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Stephanus

Stephanus (Krone), einer der Sieben, welche nach Apg. 6 zum Dienst der Tische, das heißt der Armenspeisung, gewählt wurden (s. Diakonen). Daß er Hellenist war, ist nicht berichtet, aber wahrscheinlich: es lag nahe, zur Versorgung der griechischen Witwen solche zu wählen, noch mehr spricht die Tatsache seines Verkehrs in den hellenistischen Synagogen und die Art desselben, die Disputation, dafür. Sein Auftreten, überragend durch ein besonderes Mass charismatischer Begabung, bedeutet eine Wendung in der Geschichte der Urgemeinde, es bringt die zuvordrohende Verfolgung zum vollen Ausbruch. Den Anlaß bilden eben jene Religionsgespräche, auf Grund deren die Anklage erhoben wird, daß er „Lästerworte rede wider diese heilige Stätte und das Gesetz“: „Jesus von Nazareth wird diese Stätte zerstören und ändern die Sitten, die uns Mose gegeben hat,“ Apg. 6,13 f. Um eine praktische Lossagung vom Kultus Israels konnte es sich dabei nicht handeln; einen solchen Schritt hätte die Urgemeinde nie ertragen, hat ihn doch nicht einmal Paulus für seine Person getan. Wohl aber mußte, wenn die Frage nach der fortdauernden Geltung der mosaischen Ordnung gestellt wurde, auf Grund der bestimmten Herrnworte die Antwort lauten, daß — mit der erwarteten Wiederkunft — das Alte fallen werde. Darüber gab es ja nun mit den jüdischen Gegnern keine Verständigung, wohl aber setzt sich Stephanus in seiner Verteidigungsrede darüber mit ihnen auseinander, was die Meinung der Schrift über Tempel und Gesetz sei. Die Grundgedanken der weit ausholenden Ausführungen — ihre Abweichungen von unsrem Bibeltext beruhen teils auf der griechischen Bibel, teils auf der Verwebung mit den Auslegungen der Schriftgelehrten — sind (Apg. 7,2 ff.):

1) Daß Gott den Vätern die Erweise seiner Heilsoffenbarung habe zuteil werden lassen, lange bevor der Tempel existierte und vorzugsweise im fremden Lande, daß also die Heilsgegenwart Gottes nicht an die Stätte des Tempels gebunden sei.

2) Aus der Geschichte des Volkes ergibt sich, daß sic von jeher dem Gesetz Gottes ungehorsam, insbesondere gegen dessen Werkzeuge: Joseph, Mose

— und jetzt den Christus — widerspenstig gewesen sind. So geht die Verteidigung in scharfen Angriff über und der Erfolg ist die tumultuarische Exekution. Von der Stellung der römischen Obrigkeit zur Sache, wie zu der sich anschließenden weiteren Verfolgung (Joh. 18,31) ist nicht die Rede, möglich, daß sie in die Zeit der Absetzung des Pilatus (36 n. Chr.) fiel, in welcher der syrische Statthalter sich den Juden sehr gefällig erwies. Die Seele dieser Verfolgung war, dementsprechend daß das Ansehen des Gesetzes zwischen Israel und der Gemeinde strittig wurde, der Pharisäismus (Saulus), doch fanden sich noch unter den Juden „fromme Männer“ — Christen wären Brüder genannt, sie durften sich als solche nun nicht mehr öffentlich blicken lassen —, welche Stephanus die Totenklage hielten. Und die tiefsten Eindrücke von der Person des Stephanus und seiner Sache hat sicher der erhalten, der jetzt sein erbittertster Feind war, Saul, der Zeuge nicht nur des Verhörs und der Hinrichtung, sondern als Mitglied der cilicischen Synagoge (Apg. 6,9), auch des Auftretens des Stephanus von Anfang an.