Wir fahren weiter in 1. Mose 16, Vers 7, aber zuvor noch ein kleiner Nachtrag. Es sind nicht 55 Minuten, aber es heißt doch in Vers 2 – liest du gerade? Max, Vers 2 aus Kapitel 16: „Und Sarai sprach zu Abram: Sieh doch, der Herr hat mich verschlossen, dass ich keine Kinder gebären kann.“
Das reicht. Es klingt schon sehr vom Glauben her geprägt: „Der Herr hat mich verschlossen.“ Aber danach folgt ein Rat, der wirklich nicht vom Herrn kommt. Im gleichen Vers sagt sie: „Geh doch ein zu meiner Magd.“ Sie nimmt den Herrn dabei angeblich mit hinein, macht damit aber auch Gott einen Vorwurf. Eigentlich ist der Herr an der ganzen Schuld schuld, dass wir jetzt einen etwas anderen Weg gehen müssen.
Abraham hätte eben sagen müssen: „Nein, da kann ich nicht hören.“ So wie Adam damals nicht auf den Rat hätte hören sollen, von der Frucht zu essen. Aber er hat es getan – durch Verführung. Adam hat es ganz bewusst gemacht. Darum steht auch in Hosea 6, dass Adam den Bund gebrochen hat. Das war wirklich vorsätzlich.
Was der Mann gemacht hat, war schlimmer als das, was Eva gemacht hatte, denn es war Sünde. Aber was der Mann gemacht hatte, das war bewusst. Eva war einfach verblendet, und da macht Gott einen Unterschied.
Nun sehen wir, dass Abraham, wie wir noch besprochen haben, am Schluss der letzten Stunde sich großmütig gegenüber Sarah zeigt. Er sagt: „Mach mit ihr, was du denkst, was richtig ist.“ Und sie tut etwas, das nicht richtig ist. Sie lässt ihre Eifersucht an Hagar aus, so sehr, dass diese leidet und nur noch fliehen kann. Sie flieht in die Wüste.
Jetzt lest doch bitte die Verse sieben bis neun.
Der Engel des Herrn fand sie bei einem Wasserbrunnen in der Wüste, beim Brunnen auf dem Weg nach Schur. Er sprach zu ihr: „Hagar, du Magd der Sarai, wo kommst du her und wohin willst du gehen?“ Sie antwortete: „Ich bin von meiner Herrin Sarai geflohen.“
Der Engel des Herrn sprach zu ihr: „Kehre zurück zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand.“ Dann sagte der Engel des Herrn zu ihr: „Siehe, ich will deinen Samen so mehren, dass er vor großer Menge unzählbar sein wird.“
Weiter sprach der Engel des Herrn zu ihr: „Siehe, du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären. Diesem sollst du den Namen Ismael geben, weil der Herr dein Jammern erhört hat. Er wird ein wilder Mensch sein, seine Hand gegen jedermann und jedermanns Hand gegen ihn. Er wird allen seinen Brüdern trotzig gegenüberstehen.“
Sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: „Du bist der Gott, der mich sieht.“ Als sie das sagte, sprach sie: „Hier habe ich nicht dem nachgesehen, der mich sieht.“ Darum nannte sie den Brunnen „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“. Er liegt zwischen Kadesch und Bared.
Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram gab seinem Sohn, den ihm Hagar geboren hatte, den Namen Ismael. Abraham war sechsundachtzig Jahre alt, als Hagar ihm Ismael gebar.
In der Wüste wird hier plötzlich der Engel des Herrn erwähnt, hebräisch Malach Adonai. Dabei steht Adonai für den Namen Yahweh, den Ewigseinsenden, den Unwandelbaren.
Man muss übrigens unbedingt mit „Der Engel des Herrn“ übersetzen. Eine Übersetzung mit „Ein Engel des Herrn“ ist nicht korrekt. Warum? Malach hat keinen Artikel, heißt also nicht Ham Malach. Aber im Hebräischen ist es so: Wenn ein Wort in Genitivverbindung zu einem Namen steht, ist das Wort determiniert. Das bedeutet, es verhält sich, als hätte es einen bestimmten Artikel. Man kann also nicht sagen „Ham Malach Adonai“, sondern nur „Malach Adonai“. Durch den Namen Adonai, also Yahweh, ist das Wort festbestimmt wie mit einem Artikel. Daher muss zwingend mit „der Engel des Herrn“ übersetzt werden.
Wer ist dieser Engel des Herrn? Es ist nicht irgendein Engel. Die klare Antwort lautet: Jesus. Aber wir müssen das noch näher erläutern.
Malach bedeutet im Hebräischen einfach „ein Gesandter“. Dieses Wort wird für Engel verwendet, also für die Wesen, die wir im Deutschen Engel nennen. Engel sind Geister, die Gott erschaffen hat als Diener. Hebräer 1,14 sagt von den Engeln: „Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt, um denen zu dienen, die die Seligkeit ererben sollen?“
Das Wort Malach wird aber auch für Gesandte gebraucht, zum Beispiel von einem König. In 2. Könige 1 wird von Boten des Königs gesprochen, die ebenfalls Malach genannt werden. Dort kann man nicht mit „Engel des Königs“ übersetzen, sondern es sind einfach Abgesandte.
Nun stellt sich die Frage: Wer ist dieser Abgesandte des Herrn? Im Text wird das klar, wenn wir Vers für Vers durchgehen. Dieser Engel des Herrn, oder besser gesagt der Abgesandte des Herrn, trifft Hagar in der Wüste. Es heißt, er findet sie. Man erkennt: Er ist eigentlich ein guter Hirte.
Wir werden sehen, dass er der gute Hirte ist, der das verlorene Schaf sucht und findet – genau wie im Gleichnis in Lukas 15, wo Jesus von dem einen Schaf spricht, das verloren gegangen ist. Der Hirte geht ihm nach, bis er es findet, und trägt es nach Hause. Das ist der gute Hirte.
Weiter heißt es, dass er zu Hagar spricht: „Magzarais, woher kommst du und wohin gehst du?“ Er stellt ihr ganz grundlegende Fragen. Ich glaube, das sind die wichtigsten Fragen des Lebens, über die wir nachdenken müssen: Woher kommen wir? Woher komme ich? Und wohin gehe ich?
In den frühen Jahrhunderten der Kirchengeschichte, als Missionare nach England und Schottland gingen, gab es folgende Begebenheit: Missionare saßen zusammen mit Heiden in einem Raum. Es war Nacht, und Fackeln brannten an den Wänden. Plötzlich kam ein Vogel durch ein geöffnetes Fenster herein, drehte einige Runden im Raum und flog dann durch ein anderes Fenster wieder hinaus in die Nacht.
Die Heiden sagten zu den Missionaren: „Wir sind genau wie dieser Vogel. Wir wissen nicht, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wenn ihr uns diese Fragen beantworten könnt, wollen wir Christen werden.“
Diese Antwort war natürlich möglich, weil die Bibel uns genau sagt, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wenn der Bote des Herrn gefragt wird: „Woher kommst du und wohin gehst du?“, bezieht sich das auf die Situation, in der er sich befindet. Er hätte sagen müssen: „Ich habe riesige Probleme, die ich nicht lösen kann, und deshalb bin ich in die Wüste gegangen.“ Ein Frauenhaus gab es damals nicht. Die Frage lautet also: „Woher kommst du? Aus riesigen Problemen, die ich nicht lösen kann. Wohin gehst du? Keine Ahnung, die Zukunft ist für mich völlig unklar.“
Wenn man darüber nachdenkt, kann man diese Frage noch weiter ausdehnen. Es ist die Frage, die Gott uns stellt: „Woher kommst du und wohin gehst du?“ Dazu kann man eine dritte Frage ergänzen, die Gott Adam nach dem Sündenfall gestellt hat. In 1. Mose 3,9 heißt es: „Wo bist du?“
Das ist bemerkenswert, denn das Erste, was Gott nach dem Sündenfall sagt, ist kein Vorwurf. Er ruft: „Wo bist du?“ Die beiden Menschen hatten sich zwischen den Bäumen versteckt, weil sie Angst vor Gott hatten. Doch dann kommt Gott, der gute Hirte, und fragt: „Wo bist du?“
Im Hebräischen ist dieses Wort „Ajekka!“ noch viel eindringlicher. Es bedeutet auf Deutsch „Wo bist du?“ mit Nachdruck, fast wie ein Ruf. Das ist Gottes Ruf an den Menschen.
Wir sehen das auch schon in Lukas 19,10 vorweggenommen. Dort geht es um die Geschichte von Zachäus. Jesus geht durch Jericho, findet das verlorene Schaf und sagt in Vers 10: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist.“
Jesus fragt uns: „Wo bist du? Woher kommst du und wohin gehst du?“ Die Antwort darauf ist oft komplex. Zum Beispiel sagt jemand: „Ich fliehe von meiner Herrin Sarai.“ Das ist eine gute Antwort, denn man kann nicht alle Probleme in einem Satz fassen. Aber diese Antwort sagt schon sehr viel aus.
Und dann lesen wir wieder: Der Engel oder eben der Abgesandte des Herrn sprach zu ihr: „Kehre zu deiner Herrin zurück und demütige dich unter ihrer Hand.“ Er gibt ihr den Rat, jetzt nicht von dem Problem wegzugehen, sondern sie soll versuchen, einen Weg zu finden, in dieser Situation mit dieser Frau zurechtzukommen.
Man kann Probleme lösen, indem man einfach weggeht, und dann hat man nichts mehr miteinander zu tun. Aber der Bote des Herrn sagt: „Kehre zu ihr zurück und akzeptiere sie als Herrin.“ Das war das Problem. Plötzlich hatte sie die Herrin verachtet, und das war nicht gut von ihrer Seite. Also unterstellt er ihr, dass sie das Problem damit besänftigen könnte.
Weiter heißt es in Vers 10: „Und der Abgesandte des Herrn sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommenschaft sehr mehren, dass sie nicht gezählt werden kann vor Menge.“ Da bekommt sie eine grandiose Zusage: „Ich will deine Nachkommenschaft“, wörtlich „ich will deinen Samen“, so heißt es im alten Elbefelder Text, „ich will deinen Samen sehr mehren.“ Das heißt also, dieser Ismael, der geboren werden soll, soll zu einer großen Nation werden.
Das klingt ganz ähnlich wie das, was Gott Abraham verheißen hat. Aber für die Linie der Verheißung – wir werden noch sehen – sollte die Linie von Isaak sein und nicht von Ismael. Isaak gab es ja noch nicht. Und das wird ihr gesagt: Eine wunderbare Verheißung gibt ihr Gott, um ihr Mut für die Zukunft zu machen. Das hätte sie ja nicht gewusst, um zu sagen: „Wohin gehst du? Ich werde eine große Nachkommenschaft bekommen.“ Nein, sie sah nur noch ein Problem: „Ich bin schwanger, aber was aus mir wird, ist überhaupt nicht klar.“
Weiter ist zu beachten: Wer wird diese Nachkommenschaft mehren? Ja, der Engel des Herrn. Jetzt hören wir auf, Engel zu sagen, weil man im Deutschen sofort an ein dienstbares Geistwesen denkt. Nein, das ist göttliche Rede. Gott kann Nachkommenschaft geben, das kann kein Geschöpf. Hier spricht der Schöpfer. Er sagt nicht: Gott wird die Nachkommenschaft sehr mehren, sondern „ich will deine Nachkommenschaft mehren, dass sie nicht gezählt werden kann von der Menge.“ Also wird schon klar, wer das ist.
Vers 11: „Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Siehe, du bist schwanger und wirst deinen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Ismael geben, denn der Herr hat auf dein Elend gehört.“ Das klingt ganz ähnlich wie die Verheißung für den Messias. In Jesaja 7,14 können wir das nachlesen, viele Jahrhunderte später sollte Jesaja schreiben: „Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird ihm den Namen Immanuel geben.“ Das ist der Messias, und das klingt ganz ähnlich.
Nur Immanuel heißt „Gott mit uns“, das ist einer der vielen Namen des Messias. Aber hier geht es um Ismael. Die Nachkommenschaft von Hagar, das wird Ismael sein, wird ein großes Volk werden, sehr ähnlich wie Israel, aber es ist nicht Israel, es ist parallel. Hagar soll einen Sohn bekommen namens Ismael, und das klingt ganz ähnlich wie die Verheißung für den Erlöser, aber es ist natürlich nicht der Erlöser.
Dann noch eine Zusage, Vers 12: „Er wird ein wilder Esel von einem Menschen sein.“ Ja, das klingt nicht sehr lobenswert, aber es ist schon ein besonderes Tier. Wir haben das erste Mose 16, Vers 12, nicht wahr? „Pere, er wird ein Pere sein“, das ist eine ganz bestimmte Eselsart, die wird auch im Buch Jeremia erwähnt. Wir können kurz aufschlagen. Ich möchte ein biologisches Detail herausarbeiten.
Jeremia 2, Vers 24: „Liest du die Wildeselin, welche die Wüste gewohnt ist? Die Wüste gewohnt ist, die in der Begierde ihrer Lust nach Luft schnappt? Wer kann sie aufhalten in ihrer Brunst?“ Ja, da wird speziell von dieser Art gesprochen, es ist eben die gleiche Art „Pere“. Das ist nicht irgendein Esel, sondern biologisch Equus hemionus. Equus heißt Pferd, auf Deutsch sagen wir „Pferdeesel“. Er hat riesig große Nasenlöcher, und das ist ein Vorteil. Er ist besonders ausdauernd im langen Galopp, ein unglaublich ausdauerndes Tier voller Energie, aber eben zuhause in der Wüste.
Von diesem Wildesel oder eben wildem Pferdeesel wird in Hiob gesagt, dass er lacht über die domestizierten Esel, die auf das Schreien der Treiber hören. Und es ist wirklich so. Equus hemionus kann man nicht bändigen, man kann ihn nicht domestizieren. Natürlich ist der Hausesel verwandt, aber er ist ganz anders.
Dieser Wildesel lacht, so lesen wir es in Hiob. Wir können das kurz nachschlagen, Hiob 39, Vers 5: „Wer hat den Wildesel frei laufen lassen und wer hat Fesseln des Wildlings gelöst? Dem ich die Steppe zur Wohnung angewiesen habe, das salzige Land zum Aufenthalt. Er lacht über den Lärm der Stadt und das Geschrei des Treibers hört er nicht. Er ersieht sich die Berge zu seiner Weide und spürt alle grünen Kräuter nach.“
Er lacht über das Getümmel der Stadt und über den Hausesel, der sich zum Marktplatz treiben lässt von einem Menschen mit einem Stock in der Hand. Das akzeptiert er nicht. Er will nur totale Freiheit. Das ist dieses Tier.
So wird Ismael beschrieben: Er ist nicht zu bändigen. Und wir wissen natürlich, dass aus dieser Linie von Ismael später Mohammed kam. Er war ein Ismaeliter, und zwar aus der saudischen Wüste. Die Nachkommen von Ismael wurden zu zahlreichen arabischen Stämmen, vor allem im nördlichen Bereich der saudischen Halbinsel, und sind wirklich zu Hause in der Wüste. Das sind Wüstensöhne, und sie sind nicht zu bändigen. Das ist wirklich ihr Wesen. Unglaublich, wie pointiert das hier prophetisch ausgedrückt wird.
Da war noch eine Frage: „Herr Liege, können Sie mir die Absicht Gottes erklären, was dahintersteckt? Warum hat Hagar so einen wilden, dummen Mann bekommen, aus dem dann eigentlich ein Feind Israels wurde, die Nachkommen von einem Feind, der sehr feindlich ist?“
Ja, genau. Warum hat Gott das so gefügt oder zugelassen, dass daraus schließlich Feinde Israels wurden? Nun, das war wieder ein Glied in der Kette von Verfehlungen bei Abraham. Es kam eine Hungersnot. Anstatt Gott zu fragen, geht er einfach nach Ägypten hinab. Auf dem Weg sagt er seiner Frau, sie müsse lügen und sagen, sie sei seine Schwester, damit die Leute nicht wissen, dass sie seine Frau ist, sonst würden sie ihn töten. Dann will der Pharao sie heiraten.
Das Ganze flog auf, dass es eine Lüge war, und Schande kam über das Zeugnis Abrahams. Er geht zurück ins Land, und jetzt haben sie einen ägyptischen Markt. Sarai sagt, da können sie ihn heiraten. Er begeht wieder einen schweren Fehler in seinem Leben, indem er eine Zweitfrau heiratet. So geht die Kette weiter.
Später kam aus dieser Linie Mohammed, und daraus entstand der Islam. Das ist die Motivation für die Ablehnung Israels im Koran. Wir können sagen, dass die Verkettung der Konsequenzen der Sünden über 4000 Jahre hinweg ging, und wir leiden heute weltweit unter diesem Konflikt. Das zeigt eindrücklich: Sünde hat Folgen und Konsequenzen.
Weiter: Ein wilder Esel von einem Menschen sein, also nicht zu dressieren, seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn. Das sehen wir auch gerade im Nahen Osten. Die streiten alle miteinander, sogar innerhalb des Islams. Ständig ist Krach, Streit und Verfeindung. Aber das hat Gott so vorausgesagt, dass es so kommen wird.
Dann heißt es: „Und angesichts aller seiner Brüder wird er wohnen.“ In der Fußnote wird erklärt, der Esel werde zugleich östlich von allen seinen Brüdern sein. Dieser Ausdruck kommt auch in 1. Mose 25 in einem geografischen Sinn vor. „Angesichts von“ bedeutet im Althebräischen „östlich von“. So waren die Ismaeliter in der saudischen Wüste angesiedelt und östlich von vielen anderen verwandten Völkern, die mehr westlich waren, bis nach Ägypten. Hagar kam ja aus Ägypten. Es gibt also eine genetische Vermischung. Bei Ismael sind auch ägyptische, das heißt hamitische Gene vorhanden.
So wird in Kurzform prophezeit, wie das kommen würde.
Wir sind immer noch in diesem Dialog zwischen Hagar und dem Abgesandten des Herrn. Wir fragen uns immer noch, wer ist dieser Abgesandte des Herrn, der der gute Hirte ist, der Schöpfer, weil er die Nachkommenschaft mehren kann?
Jetzt heißt es in Vers 13: „Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist der Gott, der mich sieht.“ Jetzt wird der Name des Herrn mit Großbuchstaben genannt. Das heißt nicht, sie nannte den Namen des Gesandten des Herrn, der zu ihr redete, sondern den Namen des Herrn, der zu ihr redete.
Wer redete zu ihr? Der Gesandte des Herrn. Aber hier wird er als der Herr bezeichnet, das heißt hebräisch Yahweh, der Ewige, der Unwandelbare.
Es gibt mehr als eine Person in Yahweh. Wenn Yahweh hier der Gesandte von Yahweh ist, wie geht das? Ein orthodoxer Jude hat einmal gesagt, die Problematik von „der Engel des Herrn“, Malach Adonai, der nicht nur hier vorkommt, sondern in vielen Kapiteln des Alten Testaments, kann letztlich nur mit der Trinitätslehre gelöst werden. Die Lehre davon, dass der eine Gott eine Dreieinheit ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Jetzt wird klar: Der Gesandte des Herrn ist der Herr. In vielen anderen Stellen wird immer wieder der Gesandte des Herrn oder der Engel des Herrn mit dem Herrn gleichgesetzt. Hier also ganz klar.
Jetzt gibt Hagar dem Herrn einen besonderen Namen, Yahweh einen besonderen Namen. Sie nennt ihn: „Du bist der Gott des Schauens.“ Nachher heißt es: „Denn sie sprach: Habe ich nicht auch hier geschaut, nachdem er mich geschaut hat?“ Sie sagt, sie habe ihn angeschaut.
Der Engel des Herrn, wo er auch später in der Bibel vorkommt, ist eine Erscheinung in Menschengestalt. Sie hat ihn gesehen, aber sie wusste, diese Erscheinung ist der ewige Gott, Yahweh.
Darum sagt sie: „Du bist der Gott des Schauens.“ Denn sie sprach: „Habe ich nicht auch hier geschaut, nachdem er mich geschaut hat?“ Sie konnte ihn anschauen, und zwar nicht nur sie ihn, sondern auch er sie.
In Vers 7 heißt es: „Und der Bote des Herrn fand sie an einer Wasserquelle.“ Wer hat zuerst gesehen? Nicht Hagar, sondern der gute Hirte hat das verlorene Schaf zuerst gesehen. Dann hat sie ihn gesehen und erkannt, wer er ist.
Das ist hier zusammengefasst: „Habe ich nicht auch hier geschaut, nachdem er mich geschaut hat.“ Das erinnert uns an 1. Johannes 4, Vers 9: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“ Er hat zuerst in Liebe sie gesehen, und dann sie in Ehrfurcht und Liebe ihn.
Dann erklärt Mose: Darum nannte man den Brunnen, also dort in der Wüste, wo der Herr Hagar als verlorenes Schaf gefunden hat, „Be'er Lachai Ro'i“. Das ist nicht dasselbe wie oben „Du bist ein Gott des Schauens“, El Ro'i.
Hier heißt es „Be'er Lachai Ro'i“. Haben wir den Unterschied gehört? Nein, nicht Roi, sondern Ro'i. Hört man es nicht? Das O ist beim zweiten Mal länger. Ja, Roi, Ro'i.
In der hebräischen Schrift mit den Punkten und Strichen kann man unterscheiden, wie lange das O ist. Es sind nicht dieselben Wörter, sie klingen fast gleich. Darum ist es korrekt zu übersetzen: El Ro'i, das bedeutet „Du bist der Gott des Schauens“, also der Gott, den man anschauen kann und der auch mich gesehen hat.
Der Name des Brunnens betont, dass der gute Hirte das verlorene Schaf sieht. Die Aussage in Vers 13 als neuer Name, ein zusätzlicher Name für den Herrn: „Du bist der Gott des Schauens.“ Das heißt, du bist der Gott, der sich sehen lässt.
Das war für sie erstaunlich, weil Gott ja unsichtbar ist. Gott ist unsichtbar. Wie können wir erklären, dass sie ihn doch sehen konnte?
In 1. Timotheus 6, Vers 16 heißt es, dass Gott ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen je gesehen hat noch sehen kann. Johannes 1, Vers 18 sagt: „Der einzige Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgetan.“ Aber zuerst wird gesagt: „Niemand hat Gott jemals gesehen.“
Wie kann Johannes das schreiben: „Niemand hat Gott jemals gesehen“, aber Hagar hat gesagt: „Du bist ein Gott des Schauens.“ Wie kann Paulus schreiben, der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen je gesehen hat noch sehen kann?
Die Lösung ist ganz einfach, wenn man sie weiß: Gott ist in seiner absoluten Gottheit völlig unsichtbar, aber Gott hat die Möglichkeit, sich sichtbar zu machen in einer Gestalt, die für den Menschen erträglich ist. Darum erscheint er in Menschengestalt, auch schon im Garten Eden nach dem Sündenfall. Die Menschen hatten sich versteckt, und dann hörten sie den Herrn im Garten wandeln, und er rief: „Ajekka, wo bist du?“ Da kam er schon in Menschengestalt, aber er war noch nicht der Mensch. Das war eine Vorwegnahme, dass einmal in der Zukunft Gott, und zwar Gott der Sohn, Mensch werden würde. Der Vater würde den Sohn senden.
Dieser Sohn sagt in Johannes 6: „Ich habe den Vater gesehen.“ Warum kann er das sagen? Weil er selber Gott ist als Sohn. Niemand sonst kann Gott sehen in seiner absoluten Gottheit. Jesus konnte das, weil er selbst dieses unzugängliche Licht bewohnt.
Er erschien im Alten Testament in einer erträglichen Menschengestalt, aber das führte immer wieder zu Konflikten. Denken wir an Richter 13, als Manoah und seine Frau den Boten des Herrn gesehen haben. Sie erkannten: Das ist der Herr, das war nicht irgendeine Menschengestalt. Manoah sagte: „Wir müssen sterben.“ Seine Frau sagte ihm: „Nein.“ Wie wusste sie das?
Sie konnte es nicht lehrmäßig erklären, aber sie sagte quasi: „Weißt du, wenn Gott mit uns einen Plan hat und er uns jetzt ein Kind versprochen hat, das als Naziräer aufwachsen wird, wird er uns nicht töten.“ Sie hat mit ihrem Herzen die Sache verstanden, obwohl sie es nicht theoretisch erklären konnte.
Das ist wirklich so. Blaise Pascal, der eine Rechenmaschine erfand und das Pascalsche Dreieck entwickelte, war ein gläubiger Mann und sagte: „Le cœur connaît des raisons que la raison ne connaît pas.“ Das Herz erkennt Gründe, die die Vernunft nicht kennt.
Das ist ein schönes Wortspiel, das ausdrückt, dass man Dinge erkennen kann, auch wenn man sie nicht voll erklären kann. So war das für Hagar einfach wunderbar: Der unsichtbare Gott, und jetzt habe ich ihn sehen dürfen. Er hat mich gefunden, er hat mich gesehen in meiner Not, und jetzt schickt er mich zurück.
Dieser Brunnen in der Wüste sollte ein Monument, ein Denkmal werden: Be'er Lachai Ro'i.
Im Kapitel 24, Vers 62 werden wir wieder davon sprechen. Isaak geht am Abend hinaus, um nachzudenken, und er geht zum Brunnen Be'er Lachai Ro'i. Dort begegnet er zum ersten Mal seiner zukünftigen Frau, die von tausend Kilometern hergekommen ist. Er war beten gegangen, und dort bei einem Brunnen begegneten sie sich zum ersten Mal.
Noch etwas ganz Wichtiges: In Vers 15 heißt es: „Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram gab seinem Sohn, den Hagar geboren hatte, den Namen Ismael. Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als Hagar Ismael gebar.“ Wir sehen: Zehn Jahre haben sie gewartet, dann wurde ihr Glaube schwach. Da kam die dumme Idee, Gottes Wort umzudeuten. Das ging schief.
Genau das ist auch die Basis der Bibelkritik: Gottes Wort nicht so zu nehmen, wie es gemeint ist. Natürlich muss man ein Gleichnis als Gleichnis nehmen, aber einen historischen Text der Bibel muss man wörtlich nehmen. Man darf nicht sagen, es ist ein Gleichnis.
So muss man die Bibel wörtlich verstehen. Aber diese Art des Umdeutens, wenn Gott klar sagt, dass er ein Kind geben wird, und zwar nicht nach den Naturgesetzen, dann wird er es auch tun.
Sie kamen auf die Idee, das umzudeuten und sich nach heidnischen Gesetzen zu richten. Das war Anpassung an die Welt.
Römer 12 sagt, wir sollen uns verändern lassen und wegkommen vom weltlichen Denken.
Jetzt sehen wir, Abraham war 86, als Ismael geboren wurde. Wie geht die Bibel weiter in Kapitel 17? Abraham war 99 Jahre alt, da erschien der Herr ihm und sprach zu ihm.
Wie viele Jahre liegen dazwischen? Dreizehn Jahre. Was ist in dieser Zeit geschehen? Man findet nichts zwischen den Kapiteln. Nichts.
Dreizehn Jahre. Was hat Gott in dieser Zeit gesprochen? Nichts. Man sieht, dass das ein falscher Weg war. Gott spricht nicht mehr mit Abraham, und zwar ab dieser Heirat.
Das war ein Jahr, und dann 13 Jahre dazu, das sind 14 Jahre. Dann spricht Gott wieder nach 14 Jahren. Aber das ist schlimm. Man stelle sich vor: Man hat sich bekehrt, hat Freude an der Bibel, liest jeden Tag – gut, manchmal gibt es Ausnahmen – aber prinzipiell jeden Tag.
Man hat Freude an der Bibel und plötzlich sagt man sich: „Heute Morgen habe ich nichts gehabt von der Bibellektüre, vielleicht morgen auch nicht. Die Bibel spricht mich nicht an.“ Die ganze Woche, der ganze Monat, das ganze Jahr – vierzehn Jahre spricht die Bibel nicht mehr zu mir. Das ist grässlich. Aber das ist geschehen. Das war Gottes Antwort auf diesen falschen Weg: Gott spricht nicht mehr mit Abraham.
Man muss noch sagen: Im Alten Testament war Polygamie erlaubt? Das stimmt nicht. Es war immer falsch, in jedem Fall. Das zeigt uns, dass Gott nicht mehr spricht.
Bei Lamech kam dann die Sintflut. Nach 14 Jahren spricht Gott wieder. Was sagt er? „Ich bin Gott, der Allmächtige, wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen.“ Warum nennt er sich hier El Shaddai, Gott der Allmächtige? Um zu sagen: Abraham, ich brauche eure Tricks nicht. Dieser falsche Weg war nicht mein Weg. Ich bin der Allmächtige. Ich kann auch einem Hundertjährigen ein Kind geben.
Das wird dann auch in Kapitel 17 erklärt. Jetzt noch ein Jahr, und dann kommt die Erfüllung der Verheißung.
Fünfzehn Jahre bis vom falschen Weg mit Hagar bis zum richtigen Weg und zur Erfüllung.
Die ganze Geschichte Israels kann man in vier Epochen aufteilen, jeweils von 490 Jahren, das sind siebzig mal sieben Jahre, also siebzig Jahrwochen.
Diese Jahrwochen sind immer unterbrochen von Zeiten, die Gott nicht mitzählt, aus einem bestimmten Grund.
Ich werde das nächste Mal etwas dazu ausführen und jetzt nur zum Schluss andeuten, damit man sich auf etwas Neues freuen kann.
Die erste Epoche: Die Entstehung Israels von 2011 bis 1606 v. Chr., Geburt Abrahams bis zum Auszug aus Ägypten. Das sind 505 Jahre, aber Gott zieht diese 15 Jahre ab, das sind 490 Jahre.
Danach die Zeit des Aufbaus Israels im verheißenden Land, vom Einzug unter Josua bis David, der König über alle zwölf Stämme wurde, und dann Salomo, der das größte Friedensreich hatte.
Das regierte bis zum vierzehnten Jahr Salomos. Ich werde das nächste Mal erklären, warum genau das vierzehnte Jahr und nicht das erste Jahr. Das sind 1606 bis 1002 v. Chr., also 604 Jahre.
Aber es gab Zeiten, in denen Israel Gott als König nicht erlebte. Gott stellte sie wegen ihrer Sünde unter Fremdherrschaft. Das waren 114 Jahre, in denen Gott nicht König über Israel war.
Wenn man diese 114 Jahre abzieht, bleiben 490 Jahre.
Dann vom vierzehnten Jahr Salomos bis 445 v. Chr., dem Jahr, in dem König Artaxerxes von Persien Nehemia die Erlaubnis gab, Jerusalem wieder aufzubauen.
Das sind 1002 bis 445 v. Chr., also 557 Jahre. Darin sind 67 Jahre enthalten, während der Israel im babylonischen Exil war, nicht 70 Jahre.
Babylons Weltherrschaft dauerte 70 Jahre, nach Jeremia 29, aber die Juden waren von 606 bis 539 im Exil, das sind 67 Jahre.
557 minus 67 ergibt 490 Jahre.
Im Jahr 445 beginnen die siebzig Jahrwochen, 69 davon bis zum Messias, der getötet wird.
Dann folgt eine lange Wartezeit nach Daniel 9 bis in die Endzeit. Dann kommen noch sieben Jahre, und der Messias richtet das Friedensreich auf.
Das heißt, es sind 490 Jahre, aber dazwischen gibt es eine lange Lücke von der Verwerfung des Messias nach 69 Jahrwochen bis in die Endzeit, wo dann die siebzigste Jahrwoche beginnt, und da gibt es wieder 490 Jahre.
Jetzt nur, dass man es mal gehört hat. Man muss es nicht unbedingt nachvollziehen können, aber mal gehört haben. So geht das beim Lernen.
Nächstes Mal schauen wir es uns genauer an.
Was möchte ich damit sagen? Das Ganze ist in einem umfassenden Heilsplan enthalten.
Abraham und seine Geburt beginnen die Entstehung Israels bis zum Auszug aus Ägypten, als das Volk da war und als Volk Gottes anerkannt wurde. 505 Jahre, aber es gibt 15 Jahre, die Gott nicht mitzählt. Das ist im Zusammenhang mit der Sache mit Hagar.
Das zeigt uns, wie wichtig es ist, dass wir als Gläubige keine falschen Wege gehen, Wege, auf denen wir Zeit verlieren.
Natürlich gibt es Vergebung, aber die verlorene Zeit ist verlorene Zeit, die Gott nicht mitzählen kann.
Das können wir hier von Abraham lernen.
Zweite wichtige Lektion: Zwischen Kapiteln 16 und 17 liegen 13 Jahre, und überhaupt ab der Heirat mit Hagar sind es 14 Jahre, in denen Gott nicht mehr gesprochen hat.
Dann erscheint er und sagt: „Ich bin Gott, der Allmächtige, El Shaddai. Ich kann dich wunderbar führen, und ich brauche all diese Tricks und Umwege der Menschen nicht.“
Damit wollen wir hier schließen.
Ja, da war noch eine Frage. Herr Liege, können Sie mir die Absicht Gottes erklären? Warum hat die Hagar einen solchen wilden, dummen Mann bekommen, aus dem dann eigentlich ein Feind Israels wurde – also die Nachkommen eines sehr feindlichen Feindes?
Genau, warum hat Gott das so gefügt oder zugelassen, dass daraus schließlich Feinde Israels wurden?
Nun, das war wieder ein Glied in der Kette von Verfehlungen bei Abraham. Es kam eine Hungersnot. Anstatt Gott zu fragen, geht Abraham einfach nach Ägypten hinab. Auf dem Weg sagt er seiner Frau, sie müsse lügen und sagen, sie sei seine Schwester. So würden die Leute nicht wissen, dass sie seine Frau ist, sonst würden sie ihn töten.
Dann will der Pharao sie heiraten. Doch das Ganze fliegt auf, weil es eine Lüge war. Das bringt Schande über das Zeugnis Abrahams. Er geht zurück ins Land, und jetzt haben sie einen ägyptischen Markt. Sarai sagt, dass er sie eigentlich heiraten könne. Abraham begeht wieder einen schweren Fehler in seinem Leben, indem er eine Zweitfrau heiratet.
So setzt sich die Kette fort. Später kommt aus dieser Linie Mohammed, also der Islam. Diese Linie ist die Motivation für die Ablehnung Israels im Koran. Wir können sagen, dass die Verkettung und die Konsequenzen der Sünden über 4000 Jahre hinweg gegangen sind. Wir leiden heute weltweit unter diesem Konflikt.
Das zeigt sehr eindrücklich: Sünde hat Folgen und Konsequenzen.
Weiter heißt es: Ein Wildesel von einem Menschen, also nicht zu dressieren, seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn. Das sehen wir gerade im Nahen Osten. Dort streiten alle miteinander, sogar innerhalb des Islams. Ständig gibt es Krach, Streit und Verfeindungen.
Doch Gott hat vorausgesagt, dass es so kommen wird.
Dann heißt es: "Und angesichts aller seiner Brüder wird er wohnen." In der Fußnote wird erklärt, dass dies zugleich östlich von allen seinen Brüdern bedeutet. Dieser Ausdruck kommt auch in 1. Mose 25 in einem geografischen Sinn vor. "Angesichts von" bedeutet im Althebräischen „östlich von“.
So waren die Ismaeliter in der saudischen Wüste angesiedelt und damit östlich von vielen anderen verwandten Völkern, die weiter westlich lebten, bis nach Ägypten. Hagar kam ja aus Ägypten. Genetisch ist also eine Vermischung vorhanden. Bei Ismael sind auch ägyptische, also hamitische Gene vorhanden.
So wird in Kurzform prophezeit, wie es kommen würde.
Wir befinden uns immer noch im Dialog zwischen Hagar und dem abgesandten Herrn. Dabei fragen wir uns weiterhin, wer dieser abgesandte Herr ist. Er ist der gute Hirte, der Schöpfer, weil er die Nachkommenschaft mehren kann.
In Vers 13 lesen wir erneut: „Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist der Gott, der mich sieht.“ Hier wird der Name des Herrn mit Großbuchstaben genannt. Das bedeutet nicht, dass sie den Namen des Gesandten des Herrn nennt, der zu ihr redete, sondern den Namen des Herrn selbst, der zu ihr sprach.
Wer redete zu ihr? Der Gesandte des Herrn. Doch hier wird er als der Herr bezeichnet, also hebräisch Yahweh, der Ewigseiende, der Unwandelbare. Das wirft die Frage auf: Wie kann es mehr als eine Person in Yahweh geben? Wenn Yahweh hier der Gesandte von Yahweh ist, wie ist das möglich?
Ein orthodoxer Rabbi hat einmal zu diesem Thema Stellung genommen. Die Problematik des „Engels des Herrn“ (Malach Adonai), der nicht nur hier, sondern in vielen anderen Kapiteln des Alten Testaments vorkommt, lässt sich letztlich nur mit der Trinitätslehre lösen. Diese Lehre besagt, dass der eine Gott eine Dreieinheit ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Jetzt wird klar: Der Gesandte des Herrn ist der Herr selbst. An vielen anderen Stellen wird immer wieder der Gesandte oder Engel des Herrn mit dem Herrn gleichgesetzt. Hier geschieht das ganz eindeutig.
Hagar gibt dem Herrn einen besonderen Namen. Sie nennt Yahweh „den Gott des Schauens“. Nachher heißt es: „Denn sie sprach: Habe ich nicht auch hier geschaut, nachdem er mich geschaut hat?“ Sie sagt, sie habe ihn angeschaut. Der Engel des Herrn erscheint in Menschengestalt. Sie hat ihn gesehen, aber sie wusste, dass diese Erscheinung der ewige Gott, Yahweh, ist.
Darum sagt sie: „Du bist der Gott des Schauens.“ Denn sie konnte ihn anschauen – und zwar nicht nur sie ihn, sondern auch er sie. In Vers 7 heißt es: „Und der Bote des Herrn fand sie an einer Wasserquelle.“ Wer hat zuerst gesehen? Nicht Hagar, sondern der gute Hirte hat das verlorene Schaf zuerst gesehen. Dann hat sie ihn gesehen und erkannt, wer er ist.
Das wird hier zusammengefasst mit den Worten: „Habe ich nicht auch hier geschaut, nachdem er mich geschaut hat.“ Das erinnert uns an 1. Johannes 4,9: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“ Er hat sie zuerst in Liebe gesehen, und dann hat sie ihn in Ehrfurcht und Liebe angeschaut.
Mose erklärt, warum man den Brunnen in der Wüste, wo der Herr Hagar als verlorenes Schaf gefunden hat, „Be'er Lachai Ro'i“ nennt. Das ist nicht dasselbe wie „El Ro'i“, „Du bist ein Gott des Schauens“. Hier heißt es „Be'er Lachai Ro'i“. Haben wir den Unterschied gehört? Nein? Nicht „Roi“, sondern „Ro'i“. Können wir den Unterschied hören? Beides soll „der Sehende“ bedeuten, doch das „O“ ist beim zweiten Mal länger.
Im Hebräischen kann man mit Punkten und Strichen unterscheiden, wie lang das „O“ ist. Es sind nicht dieselben Wörter, sie klingen fast gleich. Deshalb ist es korrekt, „El Ro'i“ mit „Du bist der Gott des Schauens“ zu übersetzen – also der Gott, den man anschauen kann und der auch mich gesehen hat. „Be'er Lachai Ro'i“ bedeutet „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“.
Der Name des Brunnens betont, dass der gute Hirte das verlorene Schaf sieht. Die Aussage in Vers 13 gibt dem Herrn einen neuen, zusätzlichen Namen: „Du bist der Gott des Schauens“, also „Du bist der Gott, der sich sehen lässt.“ Das war für Hagar erstaunlich, denn Gott ist ja eigentlich unsichtbar.
Wie können wir erklären, dass sie ihn dennoch sehen konnte? In 1. Timotheus 6,16 heißt es, dass Gott ein unzugängliches Licht bewohnt, das kein Mensch je gesehen hat und sehen kann. Johannes 1,18 sagt: „Der einzige Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgetan.“ Doch Johannes schreibt auch: „Niemand hat Gott jemals gesehen.“ Wie ist das möglich?
Hagar sagt: „Du bist ein Gott des Schauens.“ Paulus schreibt, dass Gott ein unzugängliches Licht bewohnt, das niemand sehen kann. Die Lösung ist ganz einfach, wenn man sie kennt: Gott ist in seiner absoluten Gottheit völlig unsichtbar. Aber Gott hat die Möglichkeit, sich in einer Gestalt sichtbar zu machen, die für den Menschen erträglich ist.
Darum erscheint er in Menschengestalt – schon im Garten Eden nach dem Sündenfall. Die Menschen haben sich versteckt, doch sie hören den Herrn im Garten wandeln, und er ruft: „Ajekka, wo bist du?“ Da ist er schon in Menschengestalt, aber noch nicht als Mensch. Das war eine Vorwegnahme, dass Gott, nämlich Gott der Sohn, einmal Mensch werden würde.
Der Vater würde den Sohn senden. Dieser Sohn sagt in Johannes 6: „Ich habe den Vater gesehen.“ Warum kann er das sagen? Weil er selbst Gott ist als Sohn. Niemand sonst kann Gott in seiner absoluten Gottheit sehen. Jesus konnte das, weil er selbst dieses unzugängliche Licht bewohnt.
Im Alten Testament erscheint er in einer erträglichen Menschengestalt, die jedoch immer wieder zu Konflikten führte. Denken wir an Richter 13, als Manoah und seine Frau den Boten des Herrn gesehen haben. Sie erkannten, dass es der Herr war, nicht irgendeine Menschengestalt.
Manoah sagt: „Wir müssen sterben.“ Seine Frau antwortet: „Nein.“ Wie wusste sie das? Sie konnte es nicht lehrmäßig erklären, aber sie sagte quasi: „Weißt du, wenn Gott mit uns einen Plan hat und uns jetzt ein Kind versprochen hat, das als Naziräer aufwachsen wird, dann wird er uns nicht töten.“
Sie hat mit ihrem Herzen die Sache verstanden, auch wenn sie sie nicht theoretisch erklären konnte. Blaise Pascal, ein Mathematiker und gläubiger Mann aus der Aufklärungszeit, sagte: „Le cœur connaît des raisons que la raison ne connaît pas.“ Das Herz erkennt Gründe, die die Vernunft nicht kennt.
Dieses schöne Wortspiel drückt aus, dass man Dinge erkennen kann, auch wenn man sie nicht vollständig erklären kann. So war es für Hagar einfach wunderbar: Der unsichtbare Gott, den sie nun doch sehen durfte. Er hat sie gefunden, er hat sie in ihrer Not gesehen, und jetzt schickt er sie zurück.
Der Brunnen in der Wüste sollte ein Denkmal werden: Be'er Lachai Ro'i. Im Kapitel 24, Vers 62 werden wir wieder davon hören. Isaak geht am Abend hinaus, um nachzudenken, und er geht zum Brunnen Be'er Lachai Ro'i. Dort begegnet er der Ersehnten von tausend Kilometern Entfernung, seiner zukünftigen Frau.
Er war beten gegangen, und an diesem Brunnen begegneten sie sich zum ersten Mal.
In Vers 15 heißt es: „Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram gab seinem Sohn, den Hagar geboren hatte, den Namen Ismail. Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als Hagar Ismail gebar.“
Wir sehen, dass sie zehn Jahre gewartet hatten, doch dann wurde ihr Glaube schwach. Da kam die dumme Idee auf, vielleicht müsse man Gottes Wort umdeuten. Und das ging schief. Genau das ist auch die Grundlage der Bibelkritik: Gottes Wort nicht so zu nehmen, wie es gemeint ist.
Natürlich muss man ein Gleichnis als Gleichnis verstehen. Man darf es nicht wörtlich nehmen. Einen historischen Text der Bibel hingegen muss man wörtlich verstehen. Man darf nicht sagen, es sei ein Gleichnis.
So muss man die Bibel wörtlich verstehen. Wenn Gott klar sagt, dass er ein Kind geben wird, und zwar nicht nach den Naturgesetzen, dann wird er es auch tun. Doch sie kamen auf die Idee, das Wort umzudeuten und sich nach heidnischen Gesetzen zu richten. Das war eine Anpassung an die Welt.
Römer 12 sagt, wir sollen uns verändern lassen und wegkommen vom weltlichen Denken.
Jetzt sehen wir: Abraham war 86 Jahre alt, als Ismail geboren wurde. Wie geht die Bibel weiter in Kapitel 17? Dort heißt es: „Abraham war neunundneunzig Jahre alt, da erschien der Herr Abraham und sprach zu ihm.“
Wie viele Jahre liegen dazwischen? Dreizehn Jahre. Und was ist in dieser Zeit geschehen? Man findet nichts zwischen den Kapiteln. Nichts. Dreizehn Jahre lang hat Gott nicht mit Abraham gesprochen.
Das zeigt, dass das ein falscher Weg war. Gott sprach nicht mehr mit Abraham – und zwar ab dieser Heirat. Es war ein Jahr, dann kamen dreizehn Jahre dazu, also insgesamt vierzehn Jahre, bis Gott wieder zu Abraham sprach.
Das ist schlimm. Man muss sich das mal vorstellen: Man hat sich bekehrt, hat Freude an der Bibel, liest sie jeden Tag – gut, manchmal gibt es Ausnahmen, wenn man mal nicht dazu kommt – aber prinzipiell jeden Tag.
Man hat Freude an der Bibel, doch plötzlich sagt man sich: „Heute Morgen habe ich nichts gehabt von der Bibellektüre, vielleicht morgen auch nicht.“ Und dann spricht die Bibel einen die ganze Woche, den ganzen Monat, das ganze Jahr nicht mehr an. Vierzehn Jahre lang spricht die Bibel nicht mehr.
Das ist grässlich – aber genau das ist geschehen. Und das war Gottes Antwort auf diesen falschen Weg: Gott sprach nicht mehr mit Abraham.
Im Alten Testament war das nicht anders – Polygamie war nicht erlaubt. Es war immer falsch, in jedem Fall. Das zeigt uns, dass Gott nicht mehr spricht. Bei Lamech war das so, und dann kam die Sintflut.
Nach 14 Jahren spricht Gott erneut. Was sagt er? Er nennt sich El Shaddai, Gott der Allmächtige, und fordert: „Wandle von meinem Angesicht und sei vollkommen.“ Warum nennt er sich hier El Shaddai, Gott der Allmächtige? Um Abraham klarzumachen, dass er keine Tricks braucht. Dieser falsche Weg war nicht Gottes Weg.
Gott sagt: „Ich bin der Allmächtige, ich kann auch einem Hundertjährigen ein Kind geben.“ Das wird dann auch in Kapitel 17 erklärt, wo wir beim nächsten Mal darauf eingehen. Noch ein Jahr, dann kommt die Erfüllung der Verheißung.
15 Jahre vergehen, bis nach dem falschen Weg mit Hagar der richtige Weg zur Erfüllung führt.
Die gesamte Geschichte Israels lässt sich in vier Epochen einteilen, jeweils von 490 Jahren. Das entspricht siebzig mal sieben Jahren, also siebzig Jahrwochen. Diese Jahrwochen sind jedoch immer unterbrochen von Zeiten, die Gott aus einem bestimmten Grund nicht mitzählt.
Ich werde das beim nächsten Mal ausführlicher erklären und hier nur zum Schluss andeuten, damit man sich auf etwas Neues freuen kann.
Die erste Epoche ist die Entstehung Israels, die von 2011 bis 1606 reicht – von der Geburt Abrahams bis zum Auszug aus Ägypten. Das sind 505 Jahre. Gott zieht davon jedoch 15 Jahre ab, sodass 490 Jahre übrig bleiben.
Die zweite Epoche umfasst den Aufbau Israels im verheißenden Land. Sie beginnt mit dem Auszug aus Ägypten und dem Einzug unter Josua. In dieser Zeit wird das Land aufgebaut, bis schließlich David über alle zwölf Stämme als König herrscht. Danach folgt Salomo, unter dessen Herrschaft Israel als Friedensreich seine größte Ausdehnung erreicht. Diese Epoche dauert bis zum vierzehnten Jahr Salomos. Warum genau das vierzehnte Jahr und nicht das erste Jahr, werde ich beim nächsten Mal erklären.
Diese Zeitspanne reicht von 1606 bis 1020, also 586 Jahre. Doch darin gab es Zeiten, in denen Israel Gott als König nicht erlebte. Aufgrund ihrer Sünden stellte Gott sie unter Fremdherrschaft. Insgesamt waren es 114 Jahre, in denen Gott nicht als König über Israel herrschte. Zieht man diese 114 Jahre ab, bleiben auch hier 490 Jahre.
Die dritte Epoche reicht vom vierzehnten Jahr Salomos bis zum Jahr 445 v. Chr. In diesem Jahr gab König Artaxerxes von Persien Nehemia die Erlaubnis, Jerusalem wieder aufzubauen. Diese Periode umfasst 1002 bis 445 v. Chr., also 557 Jahre. Darin enthalten sind 67 Jahre, in denen Israel im babylonischen Exil war – nicht 70 Jahre.
Die babylonische Weltherrschaft dauerte siebzig Jahre, wie in Jeremia 29 beschrieben. Die Israeliten, also die Juden, waren jedoch von 606 bis 539 v. Chr. im Exil, das sind 67 Jahre. Zieht man diese 67 Jahre von 557 Jahren ab, bleiben auch hier 490 Jahre.
Die vierte Epoche beginnt im Jahr 445 v. Chr. mit den Siebzig-Jahr-Wochen. Sie umfasst 69 Jahrwochen bis zum Messias, der dann getötet wird. Danach folgt eine lange Wartezeit, wie in Daniel 9 beschrieben, bis in die Endzeit. Dann kommen noch sieben Jahre, in denen der Messias das Friedensreich aufrichtet.
Das bedeutet, es sind insgesamt 490 Jahre, aber dazwischen gibt es eine lange Lücke – von der Verwerfung des Messias nach den 69 Jahrwochen bis in die Endzeit. Dort beginnt die siebzigste Jahrwoche, die wieder 490 Jahre umfasst.
Das soll hier nur einmal gehört werden. Man muss das nicht unbedingt sofort nachvollziehen können, aber es ist gut, es einmal gehört zu haben. So funktioniert Lernen. Beim nächsten Mal werden wir uns das genauer anschauen.
Aber was möchte ich damit sagen? Das Ganze ist Teil einer umfassenden Heilsgeschichte im göttlichen Plan. Abraham und seine Geburt markieren den Beginn der Entstehung Israels, die bis zum Auszug aus Ägypten führt. Zu diesem Zeitpunkt war das Volk Israel bereits vorhanden und als Volk Gottes anerkannt.
Diese Entwicklung erstreckt sich über 505 Jahre. Allerdings gibt es 15 Jahre, die Gott nicht mitzählt. Das hängt mit der Geschichte um Hagar zusammen. Diese Tatsache zeigt uns, wie wichtig es ist, dass wir als Gläubige keine falschen Wege einschlagen, Wege, auf denen wir Zeit verlieren.
Natürlich gibt es Vergebung, aber die verlorene Zeit bleibt verloren und kann von Gott nicht mitgerechnet werden. Diese Lektion können wir hier von Abraham lernen.
Eine zweite wichtige Lektion liegt zwischen Kapitel 16 und 17. Dort vergehen dreizehn Jahre, und insgesamt sind es ab der Heirat mit Hagar vierzehn Jahre, in denen Gott nicht mehr gesprochen hat. Dann erscheint er erneut und sagt: „Ich bin Gott, der Allmächtige, ich bin El-Schaddai.“ Er kann Abraham wunderbar führen und benötigt keine Tricks oder Umwege der Menschen.
Wollen wir hier schließen?
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