Wir fahren mit dem Johannesevangelium fort. Ich lese vom Skript vor.
Ich habe versucht, das Johannesevangelium ganz knapp zusammenzufassen. Es zeigt auf einzigartige Weise, dass der Mensch Jesus Christus zugleich ewiger Gott ist. Das haben wir bereits gesehen: In den ersten drei Versen wird seine Gottheit bezeugt. In Vers 14 wird gesagt, dass dieses Wort Fleisch wurde, also ein wirklicher Mensch.
Das Evangelium teilt uns mit, dass Gott sich in seinem Sohn vollkommen geoffenbart hat. Wer den Sohn Gottes kennt, darf auch Gott, den Vater, kennen und kann sich als Kind über das ewige Leben freuen.
Das Johannesevangelium betont also nicht nur, dass Jesus Gott ist und das Wort Gottes, sondern auch, dass der Herr Jesus von Ewigkeit her Sohn Gottes ist. Er ist in diese Welt gekommen, um Gott, den ewigen Vater, uns zu offenbaren.
Doch es geht weiter: Das Johannesevangelium zeigt, dass Menschen, die den Messias Jesus aufnehmen, Kinder Gottes werden.
Das heißt, dass diejenigen in dieses Verhältnis hineingenommen werden, das der Herr Jesus von Ewigkeit her zum Vater hatte.
Das ist auch der Grund, warum in Johannes 1,12 steht – ich beginne in Vers 11: „Er kam in das Seine, und die Seinigen nahmen ihn nicht an. So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“
Hier wird gezeigt, dass man ein Kind Gottes werden kann und den ewigen Vater, den der ewige Sohn von Ewigkeit her kannte, jetzt auch als unseren Vater kennen darf.
Es fällt jedoch auf, dass Jesus im Johannes-Evangelium immer wieder Sohn genannt wird, während die Gläubigen nie Söhne Gottes genannt werden, sondern nur Kinder Gottes. Paulus hingegen nennt die Gläubigen Söhne Gottes, zum Beispiel in Römer 8: „So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes.“
Er spricht übrigens auch ganz explizit in 2. Korinther 6 über die Töchter Gottes. Wenn also von den Söhnen Gottes gesprochen wird, sind die Töchter mit eingeschlossen. Das ist einfach das maskuline Generikum. Dies muss man heute betonen, weil die heutige Jugend in der Schule oft nicht mehr richtig Grammatik lernt und das nicht mehr so klar weiß. Deshalb ist es wichtig zu sagen: Söhne und Töchter – das umfasst beide Geschlechter.
Johannes macht das nicht. Warum? Weil er aus der Welt war, ganz spezifisch über die ewige Sohnschaft des Herrn Jesus zu schreiben. Er wollte ganz klar machen: Natürlich sind wir Söhne und Töchter Gottes, aber das darf man nicht verwechseln mit dem, was der Herr Jesus von Ewigkeit war – als ewiger Sohn.
Um diesen Unterschied klarzumachen, wird im Johannesevangelium nur von den Kindern Gottes gesprochen. Diese Kinder sind aber Kinder durch Wiedergeburt. Das heißt, das Leben aus Gott ist uns geschenkt, das ewige Leben.
Johannes 3,16 sagt: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ Das ewige Leben als Besitz ist das Leben aus Gott.
Der Herr Jesus sagt in Johannes 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Er ist das Leben. Die Bekehrung ist das, was der Mensch tun muss – er muss umkehren von seinen Sünden.
Die Wiedergeburt aber ist das, was Gott von seiner Seite her bewirkt. Das bedeutet, er gibt Anteil an diesem göttlichen Leben. Diese Wiedergeburt wird in Johannes 3 sehr ausführlich beschrieben, wie nirgends sonst im Neuen Testament. Das gehört dazu, um zu zeigen: Wie wird man ein Kind Gottes? Wie bekommt man Leben aus Gott?
Wir halten fest: Als Kinder Gottes kennen wir den ewigen Vater nun als unseren Vater. Der Herr Jesus aber ist der Sohn von Ewigkeit, und das ist etwas anderes als bei uns.
Und nun ein ganz wesentlicher Vers: Johannes 1, Vers 18. Er ist der letzte Vers des sogenannten Prologs, der Einleitung zum Evangelium, von Kapitel 1 bis Vers 18.
Niemand hat Gott jemals gesehen. Der eingeborene oder der einzige Sohn – eingeboren bedeutet hier der einzige in seiner Art, monogenes, der einzige Sohn, der im Schoss des Vaters ist – hat ihn kundgemacht. Er ist gekommen, um zu zeigen, wer Gott ist, wer der Vater ist.
Nun wird hier gesagt, dieser einzige Sohn ist im Schoss des Vaters. Wenn man das auf Griechisch liest, erlebt man eine Überraschung. Normalerweise steht hier das Wort estin, was „ist“ bedeutet. Aber hier steht nicht estin, sondern hoon, der Seiende, im Schoss des Vaters.
Warum schreibt Johannes so ungewöhnlich „der Seiende im Schoss des Vaters“? Nun, hoon wird in der ältesten Bibelübersetzung, der Septuaginta, in 2. Mose 3 verwendet. Dort sagt Gott: „Ich bin, der ich bin.“ Damit stellt er sich als der Ewige vor. Er sagt zu Mose: „Geh zu Israel und sag ihnen: ‚Ich bin hat mich gesandt.‘“
Die Septuaginta ist die älteste griechische Übersetzung überhaupt, die älteste Bibelübersetzung, die wir kennen. Sie wird im Neuen Testament von den Bibelschreibern oft benutzt, wenn sie aus dem Alten Testament zitieren. Nicht immer, aber an vielen Stellen zitieren sie die Septuaginta-Übersetzung. Diese verwendet in 2. Mose „Ich bin“ übersetzt mit hoon.
Die neutestamentlichen Bibelschreiber waren mit der Septuaginta vertraut, denn sie war die Übersetzung, die die Brücke vom Alten Testament zur griechischsprachigen Welt damals schlug. Griechisch war im Oströmischen Reich die erste Sprache, nicht Latein.
Wenn Johannes also hoon im Schoss des Vaters sagt, dann meint er damit: Das ist der „Ich Bin“ im Schoss des Vaters. Wenn Gott sagt „Ich bin der Ich Bin“, erklärt er damit seinen Eigennamen, Yahweh.
Ich habe gesagt, Yahweh schreibt man Yud-hey-waw-hey, J-H-W-H. Das J zeigt an, dass dieser Name ein Nomen, ein Hauptwort, ist. Dann folgen H-W-H, eine hebräische Wurzel, typisch aus drei Konsonanten. Man spricht es aus als Hawa, was „sein“ bedeutet. Yahweh heißt also „der Seiende“.
Im Deutschen ist „sein“ ein unregelmäßiges Verb. Wie konjugiert man es? Nicht „ich sei“, „du seist“, sondern „ich bin“, „du bist“, „er ist“. „Ist“ ist übrigens verwandt mit dem griechischen estin, also „ich bin“. So ist „Ich bin, der ich bin“ eigentlich die Erklärung des Namens Yahweh: der Seiende, der, der ist, ohne Anfang, ohne Ende, der die Quelle des Lebens ist.
Jetzt verstehen wir noch besser, was hoon bedeutet. Das ist richtig sensationell. Wenn ich den Grundtext lese und da steht hoon im Schoss des Vaters, bezeugt das, dass Jesus von Ewigkeit her Gott ist. Aber er ist nicht der Vater, sondern er ist der Sohn – genauso wie der Vater nicht der Sohn ist.
Das ist das Anliegen von Johannes: den Herrn Jesus vorzustellen als den ewigen Sohn im Schoss des Vaters. Aber „im Schoss des Vaters“ klingt ja wie ein Kind auf dem Schoss des Vaters, nicht wahr? Das ist hier aber nicht gemeint.
Das ist auch ein wichtiger Punkt: Der Herr Jesus wird nie „Kind Gottes“ genannt in der ganzen Bibel. Ja, einige Leute haben in Sprüche 8, wo die Weisheit spricht, „Amon“ mit „Schosskind“ übersetzt, was keine gute Übersetzung ist. „Amon“ heißt eigentlich „Werkmeister“ oder „Künstler“. Die Weisheit war eben als Werkmeister tätig in der Schöpfung.
Der Herr Jesus wird aber nie „Kind“ genannt, sondern immer „Sohn“. Und hier ist der ewige Sohn im Schoss des Vaters.
Was diese Ausdrucksweise bedeutet, wird in Johannes 13 erklärt. In Israel saß man beim Essen am Tisch. Aber die Römer, die im ersten Jahrhundert vor Christus die Macht in Israel übernommen hatten, führten andere Sitten ein. Die Römer, nicht die Sklaven, sondern die Reichen und Freien, lagen zu Tisch auf Matten am sogenannten Triklinum, einem dreiteiligen Tisch.
Nach der Eroberung Israels durch die Römer begann man in Israel, diese Sitte zu übernehmen, besonders am Passafest. Am Passafest sagte man, man solle nicht sitzen am Tisch, wie sonst üblich, sondern zu Tisch liegen. Denn man dachte daran, dass man aus Ägypten befreit worden war. Man war vorher Sklave, und Sklaven sitzen am Tisch. Aber wir sind frei geworden, deshalb legt man sich zu Tisch.
In Johannes 13 haben zwei Jünger alles vorbereitet für das letzte Passa in einem Obersaal, der mit Polstern belegt war. Der Herr Jesus lag zu Tisch, und zwar direkt bei Johannes. Wenn Johannes seinen Kopf ein wenig zurücklegte, kam er an die Brust des Herrn Jesus, der neben ihm parallel auf der Matte lag. Petrus saß ganz woanders, auf der anderen Seite des Triklinums.
Darum winkte Johannes, als etwas unklar war, Petrus, damit er herausfindet, wen der Herr mit dem Verrat meint. Johannes hatte also einen bevorzugten Platz, so dass er im Schoss Jesu lag, wenn er seinen Kopf zurücklegte.
Ich lese auch Johannes 13, Vers 21: „Als Jesus dies gesagt hatte, wurde er im Geist erschüttert und bezeugte und sprach: ‚Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, einer von euch wird mich überliefern.‘ Da blickten die Jünger einander zweifelnd an, von wem er rede. Einer aber von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tisch in dem Schoss Jesu. Diesen nun winkte Simon Petrus, damit er forschen möchte, wer es wohl wäre, von welchem er rede. Jener aber, sich an die Brust Jesu lehnend, spricht zu ihm: ‚Herr, wer ist es?‘ Jesus antwortete: ‚Jener ist es, welchem ich den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde.‘“
Also sehen wir: Johannes hatte den bevorrechtigten Platz. Offensichtlich war Petrus gekränkt, dass er als Jünger, der sonst die Führung hatte, dort drüben zu Tisch lag. Das bewegte ihn an diesem Abend zu sagen: „Herr, wenn sich alle ärgern, weil der Herr vorausgesagt hat, dass die Jünger ihn verlassen werden, ich nicht. Ich bin bereit, mit dir in den Tod zu gehen.“
Und derselbe Petrus verleugnet dann auf so schmähliche Weise den Herrn in der gleichen Nacht. Aber es kam alles wieder gut.
Das hängt mit diesem Gekränktsein zusammen. Manchmal kann man durch Gekränktsein in eine Sünde fallen. Johannes hingegen nennt sich mehrmals in seinem Evangelium „der Jünger, den Jesus liebte“. Woher kommt das?
Er wusste ja, dass der Herr alle Jünger liebt, aber er war sich der Liebe des Herrn besonders bewusst. Darum konnte er sich so nennen, ohne sich über die anderen zu erheben. Er war dem Herzschlag des Herrn Jesus so nahe.
Dieser Jünger machte am letzten Passa vor dem Kreuzestod des Herrn diese Erfahrung. Er erlebte das Herz des Herrn Jesus, das uns gegenüber bis in den Tod offenbart wurde. Man kann sagen, er erlebte es, als er seinen Kopf zurücklegte.
Dieser Jünger wurde auserwählt, das Verhältnis der Liebe zwischen dem ewigen Sohn und dem ewigen Vater zu beschreiben. Darum beschreibt er ihn als den einzigen Sohn, der im Schoss des Vaters ist, den Seiende im Schoss des Vaters.
Dieses Thema zieht sich durch das ganze Johannes-Evangelium. Alle Geschichten sind so angelegt, dass diese Dinge hervortreten.
Und nun noch ein Wort aus Johannes 8.
Diese Tage hat mich jemand anonym angerufen. Obwohl ich überlastet war, habe ich das Telefon abgenommen. Dann hat er mir gesagt: Wo steht in der Bibel, dass man glauben muss, dass Jesus Gott ist, und sonst ist man verloren?
Nun, in Johannes 8 sagte der Herr Jesus: „Moment! Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin...“ In Vers 24 heißt es: „Daher habe ich euch gesagt, dass ihr in euren Sünden sterben werdet, wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin.“
Denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr in euren Sünden sterben.
Da bedaure ich es, dass ich Deutsch spreche, denn auf Deutsch kann man das nicht einfach sagen. „Denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ klingt ein bisschen eigenartig.
In der englischen Übersetzung ist es ganz wörtlich nach dem Grundtext übersetzt mit „that I am“. Da sagt man nicht noch „ace“ oder ähnliches, das ist nur wegen des Deutschen eingefügt. Aber hier steht wirklich: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich bin, werdet ihr in euren Sünden sterben.“
Also wie im Englischen: „If you don't believe that I am.“
Ich bin gerade aus Amerika zurück und habe das noch vor mir, wie ein Bruder am Sonntagmorgen diese Stelle erwähnt und gelesen hat: „that I am“. Oh, schön, das ist richtig. Dafür steht man ja auf Anhieb. Da muss man nämlich erklären, dass es eigentlich in der Bibel im Deutschen heißt: „Ich es bin“, aber es sollte eigentlich heißen: „Ich bin“.
Dann ist es sowieso ein bisschen verdächtig, wenn man immer die Bibel ändern muss. In der englischen Übersetzung muss man es so sagen, wie es im Grundtext steht. Und das macht es klar: Wenn man nicht glaubt, dass der Herr Jesus der ewige Gott ist, dann geht man verloren.
Und nun beschreibt Johannes die Herrlichkeit des Herrn Jesus auf eine ganz einzigartige Weise. Im Johannes-Evangelium kommt das Wort Herrlichkeit häufiger vor als in keinem anderen Evangelium. Es geht um Herrlichkeit und Verherrlichung. Es wird gesagt, dass der Herr Jesus den Vater verherrlicht hat.
Schließlich schreibt Johannes in Johannes 21, Vers 24: „Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dieses geschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. Es sind aber auch viele andere Dinge, die Jesus getan hat, und wenn diese einzeln niedergeschrieben würden, so würde, denke ich, selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht fassen.“
Wenn man die Herrlichkeit des Herrn Jesus, die er in seinem Leben offenbart hat, bis ins kleinste Detail beschreiben wollte, dann würde die Welt – hier steht „Kosmos“ – die Bücher nicht fassen können. Das ist doch interessant.
Von Gott heißt es in 1. Könige 8, Vers 27, anlässlich der Einweihung des Salomonstempels: Salomo war sich bewusst, dass, wenn Gott im Tempel auf Erden wohnen würde, das nicht bedeutet, dass man den ewigen, allgegenwärtigen Gott auf ein paar Quadratmeter fassen könnte. Darum betont er immer, der Name Gottes wohnt an diesem Ort. Aber er sagt in 1. Könige 8, Vers 27: „Der Himmel und der Himmel der Himmel vermögen dich nicht zu fassen, wie viel weniger dieses Haus.“
„Schamayim“ bedeutet Himmel. „Schamayim Schamayim“ – Himmel Himmel – das sind die zwei Himmel, die es hier auf Erden gibt. Im Schöpfungsbericht in 1. Mose 1 wird am zweiten Schöpfungstag die Atmosphäre als „Himmel“ bezeichnet. Die Ausdehnung ist der weitaus gedehnte Lufthimmel. Aber im ersten Vers wird das Universum erwähnt: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“
„Schamayim“ ist übrigens ein Mehrzahlwort, das es nicht in der Einzahl gibt. Darum übersetzen manche: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Besser wäre es aber zu übersetzen: „Schuf Gott den Himmel und die Erde.“ Ein Mehrzahlwort, das im Singular gebraucht wird, gibt es eben. Das kennt man auch aus dem Englischen. Wenn man einen Fisch isst, dann isst man „fish“. Wenn man zwei Fische isst, sagt man nicht „two fishes“, sondern „two fish“. So spricht man Englisch. Die Einzahlform ist auch die Mehrzahlform. Ähnlich ist es bei „sheep“ (Schaf). Wenn jemand ein Schaf hat, sagt man „one sheep“. Hat jemand eine größere Herde, zum Beispiel fünfhundert Schafe, sagt man nicht „five hundred sheeps“. Das hört man manchmal, aber grammatisch richtig ist „sheep“ für Einzahl und Mehrzahl.
Der langen Rede kurzer Sinn: „Himmel und Himmel der Himmel“ – die Atmosphäre und das, was alles umfasst, das Weltall bis zu den entferntesten Galaxien – Gott ist da. Was Hubble gesehen hat und jetzt noch Neuere, die noch mehr sehen, zeigen: Man sieht kein Ende. Da hinten gibt es keine Mauer.
In Jeremia 23 sagt Gott: „Erfülle ich nicht den Himmel und die Erde?“ Gott ist überall präsent, im Diesseits und auch im Jenseits. In Jesaja 57, Vers 15 sagt er: „Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum.“ Das ist im Jenseits, der himmlische Tempel im Jenseits.
Gott kann in diesem Universum nicht gefasst werden. Er ist der immanente Gott, der überall im Diesseits da ist, und zugleich der transzendente Gott, der auch jenseits ist. Salomo war sich dessen bewusst: „Der Himmel und der Himmel der Himmel können dich nicht fassen, wie viel weniger dieses Haus.“
Und trotzdem lesen wir in Johannes 1, Vers 14: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.“ Es war möglich, dass der unendliche Gott ein richtiger Mensch wurde. Aber in diesem Leben als Mensch hat er eine solche Herrlichkeit Gottes offenbart, dass man, wenn man alles einzeln aufschreiben wollte, der Kosmos die Bücher nicht zu fassen vermöchte.
Ja, gewaltig – so ist der Herr Jesus, unbeschreiblich. Und jetzt verstehen wir auch, warum in Offenbarung 19, ab Vers 11, wo der Herr Jesus aus dem Himmel kommt, steht, dass er einen Namen trägt, den niemand kennt außer ihm selbst.
Dann denkt man: Wenn der Herr in Herrlichkeit kommen wird, hat er immer noch etwas in sich, das wir nicht kennen. Aber wir werden ja bei der Entrückung – das sagt 1. Korinther 13 – von diesem stückweisen Erkennen heute wegkommen und eine vollkommene Erkenntnis bekommen, von Angesicht zu Angesicht. Dann wird allen alles klar sein.
Aber selbst wenn wir dann diese Herrlichkeit haben, mindestens sieben Jahre später, wenn der Herr nach der Entrückung aus dem Himmel kommt, trägt er einen Namen geschrieben, den niemand kennt außer ihm selbst. Es bleibt also ein Geheimnis in seiner Person.
Das ist auch klar: Gott ist unendlich, und wir sind Geschöpfe. Wir können Gott nicht erfassen. Wir werden es nie können. Aber in Ewigkeit werden wir immer mehr in die Tiefen der Gottheit hineinschauen, und es wird nie langweilig werden.
Ich habe das auch schon erzählt: Eine hyperaktive alte Schwester aus dem Elsass hat mich mal voller Sorgen gefragt, ob es langweilig werden wird im Himmel. Ich habe ihr dann erklärt, warum nicht, und verschiedene Gründe genannt. Aber das ist etwas: Wir werden in die Tiefen der Gottheit hineinschauen, in Ewigkeit, und von Herrlichkeit zu Herrlichkeit gehen.
So ist der Herr Jesus. Darum hat er in diesem Leben etwas offenbart. Johannes sagt, das Universum würde die Bücher nicht fassen, wenn man alles ausschreiben wollte, was in seiner Person sichtbar wurde, hier auf Erden.
Es ist auch wunderbar zu sehen, wie die vier Evangelien gestaltet sind: Matthäus als der König, Markus als der Knecht, Lukas als der Mensch und Johannes als Gott. In diesem Design steckt eine klare Ordnung.
Gott hat uns vier Evangelien gegeben, nicht nur eines. Warum? Nach 5. Mose 19,15 ist ein einzelner Zeuge vor Gericht in Israel nicht glaubwürdig. Es müssen mindestens zwei, besser drei Zeugen sein. Deshalb hat Gott uns mehr als ein Evangelium gegeben. Aber nicht nur zwei, wie Matthäus und Markus, sondern zweimal zwei, um ein besonders glaubwürdiges Zeugnis zu liefern.
So sehen wir: Matthäus wurde von einem Apostel geschrieben. Markus war kein Apostel, aber ein neutestamentlicher Prophet, der unter der Inspiration des Heiligen Geistes ein Bibelbuch schreiben konnte. Das können nur Schriftpropheten. Lukas war ebenfalls kein Apostel, aber ein Prophet. Johannes hingegen war ein Apostel. Damit haben wir zwei Apostel und zwei Propheten.
Wie konnte man eigentlich wissen, welche Bücher zum Neuen Testament gehören sollten? Das Kriterium findet sich in Epheser 2,20: Die Gemeinde ist als Tempel Gottes auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut. Um ein Bibelbuch als Gottes Wort zu akzeptieren, musste es nachweislich von einem Apostel Jesu Christi geschrieben sein.
Der Titel „Apostel Jesu Christi“ wird nur für die Zwölf, also die Apostel der zwölf Stämme Israels, und für Paulus verwendet, der Apostel für die Heidenvölker ist. Ein Buch musste also entweder von einem dieser Apostel stammen oder von einem Propheten, der von diesen Aposteln als solcher anerkannt wurde.
Darum wurde Matthäus akzeptiert, weil er Apostel war. Markus war ein Prophet, der durch Petrus speziell anerkannt wurde. Petrus nennt ihn sogar „mein Sohn“ in 1. Petrus 5,13, weil er eine besondere Glaubensbeziehung zu ihm hatte. Markus kam durch Petrus zum Glauben. Dann haben wir Lukas, einen Propheten, und Johannes, einen Apostel.
Ja, jetzt wenden wir uns der Apostelgeschichte zu. Es soll ein Drohnenflug sein. Ich lese aus dem Skript:
Die Apostelgeschichte beschreibt die ersten drei Jahrzehnte der Weltmission. Ausgangspunkt ist das Vier-Punkte-Programm des Messias in Apostelgeschichte 1,8: Jerusalem, Judäa, Samaria bis an das Ende der Erde. Das Buch endet überraschend abrupt, um gewissermaßen anzudeuten: Hier endet nur der Bericht des Lukas. Die Mission sollte aber weitergehen, wie wir wissen, bis heute, fast zweitausend Jahre später.
Wir lesen den Schlüsselvers Apostelgeschichte 1,8:
Der Auferstandene sagt zu den elf Aposteln: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.“
Und als er dies gesagt hatte, wurde er emporgehoben, indem sie es sahen, und eine Wolke nahm ihn vor ihren Augen hinweg.
Jesus gibt ein Missionsprogramm in vier Punkten. Alles sollte beginnen in der Hauptstadt Israels, in Jerusalem. Nun können wir daran die Apostelgeschichte entwickeln oder auslegen.
In Kapitel 2 haben wir den Pfingsttag, die Entstehung der Gemeinde. In den Kapiteln 3, 4, 5, 6 und 7 finden wir, wie Punkt eins ausgeführt wurde: Das Evangelium wurde verkündigt in Jerusalem, und zwar genau ein Jahr lang.
Das führe ich jetzt nicht aus, weil ich das anderswo in einem Vortrag über die Chronologie des Neuen Testaments bereits getan habe. Man kann anhand der Chronologie des Neuen Testaments zeigen, dass von Pfingsten bis zur Steinigung des Stephanus in Apostelgeschichte 7, Anfang Kapitel 8, ein Jahr verging.
In dieser Zeit wurde Jerusalem mit dem Evangelium in ganz besonderer Weise bedient. Die Gemeinde kam tagtäglich im Tempel zusammen, lesen wir in Apostelgeschichte 2 und in den folgenden Kapiteln. Dort konfrontierten sie ständig die Menschen im Tempel mit dem Evangelium.
Auch viele Priester kamen zum Glauben, Kohanim, wie es in Kapitel 6 heißt. Sie erkannten, dass das, was sie tagtäglich mit den Opfern taten, nun erfüllt worden war durch den Messias, der gemäß Jesaja 53 als Opfer für unsere Sünden gestorben ist.
So sind viele der Kohanim zum Glauben gekommen. Tausende kamen zum Glauben. Die Zahl der Männer wird mit 5.000 beziffert. Wenn man die Frauen noch dazurechnet, sind es schon Zehntausende.
Also geschah in Jerusalem viel, als Punkt eins ausgeführt wurde.
Übrigens, das ist dieses Jahr, das der Herr Jesus in dem Gleichnis in Lukas 13,6-9 erwähnt. Dort spricht er darüber, wie jemand drei Jahre lang am Feigenbaum vorbeikommt und nach Frucht sucht, aber keine findet.
Der Feigenbaum ist in der Bibel ein Bild für Israel. Der Herr Jesus hat gemäß den Evangelien drei Jahre lang in ganz Israel gepredigt und gewirkt. Er suchte Frucht. Viele Menschen hörten zu, doch nur wenige nahmen ihn auf und wurden Kinder Gottes.
Schließlich wird in dem Gleichnis das Urteil gesprochen: Der Feigenbaum sei unnütz und solle umgehauen werden. Dann sieht man im Gleichnis der Weingärtner ein Bild des Heiligen Geistes. Dieser setzt sich beim Besitzer ein und sagt: "Ich will noch ein Jahr, um den Feigenbaum herum graben, Dünger legen und versuchen, ob er nicht doch noch Frucht bringt."
Dieses zusätzliche Jahr dauerte bis zur Steinigung von Stephanus. Israel hätte somit nochmals eine Chance gehabt, als Nation den Messias aufzunehmen. Doch das endete schließlich mit Stephanus, der vor dem obersten Gerichtshof, dem Sanhedrin, in der kündigten Säulenhalle am Südende des Tempelplatzes stand.
Er sagte: "Ich sehe den Himmel offen." Über ihm war die Zedernholzdecke der Königin-Säulenhalle. Er fuhr fort: "Ich sehe den Himmel offen und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen." Das ist sensationell.
Wir haben noch in Markus 16 gelesen, dass der Herr in den Himmel hinaufgegangen ist und sich zur Rechten Gottes gesetzt hat. Es steht geschrieben: Er sitzt zur Rechten Gottes.
Nun, eine Hausaufgabe: Alle Stellen in den Psalmen zusammentragen, in denen Gott aufgerufen wird, er möge aufstehen. Es gibt dabei ähnliche Ausdrücke, zum Beispiel Psalm 68 am Anfang: „Möge Gott aufstehen“ oder Gott sagt, „jetzt will ich aufstehen und eingreifen“. Das sind Gebete, in denen der Messias von seinem Thron im Himmel aufsteht, vom Himmel herabkommt und in dieser Welt eingreift.
Herr Jesus hätte aufstehend den Sanhedrin, den obersten Gerichtshof, zur Buße bringen können. Das leuchtende, brennende Zeugnis des Heiligen Geistes durch Stephanus wurde angenommen. Wäre er hergekommen, hätte er das messianische Reich aufgerichtet. Doch sie haben Stephanus getötet. Daraufhin begann eine massive Christenverfolgung. Die ganze Gemeinde, tausende von Leuten, wurde aus Jerusalem hinaus vertrieben – wohin? Nach Galiläa und dann nach Samaria.
Jetzt müssen Punkt zwei und drei in Erfüllung gehen. Und das ist wirklich geschehen, ganz im Sinne von Lukas 10, Vers 1.
Lukas 10, Vers 1: In Vers 1 sendet der Herr die siebzig Jünger aus. In Vers 2 sagt er: „Die Ernte ist zwar groß, aber die Arbeiter sind wenige. Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte.“
Das Wort „aussenden“ hier ist ein spezielles Wort: „Ekkballo“. „Ekk“ bedeutet „aus“ und „ballo“ bedeutet „werfen“. Unser Wort „Ball“ ist übrigens urverwandt mit „ballo“. So wie man den Ball hinauswirft, so werden die Arbeiter hinausgeworfen.
Und das ist geschehen ab Apostelgeschichte 8: Die ganze Gemeinde wurde aus Jerusalem hinausgeworfen, um das Evangelium weiterzubringen. Ich lese in Apostelgeschichte 7, aber zuerst das, was dort nicht steht.
Stellen Sie sich vor: Die ganze Gemeinde wird verfolgt, nur die Apostel bleiben in Jerusalem übrig. Sie konnten sich dort in Sicherheit bringen. Aber dann lesen wir in Apostelgeschichte 8, Vers 4: „Die Zerstreuten ...“ Ich wollte zuerst falsch lesen: „Die Zerstreuten gingen umher und versteckten sich hinter jedem Busch.“ Das wäre ja menschlich zu erwarten, wenn Druck herrscht.
Aber es ist erstaunlich: Sie gehen umher und verkündigen das Wort. Wörtlich steht hier „Euangelizo“, also das Evangelium verkündigen. Alle haben das Evangelium verkündet, nicht nur die Evangelisten. Alle haben das Werk eines Evangelisten getan und die frohe Botschaft weitergegeben.
So wurden Punkt zwei und drei erfüllt: Galiläa und Samaria. Ab Vers 5 wird beschrieben, wie Philippus, der Evangelist, nach Samaria ging, und es gab eine richtige Erweckung dort. Viele Samaritaner kamen zum Glauben.
Das ist übrigens ein Grund, warum es heute nur noch so wenige Samaritaner gibt. Es gibt zwei Gründe dafür: Erstens wurden viele Samaritaner gläubig, wurden errettet und haben dadurch ihre samaritanische Identität verloren. Sie brauchten sie nicht mehr, da sie als Christen zur Gemeinde gehörten.
Zweitens wurden die Samaritaner in der Geschichte sehr stark verfolgt. Dadurch wurden sie immer mehr dezimiert. Heute gibt es noch eine Gruppe von Samaritanern auf dem Berg Garizim, oberhalb von Nablus, und eine zweite Hälfte wohnt in Cholon bei Tel Aviv. Das sind ungefähr tausend Leute.
Es hängt auch damit zusammen, dass viele Samaritaner zum Glauben kamen, wie hier beschrieben wird. Lukas schildert in der Apostelgeschichte drei Porträts von Einzelbekehrungen.
In Apostelgeschichte 8,26 wird der Kämmerer von Äthiopien beschrieben. Er reiste von Afrika nach Jerusalem, um den wahren Gott kennenzulernen. Dabei kaufte er das Buch Jesaja, das auf Griechisch verfasst war, und wollte dann wieder nach Afrika zurückkehren. Auf dem Heimweg wurde er von Philippus erreicht, der ihm das Evangelium verkündete, insbesondere anhand von Jesaja 53. Der Kämmerer kam zum Glauben, ließ sich taufen und ging glücklich zurück nach Afrika. Das ist ein wunderbarer Anfang der Schwarzafrika-Vision.
Dann beschreibt Lukas in Apostelgeschichte 9 die Bekehrung von Saulus aus Tarsus. In Apostelgeschichte 10 folgt die Bekehrung des Hauptmanns Cornelius aus der italischen Truppe. Diese war eine spezielle Militäreinheit aus Italien, die nach Israel versetzt wurde.
Diese drei Personen stehen symbolisch für drei Kontinente: Afrika (der Kämmerer), Asien (Saulus, der Jude, da Israel in Asien liegt) und Europa (Cornelius, der Italiener). Interessanterweise entsprechen diese drei Kontinente den drei Söhnen Noahs. Die Schwarzafrikaner stammen von Ham ab, über dessen Sohn Kusch. „Kusch“ bedeutet auf Deutsch „Schwarz“ und ist im Alten Testament das typische Wort für Äthiopien oder auch Sudan, aber eigentlich für ganz Schwarzafrika, da sich die Schwarzafrikaner über Kusch bis nach Südafrika ausgebreitet haben.
Der Schwarzafrikaner ist also ein Hamit, Saulus als Jude ein Semit, und der Italiener Cornelius ein Japhethit – die drei Söhne Noahs. Was bedeutet das? Gott möchte alle Menschen erreichen und mit dem Evangelium erreichen.
In 1. Mose 10 finden wir ein wunderbares Kapitel mit 70 Namen, die sogenannte Völkertafel. Dort werden die Söhne Noahs, ihre Nachkommen und weitere Stämme aufgelistet. Es wird erklärt, wie von ihnen aus die ganze Welt bevölkert wurde.
1. Mose 10 nimmt also vorweg, was in 1. Mose 11 mit dem Turmbau zu Babel, der Sprachenverwirrung und der Zerstreuung beschrieben wird. Deshalb nennt man dieses Dokument richtigerweise die Völkertafel oder Gottes Missionsdokument im Alten Testament.
Nach dem Turmbau von Babel haben sich die Völker und Stämme ausgebreitet, sind ihre eigenen Wege gegangen und haben eigene Religionen aufgebaut. Sie entfernten sich immer mehr von Gott, wie es im Römerbrief Kapitel 1 sehr eindrücklich beschrieben wird. Sie wollten den Schöpfergott nicht verehren, sondern errichteten ihre eigenen Naturreligionen.
Gott zeigt jedoch mit 1. Mose 10, dass er die Völker trotz der Zerstreuung nie vergessen hat. Sie sind mit diesen siebzig Namen dokumentiert.
In 1. Mose 11 wird die Zerstreuung der Völker ab Babel beschrieben. Im gleichen Kapitel folgt der Stammbaum Abrahams, und schließlich in Kapitel 12 wird berichtet, wie Gott Abraham berief, Stammvater Israels zu werden.
Man könnte nun denken: Das war Erwählung – Gott hat Israel durch Abraham erwählt und die anderen Völker verworfen. Das ist falsch!
Erwählung bedeutet nicht, dass die anderen verworfen sind. Die Erwählung Abrahams und Israels war vielmehr eine Chance für alle anderen Völker. Denn Gott sagt zu Abraham in 1. Mose 12, Vers 3: „In dir werden gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“
Gott hat also geplant: Die Völker gehen ihren Weg. Ich nehme einen heraus, Abraham, aus dem mein auserwähltes Volk hervorgeht. Aus diesem Volk kommt schließlich mein Sohn als Mensch, der Messias. Er wird am Kreuz sterben, im Blick auf alle Völker. Danach soll die frohe Botschaft zu allen Völkern kommen.
Hier sind wir jetzt in der Apostelgeschichte. Die vier Evangelien zeigen, wie der Herr Jesus gekommen ist und das Erlösungswerk für Israel und alle Völker vollbracht hat. Die Apostelgeschichte zeigt, wie Gott an das Dokument in 1. Mose 10 denkt: Alle Völker sollen mit dem Evangelium erreicht werden.
Darum präsentiert Lukas diese drei Bekehrungsporträts – und das Schöne ist, dass zuerst die Afrikaner erwähnt werden.
Die Geschichte der Sklaverei in Amerika ist sehr übel. Noch schlimmer ist, dass manche versucht haben, die Sklaverei mit der Bibel zu rechtfertigen. Sie sagten, die Nachkommen Hams seien verflucht. Wie bitte?
Man muss 1. Mose 9 neu lesen: Dort steht, dass Noah nicht Ham verflucht hat, sondern Kanaan, den Stammvater der Kanaaniter. Diese sind zwar Hamiten, aber keine Schwarzen. Die Schwarzen stammen über die Linie von Kusch, und Kusch war nicht verflucht. Es ist also vollkommen falsch, dass Schwarze verflucht wurden.
Das muss man erklären, denn es ist vielen nicht bekannt. Man könnte sagen: Noah hat Japheth und Sem (Shem) gesegnet, aber Ham nicht. Und der, der keinen Segen erhielt, wird in diesen drei Porträts zuerst erwähnt – wie er zum Glauben kam und glücklich nach Afrika zurückkehrte.
Dann folgt der Semit Saulus und schließlich der Japhethit Cornelius, um zu zeigen: Gott will alle Völker, er will alle Menschen.
Jetzt verstehen wir auch besser, warum das Sprachenreden in der Apostelgeschichte so wichtig ist. Am Pfingsttag wurde in all diesen Sprachen gesprochen, weil Gott damit zeigen wollte: Jetzt ist es vorbei, ich rede nicht mehr nur Hebräisch oder Aramäisch zu einem Volk, sondern in allen Sprachen zu allen Völkern.
Darum nennt Paulus die Sprachenrede in 1. Korinther 14 ein Zeichen. Dieses Wunder der Sprachenrede wird in der Apostelgeschichte präsentiert, zuerst in Apostelgeschichte 2, dann in Kapitel 10 und Kapitel 19. Es soll zeigen: Jetzt ist die Zeit, dass das Evangelium allen Völkern verkündigt wird.
Aber das war nur ein Zeichen. Das sollte nicht bedeuten, dass die Bibelübersetzung so geschehen wird, dass Visionare zuhause bleiben, schön geschützt vor Malaria, in Zungen reden und die Bibelübersetzung aufschreiben. Gott hätte es so machen können. Dann könnte man die Übersetzung hier drucken lassen oder in Taiwan, wo es etwas billiger ist, und sie dann nach Afrika oder wo auch immer schicken. Die Missionare müssten das Land nicht verlassen und sich nicht vielen Entbehrungen und Krankheiten aussetzen. Das wäre doch einfach.
Aber Gott hat es anders beschlossen. Die Sprachen sollten nur ein Zeichen sein. Das wollte Gott, aber ausführen musste man es so, dass man ins Land geht, gut zuhört, aufschreibt, fragt, nachfragt und jahrelang kämpft, bis man schließlich das Neue Testament hat und dann das Alte. Es geht nicht allein über Sprachenreden. Gott hätte es gekonnt, aber er hat es nicht so gemacht, weil das Zeichen eben nur ein Zeichen ist.
Ein Vergleich: Über der Tür gibt es ein Zeichen mit einem Pfeil, das zeigt, wo der Notausgang ist. Wenn es plötzlich zu brennen beginnt, soll man nicht dort durchgehen, wo das grüne Zeichen ist, denn das ist nicht gut für den Kopf, sondern etwas weiter unten. Der Pfeil weist darauf hin, dass man eben nicht oben durchgehen soll, sondern unten durch die Tür.
So ist das Zeichen nicht das Eigentliche, sondern es weist auf etwas hin, auf das Eigentliche. Und so ist es auch mit der Sprachenrede.
In Apostelgeschichte 13 wird die erste Missionsreise von Paulus beschrieben. Darauf folgen die zweite, die dritte und die vierte Missionsreise. So gelangen wir bis Kapitel 28. Dort wird gezeigt, wie das Evangelium nicht nur in Jerusalem und Judäa weitergeht – ich habe die ganze Zeit von Galiläa und Judäa gesprochen, man kann also Judäa durch Galiläa austauschen –, sondern auch nach Samaria und schließlich bis ans Ende der Erde.
Paulus ging schließlich bis nach Rom. Er kam aus einem ganz bestimmten Grund dorthin. Einige Kapitel vor dem Ende der Apostelgeschichte wird berichtet, dass Paulus, weil er wegen seiner Missionsarbeit angegriffen wurde, sich auf den Kaiser berief. Er sagte: „Ich berufe mich auf den Kaiser.“ Deshalb musste er vor das oberste Gericht in Rom gebracht werden. So brachte er das Evangelium bis nach Rom.
In Apostelgeschichte 28 endet die Geschichte jedoch anders, als man es zunächst erwartet. Wenn man die Apostelgeschichte zum ersten Mal liest und sieht, wie Paulus sich auf den Kaiser beruft, liest man Kapitel für Kapitel gespannt weiter und möchte wissen, was bei dem Prozess geschieht. Doch es endet in Apostelgeschichte 28, Vers 30, mit den Worten: „Er aber blieb zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Haus und nahm alle auf, die zu ihm kamen, indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, mit aller Freimütigkeit ungehindert lehrte.“
Paulus muss also warten, bis die Ankläger aus Israel kommen. Und diese Wartezeit dauert zwei Jahre! Er darf zwar in einem gemieteten Haus wohnen, allerdings üblich gefesselt an zwei Soldaten. Doch die Ankläger kommen nicht – die erwartete Pointe bleibt aus. Das Buch endet so, als wäre es nicht fertig.
Tatsächlich wurde Paulus später wieder freigelassen, was wir aus seinen Briefen erfahren. Darauf gehen wir beim nächsten Mal ein, mit dem Römerbrief und anderen Schriften. Dort sehen wir auch die Stelle, an der Paulus aus seiner ersten Gefangenschaft befreit wurde.
Es gab ein römisches Gesetz, das besagte, dass der Angeklagte freigesprochen wird, wenn die Ankläger nicht innerhalb von zwei Jahren erscheinen. Das ist die Grundlage dafür, dass Paulus im Philipperbrief und an anderen Stellen sagt, er werde bald frei sein. Und tatsächlich wurde er frei – doch das wird in der Apostelgeschichte nicht erwähnt.
Warum nicht? Weil die Apostelgeschichte einen offenen Schluss haben soll. Sie möchte uns zeigen, was in diesen 28 Kapiteln dargestellt wird: die ersten drei Jahrzehnte des Christentums, vom Jahr 32 bis zum Jahr 62. Aber diese Missionsgeschichte von 30 Jahren war nicht alles. Sie ging weiter bis heute, bis ins 21. Jahrhundert.
Jesus sagte in Matthäus 24 voraus, dass er erst in Macht und Herrlichkeit wiederkommen wird, wenn alle Nationen das Evangelium erreicht haben. Übrigens steht dort nicht „alle Völker“. Luther übersetzt „Völker“, aber im Originaltext steht nicht „Laos“, das Wort für Volk, sondern „Ethnos“, was eine größere Einheit bedeutet.
Ein Ethnos umfasst viele verschiedene Völker und auch Stämme. Zum Beispiel gehört Indien zu einem Ethnos, obwohl es viele Völker und Stämme gibt. Alle Nationen sollen erreicht werden – und das ist heute der Fall. Nicht alle Menschen und nicht alle Stämme sind erreicht, aber alle Nationen sind erreicht.
Im 21. Jahrhundert geschieht also das, was Jesus gesagt hat: Das Evangelium des Reiches wird allen Nationen verkündigt. Erst dann wird das Ende kommen. Das „Ende“ in Matthäus 24 ist der spezifische Ausdruck für die große Drangsal, die letzten dreieinhalb Jahre, die noch nicht begonnen haben. Es ist der letzte Weltkrieg, bevor Jesus in Macht und Herrlichkeit zurückkehrt. Doch alle Nationen sind inzwischen erreicht.
Und die Entrückung war nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt beschränkt; sie kann jeden Tag geschehen.
Ist es nicht eine Ermutigung, wenn wir die Apostelgeschichte lesen? Dort sehen wir das Beispiel der ersten Zeugen. Wir erkennen ihre Treue, ihre Hingabe, ihre Schwierigkeiten, ihre Nöte und auch ihr Versagen. Ich erinnere nochmals an Johannes Markus, der in der Türkei nicht auf den Berg hinaufkam.
Doch all das macht uns Mut, voranzugehen und in den Fußstapfen der ersten Zeugen in Treue das zu vollenden, was der Herr damals den Gläubigen anvertraut hat.
So wollen wir hier schließen und beim nächsten Mal mit dem Römerbrief, dem 1. Korintherbrief, dem 2. Korintherbrief und so weiter weitermachen.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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