Nach dem Bericht über Jesus stellte Lukas in einem zweiten Buch, das er demselben vornehmen Mann Theophilus widmete wie das erste, das Werk der Boten Jesu dar. Das große Ereignis, auf das er den Blick der Christenheit richtet, ist der Übergang des Evangeliums zu den Griechen. Dieser war aber erst möglich, als in Jerusalem die Gemeinde Jesu gesammelt war, und wurde dadurch bewirkt, dass sich die Juden gegen die christliche Predigt verschlossen.
Einteilung des Buches
Die erste Arbeit, die im Auftrag Jesu in Jerusalem geschah, war das Werk des Petrus; die zweite, die die Völker zu Jesus berief, geschah durch Paulus. Darum gliedert Lukas seinen Bericht in zwei Teile, Kap. 1-12 u. 13-28. Der erste führt uns nach Jerusalem und zeigt uns, wie Petrus dort die Kirche begründete und wie ihr Kampf mit den Juden begann. Dann verlässt Lukas Jerusalem und die Arbeit des Petrus und erzählt uns, wie Paulus das Wort Jesu zu den Griechen trug bis nach Rom.
In beiden Teilen bleibt sich die Darstellung in ihrem Ziel und ihren Mitteln völlig gleich. Nicht die Lebensgeschichte der Apostel wird uns erzählt, auch nicht die des Paulus und ebenso wenig die des Petrus, Wir hören nichts von der späteren Arbeit des Petrus, wie wir über die erste Arbeit des Paulus wenig und von seinem Ende gar nichts hören; wir erfahren nur, wie das Wort Jesu durch den Dienst der beiden Männer zu den Völkern kam. Sie werden einzig als die Boten Jesu, denen er seine Bezeugung und die Sammlung der Gemeinde übergab, der Christenheit dargestellt. Ebenso wenig erhalten wir Erzählungen aus dem inneren Leben der Gemeinde und einzelner Christen; wir hören nur, wie die Gemeinden entstanden und wie es sodann überall wieder zum Fortgang der Arbeit kam.
Die Erzählung der Apostelgeschichte
In Jerusalem begann die Arbeit der Apostel, als der Verkehr des Auferstandenen mit seinen Jüngern dadurch sein Ende gefunden hatte, dass er von ihnen schied und zum Vater in den Himmel ging. Nun erst waren sie zu ihrem Werk ausgerüstet, da sie jetzt die Gewissheit hatten, er lebe und regiere in Gottes Herrlichkeit. Sie rüsten sich nun für ihren Dienst dadurch, dass sie ihre durch den Fall des Judas verminderte Zahl wieder ergänzen, und werden für ihren Beruf dadurch tüchtig gemacht, dass der Geist zu ihnen kommt. Jetzt erst haben sie die Vollmacht, Jerusalem nochmals die Umkehr und die Vergebung anzubieten. Die Zeichen, durch die die Gegenwart des Geistes bei ihnen sichtbar wurde, verschaffen ihnen zugleich die Gelegenheit zur ersten öffentlichen Bezeugung der Sendung Jesu, die mit der Anbietung der Taufe an die Bußfertigen schließt. So entsteht die Gemeinde von Jerusalem, Kap. 1 und 2.
Der hohe Rat der Juden
Vor den hohen Rat Israels gelangt der Ruf Jesu dadurch, dass die Heilung eines Lahmen Petrus und Johannes die Gelegenheit zur Verkündigung Jesu im Tempel gibt und ihre Verhaftung veranlasst. Nun erfolgt das Verbot der apostolischen Predigt und damit beginnt der Kampf Israels gegen die Christenheit, Kap. 3 und 4. Daraus entsteht eine zweite Vorführung der Apostel vor den hohen Rat; aber einer der pharisäischen Schriftgelehrten, Gamaliel, wird das Werkzeug, durch das Gott das Leben der Apostel schützt. Den Fortgang des Kampfes sehen wir weiter daran, dass die Predigt des Stephanus die griechischen Synagogen so gegen ihn erbittert, dass er vor den Rat geführt und gesteinigt wird. Die Verfolgung, die sich daran anschließt und an der Paulus beteiligt ist, zerstreut die Gemeinde von Jerusalem.
Die erste Gemeinde
In ihr inneres Leben führen uns nur die Stücke ein, die die Kraft der Liebe beschreiben, mit der die Besitzenden für die armen Brüder sorgten. Diese Liebe hat es ihr möglich gemacht, dem Druck standzuhalten, den der Widerstand der Juden auf sie legte. Dahin gehören auch die Erzählung von Ananias und Sapphira, 5,1-11, und die von der Einrichtung des niederen christlichen Amts, das mit der Fürsorge für die Armen beauftragt wird, 6,1-6. Jene zeigt, wie ernst die Apostel über der Reinheit der Liebe machten und ihre unlautere Vermengung mit Ehrgeiz und Heuchelei nicht zuließen; diese zeigt, wie sie am ersten großen Hauptzweck der Gemeinde, am Wort und am Gebet festhielten und doch zugleich auch für die äußeren Bedürfnisse der Brüder sorgten.
Das Evangelium unter den Heiden
Durch den Kampf in Jerusalem traten aber zugleich die Ereignisse ein, die die Gründung der Kirche unter den Heiden vorbereiten. Durch Philippus entsteht bei den Samaritern die Kirche und durch Petrus und Johannes kommt auch auf diese Glaubenden der Heilige Geist. Es zeigt sich aber hier sogleich, dass damit ein neuer Kampf für die Christenheit beginnt, der gegen die magischen Formen der Frömmigkeit, 8,4-25.
Der aus Äthiopien gekommene Proselyt, dem Philippus nach göttlichem Befehl das Wort Jesu bringt, zeigt weiter, wie schon in der Ferne die Vorbereitung für das Werk der Apostel vorhanden ist, 8,26-40. Dann macht Christus selbst den Verfolger Paulus zu seinem Boten und der Widerstand der Juden gegen ihn treibt ihn aus Palästina fort nach Tarsus 9,1-30. Petrus erhält durch eine besondere Offenbarung die Gewissheit, dass Gott auch Heiden berufe, und die Gemeinde von Jerusalem anerkennt die Richtigkeit seines Schritts, 9,31-11,18. In Antiochien entsteht die erste heidenchristliche Gemeinde, deren Leitung Barnabas übernimmt und in der auch Paulus sein Arbeitsfeld findet, 11,19-30.
Letzte Anmerkungen zu Jerusalem
Wie es dagegen in Jerusalem steht, wird daran sichtbar, dass der König Agrippa Jakobus hinrichtet und Petrus gefangen setzt. Doch der Engel befreit ihn, und den verfolgenden König, der sich selbst als Gott feiern lässt, rafft das Gericht weg, Kap. 12. Damit schließt Lukas den Bericht über das Werk der Apostel in Jerusalem.
Paulus' Missionsreisen
Nun wird erzählt, wie Paulus dem Evangelium zunehmend die Bahn in die westlichen Länder freimachte. Mit Barnabas durchwandert er Cypern und geht dann hinüber auf das kleinasiatische Hochland, wo die Gründung der Gemeinden in Lykaonien erfolgt, Kap. 13 und 14. Die Freiheit der griechischen Christen vom mosaischen Gesetz bedarf einer ausdrücklichen Sicherung und sie wird ihnen auch durch die Apostel in Jerusalem gewährt, Kap. 15. Dann erfolgt, nachdem Paulus mit Silas zuerst Kleinasien durchwandert hat, die Gründung der Gemeinden in Mazedonien und Korinth, Kap. 16-18, darauf die der Ephesinischen Gemeinde durch Paulus allein, Kap. 19. Nach einem zweiten Besuch in Korinth nimmt er Abschied von den griechischen Gemeinden und kehrt, obwohl er die Gewissheit hatte, dass er in Jerusalem ins Gefängnis müsse, dennoch in die heilige Stadt zurück, 20,1-21,14.
Verhaftung des Paulus
Nun wird mit großer Genauigkeit erzählt, wie es zur Verhaftung des Paulus, dann zu seiner Überführung nach Cäsarea und schließlich zu der nach Rom kam, da Lukas darin einen wichtigen Hauptpunkt in der Arbeit des Paulus erkennt, dass er nochmals den Häuptern der Juden den Grund und Zweck seines Apostolats und das gute Recht der Christenheit dargetan hat, 21,15-26, 32.
Nachdem er durch einen Schiffbruch hindurch als Gefangener nach Rom gelangt war und auch dort den Juden die Berufung zu Jesus abgewiesen hatte, öffnet sich ihm während zwei Jahren die Gelegenheit zu einer fruchtbaren Arbeit in der römischen Christenheit, Kap. 27 und 28. Darin erkennt Lukas die Vollendung der von Paulus auszuführenden Arbeit, da damit deutlich war, dass sich Israel endgültig von Jesus abgewendet hatte, dass er sich aber seine Gemeinde aus den Völkern sammelte.
Der Verfasser
Im Bericht über Paulus bekommt ein Teil der Abschnitte dadurch eine besondere Färbung, dass der Verfasser sich selbst als gegenwärtig bezeichnet, indem er für die Erzählung das „wir“ verwendet. Nach dem einen Zweig der handschriftlichen Überlieferung geschieht dies schon 11,28; doch ist es nicht sicher, dass das „wir“ hier vom Verfasser herstammt. Sicher findet es sich dagegen im Bericht über die Reise von Troas nach Philippi 16,10-17, von Philippi nach Milet 20,5-15, von Milet nach Jerusalem 21,1-18 und von Cäsarea nach Rom 27,1-28,16.
Diese Stücke zeichnen sich zugleich durch die Genauigkeit aus, mit der der Verlauf der Reisen berichtet wird. Die Vermutung, hier werde ein anderer Verfasser sichtbar als in der an Theophilus gerichteten Einleitung, ist an sich unnatürlich und wird dadurch widerlegt, dass die sprachliche Färbung dieser Stücke völlig mit dem übrigen Buch übereinstimmt, wie auch die Motive, die die Erzählung gestalten, hier dieselben sind wie in der ganzen Darstellung.
Die Motive der Erzählung
Im Bericht über Philippi hören wir nur, wie dort die Gemeinde begann; darauf folgt sofort die Vertreibung des Paulus aus der Stadt. Wir hören weiten, dass Paulus zuerst an die jüdische Gemeinde Philippis die Berufung richtete, und der Bericht über seine Reise nach Jerusalem macht uns die Treue, mit der er sich zu Israel hielt, herrlich sichtbar; derselbe Gesichtspunkt bestimmt die ganze Darstellung.
Die Weise, wie Paulus das Wunder empfängt und für seine Arbeit fruchtbar macht, 16,18; 20,10; 28,5, und wie er in der Not durch ein Gesicht die Tröstung erhält, 27,23 verglichen mit 18,9; 23,11, entspricht genau der übrigen Erzählung. Der Abschied von den Ältesten von Ephesus, 21,1, setzt eine Rede des Paulus an sie voraus; die Rede an die Führer der Christenheit lässt sich aber nicht von der an die Juden in Antiochia, 13,16-41, und von der an die Griechen in Athen, 17,22-31, trennen.
Wir haben aus dem Bericht zu entnehmen, dass sich Lukas irgendwie in Troas mit Paulus verband, dann in Philippi blieb, ihn sodann von Philippi aus nach Jerusalem begleitete und während seiner Gefangenschaft in Cäsarea und Rom bei ihm blieb, vgl. Kol. 4,14; Philemon 24; 2 Tim. 4,11.
Verwendung weiterer Quellen in der Apostelgeschichte
Wie weit Lukas in seiner Darstellung der Gemeinde Jerusalems die Berichte anderer verwendet hat, ist nicht mehr sicher erkennbar. Das Ende des Stephanus hat Paulus mit angesehen; mit Philippus, von dem Kap. 8 handelt, kam Lukas in Cäsarea in persönlichen Verkehr, 21,8, ebenso mit Agabus, 21,10; vgl. 11,28. Für das in Kap. 12 Erzählte kann Markus sein Gewährsmann sein, vgl. 12,12, mit dem Lukas in seiner späteren Arbeit in mannigfache Berührung kam. Für das, was Paulus seinen Mitarbeitern gab, ist die Apostelgeschichte ein herrliches Zeugnis.
Heiden und Juden
In der Berufung der Heiden wird Gottes große Wohltat erkannt und Israels Kampf gegen Jesus ohne Verhüllung beschrieben; es findet sich aber bei Lukas nicht nur kein bitteres Wort gegen die Juden, sondern er hat die Kirche absichtlich daran erinnert, dass Paulus beständig für die Juden alles tat und litt, 16,3; 18,18; 20,16. 22; 21,2026; 28,17-28.
Die Schwierigkeit, die die Vereinigung der jüdischen und heidnischen Glaubenden mit sich brachte, kommt deutlich ans Licht: Kap. 15: 21,1825: aber von parteisüchtigem Hader ist Lukas frei und bringt darum an Petrus und Paulus in derselben Weise die Herrlichkeit des apostolischen Dienstes im Wort, in den Zeichen, im Leiden und in der Errettung aus der Gefahr zur Darstellung. Das besondere Amt des Paulus tritt klar hervor; er wird aber bei Lukas nicht zum Haupt einer Schule oder Sekte, dem die Verehrung seiner Begleiter gälte; ihr Glaube ist auf Christus gerichtet und Paulus wird nachdrücklich in die einträchtige Schar der Zeugen Jesu hineingestellt und die Kirche daran erinnert, wie er nicht isoliert, sondern als Glied der Gemeinde sein großes Werk zu vollbringen vermochte. Nicht als Forscher und Lehrer beschreibt ihn Lukas; vielmehr besteht seine Größe darin, dass er den allen geltenden Ruf Gottes zu den Völkern bringt, der die Gott dienende Gemeinde schafft.
Der "Kampf" mit den Griechen und Römern
Der Ernst des Kampfes mit dem griechischen Heidentum und dem römischen Staat ist klar erkannt; er wird aber mit entschlossener Tapferkeit übernommen. Es kommt in der Apostelgeschichte weder der Jubel über den erreichten Erfolg ans Licht, noch Verzagtheit, die sich vor dem Leiden fürchtet, sondern Glaube, der sich auf die Herrschaft Jesu verlässt und sich ganz in seinen Dienst stellt. So hat Paulus die Männer erzogen, die er an seinem Werk mitarbeiten ließ.
Gleichzeitig zeigt sich im Buche der Anteil des Lukas an der griechischen Bildung darin, dass er auf die geschichtlichen Prozesse achtet, aus denen sich das Wachstum der Kirche ergab. Er sieht in der Geschichte das Mittel, durch das sich Gott den Völkern offenbart und ihnen die Gaben seiner Gnade gewährt.
Abfassungszeit
Die Zeit, in der Lukas seine beiden Schriften verfasste, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Seine letzte Angabe teilt uns noch mit, dass sich die ungehemmte Arbeit des Paulus in Rom nach zwei Jahren schloss, wahrscheinlich dadurch, dass er in ein Gefängnis eingeschlossen wurde. Wie sein Prozess ausging, ob er freigesprochen oder hingerichtet wurde, hören wir nicht.
Darauf stützt sich die Vermutung, Lukas habe eben damals, als die römische Arbeit des Paulus zu Ende war, also etwa im Jahr 63, seinen Bericht verfasst, wofür sich auch sagen lässt, dass sich kein Hinweis auf die Vernichtung der römischen Gemeinde durch Nero im Jahr 64 und auf den Untergang des Tempels im Jahr 70 bei ihm findet. Aber die Möglichkeit lässt sich nicht ausschließen, dass er aus irgend welchen Gründen hier die Erzählung abbrach, obwohl er sie erst nach dem Tod des Paulus, vielleicht erst nach der Zerstörung Jerusalems schrieb.