Maria
Maria, hebr. Mirjam, griechisch Mariam, dann, um den Namen deklinierbar zu machen, Maria.
1) Die Mutter Jesu.
Von ihrer Herkunft aus dem Haus Davids spricht das Neue Testament nicht, auch nicht Luk. 3,23. Mehr Grund hat die Annahme, daß sie die Tochter eines priesterlichen Hauses war, da sie mit Elisabeth verwandt war, Luk. 1,36; aber auch dieser Schluß gibt keine Sicherheit. Oft wird auch wegen Joh. 19,25 verglichen mit Mt. 27,56; Mk. 15,40 angenommen, daß Salome, die Mutter des Jakobus und Johannes, ihre Schwester gewesen sei. Auch dies bleibt unsicher, und was man schon in der alten Kirche über ihre Eltern Joachim und Anna und über ihre Jugend erzählt hat, gehört vollends in den Bereich der Dichtung.
Die Berufung, durch das schöpferische Werk des göttlichen Geistes die Mutter Jesu zu werden, erhielt sie, als sie bereits mit Joseph verlobt war. Dadurch war Jesus von seiner Geburt an in das Haus Davids hineingestellt, obgleich er nicht auf dem Weg der Natur aus ihm hervorgegangen ist. Indem ihr ihre Berufung durch die Erscheinung des Engels verkündigt wurde, wurde sie mit Wissen und Willen an der ihr gewährten Gnade beteiligt und der Bericht des Lukas stellt nun mit vollendeter Schönheit dar, wie die erste Aussprache des seligen Geheimnisses und das erste Lob Gottes für die Sendung des Christus durch die Begegnung der Maria mit Elisabeth zustande kam. Daß das eheliche Band, das sie mit Joseph vereinte, durch das wunderbare Eingreifen Gottes nicht aufgelöst sei, wurde Joseph und dadurch auch Maria durch eine neue Offenbarung Gottes gezeigt, der Joseph Gehorsam erwies, so daß nun der Abschluss der Ehe und der Eintritt Marias in das Haus Josephs geschah (Mt. 1,18-25).
Nachdem sie in der Herberge zu Bethlehem ihr Kind geboren und dabei die Herrlichkeit seiner Sendung, aber auch die Not, die die Sünde Israels ihm bereiten wird, in deutlichen Zeichen erfahren hatte, lebte sie mit ihrem Manne in kinderreicher Ehe, da sie Joseph außer Jesus noch vier Söhne und mehrere Töchter gab (Mt. 13,55; 56). Als durch die Verkündigung des Täufers für Jesus die Zeit seiner öffentlichen Arbeit kam, war Maria Witwe; denn Joseph wird im Bericht über die Wirksamkeit Jesu nirgends mehr erwähnt. Auch Maria kommt darin nur so vor, daß gezeigt wird, wie Jesus auch das heilige, starke Band, das ihn der Mutter untertan machte, löste, sowie es ihn am Gehorsam gegen den himmlischen Vater und an der Erfüllung seiner Sendung hindern sollte. Schon der Vorfall beim ersten Besuch im Tempel wird unter diesem Gesichtspunkt erzählt (Luk. 2,49-51). Die Kluft wird sichtbar, die den Sohn auch von der Mutter trennt; er versteht nicht, wie sie ihn anderswo suchen konnte als im Haus seines Vaters, und sie versteht nicht, wie er im Heiligtum heimisch sein und sich das aneignen kann, was Gott gehört. Es schieden sich die menschliche Frömmigkeit, die Gott die schuldige Ehrfurcht erweist und dann befriedigt nach Hause geht, und die Sohnschaft Gottes, durch die Jesus nirgends sein konnte als in dem, was Gottes ist.
Als nun die Sendung Jesu durch seine Taufe offenbar geworden und der Anfang seines Werks in der Berufung der ersten Jünger geschehen war, da war sofort wieder die Lösung von der Mutter ein wesentlicher Teil des Gehorsams Jesu, wie Johannes dies kurz, aber unerfindlich wahr und zart hervorgehoben hat (Joh. 2,3-5). In völliger Zuversicht wandte sich die Mutter in Kana an ihn, gewiß, daß er in allem zu helfen vermöge. Er aber, obwohl auch er mit freudiger Gewissheit von der göttlichen Schöpfermacht erwartete, daß sie aus der Störung des Festes dessen Verklärung und Vollendung mache, spricht zuerst mit durchschneidendem Ernst aus, daß die Mutter auf jeden Versuch ihn zu leiten verzichten müsse. Nur dann kann er ihr geben, was sie erwartet, nur dann erfüllen, was ihr bei seiner Geburt verheißen war, wenn er nicht auf ihren, sondern einzig auf Gottes Willen sieht. Maria verstand ihn, beugte sich und wartete in froher Zuversicht auf sein Werk.
Als er sodann Israel das Bußwort sagte und in den Kampf hineintrat, aus dem sich sein Kreuz ergab, stimmte die Mutter der Furcht und Sorge seiner Brüder zu und hat mit ihnen den Versuch gemacht, Jesus aus seinem Wirken herauszuholen, und darum mit den Brüdern das mächtige Wort empfangen, das die Gemeinschaft Jesu nur denen, denen aber vollständig gewährt, die den Willen Gottes tun (Mk. 3,21. 31-35). Jene Frau, die die Mutter Jesu selig pries in der Meinung, auch Jesus kenne keine größere Freude als die, daß seine Größe auch seine Mutter bestrahle, sprach aus, was jedermann im Volk dachte und was auch Marias natürliche Empfindung war.
Auch die Verwandten und Jünger Jesu haben es erst von ihm gelernt, daß wir Gottes Reich und Gerechtigkeit suchen sollen und seine Gnade nicht zu unsrer eigenen Verherrlichung mißbrauchen dürfen.
Darum war es auch für Maria ein großes Erlebnis, daß Jesus jener Frau dadurch antwortete, daß er seine Seligpreisung denen gab, die Gottes Wort hören und bewahren (Luk. 11,27. 28).
Wie aber Maria im Glauben die ihr erteilten Berufung angenommen hat, so hat sie im Glauben Jesus auch dann begleitet, als er den Kreuzesweg ging, ist mit ihm nach Jerusalem gewandert und war unter denen, die ihn betrachteten, als er sein Werk am Kreuz vollendete. Wunderbar schön ist Jesu Abschied von ihr (Joh. 19,25-27). Er hat noch sterbend für sie gesorgt, zugleich aber ihren Schmerz von allem selbstsüchtigem Verlangen und Murren gereinigt; denn er sagte ihr, er gehöre nicht ihr. So ist Maria freilich die ehrwürdigste aller Frauen und darum ein besonders erhabener Gegenstand für echte Kunst. Nur hat die Kunst, wenn sie Maria darstellt, Jesus zu gehorchen und nicht die Größe des Menschen, noch weniger bloß die Schönheit der reinen Frau zu feiern, sondern zu bedenken, daß Maria den geboren und bis zum Kreuz begleitet hat, der in der Sendung Gottes zur Offenbarung der göttlicher Herrlichkeit zu uns gekommen ist. Daß Maria am Ostertag nicht bei den Frauen war, die dem Leichnam Jesu die letzten Liebesdienste erweisen wollten, entspricht der Art Marias, die still auf Gottes Werk wartet; wir hören auch nicht, welchen Anteil sie an den Ereignissen der Osterzeit hatte, sondern nur noch das eine, daß sie am Schluß der Osterzeit mit den Jüngern nach Jerusalem ging und bei denen war, die auf die Ankunft des Geistes und die Sammlung der Gemeinde Jesu warteten (Apg. 1,14). Sie hat noch die erste Zeit der Kirche im Haus des Johannes mit erlebt (Joh. 19,27).
2) Maria Magdalena.
Sie hat diesen Beinamen, weil sie in Magdala in der Ebene Genezareth zu Hause war. Dort hat sie eine dunkle Leidenszeit durchgemacht; denn sie fühlte sich von sieben schlimmen Geistern gequält (Luk. 8,2). Nachdem Jesus sie befreit hatte, gewährte er ihr, was er sonst den von ihm Geheilten nicht gestattet hat; sie durfte in seiner Nähe bleiben und gehörte zu jenen Frauen, die für die Bedürfnisse Jesu und seiner Jünger sorgen durften. Sie hat auf Golgatha und am Grabe Jesu die Kraft, aber auch die menschliche Dunkelheit ihres Glaubens bewährt, da sie sich nicht von Jesus trennen wollte, auch nicht von seinem Leichnam, und tief erschüttert war, als sie meinte, der Leichnam sei aus dem Grab entfernt worden. Darum gab ihr Jesus zuerst die Gewißheit seiner Auferstehung.
Schon früh ist Maria von Magdala mit Maria von Bethanien, die Jesus salbte, und weiter die Salbung Jesu durch Maria mit derjenigen durch die Sünderin vermengt worden; daraus entstand die Annahme, die Magdalena habe sich vor ihrer Begegnung mit Jesus durch Unkeuschheit versündigt. Sie hat keinen geschichtlichen Grund.
3) Maria von Bethanien
Eine der beiden Frauen, denen Jesus zusammen mit ihrem Bruder Lazarus seine Freundschaft gab und bei denen er, wenn er für die Feste nach Jerusalem kam, gern einkehrte. An ihr hat Jesus gezeigt, was er von denen als Dank und Ehrung erwarte, bei denen er einkehrte, nicht Bedienung und Bewirtung, sondern das offene Ohr für sein Wort (Luk. 10,38-42). Ihr hat er weiter, als sie bei der Erkrankung ihres Bruders mit ihrer Schwester sehnlich und gläubig auf die Hilfe Jesu wartete, gezeigt, daß seine Macht zu helfen nicht mit dem Tode ende, sondern ihm dazu gegeben sei, damit er auch für die Sterbenden das Leben und die Auferstehung sei (Joh. 11). Sie war sodann nach Joh. 11,2; 12,1-8 jene Frau, von der auch die andern Evangelien erzählen, daß Jesus vor seinem Leiden beim Mahl in Bethanien von ihr die Salbung angenommen und sie als die Bereitung seines Leibs zum Grab gedeutet habe. Gerade weil es Maria gelernt hatte, daß er nicht gekommen war, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen, und daß sein Dienst darin besteht, daß er uns durch sein Wort Gottes Ruf und Verheißung gibt, darum durfte sie jetzt, als ihm der Tod bereitet wurde, ihm ihre Liebe zeigen und das Kostbarste, was sie besaß, für ihn hingeben. Darum hat er ihr dadurch gedankt, daß er ihre Tat zu einem Teil seines Evangeliums machte; es soll der Welt nicht nur verkündet werden, daß er verraten, verworfen und gerichtet wurde, sondern auch, daß ihm der Vater solche gegeben hat, die ihn mit Glauben und Liebe bis zum Kreuz begleiteten.
4) Eine andere Jüngerin
Noch eine andere Jüngerin, die aus Galiläa mit Jesus nach Jerusalem zog und bei seinem Kreuz und am Ostertag bei seinem Grab gegenwärtig war, hieß Maria. Zum Unterschied von den andern Marien wird sie nach ihren Söhnen, dem Kleinen, das heißt dem jüngeren Jakobus und Joses (Mt. 27,56. 61; 28,1; Mk. 15,40. 47; 16,1; Luk. 24,10), oder nach ihrem Mann Klopas/Kleopas (Joh. 19,25) genannt.
5) Die Mutter des Johannes Markus
Sie war eine begüterte Christin Jerusalems, die ihr Haus für die Versammlungen der Christen öffnete. In der Nacht, als Petrus aus dem Gefängnis befreit wurde, suchte er dort die Brüder auf (Apg. 12,12). Die Annahme, im Haus dieser Maria habe Jesus das Abendmahl eingesetzt, ergab sich aus der Vermutung, Markus selbst sei jener Jüngling gewesen, von dem er erzählt, daß er Jesus in der Nacht nach Gethsemane begleitet habe (Mk. 14,51. 52).
6) Eine in Rom wohnende Christin,
die Paulus schon vor seiner Ankunft in Rom kennen gelernt hatte, und die sich der römischen Christenheit mit treuer Arbeit annahm (Röm. 16,6). Da Paulus hier wahrscheinlich „euch“, nicht „uns“ geschrieben hat, spricht er nicht davon, daß er selbst einst bei Maria einkehrte und ihre Fürsorge für ihn erfuhr, sondern er erinnert die Römer an das, was Maria ihnen selber tat.