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Messias

Messias, hebräisches Wort, deutsch: Gesalbter, wurde auf Grund von Stellen wie Ps. 2,2; Dan. 9,25 f. bei den Juden in der Zeit des zweiten Tempels Eigenname des verheißenen Heilands, und findet sich so auch im Neuen Testament, Joh. 1,41; 4,25. „Christus“ ist nichts anderes als die griech. Übersetzung des Worts. Vgl. Art. Gesalbter. Hier ist das Bild, welches das Alte Testament. von dem kommenden Heiland zeichnet und welches sich das spätere Judentum von ihm machte, in den Hauptzügen darzustellen. —

1) Vorbemerkungen. In Jesus Christus sind alle Gottesverheißungen Ja und Amen, 2 Kor. 1,20. Nach dem eigenen Zeugnis des Herrn hat schon Mose von ihm geschrieben, Joh. 5,46, und als Jesus den Jüngern von Emmaus die Schriften auslegte, die von ihm zeugten, „fing er an von Mose und allen Propheten“, Luk. 24,27, vgl. Apg. 3,24; 10,43. Demnach ziehen sich die Zeugnisse von Christo und die Beziehungen auf ihn durch das ganze A. T. hindurch und finden namentlich die zahlreichen Heilsverheißungen für Israel und die andern Völker ihre Erfüllung in Christo, gehören also zu den messianischen Weissagungen, auch wenn in denselben die Vermittlung des Heils durch die Person eines menschlichen Heilsmittlers, des Messias, nicht ausgesprochen ist, wie zum Beispiel in Joel 3 und Hes. 36,22-32. Außerdem aber erkennt das Neue Testament in zahlreichen alttest. Worten Weissagungen auf Christum, die im Sinn dessen, der sie gesprochen, nicht so gemeint waren, vgl. zum Beispiel Mt. 2,15 mit Hos. 11,1, Mt. 2,18 mit Jer. 31,15. Das Recht dieser Auffassung alttestamentlicher Stellen liegt in dem vorbildlichen Charakter, welchen Personen, Einrichtungen und Ereignisse im Alten Testament tragen, demzufolge in denselben Gottesgedanken sich ausprägen und, wenn auch noch unvollkommen, verwirklichen, welche hernach in Christo ihre vollendete Darstellung und vollkommene Verwirklichung finden. Am meisten trägt diesen vorbildlichen oder typischen Charakter David sowohl in den Leiden um seiner göttlichen Berufung willen, als in dem Glanz seines Königtums, dem Bild eines von Gott gesegneten, mit Herrlichkeit und Siegesmacht ausgerüsteten, dabei sich in den Dienst Gottes stellenden Königs von Gottes Gnaden. Nächst David kommt diese Vorbildlichkeit dem Friedefürsten Salomo zu, aber auch anderen Königen und zahlreichen Gottesmännern des Alten Testaments Der messianische Gehalt der Psalmen beruht überwiegend darauf, daß sie vorbildliche Züge auf Christum in dem eben bezeichneten Sinn, diese aber in reicher Fülle enthalten. Aber eben um dieses nur vorbildlichen, nicht bewußt und unmittelbar weissagenden Charakters willen können dieselben hier, wo das klare und deutliche Zeugnis des Alten Testaments von dem Messias darznstellen ist, nur nebenher berücksichtigt werden, zumal da ein festes Prinzip, nach dem die Vorbildlichkeit einer alttestamentlichen Stelle bestimmt werden könnte, schwerlich aufgestellt werden kann. —

2) Die frühesten Weissagungen, welche nach des Geistes Sinn auf Christum hinzielen, haben vorbereitenden Charakter. Sie geben der Menschheit, speziell dem Volk Israel, die Hoffnung auf ein zukünftiges Heil, das Gott schafft, aber durch menschliche Vermittlung; dabei läßt die Unbestimmtheit des Ausdrucks die Frage offen, ob die menschliche Vermittlung durch einen einzelnen Menschen, eine bestimmte Person oder durch eine Mehrheit von Menschen erfolgen soll. So verheißt das erste Evangelium 1 Mo. 3,15 den Sieg über den nach dem Zusammenhang mit V. 1 ff. die gottfeindliche Macht vertretenden Schlangensamen nicht ausdrücklich einer bestimmten Persönlichkeit, sondern noch ganz unbestimmt dem Samen, das heißt der Nachkommenschaft des Weibes. Von der damit den Menschen gegebenen Hoffnung zeugt zwar noch nicht das Wort der Eva 4,1, wohl aber des Lamech, 5,29, wenn auch sein Sohn Noah selber der erwartete Tröster der Menschheit nicht sein konnte. Nachdem sodann Sems Geschlecht durch das Wort, daß ihm Gott als Jahveh, das heißt (vgl. d. Art.) als Offenbarungsgott angehören werde, 9,26, als das von Gott erwählte bezeichnet war, wurde, 12,3; 18,18; 22,18, dem Semiten Abraham die nachher auf Isaak, 26,4, und Jakob, 28,14, übertragene Verheißung, daß in ihm oder in seinem Samen gesegnet werden sollen alle Geschlechter der Erde. Der Kreis von Menschen, aus dem Gott das Heil für die Menschheit — denn trotz der vorläufigen Beschränkung des Heils auf ein Volk wird doch seine schließliche Bestimmung desselben für die gesamte Menschheit festgehalten — hervorgehen lassen will, wird so immer enger gezogen; in ihrem Fortschritt gewinnt die Weissagung an Bestimmtheit. Von den 12 Stämmen Israels wird in dem Segen Jakobs, 1 Mo. 49, durch den Spruch über Juda V. 8-12 dieser Stamm als der zur Herrschaft über seine Bruderstämme (Vers 8) wie über fremde Bölker (Vers 10) berufene ausgezeichnet. Ob das von Luther jedenfalls nicht ganz zutreffend mit „Held“ übersetzte rätselhafte Wort siloh in V. 10 schon auf einen bestimmten ausgezeichneten Herrscher hinweist, muß bei der Unsicherheit der Erklärung der Stelle unentschieden bleiben. Die Übersetzung: „bis daß komme, dem’s (nämlich die Herrschaft) gehört,“ hat die im Hebräischen an die unsrige anklingende Stelle Hes. 21,32 für sich und führt auf die messianische Deutung, wie auch die Übersetzung: „bis daß der Ruhebringer komme“ (vgl. Art. Held); aber andere Übersetzungen („bis er zur Ruhe kommt“ oder „bis er in das Seinige kommt“) deuten nicht auf eine bestimmte Persönlichkeit. Mit diesem Spruch von der Herrschergröße Judas berührt sich die Weissagung Bileams von dem Stern aus Jakob, 4 Mo. 24,17, die ein aus Jakob hervorgehendes glänzendes und siegreiches Königtum verkündigt. Man könnte die Sprüche Jakobs und Bileams in David erfüllt sehen, aber dann wäre doch diese Erfüllung nur als eine vorläufige zu betrachten; wenigstens greift die Weissagung Bileams (vgl. namentlich B. 22-24) in fernere Zeiten hinaus. —

3) Der Messias als König aus Davids Stamm. Die Erwählung Davids und sein Königtum, in dem es wie später nie mehr offenbar geworden ist, was es um die Herrlichkeit eines von Gott eingesetzten u. begnadigten Königs des Volkes Gottes ist, ist für die Entwicklung der messianischen Weissagung von höchster Bedeutung. Zwei Gedanken, die fortan einen wesentlichen und bleibenden Bestandteil der Weissagung ausmachen, haben hier ihren Ausgangspunkt, der eine, daß der Messias aus Davids Stamm hervorgehen, der andere, daß er ein großer König sein wird.

a. Die Abstammung von David ist, wenn auch nicht ausdrücklich, doch mittelbar enthalten in der dem David durch Nathan gewordenen Verheißung, 2 Sa. 7, besonders V. 12-16. Im Gegensatz zur Verwerfung Sauls (Vers 15) wird dem David zugesagt, daß sein Geschlecht den Thron beständig einnehmen werde. Zugleich wird das Geschlecht Davids zu Gott in das nahe Verhältnis der Sohnschaft Gesetzt; der König aus Davids Haus soll Gottes Sohn sein und Gott zum Vater haben. Damit ist die Hoffnung Israels an Davids Haus geknüpft; auf sie gründete es seinen Anspruch auf göttliche Hilfe in Zeiten der Drangsal, $$Ps. 89,2 bis 5::Ps 89,2-5$$. 20-38. 50, und nach Jes. 55,3 schließt die hier dem David zugesicherte Gnade Gottes („die gewissen Gnaden Davids“) auch schon das Heil in sich, das der Neue Bund bringen soll, vermittelt durch einen, der gleich David „den Leuten zum Zeugen gestellet ist, zum Fürsten und Gebieter der Völker“. Es liegt deshalb ganz in der Linie dieser dem David selber gewordenen Verheißung, wenn Amos 9,11 die Wiederherstellung Israels als Wiederaufrichtung der zerfallenen Hütte Davids darstellt und wenn Jes. 11,1 das Hervorgehen des Messias aus Isais Stamm und Mi. 5,1 seine Geburt in der Stadt Davids, Bethlehem, verkündigt. Ebenso wird durch Jer. 23,5; 33,15 die davidische Abkunst des Messias bezeugt, indem er ein dem David erwecktes „gerechtes Gewächs“ und 30,9, übrigens nach Vorgang von Hos. 3,5 geradezu David genannt wird. Der Knecht Gottes David heißt er auch bei $$Hesekiel,34,23 f.::Hes 34,23f$$; 37,24, womit zu vergleichen ist 17,22-24, wo der hohe Zedernbaum das Haus Davids und das davon abgebrochene und auf den hohen Berg Israels gepflanzte Reis der Messias ist. Hieher gehört endlich noch der Name Zemach, das heißt Gewächs oder Sproß, den der Messias auf Grund der angeführten Aussprüche, insbesondere der beiden ersten des Jeremia, viell. auch schon der Stelle Jes. 4,2. bei Sach. 3,8 und 6,12 führt und der hier schon zum Eigennamen des Messias geworden ist.

b. Der große Davidssohn wird nun geschildert vor allem als ein König gleich seinem Vater David. Wie dieser wird er als ein Siegesfürst in Gottes Kraft alle Feinde Gottes und seines Volkes überwinden. Nach. Ps. 2 wird der Messias des Herrn, der von Gott als König auf Zion eingesetzt und zu seinem Sohn gemacht ist, alle Feinde, die sich wider Gottes Herrschaft in seinem Gesalbten auflehnen, überwindend sein Reich bis zu der Welt Enden ausdehnen; und in Ps. 110 erscheint er als der Throngenosse Gottes, dem Gott Sieg verleiht über alle seine Feinde. Lieber aber verweilt die Weissagung bei dem segenbringenden Walten dieses Königs über seinem Volk. Sein Vorbild in dieser Hinsicht ist vornehmlich Salomo. Mit Zügen, die der salomonischen Regierung entlehnt sind, bittet der 72. Psalm um das Anbrechen einer gerechten und gesegneten Friedensherrschaft eines Königs, dem Herren und Völker huldigen, der sich insbesondere der Armen und Elenden annehmen wird. Mag dieser Psalm auch zunächst einen bestimmten israelitischen König im Auge haben, so hat er doch auch dann messianischen Gehalt, weil er das Bild eines wahren Königs über Gottes Volk zeichnet, dessen wahre Züge in dem Messias sich erfüllen müssen. Gegenüber den schlechten Hirten, welche das Volk Gottes zu seinem Unglück geleitet haben, wird der Messias der rechte gute Hirte sein, Mi. 5,3; Hes. 34,23; 37,24, Gerechtigkeit in dem umfassenden Sinn des Worts, wonach es die Übereinstimmung der Gesinnung und des Handelns mit dem, was recht und gut ist, bezeichnet, ist das Gepräge seines Waltens, Jes. 11,4 f.; Jer. 23,5; 33,15. Diese Gerechtigkeit bringt freilich auch mit sich, daß er sich den Gottlosen als strafender Richter erweisen muß. Als derjenige, der sein Volk durch reiche leibliche und geistliche Segnungen beglückt, ja einen paradiesischen Zustand auf der Erde herbeiführt, Jes. 11,1-10, vermag er denn auch noch auf andere Weise als durch Krieg die Völker unter sich zu bringen. Die Heiden werden selber nach ihm fragen, der zum Panier den Völkern da steht, V. 10, vgl. wie nach 2,3 die geistlichen Güier Israels eine mächtige Anziehungskraft auf die Völker ausüben werden; die ganze Herrlichkeit des Fürsten aus Davids Stamm und seiner ausgedehnten, segensreichen Herrschaft ist geschildert in der Weissagung 9,6 f. Mannigfach berührt sich damit die des Sacharja, der ihn 9,9 f. als Friedefürsten in Jerusalem einziehend schaut, reitend auf einem Esel. Merkwürdig ist aber hier das demütige Auftreten, die niedrige Erscheinung dessen, dessen Herrschaft doch „von einem Meer bis ans andere und vom Wasser bis an der Welt Ende“ reicht.

4) Der Messias als Prophet und Priester. Die königliche Würde des Messias tritt in der Weissagung am stärksten hervor. Aber was den Propheten geoffenbart wird, ist doch mehr, als daß es sich zusammenfassen ließe in der Anschauung des Messias als eines Königs. Aus Joh. 1,21 („bist du der Prophet“) und 6,14 ist zu ersehen, daß die Juden eine Erfüllung von 5 Mo. 18,15 in der messianischen Zeit erwarteten; und in Apg. 3,22 f. bezieht Petrus diese Weissagung auf Christum. Der Zusammenhang entscheidet nun freilich dafür, daß die Stelle verheißt, Gott wolle dem Volk je und je einen Propheten geben. Aber sie bezeugt doch die Notwendigkeit des Prophetentums und verspricht die Befriedigung des Bedürfnisses nach einer Kundgebung des göttlichen Willens; so gehört sie auch zu den Gottesverheißungen, die in Christo Ja und Amen geworden sind und werden mußten. Demgemäß ist ein Zug der Gnadenzeit in Joel 2,23 das, daß er „Lehrer zur Gerechtigkeit“ gibt, und die Verbreitung wahrer Gotteserkenntnis erscheint öfters als Segen der messianischen Zeit, zum Beispiel Jes. 2,3; 11,9. Besonders aber kommen hier einige Stellen in dem 2. Teil des Jesaja, von dem prophetischen Lehr- und Evangelisten amt des Knechtes Gottes, in Betracht, wobei freilich die Frage, ob hier direkte Weissagungen auf den Messias vorliegen oder ob die Worte zunächst auf einen andern Knecht des Herrn gehen, der dann aber jedenfalls ein Vorbild oder Typus auf Christum ist, schwer zu entscheiden ist; es sind dies 42,1 ff., vgl. 49,6, ferner 50,4, besonders aber 61,1 f., vgl. Luk. 4,18 f., Mt. 11,4 f. Dafür, daß der Messias auch Träger des Priestertums ist, ist hinzuweisen auf $$Ps,110,4::Ps 110,4$$: „du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks“, welcher ja das Priestertum mit dem Königtum vereinigte. Denselben Gedanken der Vereinigung beider Ämter in dem Messias spricht Sach. 6,13 aus, darnach der Zemach Herrscher sein wird auf seinem Thron und Priester und nun, weil Priester und König in einer Person vereinigt sind, Friede zwischen beiden sein wird. Eine Beziehung auf den priesterlichen Beruf des Zemach liegt auch schon in 3,8. Darnach ist der Hohepriester Josua ein Wahrzeichen oder Vorbild auf das, was Gott durch seinen Knecht Zemach tun wird. Aber inwiefern? Nach dem Zusammenhang mit V. 1-5 entweder durch die von ihm erfahrene Reinigung von der Sünde, die eine Weissagung auf die durch den Zemach herbeizuführende Reinigung wäre, oder durch die Herstellung eines reinen Gott wohlgefälligen Priestertums in Josua, das vorbildlich auf das Priestertum des Zemach als auf die Vollendung des alttestamentl. Priestertums hinwiese. —

5) Der leidende Messias Schon das ist beachtenswert, daß die Niedrigkeit des Ursprungs des Messias hervorgehoben wird. Das Haus Davids nämlich wird zu der Zeit, da der Messias ersteht, von seiner Höhe herabgesunken und tief erniedrigt sein. Das setzt nicht nur Hesekiel voraus, der den Fall dieses Königshauses sich vollziehen sah, zum Beispiel 21,32, sondern auch Jes. 11,1. Der „Stamm“ Isais ist nämlich dort nach dem Hebräischen der Stumpf eines Baumes, das, was vom abgehauenen Baum noch zurückbleibt. Einst einem hochragenden Baum vergleichbar, wird das Haus Davids einem solchen Baumstumpf gleich wieder so gering geworden sein, wie das Haus Isais, des Vaters Davids, war, weshalb es der Prophet hier auch nach Isai nennt. Dieser Gedanke mag auch in Michas Ankündigung vom Ursprung Davids aus dem geringen Bethlehem liegen. Damit ist zu vergleichen Jes. 53,2: „er schießt auf wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich“, sowie Hes. 17,22, wo der unscheinbare, geringe Anfang des Messias ausgesprochen ist. Schon diese Stellen legen den Gedanken nahe, daß sein Weg von der Niedrigkeit zur Hoheit führen wird, womit sich das andere, daß es durch Kampf und Mühe hindurchgehen wird, leicht verbindet. Auf dieser Linie liegt ferner die Schilderung des arm und demütig einziehenden Königs von Zion, Sach. 9,9. Vorbereitet wird sodann die unmittelbare Weissagung von dem Leiden des Heilands durch die Stellen, welche das Leiden um Gottes willen als einen wesentlichen Zug in dem Bilde des Knechtes Gottes erscheinen lassen und so vorbildliche Bedeutung auf Christum gewinnen. Neben zahlreichen die Leiden Davids widerspiegelnden Psalmen und manchen Abschnitten des Buches Hiob gehört hierher die Leidensgestalt des Propheten Jeremia, wie sie da und dort in seinem Buche uns entgegentritt, vgl. 11,18 ff.; 15,10. 15-18, besonders aber Ps. 22, der auf Grund eigener Erfahrungen des Psalmisten das Bild eines schuldlos leidenden Gerechten zeichnet, der, ruchlosen Feinden preisgegeben, von Todesmartern gequält wird, dessen Errettung durch Gottaber zur Verkündigung der Ehre Gottes bis an der Welt Enden, zur Bekehrung aller Geschlechter der Heiden zu Jahveh dient. In der wunderbaren Weissagung $$Jes. 52,13 bis 53,12::Jes 52,13-53,12$$ aber haben wir ein prophetisches Zeugnis von dem Leiden Christi und seiner Herrlichkeit darnach, das mit größter Bestimmtheit nicht nur überhaupt den Tod des leidenden Knechtes Gottes verkündigt, sondern auch die fühnende Bedeutung dieses auf einem göttlichen Ratschluß (Vers 10) beruhenden Leidens und Sterbens ausspricht. Daran reihen sich kürzere Hinweisungen auf den Tod des Messias in Sach. 12,10, wo die Rede ist von der Durchbohrung eines, in dessen Person so gut als Jahveh selbst durchbohrt wird, und 13,7, wonach über den Mann, der Jahveh der Nächste ist, das Schwert kommen muß. —

6) Das Übermenschliche in dem Messias Für die Gottheit Christi finden sich die Voraussetzungen im Alten Testament, doch zeigt sich hier besonders deutlich, daß Gott in vielgeteilter Weise (Luther: „manchmal“) geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, Hbr. 1,1. Die Propheten schauen einzelne Züge der kommenden Heilszeit, aber die einzelnen Erkenntnisse zu einer einheitlichen Gesamtanschauung, die wesentlichen Züge in einem Gesamtbild zusammenzufassen und so das Ganze des Heils zu verkündigen, ist ihnen nicht gegeben. So gehen denn zwei Reihen von Weissagungen nebeneinander her, deren eine die neue Zeit mit ihrem Heil und ihrem Gericht an die Erscheinung Jahvehs selber knüpft (vgl. zum Beispiel Mi. 4,7; Jes. 35,4 ff.; 40,3-5. 8-11; 60,2. 19 f.; Zef. 3,14 ff.; Sach. 2,9; Ps. 96,11-13; 98,7-9), während die andere sie durch ein besonderes Werkzeug Gottes, den Messias, vermittelt sein läßt. Sie berühren einander zwar in manchen Stellen sehr nahe und gehen manchmal beinahe zusammen, doch ist die in der Erfüllung gegebene Vereinigung beider, daß Gott in Christo erschienen ist, im Alten Testament nicht ausdrücklich vollzogen; doch vgl. Sach. 12,10. In Mal. 3,1 kann man zweifeln, ob der „Engel des Bundes“ ein menschliches Werkzeug Gottes, also der Messias ist, oder — was wahrscheinlicher — der namentlich aus den Büchern Moses bekannte „Engel des Herrn“ (vgl. Art. Engel), in dem Jahveh selber erscheint und in dem zuerst der Unterschied in dem göttlichen Wesen zutage tritt, den das Neue Testament durch sein Zeugnis von dem ewigen Wort Gottes, Joh. 1,1, erkennen lehrt. Dann haben wir in dieser Stelle eine Andeutung, daß das neutestamentliche Heil durch eine zweite Person in der Gottheit vermittelt ist, nur daß diese Unterscheidung noch nicht vollständig ausgebildet erscheint uud auch die Verbindung dieser göttlichen Person mit dem Messias nicht ausgesprochen ist.

Die Anschauung vom Messias in der Weissagung geht vielmehr ganz entschieden von seiner rein menschlichen Natur aus. In allen den unter 2) angeführten vorbereitenden Weissagungen ist die menschliche Vermittlung des Heils durch den Samen des Weibcs, des Abraham usf. deutlich ausgesprochen; und ist auch bei Abraham die Gewinnung des Samens (in Isaak) durch ein Wunder der göttlichen Allmacht erfolgt, so fehlt doch in dieser Gruppe von Verheißungen jede Andeutung von etwas Übermenschlichem in dem Heilsmittler. Was im Alten Testament den Inhalt der Gottessohnschaft ausmacht, ist zu ersehen aus 2 Mo. 4,22 f. und 2 Sa. 7,14. Wenn man daher in Ps. 2,7: „du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget“ die ewige Zeugung des Sohns aus dem Wesen des Vaters gefunden hat, so ist das ein Mißverständnis, zu dem man durch die Verwendung der Stelle in Apg. 13,33; Hbr. 1,5; 5,5 nicht veranlaßt werden sollte. Das Zeugen ist dort nicht das Hervorbringen ins Dasein, sondern die Hervorbringung des Angeredeten in seiner Eigenschaft als König von Gottes Gnaden. Darüber, daß auch in der Immanuelstelle Jes. 7,14 (ganz abgesehen davon, daß das dort gebrauchte Wort alma auch die junge Frau bezeichnen kann) eine direkte Weissagung auf den Messias und seine Geburt von der Jungfrau, demnach auch seine übernatürliche Erzeugung nicht vorliegt, vgl. d. Art. Immanuel. So gibt auch die Bezeichnung der Mutter des Messias in Mi. 5,2: „die, so gebären soll“ (wörtlich: „eine Gebärerin“) keinen Anlaß, sie als Jungfrau zu denken. Gleichwohl haben die Ausdrücke in diesen Stellen etwas geheimnisvoll Andeutendes und ist es bemerkenswert, daß das Alte Testament. wohl Ahnen des Messias nennt, nie aber von einem leiblichen Vater desselben redet. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß das Maß des Menschlichen zu eng ist, das zu fassen, was den Propheten über den Messias geoffenbart ist, und daß demgemäß die Weissagung über die Anschauung des Messias als eines Menschen hinauszukommen trachtet u. nach einer höheren Anschauung ringt. In Jes. 11,2 erscheint er als Träger des auf ihm ruhenden und ihn mit allen seinen Gaben erfüllenden Geistes des Herrn. Die höchsten Aussagen aber über ihn bietet schon 9,6. Zwar ist er als Kind geboren, aber er führt den Namen „starker Gott“ (so wohl statt Luthers „Kraft, Held“, denn es sind dieselben Worte — el gibbor —, welche Luther selber 10,21 durch „Gott, der Starke“ wiedergibt) und „Ewig-Vater“. Diese Namen besagen, was er ist. Doch muß man immerhin in Betracht ziehen, daß das Alte Testament. auch manchmal Menschen, welche, von Gott ausgerüstet, in Gottes Namen walten, Gott gleichsam vertreten, als Gott bezeichnet, Ps. 82,1. 6. Der Name Ewig-Vater dürfte auf das väterliche Regiment, das der Messias fortan in Ewigkeit führen wird, sich beziehen, aber einen Vater, der von Ewigkeit ist, in dem Ausdruck zu finden, hieße wohl mehr hineinlegen, als von dem Propheten beabsichtigt ist. Doch tritt in dieser Beziehung gewiffermaßen ergänzend ein Mi. 5,1: „welches Ausgang (genauer: „welches Ausgänge“) von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“. Freilich ist sehr fraglich, ob hier ein ewiger Ursprung des Messias im strengsten Sinn des Wortes ausgesagt ist; die gebrauchten Ausdrücke können auch nur auf eine weit zurückliegende Zeit, auf die graue Vorzeit bezogen werden. Die Erklärung, der Messias werde hier als Sprößling eines alten Geschlechts bezeichnet, scheint freilich dem Ausdruck auch nicht gerecht zu werden. Daher hat die Erklärung manches für sich, daß hier von den verschiedenen Ansätzen zu seinem Kommen („Ausgänge“) die Rede ist; denn „seit unvordenklich langer Zeit geht der Herrscher aus und ist im Kommen begriffen, welcher endlich aus Bethlehem hervorgehen wird; denn da auf ihn die Geschichte der Menschheit. Israels, des davidischen Hauses abzielt, so sind alle Fortschritte desselben Ansätze seines Kommens, Hervorgänge des zweiten Sohnes Isais“. Man sieht, die Auffassung des Messias als eines göttlichen Wesens ist bei diesem Propheten nahe genug gelegt, aber daß sie bestimmt bezeugt sei und daß namentlich die Einheit des Messias mit dem zu seinem Volk kommenden Jahveh ausgesprochen sei, kann man nicht sagen. Letzteres ist auch nicht der Fall in Jer. 23,6: „man wird ihn nennen, Jahveh, der unsere Gerechtigkeit ist ̔ “, oder vielmehr richtiger: „Jahveh ist unsere Gerechtigkeit“. Damit ist gesagt, daß man es durch den Messias zu erfahren bekommen werde, daß Jahveh unsere Gerechtigkeit ist, daß durch ihn die Gerechtigkeit Jahvehs offenbar werde; wird doch 33,16 sogar dem wiederhergestellten Jerusalem der Name „Jahveh unsere Gerechtigkeit“ beigelegt. Ein besonders nahes Verhältnis des Messias zu Jahveh ist ausgesagt in Jer. 30,21, wo es heißt, derselbe (der Fürst) werde zu Jahveh nahen, und nun fortgefahren wird (nach dem Hebräischen): „denn wer ist’s, der sein Herz einsetzt, mir zu nahen“, und in Sach. 13,7, wo er „der Mann, der mir der nächste ist“, genannt wird. Eine Stelle findet sich nun aber doch, welche den himmlischcn Ursprung des Messias, der aber in Gestalt eines Menschensohnes erscheint, sein Kommen in den Wolken des Himmels ausspricht, nämlich Dan. 7,13 f., sie läßt bei ihm das Übermenschliche im Menschlichen deutlich hervortreten. —

7) Das Messiasbild des späteren Judentums. Mit dem Verstummen der Weissagung scheint auch die Hoffnung der Juden auf den Messias zurückgetreten zu sein, wie sich denn in den dem A. T. beigefügten Apokryphen nur schmache Nachklänge der messianischen Weissagung des Alten Testaments finden und der persönliche Messias fehlt, vgl. Sir. 44,22 f.; 47,13; 48,10; Wsh. 13,7 ff.; Kap. 5, besonders V. 16 ff.; Bar. 4,21 ff.; Tob. 13,10 ff.; 14,6-9. Die Hoffnung auf den Messias scheint in jener Zeit mehr kleineren Kreisen gepflegt worden zu sein, bis ist in den letzten Jahrzehnten vor Christus unter dem Einfluß der auf dem Volk Lastenden Herrschaft der Römer und des Herodes wieder lebendig und ein mächtiger Faktor im Leben des Volkes wurde. Das Neue Testament zeigt, daß die Juden zur Zeit Jesu auf den Messias warteten, und Josephus gibt zu verstehen, daß bei der Erhebung des Volks gegen die römische Herrschaft auch messianische Erwartungen wirksam waren. Zur Zeit Jesu ist die Bezeichnung des Messias als Davidssohn geläufig, Mt. 9,27; 12,23; 15,22; 21,9, nicht aber die als Menschensohn, wogegen 16,13 ff. Nach Mi. 5,1 erwartete man seine Geburt in Bethlehem, Mt. 2,4-6; Joh. 7,42, woneben freilich nach V. 27 auch die Vorstellung herging, wann der Messias auftrete, werde man nicht wissen, von wannen er sei. Während nun gewiß die Stillen im Lande mit dem Harren auf die Wiederaufrichtung des Königreichs Israels durch den Messias

— wie tief diese Hoffnung eingewurzelt war, zeigt Apg. 1,6 — gemäß den Weissagungen des Alten Testaments die Erwartung geistlicher Segnungen, der Sündenvergebung, einer geistlichen Erneuerung des Volks und der Offenbarung des Heils an die Heiden verbanden, Luk. 1,74 ff.; 2,32, so hatte die Hoffnung der Pharisäer und der unter ihrem Einfluß stehenden Masse einen durchaus politischen, auf äußerliche Herrlichkeit Israels und irdisches Glück gerichteten Charakter. Ihr Ziel ist die Befreiung Israels von dem römischen Joch und die Erhebung Israels zur Weltherrschaft. Im Judentum tritt gegenüber der herrlichen Königsgestalt des Davidssohns, der seiner Natur nach wesentlich Mensch ist, als des siegreichen Überwinders aller Feinde Israels, der Christus zurück, welcher ein neues geistliches Leben schafft, über der weltlichen Herrlichkeit des Reiches Gottes sein geistliches Wesen. Insbesondere ist der Gedanke von Jes. 53, das fühnende Todesleiden gar nicht in das Bewußtsein des jüdischen Volkes übergegangen, das vielmehr nur von einer Selbsterlösung durch möglichst treue Gesetzeserfüllung wußte. Spuren von einem leidenden Christus in den jüdischen Vorstellungen weisen nur auf ein Berufsleiden. Jedenfalls gilt dies von den Vorstellungen des Volkes zur Zeit Christi. Erst im 2. Jahrh. n. Chr. finden sich vereinzelte Spuren, daß man dem Inhalt von Jes. 53 gerecht zu werden suchte, aber im ganzen ist die Idee von dem Versöhnungstod des Messias dem Judentum fremd geblieben.