Kunst.
1) Wo Luther in der Bibel „Kunst“ übersetzt, da bedeuten die Worte des hebräischen und griechischen Grundtextes im Alten wie im Neuen Testament
a. in den allermeisten Fällen so viel als Weisheit, Einsicht, Wissenschaft, Verstandesgewandtheit, Gelehrsamkeit — aber auch Afterweisheit, falsche Weisheit, Wahrsagerei und Zauberkunst. So zum Beispiel Dan. 1,17; Apg. 26,24: „die große Kunst (= Gelehrsamkeit) macht dich rasend“ — Jes. 44,25: „der Herr macht die Wahrsager toll … und ihre (Beschwörungs-) Kunst zu nichte“, ebenso 47,10; Apg. 19,19; 1 Tim. 6,20: „die falsch berühmte Kunst“ = falsche Wissenschaft oder Gnosis. Der Prediger (7,25) sucht „Weisheit und Kunst“ = Weisheit und Verstand unter den Menschen, und auch in den (apokryphischen) Büchern der Weisheit (7,21; 17,7) und des Jesus Sirach (38,3. 6) herrscht diese Bedeutung des Worts.
b. Einzig Jer. 10,14 ist von der Götzenbildnerei als von einer Kunstfertigkeit in unserem Sinn die Rede („die Goldschmiede und Götzenbildner sind Narren mit ihrer Kunst“); dem Meister Hiram von Thrus wird solche Kunstfertigkeit, „zu arbeiten allerlei Werk in Erz“ 1 Kö. 7,14 zugeschrieben, und die Vorschristen für die Errichtung der Stiftshütte sprechen 2 Mo. 28,8. 15; 35,32. 35 von künstlicher und kunstreicher Arbeit in getriebenem Metall und Zeugweberei. Von der „Kunst“ überhaupt als der Darstellung des Geistigen in der schönen Form, wie wir das Wort heute verstehen, hat die heilige Schrift keinen Anlaß zu reden. Aber doch haben wir unter b. Anklänge an das, was wir heute Kunst nennen. Wir haben in den genannten alttestamentlichen Vorsehriften eine Anerkennung für die kunstreiche, formschöne Darstellung der sinnenfälligen Elemente des Kultus, das heißt der heiligen Gebäude u. Geräte; wir haben aber auch in jenen Vorschriften eine strenge Begrenzung der künstlerischen Tätigkeit aus das, was nach göttl. Erziehungsweisheit für das Volk gut und erlaubt war. Dieser göttlichen Pädagogik aber kam es vor allem auf möglichste Absonderung des Volks vom heidnisch. Treiben, also auch von weltlicher Kunsttrunkenheit, an; sie wollte nicht, daß dasselbe wieder in Versinnlichung des Gottesbegriffs und der Gottesverehrung hineingerate. So geschah es, daß die Übung der bildenden Künste (von denen unser Artikel einzig zu handeln hat; Dichtkunst und Musik s. in bes. Artt.) sich in Israel auf die Baukunst beschränkte, daß Bildnerei (Blastik) nur in untergeordneter Verbindung mit der Baukunst vorkam, das heißt als ornamentale (verzierende), nicht als selbständige Kunst (Statuen usw.), und daß von Malerei keine Spur beim Volke Gottes sich findet. Und auch die Übung der beiden genannten Künsie war vornehmlich aufs religiöse Gebiet beschränkt, und in den Propheten wurde vor ihrem weiteren Umsichgreifen als vor etwas Heidnischem gewarnt. Man darf nicht meinen, diese Beschränkung sei in der Eigenart des Volkes begründet; nein, die Orientalen, und so auch die semitischen Stämme, zu denen Israel gehört, sind äußerst phantasievolle und phantastische, bildfreundliche Leute; bei Israel war es einzig die Zucht des religiösen Gedankens, was die Naturart im Zaum hielt.
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2) Was haben nun die Israeliten auf diesem Gebiet, also in der Baukunst und Plastik, tatsächlich geleistet? Die Antwort lautet kurz: nichts Selbständiges; der Tempel Salomos, das einzige Hauptbauwerk und Kunst produkt, von dem wir wissen, schloß sich in seinem Stil außen wie innen an die Kunst weise der andern tonangebenden Völker des Orients, an die ägyptische, assyrischbabylonische und auch altpersische Kunst an. Die Kenntnis derselben wurde ihnen durch die benachbarten Phönikier vermittelt. Dieses rege Handelsvölklein stand in lebhaftem Verkehr mit allen Kulturstaaten des Morgenlands; und ein kunstverständiger Meister desselben, Hiram von Tyrus, wird ja als Salomos Werkmeister genannt.
Aber warum hat Gott seinem Volke nicht auch einen eigenen und eigentümlichen Kunst stil geoffenbart, um es des Gastierens bei den Fremden, den Heiden, zu entheben? Hierauf ist zu sagen: die göttliche Offenbarung bezieht sich auf den Glauben, nicht auf die Kunst; sie ist schöpferisch nur in religiösen Dingen und schließt sich hinsichtlich der äußeren Lebensordnung dem geschichtlich Gegebenen an. Und da ist nun auch die unleugbare Tatsache, daß die Semiten (Babylonier, Assyrer, Phönikier, Ebräer) ihrer natürlichen Anlage nach in der Kunst hinter den Indo-germanen von Haus aus zurückstehen, insbesondere das Volk Israel. Es gebrach ihm bei überwallender Phantasie an der ruhigen Gestaltungsgabe (vgl. die prophetischen Visionen); es versenkte sich nicht tiefer in die Natur, weil es vorwiegend den Schöpfer, nicht das Geschöpf im Auge hatte. Es gehört diese Eigentümlichkeit mit zu den Gründen der göttlichen Erwählung Israels. Zu der ungünstigen künstlerischen Anlage kam bei Israel noch eine der Entwicklung derselben ungünstige Geschich te des Volkes. Unter fortwährenden inneren Kämpfen u. Zusammenstößen mit den großen Weltmächten der Zeit hatte Israel nicht die nötige Ruhe, um die bildenden Künste zu pflegen. So war es die einzige längere Epoche ruhiger Entwicklung unter Salomo, welche der Kunst einigermaßen Raum u. Auffschwung gewähren konnte. Und in dieser eutstand auch das Hauptwerk und fast das einzige Werk altebräischer Kunst, der salomonische Tempel. —
3) Betreffend die Tempelbauten verweisen wir auf Art. Tempel. Hier haben wir nur zur Begründung des Obigen anzuführen: die Terrassenanlage, das heißt daß das Tempelgebäude auf erhöhter Terrasse lag, ist assyrisch-babylonischen Ursprungs. In der ganzen Gestalt des Äußeren des Tempels, auch in der Bescheidenheit seiner Dimensionen ist wohl ägyptisches Vorbild zu erkennen. —
4) Wir haben hier ferner noch Berichte von privater und weltlicher (profaner) Kunst, besonders Baukunst, zu erwähnen. Ju erster Linie steht die Beschreibung des Königspalastes Salomos auf Zion, 1 Kö. 7,1 ff., und hier wieder die Wahrnehmung, daß dabei reichlich ein Bauglied zur Verwendung kam, welches beim Tempel nur in einem vereinzelten Beispiel vorkommt), nämlich die Säule, der Säulenbau, aber von Holz-, nicht von Steinsäulen. Wir haben uns eine weitläufige, prunkvolle, mauerumschlossene Anlage von mehreren hintereinander liegenden Höfen mit Gebäuden, Hallen und Durchgängen zu denken. (Situations- und Anlageplan Abb. 1). Ein Portal führte von der Südseite in den vorderen Hof, welcher das sogenannte „Haus vom Walde Libanon“ enthielt, offenbar wegen seines Waldes von Säulen so genannt. Es war nach einigen zu Versammlungen und Staatshandlungen bestimmt, nach andern zum Zeughaus. Die unklare Beschreibung ermöglicht nur ein unsicheres Bild. Der langgestreckte Bau (Abb. 212) hatte, wie es scheint, zum Untergeschoß eine lichte, offene Halle von vier Reihen Zedernsäulen. Auf dieser prachtvollen, luftigen Wandelhalle für festliche Anlässe, wo der Wald von Säulen noch mit goldenen Schilden (1 Kö. 10,16f.) verziert wurde, erhob sich dann kühn und leicht das Obergeschoß in 3 Reihen von je 15 Gemächern der Länge des Baues nach, so daß die erste Reihe auf der ersten und zweiten, die zweite auf der zweiten und dritten, die dritte auf der dritten und vierten Säulenflucht lag. Die mittlere Reihe der Gemächer müßte dann das Licht von oben empfangen haben; die äußeren hatten Fenster an den Langseiten des Hauses; an den Schmalseiten waren die Türen; Fenster und Türen waren viereckig. „Wie in der Hausbedeckung die gerade Linie vorherrschte, so auch bei Türen, Fenstern und Säulengängen, nach allem, was von Spuren alter Bauwerke bekannt ist“ (Dalman).
Vom Libanon-Haus gelangte man in die imposante Gerichtshalle, der eine Vor- oder Durchgangshalle vorgelegt war (Vers 6); und dahinter, im innersten Hof, lag die eigentliche Residenz mit der Frauenwohnung („Haus der Tochter Pharaos“). Alles war Steinbau aus schön behauenen Quadern. Ob das Ganze mehr den ägyptischen oder den chaldäischen Palästen nachgebildet war, muß dahingestellt bleiben. Die Umfassungsmauer war, wie diejenige des Tempels, aus drei Schichten Quadern und einer oberen Lage von Zedernbalken gebildet. In dieser Residenz irgendwo muß auch der hochberühmte Thron Salomos gestanden sein, der 1 Kö. 10,18 ff. beschrieben ist, ein Elfenbeinwerk mit Vergoldung, das mit seinen zwölf Löwen, welche hüben und drüben zu sechsen die sechs Stufen zum Thron bewachten, uns an die Löwen und Ochsen auf den Gestühlen der fahrbaren Waschkessel des Vorhofs gemahnt. Es müssen neuartige und imponierende Figuren gewesen sein, wenn die heilige Schrift ausdrücklich beisetzt: „dergleichen ist nie gemacht worden in allen Königreichen“, das Ganze ein achtungswertes Kunstwerk von schönem Aufbau. Eine ungefähre Analogie mag der „spätägypt. Löwenthron“ (Abb. 213) darstellen. —
5) Während von diesen salomonischen Königsbauten usw. wie vom Tempel einzig noch die alten Beschreibungen melden und jede Spur ihres Daseins vom Erdboden verschwunden ist, besitzen wir noch einige wirkliche Reste aus ältester Zeit. Abgesehen von dem jüngst wieder entdeckten Siloahkanal — von der Gihonquelle bis zum Siloahteich —, der höchst wahrscheinlich von Hiskia durchgeführt ist (2 Kö. 20,20) und auch die älteste, bis jetzt aufgefundene hebräische Inschrist trägt (vgl. Art. Siloah), bestehen diese Reste nicht in Bauten oder Bautrümmern, sondern lediglich in Erabstätten. Es herrscht das Felsgrab — auch eine phönikische Erbschaft speziell das Schiebgrab (s. d. Art. Begräbnis). Daß die Errichtung von Grabmälern sehr beliebt war, erfahren wir aus der heiligen Schrift. Ganz Jerusalem ist auf allen Seiten von solchen unterirdischen Grabanlagen umgeben. Den Königen Israels insbesondere wurden monumentale Grabmäler errichtet, allem Anschein nach auf Zion und in der Nähe des Tempels (2 Kö. 21,18, 26; Hes. 43,7-9); auch der Hohepriester Jojada (2 Kö. 11) wurde nach Josephus bei den Königen bestattet. Allein jede Spurdieser „Gräber der Könige Juda“ ist verschwunden. Nur eine einzige Grabstätte, die der sog. Richtergräber (½ Std. vor dem Damaskustor), geht auf altebräische Zeit zurück, aber nur in der eigentlichen Grabanlage, nicht in der Ausgestaltung der Portale (s. Abb. 214). Die erstere zeigt ganz die altpalästinensische Architektur, „eine ungebrochene Masse mit gewaltigen Quadern u. felsmandähnlichen Mauern“; dagegen die Portale mit ihren rechtwinkligen Giebeln, die Akroterien mit Palmetten, die Ornamente weisen fremdländischen, griechischen Einfluß. All die weiteren vorhandenen „Gräber“, welche mit alten Namen belegt sind, führen direkt in die hellenistische Epoche nach Alexander d. Gr., sogar in die nachchristliche Zeit herunter. Das sog. Absalomsgrab (s. Abb. 2, S. 9), Zachariasgrab (Pyramide), Jakobsgrab („Jakobshöhle“), sämtlich im Kidrontal, zeigen deutlich hellenistische Kunstformen des 3. und 2. Jahrh. vor Ehr. In den prächtigen „Königsgräbern“, welche nördl. von Jerusalem heute gezeigt werden und mit den oben genannten, verschwundenen „Gräbern der Könige Juda“ (auf oder um Zion) nicht zu verwechseln sind, haben wir ohne Zweifel das aus dem ersten christlichen Jahrhundert stammende Grabdenkmal der zum Judentum übergetretenen Königin Helena von Adiabene (Chadiab in Nordassyrien), wovon Josephus antiqu. 20,2-4, bell. jud. 5,4. 2 berichtet. Abb. 216 zeigt die Portalanlage mit Ornamenten. Zu bemerken ist noch, daß sich bis in die späte Zeit althergebrachte Formen, wie das ägyptische Kranzgesims, die Pyramide (Absalomsgrab) erhielten. Sodann aber blieb auch der spätjüdischen Kunst das Eigentümliche, daß aller fremde Einfluß die, hauptsächlich dem Pflanzenreich entlehnte Form der Dekoration nicht zu verdrängen vermochte und eine vegetative Flächendekoration hervorrief, die dem Kunst charakter des übrigen Altertums fremd ist und die dann später die verwandten Araber unter ähnlichen Voraussetzungen weiter bilden sollten. Dies war im Bilderverbot begründet, welches vollends in der späteren Zeit auf alles, lebende Wesen darstellende Bilderwerk ausgedehnt wurde. Was nun aber inzwischen doch an selbständigem Kunstgeist sich im Volk entwickelt hatte, das floß in der Darstellung dieses Laubschmucks zusammen, den man nicht nur sehr reich gestaltete, sondern bei dem man sich auch an die Vorbilder der landeseigenen Gewächse, Weinblatt und Traube, Öl- und Palmzweig, Efeu- und Lorbeerblatt hielt. Dies zeigen eben zum Beispiel die Königsgräber, wo sich innerhalb des griechischen Frieses, mit den Triglyphen abwechselnd, aufgerichtete dreifache Palmzweige und dazwischen Trauben und Kränze finden und wo unterhalb des Frieses der Architrav (Oberschwelle) und die Seitenwandungen ganz mit feinstem Gewinde von Weinund Ölblättern und -Zweigen bedeckt waren. Vgl. die aus diesen Gräbern nach Paris gebrachten Sarkophage (Abb. 215). Merkwürdig und ganz vereinzelt sind die Tierornamente an den nachchristlichen galiläischen Synagogen, den spätesten Denkmälern, die wir hier zu nennen haben. (Vgl. das Hauptwerk über die Gräberstadt Jerusalem, Tit. Tobler, Golgatha, 1851 und Saulcy, Voyage en terre sainte I. Ferner Ebers und Guthe, Palästina I.; Perrot und Chipiez, Histoire de l’art dans l’antiquité IV. S. 121 bis 429). So endet die altebräische Kunst in der spätjüdischen mit derselben Unselbständigkeit u. Abhängigkeit von außen, welche sie von Anfang an gezeigt hat, aber auch mit kleinen (dekorativen) eigentümlichen Zügen, welche sich sogar mit der Zeit immer fester ausprägten.
Über die hebr. Plastik und Malerei im besondern noch ein paar Worte. Wir haben keine Spur von selbständigen Werken, als zum Beispiel Bildsäulen, Reliefs. Köpfen usw., außer von unerlaubten, in der Schrift gerügten, nämlich Götzenbildern. Als solche werden 1 Sa. 19,13. 16, ebenso Ri. 18,14 erwähnt: Teraphim mit menschlichem Angesicht; ferner die Stiere in der Wüste (2 Mo. 32), sowie in Bethel und Dan (1 Kö. 12,28), Tierfiguren, den ägyptischen und assyrischen nachgeahmt, ausdrücklich als goldene und gegossene bezeichnet, klein, daher „Kälber“ genannt. Sie werden aber auch spottweise, Hos. 8,5. 6, so gescholten; vgl. auch Hes. 8,10 und die höhnische Schilderung der heidnischen Götzenbildnerei Wsh. 13,14 f. Die spätere Zeit dehnte die verdammende Anschauung natürlich auch auf jegliche, von Griechenland und Rom aus etwa sich einschleichende mythologische Darstellung aus, und von ihrem Standpunkt aus wiederum mit Recht. Wie sehr selbst das Ornament alles und jedes Figürliche vermied, haben wir schon gehört. Auch auf Gestaltung einer Malerkunst müßten dieselben Verhältnisse hemmend eingewirkt haben, wenn sich eine solche in Israel überhaupt hätte entwickeln können. Es wird aber immer übersehen, daß dies, ganz abgesehen von der Bilderscheu des Mosaismus, aus einem andern Grunde unmöglich war. Dieser lag in der Baukunst, in der beliebten Überkleidung der Wände mit Goldblech usw., welche, wie beim Tempel, so gewiß auch bei Salomos Palastbauten u. a. herrschend war. Ähnlich hat ja auch im Mittelalter die Gotik, welche die großen Wandflächen der romanischen Baukunst auflöste, die Wandmalerei aus den Kirchen verdrängt. Demnach finden wir in Israel nicht die Spur von Malerei. Wo in der Bibel einigemale von Wandmalereien geredet wird, ist Jer. 22,14 Tüncherarbeit, Hes. 23,14 f. chaldäische Arbeit im Ausland gemeint. 2 Chr. 3,14 sind Leistungen der Kunstweberei zu verstehen, die allerdings Zeichnungen als Grundlage für Herstellung ihrer Cherubim forderte (vgl. 2 Mo. 26,1. 31; 36,8), aber wir wissen ja, woher diese Muster kamen. 2 Makk. 2,30 verrät Bekanntschaft mit — jedenfalls fremder — Malerei, u. Wsh. 15,4 enthält eine ähnliche höhnische Verurteilung der „unfruchtbaren Arbeit der Maler“, wie Wsh. 13,14 der Götzenbildnerei. Es können auch da nur heidnische „Bilder“ gemeint sein, Götzenbilder. —
6) Das Neue Testament hat von keinen aus dem neuen Geist der Offenbarung in Christo erwachsenen Kunstwerken zu erzählen und nimmt nicht, wie das Alte Testament., die Kunst in seinen unmittelbaren Dienst zur sinnbildlich-sinnenfälligen Darstellung der Offenbarungsgedanken. Es ist die Religion des Geistes und der Wahrheit in sich selbst und braucht keine Stütze oder Hilfsmittel von außen. Dennoch hat der christliche Glaube alsbald mit seiner Verbreitung eine Kunst erzeugt, welche Erinnerungen aus dem Leben lieber Verstorbener darstellte, insbesondere aber aus dem Evangelium und dem A. T. ihren Anlaß und Stoff nahm und die tröstlichsten und erquickendsten Heilswahrheiten in Bezug auf dieses und jenes Leben (also vorwiegend, aber nicht ausschließlich sepulkral) mit den Mitteln des Pinsels und Meißels in Bild und Spruch zur Anschauung brachte. Damit wollte sie nichts anderes sein, als ein freudiges Glaubensbekenntnis der ersten Christen, ein Bekenntnis derselben zum Christenglauben und zur Christenhoffnung auch in der Bildsprache der Kunst Es ist dies die sogen. altchristliche Kunst, welche in den altchristlichen unterirdischen Begräbnisstätten, den Katakomben, uns in ausgiebigen Resten entgegentritt; in ihnen ist geborgen und erhalten geblieben unter der Erde, was über der Erde, in Privathäusern und Sälen, welches die ältesten Kirchen waren, gewiß einst nicht minder verbreitet war, aber zugrunde gegangen ist. Die Tatsache, daß noch im ersten Jahrhundert mitten unter den letzten glänzenden Leistungen der hinsinkenden Kunst der heidnischen Welt eine neue, reinere, in ihrem Gedankengehalt selbständige christliche Kunst sich erhoben und mitten unter den sofort hereinbrechenden Christenverfolgungen fröhlich weitergeblüht hat, gibt viel zu denken und zu ahnen. Es gab also keine ursprüngliche Kunstfeindschaft der ersten Christen; noch weniger standen etwa ihre ältesten Kunstleistungen im Dienst einer Bilderverehrung, wodurch sie evangel. Christen von vornherein bedenklich würden. Dieser Bilderdienst drang erst mit dem 4. u. 5. Jahrh. ein; die urchristl. Kirche hat sich im Gegenteil sorgfältig davor gehütet. Dabei ist bemerkenswert, daß jene Christen, entsprechend dem paulinischen „alles ist euer“ sich ohne Bedenken der aus dem Heidentum stammenden alten Kunstformen bedienten, umihre neuen Gedanken darin auszudrücken, bis sie erst mit den Jahrhunderten auch zu selbständigen neuen Kunst formen gelangten. Ja, im allerersten Anfang kommen nicht nur Deckengemälde in den Katakomben von Rom u. Neapel (Abb. 217ff.) — man zählt zwischen 30 u. 40 Katakomben in Italien, Kleinasien, Sizilien, Ungarn (eine) u. Frankreich (eine) — vor, welche ganz denen in Pompeji gleichen und nichts als Vögel, Delphine, Panther, Fruchtschnüre, Masken u. dgl. In reizenden Rundbildern darstellen; sondern auch manche altchristlichen Symbole sind geradezu der heidnischen Kunst entnommen: zum Beispiel der Pfau und Phönix, sowie der Granatapfel als Sinnbilder der Unsterblichkeit, Orpheus, der alte Sänger, als (nicht „Christus selbst!“ sondern) Borausverkündiger auf Christum, desgleichen die Sibyllen, sofern man in allen diesen heidnischen Sagen etwas wie eine unbewußte Weissagung auf das Christentum sah, und, in demselben umdeutenden Sinn, auf das Wiedersehen nach bem Tobe bezogen, sogar Eros und Psyche. Entscheidend und weit überwiegend aber nach allen Richtungen hin hat die Bibel, und zwar A. u. N. T., die altchristliche Kunst befruchtet. Und zwar ist es jetzt die Malerei und Bildnerei, welche auf den Plan treten, letztere unter Beschränkung auf das Relief (an Särgen). Freistatuen kommen noch äußerst selten, vielleicht gar nicht vor. Die Baukunst trat naturgemäß erst von Konstantin an auf. Schon die sinnbildlichen (symbolischen) Darstellungen wie Palme, Kranz, Krone als Sinnbilder des Sieges über Sünde und Tod führen auf die entsprechenden Gleichnisse der Apostelgeschichte und der Offenbarung zurück, 1 Kor. 9,25; 1 Pe. 5,4; Offb. 2,10; 7,9. Den Ausgangspunkt der urchristlichen Kunst symbole der Taube u. des Ölzweigs (Frieden), des Schiffs (Kirche), des Hirschs (Sehnsucht, Taufwasser), des Adlers (Stärke), der Bäume, Leuchter, Pfeiler (Eingang des Paradieses) aus dem A. T., des Hahns (Wachsamkeit), des Ankers (Hoffnung), des Lamms und Hirten (Christus), der Schase (verstorbene Jünger, Apostel), der Fische (Jünger), und endlich des Kreuzes aus dem N. T., werden unsere Leser leicht selbst erraten (vgl. Abb. 3. 173. 202). Noch ist das häufige Bild, das Christum selbst als Fisch, oft mit einem Brotkörbchen auf dem Rücken darstellt, zu erwähnen, das aber nicht aus einer „Spielerei der Inschriften“ herzuleiten ist, welche die Worte „Jesus Christus Gottes Sohn Heiland“ im Griechischen so zusammengestellt haben sollen, daß deren Anfangsbuchstaben das Wort ἰχθύς (Fisch) ergaben (vgl. S. 183 u. Abb. 3); sondern die Inschriften bezeichneten von ältester Zeit an Jesum als den Fisch: das Symbol war vor dem Wortspiel da — in Schrift und Malerei. Man kann dabei nur an das Speisungswunder denken: Christus vollzieht immer neu das Wunder jener Speisung mit Brot und Fisch durch sich selbst.
Aber nicht nur biblische Gedanken und Gleichnisse wurden bildlich dargestellt, auch die wichtigsten biblischen Personen und Vorgänge machten sich die ersten Christen im Bilde dienstbar, um ihren Glauben und insbesondere ihre christliche Hoffnung an den Gräbern in sie hineinzulegen u. darin auszudrücken. Noah im Schiff und der schlafende Jona sind Bilder des friedlich schlummernden, von Gott hinübergeretteten Entschlafenen, oft mit dessen Zügen; David als Sieger, Daniel in der Löwengrube, die drei Jünglinge bedeuten die göttliche Hilse in der Not; das Wasser aus dem Felsen (Moses) die Taufe, Abrahams Opfer den Tod Christi usw.
Es ist ein ausgewählter und abgegrenzter, aber reicher Kreis von einfach gehaltenen Darstellungen, welche die ersten Christen der heiligen Schrift entnahmen, um damit etwas Sinnbildliches auszudrücken, und leise kommt auch der Anfang eigentlich und rein geschichtlicher Darstellungen aus der heiligen Schrift (Wunder, Taufe, Abendmahl) in der Malerei und Bildnerei der Katakomben zu Tag. Vergleichen wir die künstlerische Leistung auf dieser Stufe mit derjenigen der altebr. Kunst, so haben wir etwas wesentlich Verschiedenes. Es herrscht Geschmack in Anordnung und Ausführung, Einfachheit und Mannigfaltigkeit, Anmut und Grazie, und zwar um so mehr, je mehr diese altchristl. Künstler bei der Formgewandtheit der Griechen und Römer in die Schule gingen. Wir kommen also zu dem Schlußurteil: Das Christentum hat gleich anfangs gezeigt, daß es bestimmt und befähigt ist, wie alle Lebens- und Geistesgebiete, so auch dasjenige der Kunst mit seinem Salz zu durchdringen. —
7) Von dieser Tatsache aus wird sich uns die Antwort auf die Frage ergeben: Wie stellt sich der Christ zur Kunst? Daß das Christentum an und für sich der Kunst nicht feindlich ist, bezeugt der bisherige Gang unserer Betrachtung und der Tatsachen genugsam. Insbesondere die eigentlich heilige, religiöse, später kirchliche Kunst, wie sie sich mit der Kirche entwickelt hat, wird diese immer als eine durch sie selbst ins Leben gerufene achten und wertschätzen in dreifachem Sinn: erstens als heil. Schmuck und dienenden Bestandteil des christl. Gottesdienstes, zweitens als Bekenntnis ihres Glaubens in der auch für die Fernerstehenden verständlichen Bildersprache der Kunst, drittens als Förderungsmittel der Andacht. Luther sagt: „Ich möchte gerne alle Künste im Dienste dessen sehen, der sie geschaffen hat.“ Die heidnische Kunst war und blieb eine an der Erde haftende; sie hat das Erdendasein verklärt. Aber das Christentum erst hat das Bewußtsein des Erdenelends und das Sehnen nach dem Vollkommenen, das auch schon durchs Heidentum geht, über dies Leben hinausgewiesen, indem es erst den tiessten Widerspruch des Daseins, die Sünde, enthüllt und eine innere Versöhnung hienieden schon, eine äußere (geist-leibliche) Verklärung einstens zur Gewißheit gemacht hat. Seither wohnt ein viel größerer Ernst und viel größere Tiefe der „christlichen“ Kunst inne, ja sie wird in ihren höchsten und geläutertsten Werken eine eigentliche Borausdarstellung (Antizipation) einer künftigen verklärten vollkommenen Welt. Von jeher war die Kunst im Bunde mit der Religion; auch in der christl. Zeit war sie es von Anfang an und hat auch als weltliche umso Größeres geleistet, je mehr sie in diesem Bunde mit der Religion und deren Kirche blieb; vgl. sowohl die herrliche kirchl. Kunst des Mittelalters und der Renaissance (Dome, Dürer, Lionardos Abendmahl, Rafaels Madonnen usw.), als auch noch die weltlichen Renaissancewerke, je größer, je näher innerlich und äußerlich der Religion u. Kirche stehend (Michelangelo, Holbeins Totentanz usw.). Die Kunst aber, welche der Naturvergötterung, der Sinnenlust dient
— wie vielfach in der Gegenwart — die kann und wird auch niemals wahre Kunst sein! Daraus folgt für den einzelnen Christen, daß er unterscheiden lernen muß zwischen wahrer und falscher Kunst Wir stehen hier auf dem Gebiet der christl. Freiheit, des Erlaubten, das nicht ins allgemeine bestimmt werden kann, des der einzelne „Macht hat“. das heißt worüber er mit seinem eigenen Gewissen ins Reine kommen muß (1 Kor. 9,1 ff.; 10,29; 1 Pe. 2,16; 1 Kor. 3,21 u. 23). Bezüglich der kirchlichen Kunst wird unsere persönliche Stellung wohlwollender, wärmer, bezüglich der weltlichen Kunst aber werden wir vorsichtiger sein. Es gibt aber auch eine unevangelische Enge und Ängstlichkeit in diesen Dingen, und insbesondere ist es eine ungeschichtliche Anschauung, daß der Protestantismus kunstfeindlich sei und der evang. Christ es sein müsse. Weiteres s. Kirchenlex. I, 158 ff., 213 f., 907 f., 1001 f., sowie II, 114 ff., 430 ff.