Es gibt Bibeltexte, bei denen viele Nichtchristen Schnappatmung bekommen. Sie lesen diese Stellen und fragen sich: Wie kann man nur an so einen Gott glauben? Wenn wir ehrlich sind, geht es vielleicht manchen von uns Christen genauso. Wir stoßen auf bestimmte Passagen und denken: Das ist ja unerhört.
Vielleicht schämen wir uns sogar ein wenig, wenn andere uns damit konfrontieren. Dann sagen wir: Na ja, ich weiß auch nicht so recht, wie man das eigentlich verstehen soll und wie ich das einordnen kann.
Exodus 21, also 2. Mose 21, kann so ein Text für dich sein. Du denkst vielleicht: Das ärgert mich oder wie soll ich das jemand anders erklären? Ich verstehe ja selbst nicht, was das alles soll. Wenn du noch kein Christ bist, hoffe ich, dass diese Predigt dir ein bisschen hilft, das Ganze tiefer zu verstehen.
Es geht darum, zu erkennen, worum es in diesen Texten eigentlich geht, welche Prinzipien dahinterstecken und dass diese Gesetze von einem guten, liebevollen und barmherzigen Gott stammen. Es hilft sehr, genauer hinzuschauen, um das dann auch wirklich zu verstehen.
Wenn du schon Christ bist, hoffe ich, dass du nicht nur die Prinzipien verstehst, sondern dass dich diese Texte auch herausfordern und motivieren, mehr nach den moralischen Prinzipien zu leben, die hinter diesen Gesetzen stehen.
Dafür möchte ich jetzt auch noch beten: Vater, wir danken dir für dein gutes Wort, dass wir es haben dürfen, dass wir dich dort kennenlernen und dass du uns zeigst, wie ein Leben gelingt – wie unser Leben gelingt.
Herr, wir danken dir auch für so sperrige und herausfordernde Texte wie den heutigen. Wir wollen beten, dass wir ihn tiefer verstehen und dich dahinter erkennen. Wir wollen erkennen, dass du gut bist und dass deine Wege gut sind für uns.
Herr, segne du uns im Verstand für dein Wort. Amen.
Bevor wir in diesen Text einsteigen, möchte ich drei Vorbemerkungen machen. Ich halte das für wichtig, gerade bei Texten wie diesen.
Das Erste: Die Gesetzestexte, die wir uns heute anschauen, sind uns teilweise wirklich sehr fremd. Das liegt zum einen daran, dass sie in eine ganz andere Zeit und auch in eine ganz andere Kultur hineingesprochen sind. Es ist wichtig, dass wir das wahrnehmen. Wir sehen das zum Beispiel daran, dass es Gesetze über Landwirtschaft, über Rinder, über Vieh und auch über Sklaven gibt. All das ist uns heute fremd, zumindest den meisten von uns, denn die meisten kommen nicht aus der Landwirtschaft.
Diese Gesetze erscheinen uns auch deshalb fremd, weil sie teilweise sehr hart klingen. Wir finden sie vielleicht sogar viel zu hart. Deshalb ist es wichtig, dass wir sie zunächst in ihrem ursprünglichen Kontext verstehen. Das ist das Erste.
Das Zweite: Wir müssen aufpassen, dass wir manche Praktiken, die damals in Israel gang und gäbe waren und in dieser Kultur als normal galten, nicht zu schnell als Gottes Willen interpretieren. Wir lesen hier über Sklaverei und auch gleich über Vielehe. Dabei müssen wir uns bewusst machen, dass die Bibel nirgendwo sagt, Gott wolle, dass wir Sklaven haben oder viele Frauen heiraten. Das steht nirgends geschrieben. Das löst zwar nicht alle Spannungen auf, aber die Bibel betrachtet solche Praktiken eher neutral. Es ist wichtig, dass wir nicht sofort sagen: „Ja, das ist Gottes Wille“, nur weil es dort steht.
Das Dritte: Wenn wir die Gebote im Alten Testament lesen, gibt es verschiedene Kategorien. Ich glaube, es ist hilfreich, sie auch so zu betrachten.
Zum einen gibt es das Moralgesetz. Das sind Gebote, die allgemein gültig für alle Zeiten sind. Sie galten damals und sie gelten heute. Dazu gehören vor allem die Zehn Gebote. Diese waren damals gut und richtig, und sie sind es auch heute noch. Sie zeigen Gottes Anspruch an uns Menschen.
Neben dem Moralgesetz gibt es das Zeremonialgesetz, das Regeln für die Gottesdienste enthält. Das Neue Testament sagt uns ganz klar, dass diese Regeln nicht mehr für uns Christen gelten. Jesus hat all das erfüllt, was im Zeremonialgesetz des Alten Testaments steht. Am wichtigsten ist sicher, dass Jesus sein Leben als ein Opfer gegeben hat, das ein für alle Mal reicht. Wir müssen keine Tiere mehr opfern, um Vergebung unserer Schuld zu bekommen, denn Jesus hat sein Leben gegeben und das Gesetz erfüllt. Deshalb gilt es nicht mehr für uns.
Dann gibt es noch eine dritte Kategorie: die politischen Gesetze. Diese nehmen eine Zwischenstellung ein. Erstens galten sie nur für Israel. Sie sind Gebote, und das lesen wir auch gleich hier ganz am Anfang: Rechtsordnungen, die dem Volk vorgelegt wurden. In Kapitel 24 ist es dann das Bundesgesetz, das Gott seinem Volk gibt und mit dem er alles in Israel geregelt hat.
Zunächst sind die politischen Gesetze also nur für Israel gültig. Für Deutschland gelten sie nicht mehr. Die moralischen Prinzipien, die dahinterstehen, sind aber auch für uns heute noch gültig. Das Bundesgesetz für Israel ist eine Konkretisierung, eine konkrete Anwendung der Zehn Gebote für die Zeit und Kultur damals.
Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass alle Gesetze, die wir uns jetzt anschauen, Gesetze für Israel in Zeit und Kultur sind. Es ist wichtig, die moralischen Prinzipien dahinter zu verstehen. Diese können und sollen wir auch heute noch anwenden.
Starten wir mit den Versen zwei bis elf, die Gesetze für den Umgang mit Sklaven enthalten.
2. Mose 21,2-11:
Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, soll er dir sechs Jahre dienen. Im siebten Jahr aber soll er ohne Lösegeld freigelassen werden. Ist er ohne Frau gekommen, so soll er auch ohne Frau gehen. Kam er jedoch mit seiner Frau, soll sie mit ihm gehen.
Hat ihm sein Herr eine Frau gegeben und sie hat ihm Söhne oder Töchter geboren, so gehören Frau und Kinder seinem Herrn. Er selbst soll ohne Frau gehen.
Spricht der Sklave jedoch: „Ich habe meinen Herrn lieb, auch meine Frau und meine Kinder; ich will nicht frei werden“, so soll ihn sein Herr vor Gott bringen. Dann stellt er ihn an die Tür oder den Türpfosten und durchbohrt sein Ohr mit einem Pfriemen. So bleibt er sein Sklave auf Lebenszeit.
Wird eine Tochter als Sklavin verkauft, darf sie nicht wie die Sklaven freigelassen werden. Nimmt ihr Herr sie für sich, und sie gefällt ihm nicht, soll er sie freilassen. Er darf sie aber nicht an ein fremdes Volk verkaufen, nachdem er sie verschmäht hat.
Hat er sie für seinen Sohn bestimmt, so gilt für sie das Recht der Töchter. Nimmt er sich noch eine andere Frau, darf er der Ersten weder Nahrung, Kleidung noch eheliche Rechte entziehen. Erfüllt er diese drei Pflichten nicht, soll sie ohne Lösegeld freigelassen werden.
Das Gesetz beginnt also mit Regeln, die in erster Linie den Schutz der Sklaven festlegen. Es geht fast ausschließlich um die Rechte der Sklaven, nur an einer Stelle werden die Rechte der Herren angesprochen.
Jetzt ist erst einmal die Frage: An was denkst du bei dem Wort Sklave?
Ich bin mir ziemlich sicher, die meisten von uns denken da an die Sklaverei in Nordamerika. Das kennen wir aus den Büchern, das kennen wir aus Filmen – wie es dort zuging, wie in Afrika Jagd auf Menschen gemacht wurde, wie sie dann in Ketten gelegt und mit Schiffen rübertransportiert wurden. Dabei wurde keine Rücksicht auf die Familienverhältnisse genommen. Diese Menschen wurden geknechtet, mussten auf Baumwollplantagen arbeiten oder in Haushalten dienen und wurden behandelt wie Tiere.
Es ist ganz wichtig, wenn wir jetzt hier diese Gesetze für die hebräischen Sklaven anschauen, dass sich diese Sklaverei deutlich unterscheidet. Das ist nicht wie die Sklaverei in Nordamerika.
Wir sehen das auch, wenn wir ein paar Verse weitergehen. Es hilft, gleich in Vers 16 mal zu schauen, wo es ein deutliches Gebot gibt: Gott sagt, wer einen Menschen raubt – sei es, dass er ihn verkauft, sei es, dass man ihn bei sich findet – der soll des Todes sterben. Ein Gebot, in dem Gott den Menschenhandel ausdrücklich verbietet und ihn sogar unter Todesstrafe stellt. Die Sklaverei hier funktioniert anders. Sie ist mehr mit einem Vertrag zu vergleichen.
Wir sehen das, wenn wir in Vers 2 schauen. Dort steht nämlich ganz deutlich, dass diese Sklaverei zeitlich begrenzt ist. Der Sklave dient sechs Jahre, und im siebten Jahr soll er freigelassen werden. Es ist ganz erstaunlich, diese Bestimmung dort zu lesen – lange bevor es irgendwelche Arbeitnehmerrechte gab, tausende Jahre bevor Gewerkschaften entstanden sind, ist hier schon festgelegt, dass es Grenzen gibt, was der Herr von seinem Sklaven verlangen kann.
Ganz wichtig: Ein Vertrag, der auf eine gewisse Zeit begrenzt ist. Nach sechs Jahren sollst du ihn freigeben. Und in 5. Mose 15 lesen wir, dass das Gleiche auch für Frauen galt, die so in die Sklaverei gegangen sind und sich für eine gewisse Zeit verpflichtet hatten. Man hat es damals getan, es gab Gründe dafür: Du warst arm, hast vielleicht etwas verbrochen und musstest eine Schuld abarbeiten. All das konnte jemanden dazu bringen, zu sagen: Ich biete mein Leben an, ich diene als Knecht, als Sklave für eine bestimmte Zeit. Aber nach sechs Jahren war der Vertrag erfüllt.
Und in 5. Mose 15 heißt es auch, dass der Herr den Mann nicht einfach vom Hof jagen soll – oder die Frau –, sondern sie ausstatten soll mit Lebensmitteln und allem, was sie brauchen, um weiterleben zu können. Das ist etwas ganz anderes als die Sklaverei in Nordamerika.
Ein zweiter Schutz, der hier in Vers drei festgeschrieben ist, betrifft die Familie. Wenn ein Sklave mit seiner Frau, also bereits mit Familie, in den Haushalt seines Herrn gekommen ist, dann soll er nach diesen sechs Jahren auch seine Familie wieder mitnehmen dürfen.
Das ist außergewöhnlich. Wenn wir zum Beispiel an Nordamerika denken, wurden Familien oft auseinandergerissen. Es interessierte die Herren nicht, ob die Sklaven verheiratet waren oder wie die Familienverhältnisse aussahen. Die Familien waren dort oft Spielball ihrer Herren. Hier ist es anders: Wenn du verheiratet kommst, darfst du wieder mit deiner Familie gehen.
Eine einzige Ausnahme ist hier formuliert: Wenn der Sklave in der Sklaverei geheiratet hat, also wenn sein Herr ihm eine Frau aus seinen Sklavinnen gegeben hat, dann soll diese Frau mit den Kindern beim Herrn bleiben. Das kann man zunächst vielleicht als hart, unfair oder ungerecht empfinden. Ist es aber nicht, wenn man etwas genauer darüber nachdenkt.
Denn diese Sklavin, die der Herr seinem Sklaven zur Frau gegeben hat, hatte ebenfalls einen Vertrag mit ihrem Arbeitgeber – so kann man es formulieren. Sie hat zugesagt, für sechs Jahre Dienste zu leisten. Das Wort „gehören“ darf hier nicht so verstanden werden, als ob es sich um eine unbegrenzte Zeit handelt. Es war ganz klar zeitlich begrenzt.
Es gibt sogar heute noch in Deutschland Situationen, die man sich ähnlich vorstellen kann. Zum Beispiel: Ein Bundeswehrsoldat lernt bei der Bundeswehr seine Frau kennen und heiratet sie. Nach Ablauf seiner Dienstzeit möchte er vielleicht wegziehen, eventuell sogar in ein anderes Land. Seine Frau ist aber noch verpflichtet, beim Militär zu bleiben. Sie darf nicht einfach gehen, sondern gehört noch ihrem Arbeitgeber, der Bundesrepublik Deutschland, bis sie ihren Dienst abgeleistet hat.
Ähnliches kann man sich auch in Unternehmen vorstellen. Man kann manche Verträge nicht einfach kündigen oder irgendwo anders hingehen. Vielleicht muss man dann eine Ablösesumme zahlen, um aus dem Vertrag herauszukommen. Es gibt einfach Vertragssituationen, in denen das nicht möglich ist.
Ganz ähnlich ist es hier. Wieder sind die Rechte des Sklaven geschützt, auch in solchen Situationen. Der Sklave hatte mehrere Möglichkeiten. Erstens konnte er Geld verdienen und seine Frau und Familie aus der Sklaverei „rauskaufen“. Das war geregelt und möglich. Wenn er hart gearbeitet hatte, konnte er seine Familie dem Herrn abkaufen.
Zweitens konnte er auch warten, bis die Frau ihren Vertrag erfüllt hatte. Nach spätestens sechs Jahren war auch sie dann frei, und sie konnten wieder zusammen sein. Für mich persönlich wäre es nichts gewesen, so lange zu warten, aber die Möglichkeit bestand.
Eine dritte Möglichkeit wird in den Versen fünf bis sechs deutlich formuliert: Der Sklave konnte auch sagen, „Mein Herr ist ein guter Herr, der für mich sorgt, mir alles gibt, was ich brauche. Ich habe hier Essen und Trinken, er behandelt mich gut und misshandelt mich nicht. Ich bleibe bei diesem Herrn.“ Er konnte seinen Vertrag von einem zeitlich befristeten in einen lebenslangen Vertrag umwandeln.
Das konnte man nicht einfach so aus dem Bauch heraus entscheiden. Es gab klare Regeln. Das Gesetz regelt das hier: Es musste vor Gott und vor den Menschen bezeugt werden. Es war ein öffentlicher Rechtsakt, fast wie eine Hochzeit. Der Mann wurde öffentlich an die Türschwelle des Hauses des Herrn geführt. Dort wurde das dokumentiert und sichtbar gemacht, indem ein Nagel durch sein Ohr getrieben wurde. Er wurde dadurch gezeichnet.
Das klingt archaisch, ist es auch, aber es war das Symbol dafür: „Ich gehorche meinem Herrn.“ Das Ohr ist das Organ, mit dem wir hören, also symbolisiert es Gehorsam. Es bedeutet: „Ich gehorche ihm und will bei ihm bleiben auf Lebenszeit.“
Ich weiß nicht, ob wir heute verstehen können, wie außergewöhnlich diese Gesetze für Sklaven in dieser Zeit waren. Aus anderen Kulturen dieser Zeit gibt es ebenfalls Gesetzestexte, und oft tauchen dort Sklaven ganz am Ende auf. Die allerletzten Regeln behandeln den Sklavendienst. Hier beginnt das Gesetz aber damit, dass die Rechte der Sklaven geschützt werden.
In den Gesetzen anderer Kulturen geht es meist um die Rechte der Arbeitgeber, um die Rechte der Herren – aber kaum um die Freiheitsrechte der Sklaven. Hier ist es ganz anders.
Ab Vers lesen wir von einer besonderen Bestimmung für Frauen, die von ihren Vätern in die Sklaverei verkauft werden. Das erschüttert einen, wenn man das zum ersten Mal liest. Kann denn ein Vater seine Tochter in die Sklaverei verkaufen?
Wenn wir genauer hinschauen, geht es hier ganz offensichtlich um eine besondere Situation: arrangierte Ehen. Das ist uns in Deutschland fremd, denn wir suchen uns unsere Partner selbst aus. Aber bis heute ist es in vielen Kulturen auf der Welt so, dass die Eltern diese Entscheidungen treffen.
Diese Eltern handeln nicht immer gut, das glaube ich durchaus. Sie liegen nicht immer richtig. Aber wir dürfen nicht automatisch denken, dass arrangierte Ehen immer nur den Interessen der Väter dienen. Es gibt viele Väter, die sich gut überlegen, was für ihre Tochter am besten ist und was ihr hilft.
Der Hintergrund ist oft, dass die Väter wollen, dass ihre Tochter es gut hat, abgesichert und versorgt ist. Deshalb geben sie ihre Tochter in das Haus eines wohlhabenden Mannes, von dem sie sich versprechen, dass er für sie sorgen kann. Das ist der Hintergrund.
Gleichzeitig gibt das Gesetz hier klare Regeln vor, wie mit diesen Frauen umzugehen ist. Das ist erstaunlich.
Erstens: Wenn der Mann, der sie kauft, den Brautpreis bezahlt hat, aber dann sagt, er möchte sie doch nicht heiraten, schreibt das Gesetz vor, dass er sie gegen ein Lösegeld freilassen soll. Das bedeutet ganz sicher, dass der Vertrag rückgängig gemacht wurde. Die Familie hat sie zurückgekauft, das Geld wurde zurückgegeben, und sie wurde frei. Sie konnte zu ihrer Familie zurückkehren. Das klingt uns fremd, ist aber so geregelt.
Zweitens: In Vers acht heißt es, wenn der Mann sagt, er möchte sie an seinen Sohn verheiraten, dann soll er die Frau nicht wie eine Sklavin behandeln, sondern nach dem Gesetz der Töchter. Das bedeutet, dass aus einer Sklavin eine Schwiegertochter wird – eine freie Frau, die zum Haushalt gehört.
Drittens: Die Verse zehn bis elf beschreiben eine weitere Situation. Wenn der Herr sich entscheidet, aus welchen Gründen auch immer, noch eine andere Frau zu nehmen – was damals oft möglich war – kann er seine erste Frau nicht einfach zur Seite schieben und sagen, mit ihr will er nichts mehr zu tun haben.
Stattdessen soll er sich gut um sie kümmern. In den Versen heißt es: Nimmt er sich noch eine andere, so soll er der ersten an Nahrung, Kleidung und ehelichem Recht nicht abbrechen. Das bedeutet, er soll sie weiterhin versorgen, für sie da sein und auch die ehelichen Pflichten erfüllen.
Wenn er das nicht tut, heißt es in Vers 11, soll er sie ohne Lösegeld ziehen lassen. Auch dann ist sie frei.
So fremd uns diese Gesetze auch sind – sie stammen aus einer ganz anderen Kultur – dürfen wir nicht übersehen, dass es hier wirklich um Schutzrechte für die Schwächsten und Niedrigsten in der damaligen Gesellschaft geht.
Es ist außergewöhnlich, Sklavenrechte in dieser Form zu finden. Ebenso außergewöhnlich sind Frauenrechte in dieser Zeit. Das war lange vor der Emanzipation und lange bevor solche Rechte irgendwo festgeschrieben wurden.
Deshalb ist es eine Schande, dass die Bibel immer wieder missbraucht wurde, um Sklaverei zu rechtfertigen – wie sie etwa in Nordamerika praktiziert wurde, aber auch an anderen Orten der Welt. Man hat behauptet, man könne mit Menschen wie mit Tieren umgehen, hätte aber nur Exodus 21 lesen müssen.
Ebenso beschämend ist, wie mit Frauen im Namen des christlichen Glaubens umgegangen wurde. Schon hier sehen wir die Anfänge. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel und das Neue Testament. Dort lesen wir, was Gott zur Ehe sagt, wie sie aussehen soll und wie er Frauenwürde und Rechte verleiht.
Wie kann man auf dieser Grundlage Frauen verachten? Es ist sehr wertvoll, was wir hier lesen.
Es wird auch sehr persönlich, wenn man das Prinzip dahinter versteht: Gottes Schutz für die Schwächsten und Niedrigsten.
Es wird persönlich da, wo ich Verantwortung trage – als Chef oder Chefin für ein ganzes Unternehmen, vielleicht nur für ein Team oder eine kleine Gruppe, in der Schule für eine Arbeitsgemeinschaft oder wo auch immer ich Verantwortung für andere Menschen habe.
Dieses Prinzip soll mich leiten: Ich soll auf sie achten, ihre Würde und ihre Rechte respektieren. Wie gehe ich mit anderen um? Denke ich darüber nach, wie Gott auf meine Mitarbeiter schaut, auf die Menschen, die er mir anvertraut hat?
Ich soll sie gut und würdevoll behandeln, mit Liebe. Das gilt auch für unsere Ehen.
Ich möchte vor allem die Männer ansprechen, die Ehemänner. Wir haben keine zwei Frauen – eine reicht. Aber die Verpflichtung gilt, dass wir gut für sie sorgen, so wie es hier dem Mann aufgetragen ist.
Wir sollen für sie da sein, unseren ehelichen Pflichten nachkommen. Männer denken dabei oft zuerst an Sex, aber es geht um viel mehr. Es geht um die Emotionen und Gefühle unserer Frauen. Wir sollen dafür sorgen, dass sie aufblühen und dass wir für sie da sind.
Gott sind die Menschen wertvoll und wichtig, die er uns anvertraut. Das sehen wir hier sehr deutlich an diesen Schutzbestimmungen.
Weil Gott sie so wichtig sind, sollen sie auch uns wertvoll und wichtig sein. Und es beginnt mit denen, die er uns anvertraut hat.
In den Versen 12 bis 27 lesen wir als Nächstes Bestimmungen zum Schutz des Lebens. Ich beginne mit den Versen 12 bis 17, in denen es um Kapitalverbrechen geht. Das sind Verbrechen, für die dort die Todesstrafe vorgesehen ist.
Dort heißt es: Wer einen Menschen schlägt, so dass er stirbt, der soll des Todes sterben. Hat er ihm aber nicht vorsätzlich nachgestellt, sondern hat Gott es seiner Hand widerfahren lassen, so will ich dir einen Ort bestimmen, wohin er fliehen kann. Wenn aber jemand an seinem Nächsten frevelt und ihn mit Hinterlist umbringt, so sollst du ihn von meinem Altar wegreißen, damit man ihn tötet. Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll des Todes sterben. Wer einen Menschen raubt, sei es, dass er ihn verkauft, sei es, dass man ihn bei ihm findet, der soll des Todes sterben. Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben.
Arbeiten wir uns Stück für Stück vor. Beim ersten Gebot können wir das vielleicht noch am besten verstehen: Wenn jemand einen Menschen umbringt, dann soll er auch getötet werden. In Deutschland gibt es keine Todesstrafe, aber wir können das Prinzip, denke ich, gut nachvollziehen. Gott gibt dieses Gebot nicht erst hier, sondern schon in 1. Mose 9,6, wo er zu Noah sagt: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll um des Menschen willen vergossen werden, denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht.“
Gott sagt also, jeder Mensch ist in seinem Bild gemacht, ein Ebenbild Gottes, und hat eine unvergleichliche, unbeschreibbare Würde. Deshalb ist es so schlimm und so sehr versündigt man sich, wenn man einen anderen Menschen tötet, dass es nur gesühnt werden kann – indem der Mörder auch getötet wird.
Ich werde an dieser Stelle kein Plädoyer für die Todesstrafe halten, aber wir müssen sehen, worum es Gott bei diesem Gesetz geht: Es geht um den Schutz des Lebens. Er sagt, das Leben ist ihm so heilig und wertvoll, dass er es auf diese Weise mit einem Zaun schützt.
Ganz spannend ist, dass das für jedes Leben gilt, ohne Ausnahmen. Es gilt für Männer, Frauen, Kinder, Erwachsene, Herren und Sklaven. Hier gibt es keine Ausnahmen. Es ist absolut: „Du sollst nicht töten.“ Hier wird das noch einmal festgesetzt für das Volk.
Eine Ausnahme gibt es, und auch das ist sehr wertvoll, dass sie dort festgeschrieben ist. Was ist zum Beispiel, wenn ich mit dem Auto auf der Autobahn unterwegs bin und jemand bei einem Unfall stirbt, obwohl ich das nicht wollte? Darum geht es in Vers 13, wenn es heißt: „Hat er ihm aber nicht nachgestellt, sondern hat Gott es seiner Hand widerfahren lassen.“
Hier geht es um höhere Gewalt, um eine Situation, in der ich jemanden töte, aber nicht absichtlich. Es war ein Unfall, der dennoch im Gottesplan vorgesehen war. Wer so jemanden tötet, soll nicht sterben, er darf weiterleben. Es gibt zwar eine Strafe, aber nicht die Todesstrafe. Das ist sehr weise.
Der Herr sieht das Herz an, schaut, mit welchen Motiven es passiert ist, und findet sogar seinen Weg in die Gesetzgebung. Nur eine Randnotiz: In unserem Land, in Deutschland, sind wir so geprägt vom christlichen Glauben und von dem, was wir in der Bibel lesen, dass die Motive eine große Rolle spielen.
Aus welchem Grund hat jemand getan, was er getan hat? In vielen Gesellschaften ist das ganz anders. Bei uns ist es bis heute wirksam, genau hinzuschauen: Warum hast du das getan? Das ist gut und gerecht gegenüber dem Menschen.
Dann das Gesetz in Vers 16 – das haben wir schon angeschaut – Menschenhandel. Wenn ich jemanden so einschränke und sein Leben missbrauche, stellt Gott auch dafür die Todesstrafe.
Besonders schockierend sind wahrscheinlich die Verse 15 und 17. Dort werden Vergehen gegen die eigenen Eltern sanktioniert. Wer seine Eltern schlägt oder sie verflucht, der soll sterben, soll getötet werden.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es hier nicht um ein Kleinkind geht, das seine Eltern mal anfasst oder sie beschimpft. Es geht um eine Lebenshaltung, um schwere Verfehlungen. Das Wort „schlagen“ wird an anderer Stelle für Totschlagen gebraucht. Es geht um einen Angriff, der zum Tod führen kann. Und das Verfluchen hat wirklich Auswirkungen auf das ganze Leben, wie auch immer das konkret aussieht.
Es sind schwere Vergehen gegen die Eltern. Trotzdem erscheint uns das sehr hart, und wir denken: Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Ich denke, der Schlüssel zum Verständnis liegt in der Bedeutung der Zehn Gebote.
Denn alle diese Gesetze, die wir hier lesen, alle diese Kapitalverbrechen haben direkt mit den Zehn Geboten zu tun: Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen (Menschenraub ist Diebstahl), und du sollst Vater und Mutter ehren.
Wenn ich die Strafe, die hier beschrieben ist, zu hart finde, sagt das viel über mein eigenes Herz aus. Was sage ich damit? Im Endeffekt, dass es gar nicht so schlimm ist, gegen die Zehn Gebote zu verstoßen. Ich mache es klein und halte es tief in meinem Herzen eher für eine Lappalie oder eben für nicht so schlimm, wie es wirklich vor Gott ist. Deshalb finde ich die Strafe übertrieben.
Wir müssen aber verstehen, dass genau diese Strafen, die hier beschrieben sind, die gerechten Strafen für unsere Rebellion gegen Gottes Gebote, die Zehn Gebote, sind. Das ist schwer zu fassen und zu verstehen, dass genau das gerecht ist.
Paulus sagt es im Römerbrief Kapitel 6: Der Tod ist der Lohn für unsere Sünde. Es ist gerecht, wenn Menschen gegen Gottes Gebote aufbegehren und ungehorsam sind, dass sie sterben.
Und weil keiner von uns die Zehn Gebote so hält, wie wir es sollten, haben wir alle tatsächlich das verdient, was hier beschrieben wird, was anschaulich in Israel durch diese Gesetze gezeigt wird. Wir alle haben diesen Tod verdient.
Ich fürchte, wir verstehen das in der Tiefe gar nicht, wenn wir diese Gesetze zu hart finden. Wir finden sie zu streng, zu brutal, weil wir Gottes Maßstäbe und seinen Anspruch nicht ernst genug nehmen.
Die Gesetze, die Zehn Gebote, gelten heute wie damals. Wie gut und befreiend ist es, dass die Bibel uns mehr zu sagen hat!
Letzte Woche haben wir schon darüber nachgedacht, als wir uns die Zehn Gebote genauer angeschaut haben: Keiner von uns hält sie so, wie er sollte. Aber die Bibel sagt uns mehr.
Sie sagt nicht mehr: Todesstrafe für die, die die Zehn Gebote nicht erfüllen. Nicht mehr, wenn du auf Jesus Christus vertraust. Nicht mehr, weil Jesus gekommen ist, um diese Strafe, diesen Lohn für die Sünde selbst zu bezahlen und auf sich zu nehmen – am Kreuz.
Nicht mehr, weil er sein Leben gibt für Menschen, die verdient haben, dass ihr Leben ausgelöscht wird.
Nicht mehr, weil Jesus uns ein neues Leben schenkt – ein Leben für Gott, ein Leben frei von der Sünde, frei vom Fluch der Sünde, weil er uns befreit zum Leben mit Gott.
Das ist ganz wichtig. Solche Texte aus dem Alten Testament bereiten uns vor. Sie sollen unser Herz weich machen. Wir erkennen: Ich habe das auch verdient, aber Gott schenkt mir das, was ich nicht verdient habe – er schenkt mir das Leben.
Was für ein atemberaubendes Geschenk! Ich möchte jeden, der das noch nicht angenommen hat, einladen: Glaub an Jesus Christus und lass dir seine Vergebung schenken. Anders geht es nicht.
Und uns Christen möchte ich ermutigen: Lasst uns das noch tiefer begreifen, sehen, wie schlimm die Sünde wirklich ist, und dann umso fröhlicher und dankbarer sein, dass wir den Preis nicht bezahlen müssen.
Wir gehen frei raus aus dem Gerichtssaal, weil ein anderer bezahlt hat: Jesus Christus selbst.
Die Gesetze zeigen uns nicht nur den Maßstab Gottes, sondern auch, dass es wirklich gut für uns ist, so zu leben. Das wird besonders deutlich, wenn wir diese Gesetze Gesetz für Gesetz durchgehen. Wenn nicht nach diesen Gesetzen gelebt wird, entsteht Chaos. In dieser Welt gibt es dann Schwierigkeiten und unendliches Leid.
Man muss nur die Zeitung lesen – jeden Tag aufs Neue. Dort finden sich Berichte über Mord, Totschlag, Menschenhandel und Zwangsprostitution in unserem Land. Familien machen sich gegenseitig das Leben schwer, man kann sogar sagen, sie machen es sich zur Hölle. All das passiert, weil wir nicht nach Gottes Willen leben wollen. Er gibt uns hier Schutzgesetze und zeigt uns, dass es gut ist, danach zu leben.
Das gilt auch für die weiteren Gesetze, die wir jetzt nicht Gesetz für Gesetz durchgehen, da das zu lang wäre. Die Gesetze ab Vers 18 regeln, was passiert, wenn ich jemand anderem Schaden zufüge, ohne dass dieser stirbt, aber dennoch geschädigt wird. Das grundlegende Prinzip finden wir in den Versen 23 bis 25. Ich möchte uns diese Verse vorlesen:
„Entsteht ein dauernder Schaden, so sollst du geben: Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde.“
Diese Aussage bezieht sich auf einen ganz konkreten Fall. Im Neuen Testament sehen wir, dass dieses Prinzip in Israel als grundlegendes Rechtsprinzip angewandt wurde: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Jesus zitiert es, es war gängig, so wurden Gesetze gemacht und von der Justiz gehandelt.
Im Kern geht es bei diesem Gesetz um einen fairen Ausgleich. Ich glaube, das können wir verstehen. Wenn jemand Schaden erleidet, muss die Strafe zum Vergehen passen. Das ist die zentrale Aussage. Für uns klingt das vielleicht archaisch: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Doch im Kern bedeutet es, dass die Strafe angemessen sein muss.
Wenn jemand das Auge eines anderen schädigt, kann man ihm nicht den Kopf abschlagen. Dieses Prinzip beugt Eskalationen vor und sorgt für faire Strafen. Abgesehen von der Todesstrafe wurde dieses Prinzip in Israel nach allem, was wir wissen, nicht wortwörtlich umgesetzt. Wenn ich also jemandem das Auge verletzt habe, wurde mir nicht auch das Auge verletzt. In der Regel wurde der Fall anders gelöst, zum Beispiel durch Ausgleichszahlungen.
Einen solchen Fall sehen wir im gleichen Kapitel, Vers 26, wo es um Sklaven geht. Wenn ein Herr das Auge seines Sklaven schädigt oder ihm einen Zahn ausschlägt, lautet das Gesetz nicht, dass man dem Herrn auch das Auge ausschlagen oder den Zahn entfernen soll. Stattdessen muss er seinen Sklaven freilassen.
Auch hier wird das Prinzip angewandt: Was ist eine vergleichbare Leistung? Was ist fair in so einem Fall? Dadurch sehen wir erneut, wie Sklaven geachtet und gut behandelt wurden. Ein Herr konnte seinem Sklaven nicht einfach Gewalt antun, ihn krankenhausreif prügeln und lebenslang entstellen, um dann einfach weiterzumachen. Stattdessen musste er den Sklaven gehen lassen.
So wird hier das Prinzip „Auge um Auge“ gleich angewandt – als fairer Ausgleich. Es ging also nicht um ein brutales Rachesystem, sondern um eine gerechte Entschädigung.
Wie ist es aber zu verstehen, wenn Jesus in der Bergpredigt sagt, wir sollen nicht nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ leben? Stattdessen sollen wir die andere Wange hinhalten, wenn uns jemand schlägt. Wenn jemand uns zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, sollen wir sogar eine extra Meile mit ihm gehen.
Ich denke, Jesus hebt damit nicht das Rechtsprinzip auf, das ein gutes Prinzip ist und das Gott als solches gegeben hat. Vielmehr fordert er die Menschen heraus, nicht hartherzig auf ihr Recht zu pochen, sondern gnädig miteinander umzugehen. Es geht darum, nicht zuerst darauf zu schauen, was mir jetzt zusteht, wenn mir jemand Unrecht getan hat.
Wenn mich jemand schädigt, habe ich einen Anspruch auf Wiedergutmachung. Dieser Anspruch besteht zunächst, aber ich kann auch freiwillig darauf verzichten. In solchen Situationen kann ich gnädig sein. Jesus ermutigt seine Jünger dazu und ruft sie in der Bergpredigt dazu auf: Lasst Gnade walten! Diese Gnade kommt direkt aus Gottes Herzen, der mit uns gnädig ist, obwohl wir das nicht verdienen.
Das habe ich in meinem Leben immer wieder erlebt, wie Christen mir gnädig begegnet sind. Ich erinnere mich an eine Situation vor einigen Jahren. Ein Bruder hat mir sein teures Auto geliehen. Beim Einparken habe ich nicht aufgepasst und die Felgen beschädigt. Nach dem Prinzip „Auge um Auge“ hätte das bedeutet, dass ich den Schaden bezahlen muss. Das habe ich ihm auch angeboten. Doch er sagte zu mir: „Du bist ein Praktikant, ich weiß, du hast nicht viel Geld. Ich übernehme den Schaden.“
Das war ein Beispiel für teure Gnade, denn Gnade ist immer teuer. Einer zahlt immer den Preis. Wenn du frei davonkommst, bezahlt jemand anderes den Schaden. Gott hat seinem Volk diese Gesetze zum Schutz gegeben. Das dahinterliegende Prinzip ist gut für einen Staat und für eine Familie: Die Strafe soll zum Vergehen passen.
Aber als Christen dürfen wir auch erkennen: Wenn ich geschädigt werde, habe ich die wunderbare Möglichkeit, Gottes Gnade weiterzugeben. Ich kann vorleben, was es bedeutet, gnädig zu sein.
Ich möchte uns ermutigen, miteinander gnädig zu sein – in unserer Gemeinde, in unseren Familien und mit jedem, der uns Unrecht tut. Es gibt Gesetze und Recht in unserem Land, und es ist nicht ausgeschlossen, dass man diese auch in Anspruch nehmen muss oder kann.
Doch es gibt auch eine große Möglichkeit: Wenn jemand uns Unrecht tut, großzügig zu sein und Gottes Gnade weiterzuschenken. Diese Gnade kann sich niemand nehmen, aber wir können sie weitergeben.
Die letzten Verse wollen wir uns nur noch ganz kurz anschauen. Im Kern geht es hier um den Schutz vor Fahrlässigkeit. Verschiedene Fälle werden beschrieben: Ein Rind, das einen Menschen tötet, ein Mann, der eine Zisterne baut und sie nicht ausreichend sichert, sodass ein Tier hineinfallen kann, oder ein Rind, das ein anderes Rind tötet – verschiedene Beispiele also.
Alle diese Fälle, die hier genannt werden, könnt ihr euch später noch einmal durchlesen. Sie beschreiben Menschen, die nicht genügend darüber nachgedacht haben, was ihr Handeln für andere bedeutet.
Vielleicht lese ich doch einfach noch ein paar Verse vor, damit wir das besser vor Augen haben. In Kapitel 21, ab Vers 33 heißt es:
„Wenn jemand eine Zisterne aufdeckt oder gräbt und sie nicht zudeckt, und ein Rind oder Esel hineinfällt, soll der Besitzer der Zisterne dem anderen Ersatz leisten. Das tote Tier aber soll ihm gehören. Wenn jemand das Rind eines anderen stößt, sodass es stirbt, sollen sie das lebendige Rind verkaufen und das Geld teilen sowie das tote Tier teilen. War aber bekannt, dass das Rind zuvor stößig war und sein Besitzer es nicht verwahrt hat, soll er ein Rind für das andere erstatten und das tote Tier haben.“
Es geht also um Menschen, die nicht aufgepasst haben, ihre Baustelle nicht geschützt oder ihr Tier nicht im Griff hatten. Wieder gilt das Prinzip: Wenn das Tier zum ersten Mal stößig wird, konnte man das nicht genau wissen. Wenn das Tier aber bereits dafür bekannt war, ist die Strafe härter – das ist gerecht.
Auch wenn die meisten von uns keine Rinder besitzen und keine Zisterne im Garten haben, müssen wir dennoch genau hinhören. Es ist wichtig, dass wir darauf achten, wie wir andere Menschen schützen. Zu oft denken wir zu wenig darüber nach, welche Auswirkungen unser Handeln auf andere hat.
Das lässt sich auf viele Situationen übertragen. Zum Beispiel beim Autofahren: Man meint, bei 100 km/h auf der Autobahn noch WhatsApp schreiben und lesen zu können. Niemand, der einen Unfall verursacht, denkt: „Ich gefährde jetzt mal andere“ oder „Ich baue jetzt mal einen Unfall.“ Es passiert schnell, weil Menschen nicht nachdenken. Leider passieren auf diese Weise sehr häufig Unfälle.
Oder wenn ich mit meinem Hund im Wald unterwegs bin – ich habe keinen Hund, liebe Hundebesitzer, verzeiht mir –, aber wenn da ein Jogger unterwegs ist und der Hund nicht an der Leine ist, kann es passieren, dass der Hund den Jogger angreift. Ich habe so etwas schon mehrfach erlebt. Es ging immer gut für mich aus. Deshalb: Hund an die Leine! Das ist keine Hundefeindlichkeit, aber Hunde wollen nicht immer nur spielen.
Oder wenn ich krank bin, einen schweren Infekt habe, und meine, ich müsste allen beweisen, dass ich ein harter Hund bin. Ich gehe trotzdem zur Arbeit und will zeigen, dass ich noch etwas leisten kann, aber dadurch stecke ich die ganze Firma an. Hat jemand gesagt: „Wir feedbacken uns ja immer gegenseitig“? Oder: „Damit tue ich doch etwas Gutes, ich stärke das Immunsystem der Bevölkerung“? Nein, man kann sich die Dinge auch schönreden.
Dann bleib zu Hause, leg dich ins Bett, werde gesund und achte auf die anderen.
Gibt es Bereiche in deinem Leben, in denen du dir zu wenig Gedanken darüber machst, welche Auswirkungen dein Verhalten auf andere hat? Gott möchte das Beste für uns Menschen. Dazu gehört auch, dass jeder von uns darüber nachdenkt: Wie lebe ich eigentlich, damit ich anderen keine Schwierigkeiten bereite? Welche Konsequenzen hat mein Verhalten?
Manchmal kann ich das durch Nachdenken selbst herausfinden, zum Beispiel beim WhatsApp-Schreiben im Auto, dass das gefährlich für andere sein kann. Und manchmal lohnt es sich, andere zu fragen und miteinander darüber zu sprechen, ob das, was wir tun, für andere in Ordnung ist – etwa wenn ich meinen Hund frei laufen lasse.
Ihr Lieben, Jesus wurde einmal gefragt: Was ist das wichtigste Gebot? Er hat es dann sehr kurz auf den Punkt gebracht. Ich sage es mal noch kürzer in meinen Worten: Liebe Gott und liebe deinen Nächsten. Das war eine Kurzform der zehn Gebote.
Seht ihr, wie die Gesetze hier eine ganz konkrete Situation anschaulich machen? Sie zeigen, was „Liebe deinen Nächsten“ bedeutet – hier in Form von Schutzgesetzen. Gott buchstabiert es mit seinem Volk durch, wie es aussieht, den Nächsten in verschiedenen Situationen zu lieben. Israel brauchte das offensichtlich, und wir brauchen das auch.
Nächstenliebe kann sehr abstrakt sein. Vielleicht schreiben wir uns „Liebe deinen Nächsten“ noch auf irgendeine schöne Karte und hängen sie an den Kühlschrank. Dann können wir das bejahen. Aber im Alltag kann das doch gar kein großes Thema sein. Im Alltag gehst du sehr ichbezogen durch dein Leben und machst dir wenig Gedanken darüber, wie du anderen ein Segen sein kannst oder wie du andere schützen kannst.
Deshalb ermutige ich dich – und das kann ich dir gar nicht ganz konkret beantworten – dich immer mal wieder zu fragen: Wie zeigt sich denn meine Liebe zu Gott und meine Liebe zu meinen Mitmenschen ganz konkret in dem, was ich tue? Wie wird es praktisch mit meinen Mitschülern? Wie wird es praktisch in meiner Familie, auf der Arbeit, in der Gemeinde? Lebe ich Nächstenliebe?
Bist du auch bereit, für Fehler geradezustehen? Wir haben darüber nachgedacht: Wir sollen gnädig sein. Aber die andere Seite ist auch, dass wir, wo wir Schuld auf uns laden, dazu gerufen sind, zu schauen, dass wir etwas dafür tun, das auszugleichen – da, wo wir es können. Wir können nicht einfach Gnade als ein Gesetz sehen und sagen: „Na ja, ihr müsst mir alle gnädig sein hier in der Gemeinde.“ Das funktioniert so nicht. Gnade kann man nur sich schenken lassen.
Das heißt, da, wo ich Schuld auf mich lade, dass ich auch Schritte gehe und sage: Ich möchte das wieder gutmachen, ich möchte es zumindest anbieten. Die andere Seite gilt aber auch: Zeigt sich deine Nächstenliebe darin, dass du gnädig bist, dass du barmherzig bist, dass du dir die Situation anschaust von jemandem, der dir vielleicht vor den Karren gefahren ist, und dass du Gnade schenkst?
„Liebe deinen Nächsten“ – das ist eine Berufung für jeden von uns. Und das ist etwas für jeden Tag. Es ist etwas, was Gott mit uns durchbuchstabiert. Wir finden im Neuen Testament ganz viele Hinweise, viele Verse, viele konkrete Dinge, die wir tun sollen, und andere, die wir lassen sollen.
Lasst uns das wirklich wichtig nehmen, so wie es wichtig war für Israel, so ist es das für uns heute.
Lasst uns beten.
Vater im Himmel, am Ende dieser Predigt wollen wir dir von Herzen danken für deine Liebe zu uns. Du liebst uns so sehr, dass du dein Bestes, dein Teuerstes, deinen geliebten Sohn Jesus Christus für uns gegeben hast. Er hat am Kreuz die Schuld und den Lohn für alle unsere Vergehen auf sich genommen. Dadurch dürfen wir als Freie aus dem Gerichtssaal hinausgehen.
Danke, dass wir das glauben dürfen. Danke, dass jeder diese Liebe annehmen kann. Wir beten, dass diese Erkenntnis unsere Herzen verändert. Hilf uns, darin zu wachsen, einander zu lieben und zu erkennen, dass der, der uns rettet, uns auch die besten Gebote gegeben hat.
Herr, hilf uns, nach deinem Willen zu leben, dich dadurch zu lieben und andere zu segnen. Schenk uns die Kraft und die Weisheit, einen klaren Blick dafür zu haben, wie das konkret aussieht. Zeige uns, was wir tun und was wir lassen sollen.
Wir bitten um deine gute Führung, in Jesu Namen. Amen.