
Guten Morgen, wir setzen unseren Drohnenflug über alle Bücher der Bibel fort. Am Anfang hatte ich mir vorgestellt, dass es vielleicht zwei Folgen geben wird. Ich werde ganz kurz jedes Buch charakterisieren. Jetzt sind wir bei Folge 15 und kommen heute zum Epheserbrief.
Es ist schon ein Unterschied zwischen einer Drohne und einer Rakete. Das haben wir in der Nacht vom 14. auf den 15. April gesehen, als etwa 300 Raketen, ballistische Raketen und auch Drohnen abgeschossen wurden. Man wusste, dass die Drohnen ungefähr fünf Stunden unterwegs sein würden, die allerschnellsten Raketen nur einige Minuten. Trotzdem war die Zeit so bemessen, dass man sich vorbereiten konnte.
Die israelische Luftwaffe wurde ausgeschickt, um viele davon noch unterwegs, sogar im Ausland, abzuschießen. Das erinnert mich daran, dass Drohnen ziemlich viel Zeit brauchen, um über tausend Kilometer zu fliegen. So geht es uns auch in diesem Drohnenflug über die Bibel.
Vielleicht können wir am Schluss in einer Zusammenfassung doch noch ganz kurz jedes Buch charakterisieren. So hätten wir eine Übersicht über die Bibel in sehr kurzer Zeit. Jetzt möchte ich die Zusammenfassung zum Epheserbrief vorlesen. Es sind nur ein paar Sätze. Ich hoffe, alle haben ein Skript bekommen. Wer keines hat, kann sich melden. Dort hinten auf dem Tisch gibt es noch welche zum Mitnehmen. Die, die über den Livestream zugeschaltet sind, können einfach unten auf den Link klicken und das Skript herunterladen. Es ist heute nur eine Seite.
Ich zitiere: Der Epheserbrief beschreibt in den Kapiteln 1 bis 3 die einzigartige Stellung der Christen als ein neues Volk, das weder jüdisch noch heidnisch ist. Es ist vielmehr ein himmlisches Volk mit himmlischen Segnungen. Das steht im Gegensatz zu Israel, das als irdisches Volk Gottes speziell irdische Segnungen hat.
Dieser Brief zeigt aber auch, wie dieser himmlische Charakter der Erlösten, die zur Gemeinde Gottes gehören, sich in den alltäglichen Beziehungen auf Erden auswirken muss. Das betrifft die Gemeinde, die Familie, die Ehe und die tägliche Arbeit. Diese Themen behandelt der Brief in den Kapiteln 4 bis 6.
Man sieht, so kurz kann man einen Brief charakterisieren. Nun könnten wir zum Philipperbrief weitergehen. Aber wir wollen doch noch ein bisschen mehr anschauen.
Ich lese aus Epheser 1, Vers 3:
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm, vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und tadellos sein vor ihm in Liebe und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst.
Nach dem Wohlgefallen seines Willens zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten, indem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen.
Nach dem Reichtum seiner Gnade, die er gegen uns hat überströmen lassen in aller Weisheit und Einsicht, indem er uns kundgetan hat das Geheimnis seines Willens, nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten, alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was im Himmel und das, was auf der Erde ist, in ihm.
Indem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir zuvor bestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens, damit wir zum Preise seiner Herrlichkeit seien, die wir zuvor auf den Christus gehofft haben.
Indem auch ihr, nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, in dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung, der das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Preise seiner Herrlichkeit.
Ich habe in Vers 3 begonnen und frage mich, warum ich bis Vers 14 lesen musste. Das liegt daran, dass dies ein einziger Satz ist. Es ist der längste Satz der Bibel. Im Hebräischen sind solche langen Sätze nicht üblich. Die hebräische Sprache ist so aufgebaut, dass die Sätze meist kurz bleiben. Das Griechische hingegen ist ganz anders in seiner Struktur und daher sehr gut geeignet, sehr lange Sätze zu bilden.
Gerade durch den Gebrauch von Partizipien entstehen solche langen Sätze. Im Deutschen ist das zwar auch möglich, doch wirkt es oft geschwollen. Im Griechischen ist es ganz natürliche Sprache. Hier drückt der Apostel Paulus aus, was in seinem Herzen ist.
Die Umstände waren schwierig, sehr schwierig. Paulus war schon zwei Jahre in Gefangenschaft in Rom. Mit dem Epheserbrief steht er am Ende dieser Gefangenschaft, doch die Dinge sind noch nicht völlig geklärt. In dieser schwierigen Situation schreibt er mehrere Briefe, darunter auch den Epheserbrief. Das war im Jahr 62, also ganz am Schluss der Apostelgeschichte.
Was dabei so eindrücklich ist: Trotz dieser schwierigen Umstände ist das Herz des Paulus voll mit diesen Segnungen. In Vers 3 sagt er: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus.“ Es geht also nicht um irdischen Segen. Sonst wäre Paulus nicht im Gefängnis gewesen, und er hätte nicht so viel gelitten.
Paulus hat sehr, sehr viel gelitten. Ich schlage 2. Korinther 11 auf, wo er Dinge beschreibt, die zum Teil bekannt waren, aber auch Dinge, die kaum bekannt sind. In 2. Korinther 11, Vers 23, beschreibt er Folgendes im zweiten Satz:
„In Mühen überreichlicher, in Gefängnissen überreichlicher, in Schlägen übermäßig, in Todesgefahren oft. Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Schläge weniger einen, dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden, dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht – damit ist die Ozeantiefe gemeint –, oft auf Reisen, in Gefahren durch Flüsse, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren von meinem Volk, in Gefahren von den Nationen, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern, in Mühe und Beschwerde, in Wachen oft – das heißt also schlaflos –, in Hunger und Durst, in Fasten oft, in Kälte und Blöße.“
Außer dem, was außergewöhnlich ist, noch das, was täglich auf mich andringt: die Sorge um alle Gemeinden.
Unglaublich, nicht wahr? Und trotzdem richtet Paulus seine Augen auf den Reichtum, wie wir in Christus so geistlich gesegnet sind.
Und da muss man immer wieder betonen: Der Unterschied zum Volk Israel ist entscheidend. Das Volk Israel hatte ganz klare irdische Verheißungen, die an Gehorsam geknüpft waren. Diese Verheißungen waren an Bedingungen gebunden.
Hier hingegen sind die geistlichen Segnungen nicht an praktische Bedingungen geknüpft. Paulus spricht zu den Erlösten, den Heiligen in Ephesus, und sagt: „Wir sind gesegnet worden mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Orten.“ Es heißt nicht „wir werden gesegnet“, oder „wenn wir uns Mühe geben und gute Fortschritte machen“, sondern es ist ein Faktum: Wir sind gesegnet.
5. Mose 28,1-14 beschreibt den irdischen Segen Israels. Dort heißt es: „Es wird geschehen, wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, fleißig gehörst und alle seine Gebote tust, die ich dir heute gebiete, so wird der Herr, dein Gott, dich zur Höchsten über alle Nationen der Erde machen. Und alle diese Segnungen werden über dich kommen und dich erreichen, wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehörst.“
„Gesegnet wirst du sein in der Stadt, und gesegnet wirst du sein auf dem Feld. Gesegnet wird die Frucht deines Leibes und die Frucht deines Landes sein, ebenso die Frucht deines Viehs, das Geworfene deiner Rinder und die Zucht deines Kleinviehs. Gesegnet wird dein Korb und dein Backdruck sein, gesegnet wirst du bei deinem Eingang und bei deinem Ausgang sein.“
Das sind alles irdische Segnungen. Natürlich können wir sagen: „Aber das habe ich auch erlebt.“ Das ist schön und kann als Ergänzung gesehen werden. Als himmlisches Volk Gottes haben wir jedoch keine Garantie oder ein Recht, uns auf diese irdischen Segnungen zu berufen. Wenn der Herr uns diese Segnungen trotzdem schenkt, ist das ein zusätzliches Geschenk.
Es ist ein Unterschied, wenn jemand sagt: „Israel hatte ja klar die Zusage, sie würden nie krank werden, wenn sie fleißig auf das Wort Gottes hören.“ Sie hatten gewissermaßen ein Recht auf Gesundheit. Aber für die Gemeinde als himmlisches Volk Gottes gibt es so etwas nicht. Wenn wir gesund sind, können wir dem Herrn einfach danken, dass er uns das in seiner unverdienten Gnade schenkt.
Vers 7 sagt: „Der Herr wird deine Feinde, die gegen dich aufstehen, geschlagen vor dir hingeben. Auf einem Weg werden sie gegen dich ausziehen, und auf sieben Wegen werden sie vor dir fliehen. Der Herr wird dir den Segen entbieten in deine Speicher und zu allem Erwerb deiner Hand, und er wird dich segnen in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. Der Herr wird dich als ein heiliges Volk für sich bestätigen, wie er dir geschworen hat, wenn du die Gebote des Herrn, deines Gottes, hältst und auf seinen Wegen wandelst.“
„Und alle Völker der Erde werden sehen, dass du nach dem Namen des Herrn genannt bist, und werden sich vor dir fürchten. Der Herr wird dir Überfluss geben an der Frucht deines Leibes, an der Frucht deines Viehs und an der Frucht deines Landes zum Wohlergehen in dem Land, das der Herr deinen Vätern geschworen hat, dir zu geben. Der Herr wird dir seinen guten Schatz, den Himmel, öffnen und den Regen deines Landes zu seiner Zeit geben, um alles Werk deiner Hand zu segnen. Du wirst vielen Nationen leihen, du aber wirst nicht entleihen.“
„Der Herr wird dich zum Haupt machen und nicht zum Schwanz, und du wirst nur immer höher kommen und nicht abwärts gehen, wenn du den Geboten des Herrn, deines Gottes, gehörst, die ich dir heute zu halten und zu tun gebiete, und nicht abweichst von allen Worten, die ich euch heute gebiete, weder zu rechts noch zu links, um anderen Göttern nachzugehen und ihnen zu dienen.“
Das ist eindrücklich, nicht wahr? Ich habe diese vierzehn Verse extra vollständig vorgelesen, nachdem ich auch Epheser 1,3-14 vollständig vorgelesen habe, um den Kontrast deutlich zu machen.
Es ist nicht nur ein Kontrast zwischen himmlischem Volk und irdischem Volk, himmlischen und irdischen Segnungen. Hier hat das himmlische Volk den Segen. Das irdische Volk erhält den Segen, falls es treu ist. Und falls es nicht treu ist, folgen die Flüche.
Vers 15 sagt: „Es wird aber geschehen, wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, nicht gehörst, indem du darauf achtest, alle seine Gebote und seine Satzungen zu tun.“
Dann wird in Vers 16 beschrieben: „Verflucht wirst du sein in der Stadt, und verflucht wirst du sein auf dem Feld“ und so weiter. Die Geschichte Israels zeigt, dass diese Fluchankündigungen, die von Vers 15 bis Vers 68 reichen, in der Geschichte Israels in schrecklicher Weise Realität geworden sind.
Warum? Um zu zeigen, dass man Gottes Segen nicht durch eigene Leistung bekommen kann. Das Gesetz sollte Israel zeigen: Ihr seid von Natur aus Sünder und braucht einen Erlöser. Das Gesetz sollte sie in die Arme des Erlösers drängen.
Im Neuen Testament wird uns gezeigt, dass der Herr Jesus alles vollendet hat. Wir haben durch den Glauben an ihn und sein vollbrachtes Werk alles geschenkt bekommen.
Was müssen wir jetzt tun? Diese Segnungen kennenlernen. Darum wurde unter anderem, aber gerade speziell, der Epheserbrief geschrieben. Gott möchte nicht, dass wir einfach wie Großisten beten und ihm für alles danken, was er gegeben hat. Er möchte hören, wofür konkret wir danken.
So bereichert es unser Gebetsleben, wenn wir uns die einzelnen Dinge bewusst machen und dafür danken.
Und darum, in dieser ersten Ausführung über die Segnungen (Epheser 1,3-14), kann der Apostel nicht mehr aufhören. Er hängt nochmals an, nochmals an, nochmals an, was uns alles in dem Herrn Jesus geschenkt ist. Damit möchte er uns auch dahin bringen, dass wir diese Dinge erkennen.
Darum steht dann in Kapitel 1, Vers 15, dass Paulus betet. Und warum betet er? In Vers 18 heißt es: „Damit ihr erleuchtet an den Augen eures Herzens wisst, welches die Hoffnung seiner Berufung ist, welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen usw.“ Also betet er, dass Gott unsere inneren Augen des Herzens aufmacht, damit wir all diese Reichtümer nach und nach erkennen.
Je mehr wir lernen, uns daran zu erfreuen, desto mehr bereichert das unser Glaubensleben. In diesem Brief erläutert er also im Detail diese Segnungen in den Kapiteln 1, 2 und 3.
Dann gibt es einen wichtigen Übergang zum zweiten Teil in Kapitel 4, Vers 1: „Ich ermahne euch nun, ich der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt, würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragt, in Liebe usw.“
Das Wort „nun“ ist hier speziell anzumerken. Es ist die Schlussfolgerung aus allen drei Kapiteln davor, also die praktische Auswirkung. Es wird gezeigt, dass sich das im alltäglichen Leben auswirkt, in der Nachfolge.
Ausführlich wird dann in den Kapiteln 4 bis 6 über Beziehungen in der Ehe, in der Familie und bei der Arbeit gesprochen. Es wird erklärt, wie sich das Bewusstsein dieser himmlischen Segnungen ganz konkret hier auf der Erde auswirkt.
Der Epheserbrief ist also nicht dazu da, dass wir abgehobene Christen werden, die irgendwie in Sphären leben, aber nicht wirklich verankert sind im alltäglichen Leben und all den Schwierigkeiten.
Darum betont Paulus auch nochmals, wie es ihm geht. Er sagt: „Ich ermahne euch nun, ich der Gefangene im Herrn.“ Er weiß ganz genau, was es heißt, in einer schwierigen Situation zu sein.
Trotzdem ist es wichtig, das, was man aus den Kapiteln 1, 2 und 3 gelernt hat, auf das praktische Leben hier auf der Erde zu übertragen.
So wird uns hier ein himmlisches Volk dargestellt, das wirklich, wirklich auf der Erde lebt.
Und noch etwas Spezielles zum Epheserbrief: Wir haben in dem langen Satz von einem Geheimnis in Vers 9 gelesen, in dem uns das Geheimnis seines Willens kundgetan wird.
In diesem Brief kommen noch zwei weitere Geheimnisse vor, nämlich das Geheimnis des Leibes Christi, das in Kapitel 3 ausgeführt wird. Dort wird auch erklärt, dass Geheimnisse Wahrheiten sind, die im Alten Testament von Gott nie offen mitgeteilt wurden. Sie wurden zwar durch Bilder angedeutet, aber nie klar offenbart. Diese Wahrheiten sind erst jetzt im Neuen Testament geoffenbart worden.
Ich lese Epheser 3, Vers 4: „Woran ihr beim Lesen mein Verständnis im Geheimnis des Christus wahrnehmen könnt, das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist“, das heißt in der Kraft des Heiligen Geistes.
Man sieht also, dass in den frühen Generationen des Alten Testaments dieses Geheimnis nie mitgeteilt wurde. Erst jetzt, im Neuen Testament, wird es den Aposteln und Propheten offenbart. Das Geheimnis des Christus in Epheser 3 handelt von Christus, der mit den Erlösten zu einem Leib verbunden ist. Was das alles beinhaltet, haben wir bereits an einem früheren Bibelschulentag behandelt, als wir den Epheserbrief genauer betrachtet haben.
Jetzt geht es hier nur um einen Überblick. Doch es ist so, dass in Kapitel 5 nochmals ein Geheimnis offenbart wird: das Verhältnis des Messias zur Gemeinde, dem himmlischen Volk Gottes, wird als Ehebeziehung dargestellt. Der Messias ist der Mann, die Gemeinde die Frau.
Dieses Geheimnis wird in Epheser 5, Vers 32 noch besonders hervorgehoben und charakterisiert: „Dieses Geheimnis ist groß.“ Ich sage es ja, besser als aber, ich sage es ja in Bezug auf Christus und die Gemeinde, die Versammlung. Dort wird also speziell gesagt: „Es ist groß.“
In den Paulusbriefen findet man insgesamt acht Geheimnisse. Das haben wir auch einmal an einem Bibelschulentag in der Vergangenheit behandelt, alle acht Geheimnisse. Darum hier nur eine Andeutung.
Im 1. Timotheusbrief 3, Vers 16 wird gesagt: „Bekannt ist das große Geheimnis der Gottseligkeit.“ Und hier wird ebenfalls gesagt: „Dieses Geheimnis ist groß.“
Der Epheserbrief ist also dazu da, unserem irdischen Dasein einen tiefen Sinn und eine tiefe Erfüllung zu geben. Er zeigt uns, wie wir immer mehr ausgerüstet werden, um von schwierigen Umständen wegzuschauen und zu erkennen, wie reich wir in dem Herrn Jesus geworden sind.
Wir kommen nun zum Philippabrief. Dort lese ich in Kapitel 4, Vers 4:
„Freut euch im Herrn allezeit! Noch einmal will ich sagen: Freut euch! Lasst eure Milde allen Menschen kundwerden! Der Herr ist nahe! Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn in Christus Jesus bewahren.“
Ich lese aus dem Skript vor, das eine kurze Charakterisierung des Briefes gibt:
Der Philippabrief, geschrieben aus dem Gefängnis in Rom, ist eine wunderbare Abhandlung über die Lebensführung der Christen als eine Schicksalsgemeinschaft. Er betont, dass die Christen durch Sinn für Mission, Demut, Zusammenhalt und Freude im Herrn ausgezeichnet sein sollen. Jesus Christus, das vollkommene Vorbild, sollte Christen stets als Ansporn vor Augen stehen. Der Weg des Christen ist ein Laufen in der Rennbahn, wobei Jesus Christus selbst das alleinige Ziel sein soll.
Wie gesagt, der Philippabrief wurde auch aus der Gefangenschaft geschrieben. Wenn hier steht „aus dem Gefängnis in Rom“, ist damit ein Miethaus in Rom gemeint, in dem Paulus, wie es üblich war, gekettet an zwei Soldaten gefangen war und auf den Prozess vor Kaiser Nero wartete. Er musste dort zwei volle Jahre ausharren, bis er schließlich freigesprochen wurde.
Es ist interessant, dass Lukas am Schluss der Apostelgeschichte diesen Ausdruck verwendet: „zwei volle Jahre“. Ich lese Apostelgeschichte 28, Vers 30:
„Er aber blieb zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Haus, nahm alle auf, die zu ihm kamen, und predigte das Reich Gottes und lehrte mit aller Freimütigkeit ungehindert die Dinge, die den Herrn Jesus Christus betreffen.“
Dieser Ausdruck „zwei ganze Jahre“ ist aus folgendem Grund wichtig: Es gab ein römisches Gesetz, das besagte, wenn ein Angeklagter zwei volle Jahre warten muss, bis die Ankläger vor Gericht erscheinen, und diese nicht kommen, dann muss er freigesprochen werden.
Die Ankläger in Israel kamen nicht. Die führende Priesterschaft, wie wir aus der Apostelgeschichte Kapitel 21, 22 und 23 wissen – das kann man nachlesen – hatte Paulus ganz massiv angegriffen und angeklagt. Aber sie waren letztlich nicht bereit, die Reise bis nach Rom anzutreten, weil Paulus sich auf das höchste Gericht berufen hatte.
So kam es, dass Paulus wieder frei wurde und sogar wieder herumreiste. Erst später wurde er erneut verhaftet und kam dann in die berüchtigte Todeszelle in Rom. Von dort schrieb er noch den zweiten Timotheusbrief, bevor er in die Herrlichkeit einging.
Der Philippabrief hat einen anderen Charakter. Paulus sieht hier noch nicht den Tod vor sich, wie im zweiten Timotheusbrief. Nach zwei Jahren Gefangenschaft sieht er endlich einen Lichtblick. Deshalb schreibt er in diesem Brief, dass er damit rechnet, bald freizukommen.
In dieser Situation schreibt er auf besonders ergreifende Weise über Freude.
Ich habe mir im Philipperbrief am Rand jede Stelle über Freude mit einem F. gekennzeichnet, sodass man die Stellen sehr schnell wiederfindet. Wer Freude sucht, kann so schnell diese sechzehn Stellen über Freude finden. Dabei muss man allerdings alles beachten: Freude, Frohsein, sich freuen. Wenn man dann sogar noch das Synonym in Kapitel 2, Vers 19, „gutes Mutes sein“ hinzunimmt – das ist ja auch eine Art Freude –, kommen wir auf siebzehn Stellen.
Obwohl die äußeren Umstände sehr schwierig sind, betont der Apostel Paulus die Freude in dem Herrn, und zwar, weil wir den Herrn haben. Ob es uns schlecht geht oder nicht – er ist da. Darum sagt er auch in Philipper 4, Vers 4, wo wir gelesen haben: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch! Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen! Der Herr ist nahe.“
„Der Herr ist nahe“ könnte bedeuten, der Herr kommt bald. Hier ist es aber wirklich die Aussage: Der Herr ist nahe bei uns. Und das macht den Unterschied. Es kann jedoch sein, dass man den Herrn gar nicht spürt. Diese Erfahrung machen viele Gläubige immer wieder: Man hat den Eindruck, der Herr ist gar nicht nahe. Dann ist es gut, wenn man hier liest, Vers 5: „Der Herr ist nahe.“
Wir haben ein sehr eindrückliches Beispiel von jemandem, der ganz überrascht ist, als er am Morgen aufwacht und merkt, dass der Herr nahe war. Er dachte nicht, dass der Herr nahe war. Dieses Beispiel ist etwas problematisch. Schauen wir mal in 1. Mose 28: Jakob musste sehr leiden, aber das lag daran, dass er ganz offensichtlich übel und falsch gehandelt hatte. Er hat seinen Vater wirklich brutal angelogen, reingelegt und betrogen. Dann musste er Hals über Kopf fliehen nach Paddan-Aram.
Dort übernachtet er mit einem Stein unter dem Kopf, was übrigens bis heute bei den Beduinen üblich ist, wenn sie unterwegs sind und übernachten müssen. Ich lese 1. Mose 28, Vers 16: „Und Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sprach: Gewiss, der Herr ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht. Und er fürchtete sich und sprach: Wie furchtbar ist dieser Ort! Dies ist nichts anderes als Gottes Haus, und dies ist die Pforte des Himmels.“
Jakob sagt also, er war sich gar nicht bewusst, dass der Herr nahe ist. Aber der Herr war nahe. Dieser Herr ist mit Jakob gegangen und verheißt ihm auch, dass er mit ihm gehen wird, obwohl Jakob so untreu war. Jakob dachte, der Herr sei weit weg, und erst am Morgen realisiert er, dass der Herr da ist. Doch das ermutigt ihn nicht. Er fühlte sich ganz schlecht und sagt darum: „Wie furchtbar ist dieser Ort!“
Das wird sich später im Leben von Jakob ändern. Der Herr ist mit ihm durch viele Umwege gegangen, bis er ihn schließlich zur Ruhe gebracht hat. Ganz am Schluss von 1. Mose finden wir den alten Jakob, der über seinen Stab gebeugt anbetet. Ja, der Herr war bei ihm. Er fand diese Nähe zwar erschreckend, solange er seine Sünde nicht bekannt hatte.
Wenn wir Sünde in unserem Leben stehen lassen und nicht bekennen oder bereuen, dann ist die Nähe des Herrn unangenehm. Der Apostel Paulus geht im Philipperbrief jedoch von etwas anderem aus: Wir möchten, dass der Herr bei uns ist. Wenn wir es nicht fühlen, ist das der Grund, warum er hier schreibt: „Der Herr ist nahe.“ Wir können uns unter dieses Wort stellen und werden ermutigt, unsere Sorgen immer wieder dem Herrn zu sagen, sie auszusprechen.
In der säkularen Psychologie und Psychiatrie hat man erkannt, dass es Menschen besser geht, wenn sie über ihre Probleme sprechen, als wenn sie es nicht tun. Gerade aus der Nazizeit gibt es Menschen, die später mit ihren Kindern nie über diese Zeit gesprochen haben. Ich habe erlebt, wie mir jemand sagte: „Nein, da haben wir quasi nichts gehört.“ Diese Menschen haben das so in sich hineingefressen, und das ist verderblich.
Das wissen sogar Ungläubige. Menschen, die in der Familie darüber sprechen konnten, ging es besser. Was wir hier haben, ist aber etwas, das die Welt nicht kennt: Wir sprechen nicht nur über die Dinge, die uns bewegen und Mühe machen, sondern wir sagen sie Gott. Wir breiten sie vor ihm aus. In allem lasst durch Gebet und Flehen eure Anliegen vor Gott kundwerden.
Das bedeutet, dass wir vor dem Herrn sprechen, flehen – das ist ein ganz intensives Beten. Wir flehen nicht immer beim Beten. Das wäre eine Überforderung. Aber es gibt Momente, da muss man sich nicht einmal Mühe geben, wirklich zu flehen. Dann wird betont, dass man auch immer wieder danken soll. Wofür? Zum Beispiel dafür, dass wir dem Herrn so unsere Anliegen sagen dürfen und dass wir das Bewusstsein haben, dass er über allem steht.
So sollen wir also unsere Anliegen vor Gott kundwerden lassen. Das heißt wirklich sprechen und immer wieder die Sorgen abladen. Das ist der Hintergrund, warum der Apostel sagen kann: „Freut euch in dem Herrn allezeit!“ Das ist nicht irgendein künstliches Sich-zwingen, sich zu freuen, aber es ist doch ein Befehl.
Natürlich ist es ein Befehl, aber ein Befehl, der Mut macht. Wir dürfen uns bewusst werden, wer der Herr Jesus ist, was wir in ihm haben und dass er uns nahe ist. Das soll uns helfen, uns zu freuen. Es ist aber nicht so, dass man denken muss: „Oh, ich freue mich ja gar nicht, jetzt habe ich schon wieder gesündigt. Jetzt muss ich das bekennen. Und dann freue ich mich immer noch nicht.“
So ist das nicht. Das ist ein Brief von Paulus, der ein Hirte war. Er war nicht nur Apostel, nicht nur Lehrer, nicht nur Evangelist, sondern auch Hirte. Er macht den Schafen Mut im Glaubensleben.
Im Philipperbrief wird der Herr Jesus in jedem Kapitel auf eine besondere Weise dargestellt.
In Kapitel 1 zeigt Paulus uns den Herrn Jesus als unser Leben, das unser ganzes Leben bestimmt. In Philipper 1,21 heißt es: „Denn das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn.“ Der Herr Jesus erfüllt also das ganze Leben. Paulus bringt alles, was er erlebt, was ihn beschäftigt und was er sieht, immer in Verbindung mit dem Herrn Jesus. Deshalb kann er sagen: „Denn das Leben ist für mich Christus.“
Dabei ist nicht gemeint, dass der Herr Jesus das ewige Leben selbst ist, das wir haben. Das ist zwar so, denn Jesus sagt in Johannes 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Und aus Johannes 3,16 wissen wir: „Jeder, der an ihn glaubt, hat ewiges Leben.“ Der Herr Jesus ist unser Leben, weil wir durch die Bekehrung und den Glauben an ihn Leben von Gott erhalten haben. Deshalb können wir sagen, dass wir ewiges Leben haben, und dieses ewige Leben ist der Herr Jesus.
Im Philipperbrief steht im Original das Verb „to live“ mit Artikel, also „zu leben ist für mich Christus“. Auf Deutsch klingt das nicht so gut, deshalb sagt man besser: „Denn das Leben ist für mich Christus.“ Gemeint ist hier das Leben hier auf der Erde. Der Inhalt dieses Lebens ist Christus. Man versteht also den Unterschied: Johannes 3,16 spricht vom ewigen Leben, hier geht es darum, dass der Inhalt unseres jetzigen Lebens Christus ist.
In Kapitel 2 wird der Herr Jesus als das perfekte Vorbild vorgestellt. Philipper 2,5 beginnt mit den Worten: „Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war.“ Im Vers 6 heißt es weiter: „Der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm.“
Hier wird die Gesinnung Jesu als eine Gesinnung der Demut beschrieben. Es werden sieben Stufen seiner Erniedrigung bis zum Tod am Kreuz aufgezeigt:
Er war gottgleich. Er musste das nicht als etwas betrachten, das er sich anmaßte. Der Teufel wollte Gott gleich sein, aber er ist ein Geschöpf. Der Herr Jesus jedoch ist der ewige Gott und musste es nicht als Raub ansehen, Gott gleich zu sein.
Er entäußerte sich selbst (sich selbst zu nichts machte).
Er nahm Knechtsgestalt an, wurde also ein Diener. Er, der Gott dem Vater und dem Heiligen Geist gleich war, nahm die Position eines Knechts an.
Er wurde in Gleichheit der Menschen. Er wurde ein wirklicher Mensch.
In seiner äußeren Erscheinung wurde er wie ein Mensch erfunden. Er wurde nicht nur als Übermensch wahrgenommen, sondern auch als müde, hungrig und durstig – ganz wie ein Mensch, wie es in den Evangelien beschrieben wird.
Er erniedrigte sich selbst, auch als Mensch, und nahm Ablehnung und Verachtung von anderen Menschen an.
Er wurde gehorsam bis zum Tod, und zwar bis zum Tod am Kreuz – nicht irgendein Tod, sondern der schrecklichste Tod, den man sich vorstellen kann.
Diese sieben Punkte zeigen Jesu Demut als das vollkommene Vorbild.
In Kapitel 3 stellt Paulus den Herrn Jesus als das Ziel vor. Ab Vers 12 heißt es: „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei, ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben. Eins aber tue ich: Vergessend, was da hinten ist, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich dem Ziel nach, dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“
Der Apostel Paulus richtet sich ganz auf die Zukunft aus. Das Ziel, auf das er schaut, ist Jesus selbst. Er ist innerlich von ihm ergriffen und jagt diesem Ziel nach, wobei er alle seine Energie einsetzt. Er vergisst, was hinter ihm liegt. Es ist wichtig, die Vergangenheit ruhen zu lassen, denn wenn man sich ständig mit ihr beschäftigt, bremst das aus.
Hier ist auch Joseph ein gutes Beispiel. Er hat viel gelitten, doch als er Manasse als Baby in den Armen hielt – dessen Name „der Vergessenmachende“ bedeutet – erkannte er, dass Gott ihm ermöglichte, das Traurige zu vergessen und die Güte und Freundlichkeit Gottes zu sehen.
Paulus spricht auch davon, dass er nicht nur die traurigen Dinge hinter sich lässt, sondern auch den menschlichen Stolz auf seine frühere Karriere im rabbinischen Judentum. Er hat alles abgelegt und konzentriert sich ganz auf das Ziel, den Kampfpreis der Berufung Gottes.
In Kapitel 4, Vers 13 wird Christus als unsere Kraft vorgestellt: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt.“ Wenn man diesen Vers isoliert sieht, könnte man ihn falsch verstehen. Es bedeutet nicht, dass Gott uns befähigt, alles zu können, was wir uns vorstellen, wie zum Beispiel eine schwierige Chopin-Etüde zu spielen, ohne sie je gelernt zu haben.
Der Zusammenhang ist, dass Paulus sich über die Unterstützung der Philipper freut, die ihm nach Rom eine Gabe geschickt haben. In Vers 11-12 schreibt Paulus, dass er gelernt hat, sich zu begnügen, egal ob er Mangel leidet oder Überfluss hat. Er ist unterwiesen darin, sowohl satt als auch hungrig zu sein, Überfluss zu haben oder Mangel zu leiden.
Es geht also um ganz verschiedene Lebenssituationen, gute und schlechte. Beides ist nicht einfach. Wenn es uns schlecht geht, ist das schwer, aber auch wenn es uns gut geht, ist es nicht leicht, weil man dann leicht vom Herrn wegkommen kann. Für alle Situationen brauchen wir Gnade.
Paulus sagt: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt.“ Das bedeutet, dass er in allen Lebenslagen durch Christus die nötige Kraft erhält.
Zusammengefasst zeigt uns der Philipperbrief:
Diese Grundlage gibt immer wieder die Ermutigung, wie es in Philipper 4,4 heißt: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Nochmals will ich sagen: Freut euch!“ Diese Ermutigung ist eine wichtige Botschaft.
Es ist Zeit für eine Pause. Ja, wir machen an der Viertelstunde Pause.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
Noch mehr Inhalte von Roger Liebi gibt es auf seiner Webseite unter rogerliebi.ch