Galiläa über (1,1-15). Der ganze weitere Bericht zerfällt in zwei Teile:

1) Das Wirken Jesu in Galiläa (1,14 bis 9,50);

2) die Erlebnisse auf der Reife nach Judäa und in Jerusalem (Kap. 10-16). Im einzelnen ist zwar klar, dass in der Hauptsache die Ereignisse der Zeitfolge nach erzählt werden sollen (zum Beispiel 1,23-38 die Erlebnisse eines Tages; 4,35 bis 5,43 ebenfalls zusammen hängend; 9,2 „nach 6 Tagen“ usw.); aber ebenso ist unverkennbar, dass manche Erzählungen der Ähnlichkeit halber zusammengestellt sind (zum Beispiel 2,1 bis 3,6 sind fünf Fälle erzählt, in denen verschiedene Leute an Jesus und seinen Jüngern Anstoß nahmen, darunter zuletzt zwei angebliche Sabbatübertretungen). Besonders betont ist, dass Jesus gar nicht darauf ausging, großes Aufsehen zu erregen, dass er vielmehr oft den durch seine Wunderkraft Geheilten verbot, davon zu reden (1,43 f.; 5,43; 7,36; 8,26); und dass er nach auffallenden Taten meist sich in die Verborgenheit zurückzog (1,12. 35; 4,35; 6,31 f.45; 8,10). Trotzdem aber war der Eindruck seiner Taten und Worte ein so gewaltiger, dass er immer sogleich wieder von einer Menge Volks umdrängt war. Ebenso zeigt Markus, wie Jesus von seiner Messiaswürde, lange nicht redete und nicht wollte, dass andere davon reden (1,25. 34; 3,11; 8,30; 9,9), bis er mit dem Einzug in Jerusalem und mit seiner Antwort auf des Hohenpriesters Beschwörung (11,10; 14,62) ein offenes Bekenntnis ablegte; sodann wie er von seinem Leiden und Sterben erst nach dem Bekenntnis des Petrus zu reden anfing (8,31; 9,12. 31; 10,33 f.); ebenso von dem Kommen seines Reiches „in Kraft“ (8,38; 9,1; 13,24 ff.; 14,62)

— lauter Züge einer stufenmäßigen Entwicklung, die in den andern zwei synoptischen Evangelien nicht so deutlich hervortritt. Auch von der Schwäche und dem Unverstand der Jünger redet das Markusevangelium besonders viel (4,13. 40; 6,52; 7,18; 8,17 f. 21; 9,32; 10,38; 14,4). In vielen Erzählungen ist die Darstellung besonders anschaulich und lebhaft (zum Beispiel Kapitel 5) und enthält manche scheinbar unbedeutende Nebenumstände, die bei den andern Evangelisten fehlen (3,20, kein Raum zum essen; 4,36 mehr Schiffe; 6,39 f. die Lagerung; 10,17 kniete vor ihn; 11,4 außen an der Wegscheide; 11,16 ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trüge u. dgl.). Endlich hat Markus manche Worte in jüdischer (aramäischer) Sprache ins Griechische hineingesetzt (3,17 Bnehargem; 5,41 Talitha Kumi; 7,34 Hephatha; 14,36 Abba; 15,34 Eli Eli lama asabthani; vgl. auch die Anrede Rabbi und Rabbuni an Jesus 9,5; 11,21; 14,45; 10,51).

Das sind lauter Züge, die wohl dazu passen, dass der Inhalt der Schrift auf einen Apostel selbst, auf Petrus zurückgeht. Längere Reden Jesu sind wenige mitgeteilt, offenbar um den Gesamteindruck seines Lebensganges nicht zu unterbrechen. Die mitgeteilten (namentlich 4,1 ff. die Gleichnisse vom Reich Gottes; 12,1 ff. Gleichnis von den Weingärtnern; 13,1 ff. Rede von der Zerstörung Jerusalems und von der Wiederkunft Christi) dienen gerade dazu, die Rätsel des Lebensganges Jesu ins rechte Licht zu setzen: den kleinen bleibenden Erfolg trotz der ursprünglichen Begeisterung (vierfaches Ackerfeld); seine Verfeindung mit den doch von Gott eingesetzten Wächtern des Gottesreichs (Weingärtnergleichnis); Kap. 13 endlich zeigt, wie das Judenvolk, das seinen Messias verwirft, in seiner Verblendung dahinsinken und dem Gericht überliefert werden wird, Christi Sache dagegen trotz aller Kämpfe am Ende herrlich triumphiert.

Eine eigentümliche Bewandtnis hat es mit dem Schluss des Evangeliums. Alle besseren Handschriften, die wir noch haben, hören mit 16,8 auf; V. 9-20 findet sich nur in späteren Handschriften. Da aber mit V. 8, ehe noch eine Erscheinung des Auferstandenen erzählt ist, das Evangelium unmöglich aufgehört haben kann, so muss der echte Schluss frühe verloren gegangen sein, und B. 9-20 ist dann ein Versuch aus alter Zeit, ihn zu ersetzen.

Für wen das Evangelium ursprünglich geschrieben wurde, lässt sich nicht bestimmt mehr sagen; jedenfalls nicht für Judenchristen, sonst würden nicht jüdische Sitten ausführlich beschrieben, wie 7,3 f. Einige lateinische Worte, die ins Griechische aufgenommen sind, lassen denken, dass es für lateinische (römische) Christen geschrieben wurde, bei denen Markus nach den neutestamentlichen Spuren bekannt war. Die Abfassungszeit ist, wenigstens bei der dem Evangelium zugrundeliegenden Markusschrift, gewiss noch vor die Zerstörung Jerusalems zu setzen.