
Guten Tag, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen, zuerst diejenigen, die live dabei sind, und natürlich auch alle, die über den Livestream zugeschaltet sind.
Es ist etwas Besonderes, dass die Bibelklasse Singen diesmal nicht in Singen stattfindet, sondern in der Schweiz, in Hunzenschwil. Das liegt einfach daran, dass die Corona-Vorschriften in Singen noch etwas strenger sind als hier in der Schweiz. Deshalb findet die Veranstaltung ausnahmsweise auf diese Weise statt.
In den nächsten Monaten läuft es dann wieder ganz normal, und man kann sich auf bibloklasse.de darüber informieren.
Wir setzen unsere fortlaufende Betrachtung des Matthäusevangeliums in Kapitel 11 fort. Beim letzten Mal sind wir bis Vers 14 gekommen. Es ging um Johannes den Täufer und die biblische Beurteilung seiner Person.
Wer war Johannes der Täufer? Herr Jesus hat in diesen Versen erläutert, dass er die Erfüllung des angekündigten Elija im Malachi, im letzten Kapitel, ist.
Ich lese darum nochmals ab Vers 14, Matthäus 11, Vers 14:
„Und wenn ihr es annehmen wollt, er ist Elija, der kommen soll. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf den Märkten sitzen und den anderen zurufen und sagen: Wir haben euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint!
Denn Johannes ist gekommen, der weder aß noch trank, und sie sagen, er habe einen Dämon. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der isst und trinkt, und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern!
Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Kindern.“
Er fing an, die Städte zu schelten, in denen die meisten seiner Wunderwerke geschehen waren, weil sie keine Buße getan hatten.
Wehe dir, Korazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Wunderwerke geschehen wären, die unter euch geschehen sind, hätten sie längst in Sack und Asche Buße getan.
Doch ich sage euch: Tyrus und Sidon wird es am Tag des Gerichts erträglicher ergehen als euch.
Und du, Kapernaum, je höher du bis zum Himmel erhoben bist, desto tiefer wirst du bis zum Hades hinabgestoßen werden.
Denn wenn in Sodom die Wunderwerke geschehen wären, die in dir geschehen sind, wäre es bis auf den heutigen Tag geblieben.
Doch ich sage euch: Dem Land von Sodom wird es am Tag des Gerichts erträglicher ergehen als dir.
Zu jener Zeit hob Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde!
Denn du hast dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart. Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir.
Alles ist mir übergeben von meinem Vater.
Niemand erkennt den Sohn außer dem Vater, und niemand erkennt den Vater außer dem Sohn.
Und wem auch immer der Vater oder der Sohn ihn offenbaren will.
Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben.
Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.
Ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen, denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
Zunächst haben wir gesehen, dass mit Matthäus Kapitel 11, Vers 1 der vierte Teil des Matthäusevangeliums beginnt. Das gesamte Matthäusevangelium besteht aus sieben Teilen. Es gibt einen Refrain, den der Heilige Geist so inspiriert hat, dass man immer genau erkennen kann, wo ein neuer Teil beginnt.
Mit Kapitel 11 beginnt der Abschnitt, der das Thema „Das Reich Gottes und seine Geheimnisse“ behandelt. Alles gehört eng zusammen von Kapitel 11, Vers 1 bis einschließlich Kapitel 13, Vers 52. Im nächsten Vers danach folgt wieder der Refrain.
In der ersten Hälfte von Kapitel 11 haben wir gesehen, dass Johannes der Täufer im Gefängnis ein geistliches Tief hatte und plötzlich Zweifel bekam: Ist Jesus wirklich der Messias? Er erhielt daraufhin eine wunderbare Botschaft. Diese Botschaft lieferte ihm anhand des prophetischen Wortes und dessen, was im Leben des Herrn Jesus geschehen war, einen klaren Beweis: Jesus von Nazaret ist der, wie vorausgesagt, Messias.
Anschließend hat der Herr Jesus ab Vers 7 eine Ausführung über Johannes den Täufer gegeben. Er machte klar, dass Johannes kein Populist war, kein Schilfrohr, das sich nach dem Wind hin und her bewegt (Vers 7). Johannes war auch nicht irgendein Reicher, der durch seinen Reichtum und seine adelige Herkunft eine Attraktion für das Volk war. Denn er hatte ja viele Menschen in Bewegung gebracht.
Vielmehr war Johannes ein Prophet (Vers 9), aber nicht irgendein Prophet, sondern eine wahre Sensation – der größte Prophet. In Vers 11 lesen wir: „Wahrlich, ich sage euch, unter den von Frauen Geborenen ist keiner größer aufgestanden als Johannes der Täufer. Der Kleinste aber im Reich der Himmel ist größer als er.“ Johannes war also der Größte unter den Propheten, weil er den Messias in Israel einführen durfte.
In Vers 13 heißt es nochmals: „Denn alle Propheten und das Gesetz haben bis auf Johannes geweissagt.“ Man kann sagen, dass das Gesetz mit Mose und die Propheten von dem Auszug aus Ägypten um 1606 v. Chr. bis zum Jahr 29, als Johannes der Täufer auftrat, eine in sich geschlossene Epoche bildeten. Nun beginnt die Zeit des Reiches Gottes, und Johannes bildet den Abschluss dieser Epoche.
Und nochmals Vers 14: Der Herr Jesus sagt: „Wenn ihr es annehmen wollt, er ist Elija, der kommen soll.“
Aufgepasst: Der Herr sagt nicht, er ist Elija. Dann könnte man denken: Aha, der Elija, der damals in der Zeit der Könige nicht starb, sondern in einem Wagen mit Pferden entrückt wurde, ist wiedergekommen. Nein, er sagt: Er ist Elija, der kommen soll. Das ist dieser Elija aus Maleachi 3 am Schluss, der als Prophet angekündigt wird und den Messias einführen sollte. Also ist sein Titel „Elija, der kommen soll“.
Dann sagt der Herr Jesus: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“ Hat jemand mal ausgezählt, wie oft das in den Evangelien vorkommt? Es lohnt sich manchmal, solche markanten Worte zu betrachten, von denen man merkt, dass sie nicht nur einmal vorkommen. So sieht man, dass dieser Ausdruck verstreut über Matthäus, Markus und Lukas insgesamt achtmal vorkommt: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“
Es kommt also darauf an, wie ein Mensch auf Gottes Wort achtet und ob Gottes Wort ihm den Weg weisen kann. Das war ein großes Problem: Wer ist Johannes? Wie sollen wir Johannes einordnen? Das war alles umstritten. Aber Jesus sagt: „Wenn ihr es annehmen wollt, er ist Elija, der kommen soll.“
Und wie kann man das wissen? „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“ Das ist ein wichtiger Grundsatz für alle Zeiten bis heute. Es gibt so viele umstrittene Themen, und man kann Klarheit bekommen. Es hängt von uns ab.
„Wer Ohren hat zu hören, der höre“ – dieser Ausdruck kommt achtmal in den Evangelien vor. Ganz ähnlich ist es in der Offenbarung, wo es heißt: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“ Wir können kurz aufschlagen: Offenbarung 2,7. Zum ersten Mal steht es am Schluss des Sendschreibens an Ephesus: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“
Wie oft kommt das dort vor? Siebenmal bei jedem Sendschreiben. Dort werden die Gemeinden ganz speziell angesprochen. Auch in den Gemeinden ist es nicht immer klar, ob man ein Ohr hat zu hören.
Der Herr Jesus sagt das in der breiten Öffentlichkeit: „Wer ein Ohr hat zu hören, der höre.“ Aber hier in der Offenbarung wird es den Ortsgemeinden gesagt. Und auch dort ist die Frage, ob man ein Ohr hat zu hören.
Das bedeutet auch eine Bereitschaft, die Erklärung aus Gottes Wort anzunehmen. Darum sagt der Herr Jesus in Matthäus 11,14: „Und wenn ihr es annehmen wollt.“ Das ist die Frage. Er gibt die Erklärung: Er ist Elija, der kommen soll. Aber ob wir das annehmen oder nicht, das ist unsere Entscheidung.
Und dann stellt der Herr Jesus erneut eine Frage. Wir haben bereits gesehen, dass er in diesem Kapitel sehr häufig Fragen verwendet. Ab Vers 7, im Zusammenhang mit Johannes, fragt er: „Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen zu sehen?“
Denkt einmal daran: Damals, als Johannes der Täufer auftrat, kamen Volksmengen aus ganz Israel in die Wüste, in die Gegend am Toten Meer bei Jericho, wo Johannes am Jordan taufte. Der Herr fragt: „Warum seid ihr dort hingegangen?“ Diese Frage stellt er bewusst.
Dann sagt er: „Ein Schilfrohr, vom Wind hin und her bewegt.“ Damit meint er: Seid ihr gegangen, weil ihr einen Populisten erleben wollt? Jemanden, der genau das sagt, was die Leute gerne hören, so wie ein Schilfrohr, das sich nach jedem Wind dreht?
Jeder muss für sich selbst Rechenschaft ablegen: Was war meine Motivation damals? Was habe ich mir damals überlegt?
Dann stellt Jesus erneut eine Frage: „Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen?“ Es folgen ein, zwei, drei weitere Fragen. Dieses Stilmittel ist wichtig. Es geht nicht nur darum, alles einfach darzustellen, sondern oft auch in Frageform zu formulieren. So muss der Zuhörer sich überlegen: Wie stehe ich eigentlich zu dieser Wahrheit? Was ist meine Motivation in dieser oder jener Sache?
Auch hier stellt der Herr Jesus wieder eine Frage: „Wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen?“ Er spricht von der damaligen Generation des jüdischen Volkes zu seiner Zeit. Jesus kam als Messias, eingeführt durch Johannes den Täufer.
Wie war diese Generation damals? Er sagt: „Sie sind kindisch.“ Eine kindische Generation.
Man kann sie vergleichen mit Kindern auf dem Marktplatz, die nie zufrieden sind und immer etwas zu meckern haben. Sie sagen zu den anderen Kindern: „Wir haben auf der Flöte gespielt, warum habt ihr nicht freudig dazu getanzt?“ Und ein anderes Mal sagen sie: „Wir haben Klagelieder gesungen, so zum Spielen, und ihr habt nicht gewehklagt.“
Also ist es immer so, dass das, was die anderen Kinder machen, den Kindern nicht recht ist. Sie haben immer etwas zu beanstanden, es ist immer falsch.
Jesus sagt nun, dass es genauso ist mit dieser Generation, die kindisch reagiert. Johannes der Täufer kam, und er war sehr speziell. Er trug einen Kamelhaarmantel und aß Heuschrecken, die nach 3. Mose 11 als koscher gelten. Das als Hauptnahrung zu haben, ist jedoch sehr ungewöhnlich, also eine ganz besondere Diät. Dazu kam noch Honig, der so nebenbei gegessen wurde. Im Buch der Sprüche wird Honig als gut bezeichnet („Honig, mein Sohn, denn er ist gut“), aber es wird auch gewarnt, nicht zu viel davon zu essen, weil man das Süße überdrüssig werden kann.
Johannes aß also Heuschrecken und Honig und trank keinen Wein, denn er war ein Naziräer. Das bedeutet, er durfte keinen Wein trinken, nicht einmal Traubensaft. Nach 4. Mose 6 durfte ein Naziräer nichts vom Weinstock genießen, weder Trauben noch getrocknete Trauben oder Weinbeeren. Er verzichtete also auf vieles, was an sich nicht sündhaft ist.
Was sagten die Leute dazu? „Johannes ist gekommen, der weder aß noch trank, und sie behaupteten, er habe einen Dämon.“ Sie meinten, er müsse ein Besessener sein, weil er so karg lebte.
Auf der anderen Seite kam Jesus, der Sohn des Menschen, der aß und trank. Jesus trank Wein, weil er kein Naziräer war. Das Nazireat war eine freiwillige Weihe, die man nach 4. Mose 6 eingehen konnte. Man konnte selbst festlegen, wie lange man diese Weihe halten wollte, zum Beispiel für einen Monat. Es gab zu Jesu Zeit Juden, die das aus Liebe zum Herrn taten und nach diesen Vorschriften auf bestimmte Dinge verzichteten.
Bei Johannes dem Täufer war es jedoch anders. Seine Weihe war von Gott so verordnet, ähnlich wie bei Simson. Johannes war kein Naziräer, der es selbst gewählt hatte, sondern es war Gottes Wille für ihn. Er verzichtete bewusst auf Dinge im Leben, die an sich Gaben Gottes sind, um dem Herrn seine Treue zu zeigen. Das kam vielen nicht gut an.
Jesus war kein Naziräer und trank deshalb Wein. Er berührte auch Tote, was ein Naziräer nach 4. Mose 6 niemals tun durfte, sonst wäre seine Weihe an Gott erloschen. Jesus jedoch erweckte Tote zum Leben, zum Beispiel den Jüngling zu Nain, dessen Bahre er berührte.
Der Herr kam also mit dem Tod in Kontakt, war aber kein Naziräer im wörtlichen Sinn. Geistlich gesehen kann man sagen, dass er ein Naziräer war, denn ein Naziräer ist jemand, der sich bewusst Gott geweiht hat und bereit ist, auf Dinge zu verzichten. Im geistlichen Sinn sollte jeder Gläubige ein Naziräer sein.
Aber wörtlich war Jesus kein Naziräer, deshalb trank er Wein, und das passte vielen nicht. Man sagte über ihn: „Siehe, ein Fresser und Weinsäufer.“ So lästerlich wurde über ihn gesprochen. Weil er sich auch einladen ließ, wo fragwürdige Menschen waren, wurde er ein „Freund von Zöllnern und Sündern“ genannt.
Welches Beispiel ist eine schöne Illustration dafür, dass der Herr sich wirklich als Freund gezeigt hat?
Matthäus. Ja, Matthäus. Kannst du uns sagen, wo genau?
Matthäus, der Zöllner. Ja, er kam zum Glauben in Kapitel neun, ein bisschen später. Genauer in Matthäus 9,9: Als Jesus von dort weiterging, sah er einen Menschen am Zollhaus sitzen, Matthäus genannt. Er sprach zu ihm: Folge mir nach! Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach.
Wir haben damals in Matthäus 9 gesehen, dass Matthäus ein Verräter seines eigenen Volkes war, weil er mit der römischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet hatte – und zwar zu seinem finanziellen Vorteil. Nun aber berief der Herr ihn in die Nachfolge. Matthäus stand auf und folgte Jesus.
Es geschah, als Jesus in dem Haus zu Tische lag, dass viele Zöllner und Sünder zu ihm kamen und mit Jesus und seinen Jüngern zu Tisch lagen. Als die Pharisäer das sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Lehrer mit Zöllnern und Sündern?
Der Herr erklärte daraufhin, dass er als Arzt gekommen sei, eben die Kranken zu behandeln. Er hatte nicht einfach so Kontakt zu diesen Menschen, nur zur Unterhaltung, sondern weil er sie auf dem Herzen hatte und sie erreichen wollte.
Darum ist das lästerliche Wort in Matthäus 11, Freund von Zöllnern und Sündern, für uns ein großes Glück. Glücklicherweise ist Jesus tatsächlich ein Freund der Zöllner und Sünder.
Aber es stellt sich die Frage: Im Jakobusbrief steht doch, dass wer ein Freund der Welt ist, ein Feind Gottes ist. Wie lässt sich das zusammenbringen?
Wir können kurz in Jakobus 4, Vers 4 nachschlagen: „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen! Wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgendein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes. Oder meint ihr, dass die Schrift vergeblich rede?“
Wie bringen wir das zusammen? Ganz klar wird hier verurteilt, dass wer ein Freund der Welt ist, damit ein Feind Gottes ist. Jesus wird dagegen genannt und zu Recht als Freund von Zöllnern und Sündern bezeichnet.
Hier geht es um die menschlichen Lüste, die Jakobus meint. Es geht also nicht einfach um Ehebruch oder eine einzelne Sünde, sondern um die sündigen Begierden, die dahinterstehen. Ehebruch ist dabei ein Beispiel, aber es geht um die geistliche Untreue, die sich darin zeigt, dass man Gott nicht treu bleibt. Wer sich mit der Welt verbindet, begeht in diesem Sinne Untreue gegenüber Gott.
Was ist der Unterschied zwischen einem Freund der Welt und einem Freund der Sünder? Oder anders gefragt: Wie kommst du darauf, dass es in Jakobus 4 um das sündige Leben geht?
Wenn ich das mit Matthäus vergleiche, wird es klarer. In Matthäus 9 sieht Jesus einen Menschen am Zollhaus sitzen, einen Zöllner, und sagt zu ihm: „Folge mir nach.“ Damit evangelisiert Jesus, indem er sich mit Zöllnern und Sündern verbindet.
Ein Freund von Zöllnern und Sündern zu sein bedeutet also, mit ihnen in Kontakt zu treten, um sie zu erreichen. Es geht nicht darum, sich in sündhaftes Zusammensein zu begeben, zum Beispiel auf einer Party zu saufen und gleichförmig mit der Welt zu werden.
Du sagst also, Jakobus 4 meint nicht, dass man, wenn man jemanden auf der Straße auf das Evangelium anspricht oder ihm ein Traktat gibt, bereits ein Freund der Welt ist. Gleichzeitig verweist du auf Römer 12, Vers 2, wo steht, dass wir uns nicht gleichförmig dieser Welt anpassen sollen.
Römer 12, Vers 2 hilft uns weiter, um das Wort „Welt“ zu verstehen. Ein Freund der Welt ist nicht dasselbe wie ein Freund der Sünder. Wir müssen das Wort „Welt“ definieren. Du verweist auf Römer 12, können wir diese Stelle kurz aufschlagen? Dort kommt der Apostel Paulus nach den Belehrungen in den Kapiteln 1 bis 11, die den lehrmäßigen Teil bilden, zur praktischen Schlussfolgerung ab Kapitel 12, Vers 1.
In Vers 2 sagt er: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Denkens, damit ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“
Hier geht es also um die Gleichförmigkeit mit dieser Welt. Wie würdest du „Welt“ definieren?
Die Welt wird dort noch expliziter in 1. Johannes 2, Vers 15 beschrieben. Können wir später noch auf diese Stelle eingehen, oder möchtest du sie gleich besprechen?
Ja, gerne. Diese Welt meint den Zeitlauf und den Zeitgeist, dem wir nicht folgen sollen. Es geht um das, was gerade Mode ist und was die Menschheit in dieser Welt sieht.
Wie kommst du auf das Wort „Zeitgeist“? Wir haben doch gerade gelesen: „Nicht gleichförmig dieser Welt.“ Wie passt das zusammen?
Weil das griechische Wort für „Welt“ in Römer 12,2 „Aion“ ist. Es bedeutet nicht nur „Welt“, sondern auch „Zeitlauf“. Unser deutsches Wort „Zeitgeist“ trifft die Bedeutung dieses Wortes sehr gut.
Das Wort „Zeitgeist“ ist so treffend, dass es sogar im Englischen übernommen wurde, weil es dort kein gutes Äquivalent gibt. Der Zeitgeist beschreibt die modische Art, zu leben und sich zu geben, in einer bestimmten Epoche. In der Geschichte ändert sich das ständig.
Dieser Zeitgeist wird vom Satan beherrscht. Das wird deutlich in Epheser 2, wo Satan als der Fürst der Gewalt der Luft genannt wird, der in den Söhnen des Ungehorsams wirkt. Er bewirkt den Zeitlauf.
Dass sich die Modeerscheinungen ständig ändern, liegt daran, dass die Menschen sonst langweilig werden würden. Damit niemand aussteigt, muss sich der Zeitgeist immer wieder wandeln. In unserer Zeit ist der Zeitgeist besonders kurzlebig und verändert sich schneller als je zuvor in der Geschichte.
Das drückt das Wort „Aion“ in Römer 12,2 aus: Wir sollen uns also nicht gleichförmig diesem Zeitgeist, diesen modischen Wandlungen, anpassen.
Was genau das beinhaltet, sehen wir sehr schön in 1. Johannes 2, Vers 15. Können wir diese Stelle aufschlagen? Was würdest du sagen, wie viele Punkte dort genannt werden?
Mindestens drei, ich würde sagen, es ist ein Drei-Punkte-Programm.
1. Johannes 2,15 spricht die Gläubigen an, die geistlich gesehen Jünglinge sind. Das bedeutet, sie sind nicht erst gestern zum Glauben gekommen, sondern haben bereits Fortschritte gemacht und sind kräftig im Glauben. Er sagt: „Ihr seid stark.“ Dann folgt in Vers 15 die Aufforderung: „Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist.“
Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm. Denn alles, was in der Welt ist – die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens – ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Die Welt vergeht samt ihrer Lust, wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.
Hier wird also das Wort „Welt“ verwendet. Ist es dasselbe Wort wie in Römer 12? Die Frage macht eigentlich schon klar, dass es nicht so ist. Aber was ist es denn genau? Hast du das mal nachgeschaut? Nein, niemand sonst.
In 1. Johannes 2,15 wird das griechische Wort „Kosmos“ verwendet, das hier eine ganz negative Bedeutung hat: „Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist.“
Das Wort „Kosmos“ muss man im Neuen Testament je nach Stelle unterschiedlich verstehen. Es hat etwa zehn verschiedene Bedeutungen, weshalb man immer genau auf den Kontext achten muss.
Einmal bedeutet „Kosmos“ das Weltall. In Epheser 1 wird gesagt, dass Gott der Vater die Gläubigen vor Grundlegung der Welt – also vor Grundlegung des Kosmos – auserwählt hat. Das heißt, bevor dieses Universum erschaffen und ins Dasein gerufen wurde, waren die Gläubigen schon im Herzen Gottes.
Dort hat „Kosmos“ also den Sinn von Weltall.
Das Wort wird aber auch gebraucht für die Erde und für die ganze Menschheit. Zum Beispiel in Johannes 3,16 heißt es: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt.“ Auch hier ist „Kosmos“ im Gebrauch. Dort meint „Kosmos“ nicht das Weltall oder die Erde, sondern die Menschheit, die ganze Menschheit.
Aber in 1. Johannes 2,15 bedeutet „Welt“ das System, von dem Satan der König ist in dieser Welt. Satan wird „der Fürst dieser Welt“ genannt (Johannes 12,31). In 2. Korinther 4,4 wird er sogar „der Gott dieser Welt“ genannt, der den Ungläubigen ihren Sinn und ihr Denken verblendet.
Nun zur Erklärung des Wortes „Kosmos“: Die Grundbedeutung kommt von einem Wort, das „ordnen“ heißt. Das Weltall ist diese unfassliche Ordnung der physikalischen Welt.
Wenn „Kosmos“ aber negativ gebraucht wird, wie hier in „Liebt nicht die Welt“, dann meint es, dass Satan dieses System durchorganisiert hat, um die Menschen zu verführen.
Er verführt die Nationen, wie wir in Offenbarung 20 lesen. Erst im Tausendjährigen Reich, wenn er dann gebunden sein wird, heißt es dort: „Für tausend Jahre, damit er die Nationen nicht mehr verführen kann.“
Das zeigt, dass Satan die Völker der Welt systematisch verführt. Dazu hat er ein durchorganisiertes System aufgebaut mit ganz verschiedenen Religionen, die immer so angepasst sind, dass sie für eine bestimmte Volksgruppe passend erscheinen.
Außerdem gibt es viele Arten von Philosophien, die er nutzt. Er kann auch die Wissenschaft beeinflussen und steuern, damit sie seinen Zielen dient. Ebenso die Politik – es ist ein riesiges System.
Darum wird es „Kosmos“ genannt.
Jetzt wird klar, warum hier steht: „Liebt nicht die Welt.“ Der gleiche Johannes schreibt an anderer Stelle: „Gott hat die Welt geliebt.“ Dasselbe Wort, aber nicht dieselbe Bedeutung. Dort heißt „Welt“ Menschheit, hier das System, in dem Satan der Fürst ist.
Satan wird auch in Offenbarung 9 als „Apollyon“ bezeichnet, der König, also als Herrscher dieses Reiches der Schlange – das ist die Welt.
Johannes sagt: „Liebt nicht die Welt.“ Alles, was zu diesem System gehört, sollen wir innerlich ablehnen.
Und auch alles, was in dieser Welt ist, von Satan gesteuert, sollen wir nicht lieben.
Er fasst das zusammen in drei Punkte: die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und den Hochmut des Lebens.
Wo finden wir zum allerersten Mal diese drei Punkte in der Bibel? Ja, bei Adam – oder noch besser bei Eva. Und zwar in der Versuchung im Garten Eden. Ich kann das kurz aufschlagen: Ja, erst 1. Mose 3.
Es geht darum, wie Satan vorgeht. Er stellt zuerst eine Frage, keine Behauptung, sondern eine Frage: „Hat Gott wirklich gesagt?“ Dann zitiert er Gott falsch. Er sagt: „Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens.“ Das heißt auf gut Deutsch – so sagt man das auf Hebräisch –, „Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens“, wenn man eigentlich meint „Ihr sollt von keinem Baum essen“. Man sagt im Hebräischen nicht „kein“, sondern „nicht von allen“, und das bedeutet „von keinem“. Auch im modernen Hebräisch kann man das so sagen.
„Hat Gott wirklich gesagt, ihr sollt von keinem Baum essen?“ Das hat er ja gar nicht gesagt. Er hat gesagt, ihr dürft von allen Bäumen essen, mit einer einzigen Ausnahme. Aber so wird richtig ein Zweifel an der Güte Gottes geweckt.
Dann erklärt die Frau: „Wir essen von allen Bäumen, aber eben von einem Baum in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt, wir sollen nicht davon essen.“ Sie behauptet sogar noch, man solle ihn nicht einmal berühren, aber das hat Gott nicht gesagt. Und dieser Baum war auch nicht in der Mitte; der Baum des Lebens war in der Mitte. Doch plötzlich wird dieser Baum für sie interessant, in ihrem Denken setzt sie ihn ins Zentrum.
Dann kommt es: Der Teufel sagt, Gott ist ein Lügner, „Ihr werdet durchaus nicht sterben.“ Er lügt jetzt ganz direkt und klar. Er bestreitet, was Gott gesagt hat, und sagt, Gott möchte einfach nicht, dass ihr am Ende so weise seid wie er und erkennen könnt, was gut und böse ist.
Und jetzt kommt es, 1. Mose 3, Vers 6: „Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise sei, und dass er eine Lust für die Augen sei, und dass der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben. Und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß.“
Jetzt können wir die drei Punkte daraus heraussuchen. Wo haben wir den ersten Punkt illustriert? „Gut zur Speise“ – das wäre also die Lust des Fleisches.
Der zweite Punkt folgt gleich: „Die Lust der Augen“ – das ist genau dieser Ausdruck „Lust der Augen“. Plötzlich ist genau diese Frucht, die verboten war, ganz besonders schön anzuschauen.
Und drittens: Wo siehst du den Hochmut? Ja, der Baum ist begehrenswert, weil er eine höhere Erkenntnis gibt – und das ist Hochmut.
Wenn wir die Welt anschauen und uns das gesellschaftliche Leben vor das innere Auge führen, dann können wir alles Mögliche in diese drei Kategorien einordnen: Lust des Fleisches, Lust der Augen und Hochmut des Lebens. Überall findet man das. Man findet es ganz primitiv und abstoßend, aber auch ganz gepflegt und nobel.
Gerade in der wissenschaftlichen Welt spielt persönliche Ehre eine unglaubliche Rolle. Ein Freund von mir, der bei einem berühmten Spezialisten für semitische Sprachen promoviert hat – ich nenne jetzt extra nicht, wo und an welcher Universität –, sagte mir: „Mein Professor hat archäologische Funde in seinen Schränken aufbewahrt. Er hat keine Zeit, sie zu veröffentlichen, aber er kann sie für seine Studenten gebrauchen. Wenn die Studenten daran arbeiten, machen sie garantiert ihre Doktorarbeit, und jemand anderes macht das dann auch.“
Aber das ist nicht nur bei ihm so. Es ist allgemein üblich, dass solche Funde gehortet werden. So kann man seinen Lieblingsstudenten etwas zuspielen, und das persönliche Prestige spielt eine riesige Rolle.
Gerade dieses Problem war ein Skandal im Zusammenhang mit den Qumran-Schriftrollen. Diese wurden von 1947 bis 1956 gefunden – tausende Fragmente in elf Höhlen am Toten Meer. Aber es vergingen Jahre, Jahrzehnte, und sie waren immer noch nicht veröffentlicht.
Warum nicht? Weil ein ganz ausgewähltes internationales Team daran arbeitete, dem übrigens keine Juden und speziell keine Israelis angehörten. Sie teilten die Arbeit auf, waren aber völlig überfordert. Keiner konnte das in absehbarer Zeit veröffentlichen. Doch man hortete die Funde und konnte so den Studenten etwas zuspielen. Die Welt, die an der Bibel interessiert war und auf die Ankunft dieser Schriftrollen wartete, bekam sie nicht.
All das war verbunden mit viel von diesem Problem: Hochmut des Lebens. Das ist nur ein Beispiel, aber wir wissen ganz genau, wie überall dieses Thema eine Rolle spielt.
Johannes bringt das auf den Punkt in 1. Johannes 2: Das macht dieses Weltsystem aus. Der Teufel hat unzählige Variationen davon, wie in der Musik drei Themen und unzählige Variationen.
Jakobus sagt: Wer ein Freund der Welt sein will, wer da mitmacht und Teil dieses Systems wird, der stellt sich als Feind Gottes dar. Das ist Untreue, wie Ehebruch.
Jesus hatte mit diesem System überhaupt nichts zu tun. Aber er liebte die Menschen, die in diesem System beherrscht sind. Darum war er ein Freund von Zöllnern und Sündern, ohne Kompromisse zu machen. Für viele war das ein Grund, ihn abzulehnen.
Man hätte gesagt, ein Messias müsse viel asketischer sein, damit er glaubwürdig ist. Wenn er nur Heuschrecken und Honig essen würde, dann wäre er glaubwürdig – so wie Johannes der Täufer es tat. Johannes sagte einmal, Jesus sei besessen, er habe einen Dämon. Jesus hat es nicht so gemacht.
War Jesus jemand, der das Leben genoss? Nein. Er aß mit diesen Menschen, um als Arzt die kranken Menschen zu heilen und sie zum Heil zu führen.
Dann fügt Jesus hinzu: „Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Kindern.“ Wer sind die Kinder der Weisheit? Das sind diejenigen, die verstehen und auch ein Stück weit von der Weisheit Gottes, die darin geschrieben ist, verstehen und ausleben wollen.
Ganz genau. Gott hat einen Plan. Es war ein Plan, warum er Johannes den Täufer so geschickt hat und mit diesen Besonderheiten ausgestattet hat. Das war für manche überzeugend, die merkten, dass es diesem Mann um Gerechtigkeit geht, nicht um irgendwelche anderen Dinge.
So schnell wird jemandem nachgesagt, er mache etwas wegen des Geldes. Johannes der Täufer hätte sagen können: „Ich lebe so bescheiden, das hat mit Geld nichts zu tun. Es geht wirklich um die Gerechtigkeit Gottes.“
Gott hat in seiner Weisheit diesen Mann so geschickt. Damit war er für viele überzeugend.
In Gottes Weisheit sollte Jesus kein Naziräer sein, sondern er sollte in Kontakt kommen mit solchen, die Verstorbene in der Familie hatten, um Trost zu bringen. Denken wir daran, wie er am Grab von Lazarus war, geweint hat und mit den Angehörigen mitgefühlt und mitgetragen hat.
Es war Gottes Weisheit, dass Jesus mit Zöllnern und Sündern an einem Tisch sitzen konnte. Wenn man am Tisch sitzt, öffnen sich viele Menschen mehr, als wenn man nur auf der Straße mit ihnen spricht.
Du hast, Philipp, das erwähnt: Ein Traktat auf der Straße zu geben ist etwas, und das ist eine gute Sache, weil man diese Leute oft nie mehr im Leben sieht. Aber es gibt andere, die sieht man immer wieder. Wenn man sie am Tisch hat, werden sie ganz anders.
Das hat Jesus gemacht. Das war Gottes Weisheit.
Die Kinder der Weisheit sind diejenigen, die das Wort Gottes einfach so annehmen, wie es ist. Johannes sagt: „Jawohl, so war das. Jesus hat es so gemacht, jawohl.“ Ganz im Sinn von Vers 14: „Und wenn ihr es annehmen wollt: Wer Ohren hat zu hören, der höre!“
Das sind die Kinder der Weisheit, und sie sagen: So ist es richtig. Rechtfertigen heißt, als richtig erklären.
Ja, es ist Zeit für eine Pause. Danach fahren wir mit Vers 20 fort.
Wir lesen weiter in Matthäus 11, Vers 20. Dort heißt es, dass Jesus begann, die Städte zu schelten, in denen die meisten seiner Wunderwerke geschehen waren. Der Grund dafür war, dass diese Städte keine Buße getan hatten.
Drei Städte werden dabei erwähnt: Chorazin, Bezaida und Kapernaum. Von diesen Städten wird gesagt, dass dort die meisten Wunderwerke des Messias stattgefunden haben.
Am Nordende des Sees Genezareth befinden sich beziehungsweise befanden sich mehrere bedeutende Ortschaften. Zunächst ist Capernaum zu erwähnen, das direkt am See liegt. Capernaum bedeutet auf Deutsch „Dorf des Trösters“. Auf Hebräisch sagt man „Qwar nach Hum“, was ebenfalls „Dorf des Trostes“ heißt.
Diese Ortschaft erhielt eine besondere Ehre, denn dort wohnte der Herr Jesus. Das wissen wir aus dem Matthäusevangelium. Genau genommen zog Jesus, wie in Matthäus 4,12 beschrieben, von Nazareth, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte, nach Capernaum. Dort begann er seinen öffentlichen Dienst und predigte.
Wie ist das zu verstehen, dass Jesus einen Wohnsitz in Capernaum hatte? Später lesen wir in Matthäus, dass „die Vögel haben Höhlen und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er seine Haut hinlege“. Dennoch zog er nach Capernaum und hielt sich dort am meisten auf, besonders im Hause Petrus. Jesus selbst hatte kein eigenes Haus dort, aber Petrus wohnte in Capernaum. Auch dessen Bruder Andreas lebte dort. Ursprünglich stammten sie jedoch nicht aus Capernaum, sondern aus Bethsaida.
Bethsaida lag östlich von Capernaum, nahe der Mündung des Jordans in den See Genezareth. Es handelt sich heute um ein Sumpfgebiet. Es gibt eine weitere Ausgrabungsstätte im Norden des Sees, die den Touristen als Bethsaida präsentiert wird. Diese liegt jedoch etwas entfernt vom See. Der Name Bethsaida bedeutet auf Deutsch „Haus des Fischens“ oder „Fischerhausen“. Die Ortschaft, aus der Petrus und Andreas stammten, drückt somit den Dienst des Messias aus: Menschen aus der Welt zu „fischen“ und für Gott zu gewinnen.
Nordnordwestlich von Capernaum liegt Chorazin. Man gelangt dorthin, wenn man von Capernaum die Anhöhe hinaufgeht, aber nicht allzu weit. Diese drei Ortschaften – Capernaum, Bethsaida und Chorazin – liegen nicht weit voneinander entfernt und werden oft als das „Evangeliendreieck“ bezeichnet. Dort wirkte der Herr Jesus in den etwa drei Jahren seines öffentlichen Dienstes am intensivsten.
Bethsaida wird in den Evangelien insgesamt siebenmal erwähnt, Chorazin zweimal (Matthäus 11,21 und Lukas 10,13). Obwohl Chorazin nur zweimal genannt wird, macht Jesus deutlich, dass dort viel gewirkt wurde. Die Evangelien geben nur eine Zusammenfassung dieser drei Jahre, in denen Jesus wirkte. Würde man sie nur oberflächlich lesen, käme man nicht auf die Idee, dass gerade diese Ortschaften von besonderer Bedeutung waren.
Capernaum wird sechzehnmal in allen vier Evangelien erwähnt. Neben dem Haus von Petrus wird dort auch die Synagoge erwähnt, die ein römischer Hauptmann, der das Volk Israel leitete, gespendet hatte (Lukas 7). Im 20. Jahrhundert wurden bei Ausgrabungen die Basaltfundamente dieser Synagoge aus dem ersten Jahrhundert entdeckt. Ganz in der Nähe fand man die Überreste eines Hauses mit Inschriften, die darauf hindeuteten, dass es das Haus von Petrus war. So stimmen die biblischen Berichte sehr gut mit den archäologischen Funden überein.
Der Name Capernaum bedeutet „Dorf des Trostes“. Jesus verkündigte eine Botschaft des Trostes, ein Evangelium, das Menschen, die Buße tun, umkehren und mit ihrer Sünde brechen, Trost und Ruhe bringt. Darauf wird in Matthäus 11 näher eingegangen.
Bethsaida heißt, wie erwähnt, „Fischerhausen“. Jesus berief dort die ersten Jünger und sagte zu ihnen: „Folgt mir nach, ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Diese Ortschaft steht also symbolisch für den Dienst des Messias, Menschen für Gott zu gewinnen.
Chorazin bedeutet im Aramäischen „Prediger“ (Plural). Dort wirkte der größte Prediger aller Zeiten, der Sohn Gottes selbst. Jesus spricht ausdrücklich „Wehe dir, Chorazin, wehe dir, Bethsaida“ und erklärt, dass, wenn die heidnischen Städte Tyrus und Sidon das erlebt hätten, was Chorazin und Bethsaida erfahren hatten, sie Buße getan hätten.
Tyrus und Sidon sind im Alten Testament, besonders im Buch Hesekiel, Ziel der Prophetie und des göttlichen Gerichts. Jesus sagt, wenn diese Städte das erlebt hätten, was Chorazin und Bethsaida erfuhren, hätten sie eine nationale Buße einberufen. Das erinnert an den Wunsch mancher Menschen, in der Corona-Krise offiziell einen Bußtag auszurufen, um die Gottlosigkeit zu erkennen und umzukehren. Ein solcher Tag wurde in der Schweiz im 19. Jahrhundert tatsächlich eingeführt und war ein besonderer schweizerischer Feiertag, kein katholischer oder evangelischer.
Doch eine offizielle Umkehr ist etwas anderes als eine individuelle Bekehrung. Das zeigt auch die Geschichte von Jona. Jona predigte in Ninive, dass die Stadt in vierzig Tagen zerstört würde (Buch Jona). Die Botschaft war kurz, da Jona auf Assyrisch predigte, eine Sprache, die mit Hebräisch verwandt, aber sehr kompliziert ist. Die Reaktion war erstaunlich: Die ganze Stadt kehrte um, sogar der König ordnete eine offizielle Buße an, und die Tiere wurden in das Ritual einbezogen.
Dennoch kündigte der Prophet Nahum etwa 150 Jahre später den endgültigen Untergang von Ninive an (Buch Nahum). 612 v. Chr. wurde die Stadt nach etwa zweijähriger Belagerung zerstört. Die Mauern wurden beschädigt, der Fluss Tigris überschwemmte die Stadt, und die Feinde konnten eindringen. Obwohl es eine nationale Umkehr gab, war nicht allen eine echte individuelle Rettung zuteil.
Jesus vergleicht dies mit Chorazin, Bethsaida, Tyrus, Sidon und Sodom. Er sagt, wenn das, was in Capernaum geschah, in Sodom geschehen wäre, hätten die Sodomiter Buße getan. Damit macht Jesus deutlich, dass die Herzenshärte der Generation in Capernaum größer war als die der perversen Sodomiter. Deshalb wird ihnen am Tag des Gerichts ein schwereres Urteil zuteil sein.
In Offenbarung 20,11 wird beschrieben, wie vor dem großen weißen Thron alle Ungläubigen gerichtet und in den Feuersee geworfen werden. Jesus sagt, dieser Generation wird es erträglicher ergehen als denen, die sein klares Zeugnis hatten und es ablehnten.
Tyrus und Sidon werden besser behandelt als Chorazin und Bethsaida, weil sie bereit gewesen wären, Buße zu tun. Diese Aussagen zeigen Gottes Allwissenheit und Weisheit. Er kennt von Ewigkeit her alles, was geschehen wird, aber auch alle Möglichkeiten, wie die Weltgeschichte anders hätte verlaufen können.
Man kann sich vorstellen, wie unser Leben verlaufen wäre, wenn wir an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit geboren worden wären. Gott weiß genau, wie die Weltgeschichte in allen Varianten verlaufen wäre, etwa wenn Alexander der Große oder Hitler nie gelebt hätten oder zu anderen Zeiten gelebt hätten.
Gott hat alles in seiner Hand und bestimmt die Grenzen des Geschehens. Im Buch Hiob (Kapitel 1 und 2) sehen wir, dass Gott dem Satan Grenzen setzt. Gott hat alles zugelassen, aber aus einem bestimmten Grund. So kam Jesus genau in der Zeit der Evangelien, unter der römischen Herrschaft, mit Pilatus, dem Sanhedrin und Kaiser Tiberius.
Böse Menschen brachten Jesus durch ihren Willen ans Kreuz. Gott nutzte dies, um Jesus in den Stunden der Finsternis mit unserer Schuld zu beladen und die Erlösung für alle Ewigkeit zu bewirken. Jesus konnte schließlich sagen: „Es ist vollbracht.“
Wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, hätte Gott sich nicht auf diese Weise offenbart: als ein Gott, der bereit ist, seinen Sohn zu geben und ihn in die Hände sündiger Menschen zu übergeben. Das ist Grund zur Anbetung.
Dabei hilft uns Jesaja 55,8: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. Denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“
Die entferntesten Galaxien sind etwa 13 Milliarden Lichtjahre entfernt. Wenn das Licht diese Strecke mit 300.000 Kilometern pro Sekunde zurücklegt, dauert das 13 Milliarden Jahre. Das Weltall hat kein Ende. Wenn Gott sagt, seine Gedanken seien höher als unsere, dann können wir ruhig werden. Wir müssen aufhören, Gott zu beschuldigen.
Es gibt einen weisen Grund, warum alles so gekommen ist und nicht anders. Das Böse wird dadurch nicht gerechtfertigt. Gott hat mit dem Bösen nichts zu tun; er ist Licht und in ihm keine Finsternis. Er hat das Böse zugelassen und gebremst, sodass sichtbar wurde, wer Gott wirklich ist – ein Gott, der sich selbst offenbart durch die Hingabe seines Sohnes.
Ja, und wenn wir jetzt zurückgehen zu unserem Evangeliendreieck Capernaum: Auf welcher Höhe über dem Meeresspiegel liegt Capernaum? Die Frage war schon mal falsch gestellt. Es sind etwa minus 212 Meter, also unter dem Meeresspiegel. Es ist eine der tiefstgelegenen Ortschaften der Welt. Und ausgerechnet dorthin kam der Herr Jesus.
Er kam also aus der himmlischen Herrlichkeit in dieses Universum, in den Kosmos. Er kam auf diesen kleinen blauen Planeten und dort ausgerechnet an den Knotenpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika. Und er ging und nahm Wohnsitz in Capernaum, das noch tiefer liegt als der Meeresspiegel.
400 Meter über dem Meeresspiegel gilt als völlig durchschnittlich für eine Wohnsiedlung. Auf 8.800 Metern Höhe wohnt niemand dauerhaft, da kommen nur ab und zu Extrembergsteiger auf den Mount Everest. Aber Jesus ging nach Capernaum, das liegt bei minus 212 Metern.
Darum wird gesagt: „Du, Capernaum, die du bis zum Himmel erhöht worden bist.“ Diese Stadt, die so tief unten liegt, erhielt eine himmelhohe Stellung, weil der Sohn Gottes dorthin kam, um den Dienst des Trostes zu beginnen – von diesem Dorf des Trostes aus. Trotzdem lehnten die meisten Menschen in Capernaum den Herrn ab.
Nicht so dieser römische Hauptmann, der Israel liebte und die Synagoge stiftete. Er kam zu dem Herrn Jesus und verstand wirklich, wer dieser Mann ist. Oder denken wir an Petrus, Andreas, die Schwiegermutter von Petrus – sie alle stammen aus Capernaum. Ja, wir haben heute darüber gesprochen. Auch Matthäus, der Zöllner, stammt von dort. Das sind Ausnahmen, aber die meisten Menschen lehnten den Sohn Gottes in ihrer Mitte ab.
So wurde ausgerechnet dieser Ort, der nicht irgendeine Ortschaft in der Schweiz oder im Fernen Osten war, sondern Capernaum, das bei minus 212 Metern liegt, zu einem besonderen Ort. Der Herr sagt: „Du wirst bis zum Hades hinabgestoßen werden.“
Das Erstaunliche ist: Chorasin heute ist ein Steinhaufen, Bezaida ein Sumpf, und Capernaum ein archäologischer Schutthaufen mit ein paar Mönchen, die dort wohnen – aber auch erst seit dem zwanzigsten Jahrhundert.
Interessant ist, dass Gott im Alten Testament vorausgesagt hat, dass in der Endzeit er sein Volk, das unter allen Völkern verstreut ist, wieder heimführen wird in ihr Land. Dort werden die alten Städte der Bibel wieder aufgebaut und bewohnt. Wo steht das? Man muss sich Amos merken, die letzten zwei Verse. Wenn man die Kapitelzahl neun vergessen hat, einfach die letzten zwei Verse.
In Amos 9,14-15 verheißt Gott im achten Jahrhundert vor Christus – also lange bevor das jüdische Volk überhaupt weltweit zerstreut wurde, was erst nach 70 nach Christus geschah – folgendes: „Und ich werde das Schicksal meines Volkes Israel wenden.“ Das ist die beste Übersetzung, nicht „Gefangenschaft“, sondern „das Schicksal meines Volkes Israel wenden“.
Sie werden die verwüsteten Städte aufbauen und bewohnen, Weinberge pflanzen und deren Wein trinken, Fruchtgärten anlegen und deren Frucht essen. Ich werde sie in ihrem Land pflanzen, und sie sollen nicht mehr herausgerissen werden aus ihrem Land, das ich ihnen gegeben habe, spricht der Herr, dein Gott.
Ab 1882 kam die erste große Einwanderungswelle, das ist ja bekannt. Ich sage das immer wieder, damit man es sich merkt: Die erste Einwanderungswelle – Tausende von russischen Juden kamen – begann damit, verschiedene Ortschaften im Land wieder aufzubauen. Dann folgten die zweite Aliyah, die dritte, und immer mehr Ortschaften wurden wieder aufgebaut.
Es hätte ja sein können, dass man eine Siedlung in Chorazin baut, den Sumpf trocklegt und Bezaida wieder aufbaut. Aber nichts davon geschah. Es ist eben noch ein Sumpf und nicht einmal archäologisch gründlich ausgegraben worden. Es war also noch Arbeit fällig. Capernaum wurde ebenfalls nicht wieder neu besiedelt.
Ausgerechnet zu diesen drei Städten hat der Herr gesagt: „Wehe dir, wehe dir!“ Und zu Capernaum: „Du wirst in den Hades, also ins Totenreich, hinabgestoßen.“ Im Alten Testament kommen keine dieser Stätten vor. Nein, Chorasin geht zurück auf etwa das erste Jahrhundert. Das, was heute ausgegraben ist – inklusive der Synagoge und verschiedener Wohnhäuser aus schwarzem Basalt – stammt aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus.
Man muss jedoch auf der anderen Seite der Straße, die dort verläuft, das Ruinfeld anschauen. Dort ist das Ältere, also bis ins erste Jahrhundert. Es war jüdisch besiedelt, wurde aber in der modernen Zeit nicht mehr bewohnt.
Ach so, du meinst, Amos meint einfach die Städte, die zur Zeit des Alten Testaments existierten. Aber er sagt, sie werden Weinberge anlegen und Obstplantagen. Das hat sich erfüllt, denn Israel hat im zwanzigsten Jahrhundert eine ganz ausgedehnte Landwirtschaft mit Weinbau aufgebaut.
Sie haben das nicht einfach nur wiederholt, sondern in einem Ausmaß, das ganz neu ist. Das wird dort angekündigt. Oder wenn man an all die Plantagen mit Jaffa-Orangen denkt – das ist die Erfüllung von „Fruchtplantagen anlegen und deren Frucht essen“. Es ist nicht einfach dasselbe wie im Alten Testament, sondern viel umfassender.
So heißt es in Amos, dass die alten Städte Israels, die sie vor ihrem Untergang hatten, wieder aufgebaut werden. Es wird nicht gesagt, alle, aber dass sie wieder aufgebaut werden. Chorasin, Bezaida, Capernaum hätten es sein können, aber Gott hat es nicht so erlaubt.
Darum sprechen diese Ruinenorte eine beredte Sprache – eine Warnung an die Menschen heute.
Sie befinden sich im Gebiet Naftali. Naftali heißt „mein Kampf“. Dort hatte der Herr den größten geistlichen Kampf mit den Leuten. Er hat Seelen gerettet, aber das Angebot war, dass alle errettet werden. Doch so viele lehnten ihn gerade hier ab. Das war eine tiefe Enttäuschung für den Herrn.
Wo im Alten Testament wird diese Enttäuschung des Herrn vorausgesagt?
Ja, wenn ich dann sage, wo, plötzlich denke ich: Ach ja, natürlich hätte ich schon daran denken können. So ist es immer wieder Jesaja – schon mal die gute Spur. Ich glaube, bei dem Kapitel 64 schreiben wir doch ein bisschen früher, man muss nicht so lange mit der Jesajarolle rollen, schon Kapitel 40.
Dort spricht der Messias selbst, Vers 1, und er spricht ganz speziell zu den Heidenvölkern: „Hört auf mich, ihr Inseln, und hört zu, ihr Völkerschaften in der Ferne!“
Warum spricht er da die Heiden an und nicht Israel? Das wird klar in Vers 3: Gott, der Vater, sprach zu mir: „Du bist mein Knecht, Israel, der Gotteskämpfer, der eben in Naftali so viel gekämpft hat.“ Hier wird der Messias Israel genannt, an dem sich Gott verherrlichen wird.
Ich aber sprach: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt.“ Merkt man diese Enttäuschung des Herrn Jesus? Er hat sich so eingesetzt, und dann haben so viele nicht gehört. Wären es Sodomiter gewesen, die hätten reagiert, die von Tyrus und Sidon damals hätten reagiert, aber sie taten es nicht.
Und dann sagt er: „Doch, mein Recht ist bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott.“ Also er weiß, dass der Vater für sein Recht sorgen wird. Und es wird auch Lohn geben. Er hat alles getan im Blick auf die vor ihm liegende Freude, die das Kreuz erduldet, wie es im Hebräerbrief 12, Vers 2 heißt.
Dann heißt es weiter: „Und nun spricht der Herr, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht gebildet hat.“ Es ist also der Herr Jesus, der im Mutterleib von Maria als Mensch gebildet wurde.
Was ist das Ziel? „Um Jakob zu ihm zurückzubringen“ – ein anderer Name für Israel – um Jakob zu ihm zurückzubringen. Das war der Auftrag: ganz Israel zur Rettung zu führen, zu Gott zurückzubringen.
Dann sagt er nach einem Gedankenstrich in der deutschen Bibel: „Und Israel ist nicht gesammelt worden.“ Es gab viele Juden, die in Ägypten lebten. Wir wissen, in allen möglichen Städten rund um das Mittelmeer – da sind wir in der Apostelgeschichte, wo Paulus von einem Ort zum anderen geht. Überall findet er jüdische Synagogen. Die hätte er alle aus der Diaspora zurückbringen sollen.
Aber Israel ist nicht gesammelt worden. Wenn sie alle realisiert hätten, „Jetzt ist der Messias da, jetzt müssen wir alle nach Israel gehen“, dann wären sie gegangen. Aber sie sind geblieben. Sie sind daran vorbeigegangen. Man hat vielleicht schon von einem Jesus von Nazareth gehört, aber das wurde nicht als „Der Messias ist da“ wahrgenommen.
Darum sagt der Herr: „Und Israel ist nicht gesammelt worden, aber ich bin geehrt in den Augen des Herrn, und mein Gott ist meine Stärke geworden.“
Ja, er spricht: „Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nation gesetzt, um meine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde.“
Also hier sagt Gott, der Vater: Das ist nicht alles. Es geht nicht nur um Israel. Der Messias sollte kommen, um ein Licht zu sein für die Menschen bis an die weitest entfernten Teile der Erde, vom Festland Israel aus gesehen. Also bis nach Thailand, Kambodscha, China, Japan, Neuseeland, Australien und so weiter, überall bis nach Kolumbien und Argentinien – überall, um eine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde.
Jetzt sehen wir hier, der Herr ist so enttäuscht über diesen Kampf in Naftali.
Matthäus schreibt unter Inspiration des Heiligen Geistes in Vers 25: „Zu jener Zeit“, also in dieser Zeit der Enttäuschung, wo der Herr Jesus gesagt hat nach Jesaja: „Umsonst habe ich mich abgewüht“, „Zu jener Zeit hob Jesus an und sprach: ‚Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast.‘“
Ist das nicht wunderbar? Jesus erlebt in einem Moment der Enttäuschung in seinem Leben eine enge Verbindung zum Vater. Wir erhalten hier einen Einblick in das persönliche Gebetsleben des Herrn Jesus. Er sagt: „Vor Weisen und Verständigen hast du das zugedeckt.“ All jene, die sich zu gescheit vorkamen – in Chorazin, Bethsaida, Kapernaum und natürlich auch die Elite in Jerusalem – Gott hat es vor ihnen verborgen, sodass sie die Wahrheit nicht erkennen konnten.
Solche Menschen sehen sich als mündig, im Gegensatz zu Immanuel Kant, der ein Büchlein mit dem Titel „Was ist Aufklärung?“ geschrieben hat. Kurz beschreibt er darin Aufklärung als den Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Der Mensch solle den Mut haben, selbst zu denken. Er sagt: „Sapere aude“ – wage es, zu wissen. Das bedeutet, man solle selbstständig denken, unabhängig von der Autorität der Bibel.
Die Aufklärung wird also als eine Bewegung in der europäischen Denkgeschichte beschrieben, die sich von allen von Gott gegebenen Autoritäten entfernt, besonders von der Autorität des Wortes Gottes. Der Mensch denkt selbst, und alles Vorherige war selbstverschuldete Unmündigkeit. Wir wissen, in welche Irre diese Bewegung geführt hat. Die Aufklärungsphilosophen entfernten sich weit von Gott als Schöpfer. Im neunzehnten Jahrhundert kam dann der Atheismus, der den Glauben an den Schöpfer ganz über Bord warf.
Darauf folgte die Moderne, eine Zeit völliger Verunsicherung, in der alle Werte aufgelöst wurden. Es gab nichts mehr Sicheres, auch nicht im zwanzigsten Jahrhundert. Heute befinden wir uns in einer Situation, die dem Gleichnis vom verlorenen Sohn ähnelt. Dieser sagte: „Ich gehe aus, weg von der Unmündigkeit, weg vom Vater, ich gehe meinen eigenen Weg.“ Doch er landete bei den Schweinetrögen. So sind wir heute auch in unserer Gesellschaft.
Alles ist aufgelöst: Die Familie wird angegriffen und aufgelöst, die Ehe wird attackiert und als Modell von gestern bezeichnet. Alles wird zerstört und aufgelöst – das sind die Schweinetröge. Wenn wir an das Problem mit den Drogen in unserer Gesellschaft denken, sehen wir Menschen, die keine Orientierung mehr haben.
Doch der Herr Jesus sagt: Die Menschen, die nicht stolz sind und denken, sie könnten sich selbst orientieren, sondern die sich unter das Wort Gottes stellen – die Kinder der Weisheit – die sagen: „Ich bin unmündig, ich brauche die Weisung des Vaters.“ Oder die, die an den Schweinetrögen sagen: „Ich will zu meinem Vater zurückkehren.“ Sie nehmen freiwillig die Unmündigkeit wieder an. Und da sagt der Herr Jesus: „Und du, Vater, hast du das den Unmündigen offenbart.“
Ist es nicht erstaunlich, dass Jesaja in Jesaja 6 schon gesagt hat, dass er die Verständigen und Weisen verblendet, damit sie nicht sehen und erkennen können? In Jesaja 6 wird diese Verblendung Israels als Gericht angekündigt. Das betrifft diejenigen, die nicht wollten. Aber die, die wollten und sich unter das Wort stellten – die Unmündigen – denen macht Gott Dinge klar.
Ich habe das über Jahrzehnte immer wieder erlebt: Menschen, die gebildet waren und vielleicht Theologie studiert hatten, verstanden das Wort nicht. Dagegen haben solche, die keine solchen Studien gemacht hatten, aber das Wort mit Ehrfurcht und Liebe zum Herrn studierten, die Zusammenhänge verstanden. Unglaublich! Aber genau das sagt der Herr: „Vor Weisen und Verständigen verborgen, den Unmündigen offenbart.“
Dann dieses Wort: „Ja, Vater.“ Ich war in der Enttäuschung. Wir sind in der Gefahr zu sagen: „Nein, Vater.“ Doch der Herr Jesus sagt: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“ Der Herr akzeptiert, dass es so geschehen ist.
Was fällt noch auf? Die meisten Jünger waren keine Gelehrten. Es waren, wie Petrus und Andreas, gewöhnliche Fischer, nichts Besonderes in der Gesellschaft. Wir sprechen von einem der niedrigsten Berufe damals. Aber gerade solche Menschen können verstehen und gründen. Genau wie du sagst, die Jünger des Herrn waren Leute ohne Formalstudium. Sie hatten Berufe wie Fischer, die damals als niedrig galten.
Ich würde das allerdings nicht so sagen. Petrus hatte offensichtlich ein Fischereiunternehmen erster Klasse in Kapernaum. Von der oberen Schicht, also von Rabbinern und Gelehrten, wurde er nicht anerkannt, weil er kein Formalstudium hatte. Aber ich würde nicht sagen, er war nur ein Fischer.
Du meinst das relativ, und da stimme ich zu. Im Mittelalter zum Beispiel gab es klare soziale Schichten: Kirche, Ritter, dann der Rest, darunter die Fischer. Das war eine einfache Gesellschaft. Aber die Berufe waren vollwertig.
Durch Ausgrabungen in Kapernaum wissen wir, dass das Haus von Petrus nicht das eines Armen war. Er war ein erfolgreicher Fischer und hatte ein Unternehmen. Doch er stieg aus, um dem Herrn nachzufolgen. Sie hatten kein Formalstudium, aber der Herr hat sie drei Jahre lang unterwiesen.
Das ist ein wichtiger Punkt: Der Herr hat sie selbst ausgebildet. Sie waren in der Schule bei einem Rabbiner, der jedoch nicht ordiniert war. In Israel muss ein Rabbiner ordiniert sein, aber Jesus ließ sich nicht ordinieren. Er hatte kein Formalstudium, und trotzdem fragten die Leute: „Woher hat dieser Mensch diese Weisheit?“ Diese Weisheit gab er an seine Jünger weiter.
Jetzt sagt er: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“ Später kam Nikodemus zum Glauben. Er hatte ein Formalstudium und erreichte die höchste Stufe für einen Juden: Mitglied des Sanhedrins. Joseph von Arimathäa war einer der führenden Priester, zusammen mit dem Hohenpriester. Paulus hatte ebenfalls eine umfangreiche menschliche Ausbildung, wurde aber vom Hohen Ross erniedrigt und erst dann brauchbar.
Der Herr kann sowohl solche mit Formalstudium als auch ohne gebrauchen. Wichtig ist, dass man demütig unter das Wort tritt. Als Unmündiger gehört man zu denen, für die der Herr sagt: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“
Dann sagt er: „Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater.“ Hier macht der Herr klar, dass in seiner Person ein Geheimnis liegt. Wer kann wirklich wissen, wer der Sohn Gottes ist? Nur der Vater kennt ihn.
Und weiter: „Noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem der Sohn ihn offenbaren will.“ Es gibt also die Möglichkeit, dass der Sohn es den Unmündigen offenbart, sodass wir Gott wirklich erkennen können.
Dann ruft der Herr Jesus: „Kommt her zu mir alle.“ Der Ruf zur Errettung gilt allen Menschen. In Johannes 12,32 sagt er: „Und wenn ich erhöht sein werde, werde ich alle zu mir ziehen.“ Gott zieht alle zu sich.
Darum ruft der Herr alle: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch Ruhe geben.“ Er kann uns von den Lasten des Lebens und der Sünde befreien, sodass wir innerlich zur Ruhe kommen.
Dann sagt er: „Nehmt auf euch mein Joch.“ Vielleicht ist es aufgefallen, als ich das vorgelesen habe: Ich habe betont „Nehmt auf euch mein Joch.“ Es ist wichtig, beim Vorlesen der Bibel bewusst zu überlegen, welche Wörter betont werden sollen. Falsche Betonung kann den Sinn verändern.
Jesus sagt: „Nehmt auf euch mein Joch.“ Viele Menschen drücken anderen ihr Joch auf – mit ihren Ideen, Ansichten, Meinungen, Philosophien und Ideologien. Jesus aber sagt: „Nehmt auf euch mein Joch.“ Sein Joch ist ganz anders.
Er sagt: „Lernt von mir.“ Seine Person ist ein Geheimnis, aber die Unmündigen, die ihn kennen, dürfen von ihm lernen. Sie sehen, wie er als Mensch hier auf der Erde sanftmütig und von Herzen demütig war. Er ging bis zur untersten Stufe – bis zum Tod am Kreuz.
In Philipper 2,5 wird beschrieben, wie der Herr Jesus, gottgleich, sich selbst erniedrigt hat. Dort werden sieben Stufen aufgeführt. Die sechste Stufe ist: Er war gehorsam bis zum Tod, und zwar bis zum Tod am Kreuz. Nicht irgendein Tod, sondern der schändlichste und schmerzhafteste Tod.
Er war von Herzen demütig. Wenn wir von ihm lernen, wie es in den Evangelien beschrieben wird, können wir innerlich zur Ruhe kommen. Die Evangelien können wir bewusst lesen, um von ihm zu lernen. Dann bekommen wir innere Ruhe.
All die Unruhe, die so leicht in unseren Herzen entsteht, können wir dort ablegen. Dann erklärt Jesus, warum wir sein Joch auf uns nehmen sollen: „Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Wir merken, dass gläubige Menschen manchmal krank werden. Ich habe das in der Seelsorge oft erlebt. Dann muss man schauen, woran das liegt. Oft glauben sie Dinge, die die Bibel nicht so sagt.
Apostel Paulus spricht in seinen Briefen immer wieder von der gesunden Lehre. Das ist die Lehre, die wirklich dem Wort Gottes entspricht und dazu führt, dass man im Glauben gesund bleibt. Im Titusbrief spricht er auch über gesunden Glauben, gesunde Liebe und gesundes Ausharren.
Es gibt auch krankhafte Liebe und krankhaftes Ausharren. Das ist, wenn man von Gott Dinge erwartet, die er nicht versprochen hat, und deshalb enttäuscht wird. Das ist krankes Ausharren.
Gesunde Lehre führt zu einem gesunden Glaubensleben. Kranke Belehrungen machen Menschen krank und führen zu einem Joch, an dem Menschen zerbrechen.
Jesus sagt: „Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ Wir müssen unterscheiden zwischen der Stimme des guten Hirten und anderen Stimmen, die nicht seine sind.
In Johannes 10 sagt der Herr: „Meine Schafe hören meine Stimme, und sie folgen mir.“ Sie folgen keinem anderen. Die Schafe können nicht erklären, warum sie einer Stimme nicht folgen, aber sie wissen einfach, dass es nicht die Stimme des guten Hirten ist.
Sie erkennen die richtige Stimme. Das ist die Stimme des Herrn: „Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ Das ist eine wunderbare Botschaft für diejenigen, die bereit sind, unmündig zu werden und sich unter das Wort zu stellen.
Diese Menschen sind für den Herrn eine Ermutigung, im Gegensatz zu der Enttäuschung über jene, die nicht wollten. Er will uns zur inneren Ruhe führen.
Nächstes Mal werden wir mit Kapitel zwölf weitermachen. Interessant ist, dass Matthäus, inspiriert durch den Heiligen Geist, schreibt: „Zu jener Zeit.“ So hängt alles zusammen – das mit Chorazin, Bethsaida und dann Vers 25: „Zu jener Zeit.“
12,1 Zu jener Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Kornfelder. Es entbrannte eine heftige Auseinandersetzung über den Sabbat. Die Pharisäer warfen Jesus von Nazareth vor, dass er mit seinen Jüngern die Sabbatgebote breche.
Denn seine Jünger hatten am Sabbat Korn von den Feldern abgerissen, es zerrieben und die Körner gegessen. Im Text steht in Vers 1 „abpflücken“ und „essen“. In Lukas 6,1 wird noch ein weiteres Verb genannt: „Wobei sie sie mit den Händen zerrieben.“
Im Judentum hatte man ein umfassendes System von menschlichen Gesetzesregelungen aufgebaut – etwa 1.500 Vorschriften für den Sabbat. Darin wurde festgelegt, dass das Abbrechen eines Korns am Sabbat als Ernte gilt. Das Zerreiben der Körner wurde als Dreschen angesehen. Die Jünger nahmen die Körner und warfen den Rest weg oder sammelten ihn. All dies waren Handlungen, die am Sabbat verboten waren.
Jesus erklärt daraufhin, anhand des Alten Testaments, wie falsch diese strengen Regelungen sind und was der Sabbat wirklich bedeutet.
In Vers 9 geht die Erzählung weiter: Jesus kommt in ihre Synagoge. Dort stellt sich die Frage, ob man am Sabbat jemanden heilen darf. Wieder geht es um den Sabbat. Warum ist der Sabbat so wichtig?
Der Sabbat steht symbolisch für die Ruhe, die Gott den Menschen schenken will. In Matthäus 11,28-29 sagt Jesus: „Kommt zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch Ruhe geben.“ Der Messias ist gekommen, um den Menschen diese wahre Ruhe für ihre Seelen zu bringen.
Der Sabbat sollte dem jüdischen Volk im Alten Testament zeigen, dass eines Tages der Messias kommen wird, der unsere Seelen wirklich zur Ruhe bringt. Jesus lädt ein, von ihm zu lernen und sein Joch anzunehmen – nicht das Joch der Menschen, die mehr auferlegen, als Gottes Wort fordert. So wird man wahre Ruhe finden.
Das Thema Sabbat zieht sich weiter durch die Erzählung. Jesus erklärt, wie die Bibel richtig ausgelegt werden muss, damit eine gesunde Lehre entsteht und die Menschen nicht unter unnötigen Lasten zerbrechen.
Wenn man bedenkt, was all diese 1.500 Vorschriften im rabbinischen Judentum bedeuten – und dass immer mehr dazugekommen sind –, wird klar, wie schwer diese Last für die Menschen war. Wer mit Ultraorthodoxen spricht, merkt oft, wie viele von ihnen enttäuscht sind. Sie haben keine Antwort auf ihre Fragen gefunden.
Diese Menschen brauchen die Botschaft, dass sie erkennen, wie der Sabbat wirklich gemeint ist. Und wie der Herr Jesus, der wahre Messias, uns zu echter innerer Ruhe führen kann. So können wir, wie im bekannten Lied, singen: „Da, wo Gott mit Wonne ruht, bin auch ich zur Ruhe gebracht in dem Werk des Herrn Jesus.“
Damit wollen wir für heute schließen.
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