Wir kommen jetzt zum Philemonbrief. Ich lese vor, was ich als kurze Zusammenfassung auf dem Skript geschrieben habe.
Der Philemonbrief ist ein herrliches Plädoyer von Paulus für einen davongelaufenen, einst unnützen Sklaven namens Onesimus. Der Name bedeutet auf Deutsch „der Nützliche“. Doch Onesimus war zunächst unnütz. Dieser Sklave kam durch den Kontakt mit dem in Rom festgehaltenen Apostel Paulus zum Glauben.
Paulus ermahnt Philemon, den Herrn von Onesimus, den Davongelaufenen liebevoll als seinen Bruder in Christus wieder aufzunehmen. Dieser Brief ist ein Juwel christlichen Takts und feinfühliger Umgangs mit heiklen Angelegenheiten.
Jedes Bibelbuch ist wie ein Edelstein, jedes Buch ein anderer Edelstein mit einer ganz eigenen Strahlkraft. So ist der Philemonbrief ganz anders als der Titusbrief, der Hebräerbrief oder der erste Korintherbrief. Das gilt eigentlich für jedes Bibelbuch. Deshalb ist es wichtig, die Besonderheit jedes Buches zu erkennen und zu schätzen.
Für mich ist dieser Brief gewissermaßen der Inbegriff dafür, wie man schwierige Briefe schreiben sollte. Ich habe selbst erlebt, dass ich die Aufgabe bekam, für jemanden einen wirklich schwierigen Brief zu schreiben. Wie schreibt man so, dass es nicht verletzt und das Herz erreicht? Das lernt man durch den Philemonbrief.
Wenn man sich vorstellt, der Apostel Paulus war in seiner ersten Gefangenschaft am Ende der Apostelgeschichte, Kapitel 28, zwei Jahre lang in Rom. Er befand sich in Halbgefangenschaft. Das bedeutete nicht, dass er elektronische Fußfesseln trug – solche gab es bei den alten Römern nicht. Stattdessen wurden ihm zwei Soldaten angekettet.
Paulus durfte in einem gemieteten Haus wohnen und hatte die Möglichkeit, Menschen aufzunehmen. Philemon lebte in der heutigen Türkei, nämlich in Kolosse. Diese Stadt liegt in der Provinz Asia, die mehrfach in der Bibel erwähnt wird. Dort war Ephesus die Hauptstadt, aber auch andere Städte wie Smyrna, Bergamos und Thyatira gehörten dazu.
In Kolosse hatte Philemon einen Angestellten, der rechtlich gesehen ein Sklave war. Im römischen Recht hatte dieser Angestellte keine Rechte. Nun ist dieser Angestellte geflohen. Nach römischem Recht stand auf Flucht die Todesstrafe.
Man muss sich vorstellen, dass dieser Mann aus der heutigen Türkei geflohen ist und in Italien, in Rom, mit Paulus in Kontakt kam. Dort bekehrte er sich. Paulus schreibt in seinem Brief, dass er ihn in der Gefangenschaft „gezeugt“ habe. Das bedeutet, dass dieser Mann durch Paulus zum Jünger des Herrn Jesus wurde.
Und nun ging es darum, dass dieser davongelaufene Sklave wieder zu Philemon zurückkehren sollte. Das war natürlich mit großen Ängsten verbunden. Wie würde Philemon reagieren? Nach römischem Recht drohte dem Sklaven die Todesstrafe.
Paulus schreibt nun Philemon einen Brief und erklärt ihm die Situation. Als Apostel hätte er schreiben können: „Philemon, du nimmst ihn wieder auf und betrachtest ihn nicht mehr als Sklaven. Er ist dein Bruder, die Sache ist erledigt.“ Das wäre der Einsatz apostolischer Autorität gewesen.
Interessanterweise nennt Paulus sich in diesem Brief jedoch nicht Apostel. So beginnt der Brief: „Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder, an Philemon, den Geliebten und unseren Mitarbeiter, an Apia, die Geliebte, und Archippus, unseren Mitkämpfer, und an die Gemeinde in deinem Haus. Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus sei mit euch.“
Paulus erwähnt nicht, dass er Apostel ist, doch er deutet es an und sagt im Grunde: „Eigentlich könnte ich dir gebieten, aber das tue ich nicht.“ Er wollte wirklich das Herz von Philemon erreichen und ihm klar machen: „Schau, dieser Sklave ist jetzt dein Bruder in Christus. Du hast zu ihm ein ganz anderes Verhältnis.“
Paulus fordert Philemon auf, ihn aufzunehmen. Früher war der Sklave vielleicht unnütz, aber jetzt kann er wirklich nützlich sein. Dabei schreibt Paulus mit großer Feinfühligkeit, Taktgefühl und einem Gespür für Nuancen und Finessen.
Es beginnt damit, dass Paulus ab Vers 4 sich nicht einfach nur einschmeichelt. Vielmehr lässt er Philemon spüren, welche Wertschätzung er, der Apostel Paulus, für ihn empfindet.
Er sagt: „Ich danke meinem Gott, indem ich dich allezeit erwähne in meinen Gebeten, da ich höre von deiner Liebe und von dem Glauben, den du an den Herrn Jesus hast, und den du zu allen Heiligen zeigst.“ So offenbart Paulus seine hohe Achtung für Philemon. Diese Wertschätzung ebnet den Boden, damit Philemon auch die folgende Ermahnung besser ertragen kann.
Paulus äußert zudem seine Erwartung, dass er aus der Gefangenschaft in Rom freikommt und wieder nach Asien reisen wird. In Vers 23 heißt es: „Da ich deinem Gehorsam vertraue, so habe ich dir geschrieben, und ich weiß, dass du auch mehr tun wirst, als ich sage. Zugleich aber bereite mir auch eine Herberge, denn ich hoffe, dass ich euch durch eure Gebete geschenkt werde.“
Paulus war also wirklich zuversichtlich, dass er in Rom freigesprochen wird und wieder reisen kann. Diese Hoffnung kündigt er auch im Philipperbrief an, etwa in Philipper 1,13; 1,26; 2,24. Auch im Hebräerbrief, der tatsächlich von Paulus stammt, spricht er von dieser Freilassung aus der Gefangenschaft in Italien (Hebräer 13,23).
So war es also klar: Paulus schickt Philemon diesen ehemaligen Sklaven zurück, kündigt aber auch an, ihn bald zu besuchen. Mit diesem Brief gewinnt Paulus Philemon für den richtigen Weg. Es geht nicht um das heidnische Recht der Römer, sondern um Versöhnung und Vergebung – etwas ganz anderes.
Es ist interessant, dass im Neuen Testament nirgends dazu aufgerufen wird, die falschen sozialen Strukturen des Römischen Reiches aufzubrechen oder zu durchbrechen. Das Neue Testament ist kein Buch für Revolutionen – das wäre zum Beispiel der Marxismus. Die Bibel ist ganz anders.
Sie geht von der Realität aus, wie sie damals war. Im Römischen Reich gab es Sklaverei. Die Bibel gibt konkrete Anweisungen, wie sich bekehrte Sklaven gegenüber ihren Herren verhalten sollen. Es wird nirgends gesagt, sie sollen einen Umsturz wagen oder Demonstrationen auf den Straßen Roms organisieren, um das gesamte Sklavereisystem zu durchbrechen. Überhaupt nicht.
Was hier geschieht, ist ein Aufbrechen von innen heraus durch das Evangelium – gerade durch diese Situation. Ein Sklave kommt zum Glauben, und der, der ihn als Herr besaß, Philemon, ist ebenfalls ein Gläubiger. Im Evangelium kamen sowohl Sklaven zum Glauben als auch solche, die Sklaven hatten.
Das Evangelium verändert die Verhältnisse von innen heraus. Hier wird gezeigt: Ein Sklave, der zum Glauben kommt, ist ein Bruder. Wenn dieser mit seinem Herrn in der Versammlung sitzt, dann sind sie nicht Herr und Sklave, sondern zwei Brüder im Herrn. Es kann sogar vorkommen, dass der Sklave predigt und sein Herr zuhört und belehrt wird. Das ist grandios!
Ist es so, dass das Christentum später in der Geschichte dazu geführt hat, dass im Westen offiziell die Sklaverei abgeschafft wurde? Wenn man an Wilberforce denkt – das ist der Name, der im Zusammenhang mit der Abschaffung der Sklaverei in England bekannt ist – dann sieht man, dass dies natürlich weltweit Auswirkungen hatte. Wilberforce war ein evangelikaler Christ, der durch biblische Überzeugungen wirkte. Es waren nicht die Atheisten, die diese Veränderung bewirkten.
Allerdings gibt die Bibel nicht den Auftrag, die Welt durch eine Revolution zu verändern. Trotzdem hat das Evangelium die Welt enorm beeinflussen können. Dabei geschah dies nicht durch einen gewaltsamen Umsturz, sondern durch ein umkehrendes Verhältnis der Verhältnisse – durch Vergebung und Versöhnung.
Dieses Prinzip wird im Philemonbrief so grandios aufgezeigt.
Und dann ist das Ganze eigentlich ein Gleichnis. Der Mensch ist erschaffen worden als Diener Gottes.
Ich muss noch erklären: Das Wort „Sklave“ klingt ja sehr negativ und schlecht. Im Römischen Reich konnte es jedoch vieles bedeuten. Es reichte von einem Menschen, der wirklich keine Würde hatte und oft sehr schlecht behandelt wurde, bis hin zu jemandem, der sogar zur Familie gehörte. Solche Personen waren Bedienstete mit einem verantwortungsvollen Posten im Haus eines Sklavenbesitzers.
In solchen Fällen sprach man nicht mehr von einem Sklaven, sondern von einem Knecht – oder sogar von einer Art Familienmitglied. Diese ganze Bandbreite muss man vor Augen haben. Hier wird gezeigt, wie gerade durch das Evangelium solche Verhältnisse ganz neu geordnet werden.
Es wird auch deutlich gemacht, wie dem Einzelnen die Verantwortung aufs Herz gelegt wird. Paulus will das Herz von Philemon erreichen und ihm klarmachen, dass er in seinen ganzen Vorstellungen umdenken muss. Philemon hatte schon Sklaven, bevor er zum Glauben kam. Seine Haltung gegenüber seinen Bediensteten war vor der Bekehrung natürlich eine andere als danach.
Aber hier wird klargemacht: Auch nach der Bekehrung musste er sein Verhältnis zu diesen Leuten, die ihm im Haus dienen, überdenken. Und das wird gerade durch dieses wunderbare Beispiel mit Onisimus erreicht. Onisimus war ein Diener von Philemon.
Und so ist der Mensch grundsätzlich als Diener Gottes erschaffen worden. Philemon bedeutet übrigens „der Liebende“. Der Gott der Liebe hat den Menschen als Diener geschaffen. Doch der Mensch hat sich gegen Gott entschieden und ist von ihm weggegangen. So kam es zum Sündenfall (1. Mose 3).
Genau wie Onesimus, dessen Name „der Nützliche“ bedeutet, aber der in Wirklichkeit unnütz war, ist der Mensch durch den Sündenfall ein unnützer Diener geworden. Dann aber kam die Begegnung von Onesimus mit Paulus. Paulus ist hier ein Bild für den Sohn Gottes. Durch den Kontakt von Onesimus mit Paulus kam eine völlige Wende in Onesimus’ Leben.
Paulus sagt: Wenn Onesimus Philemon etwas schuldet, dann zahle ich das hier. So zeigt Jesus wirklich seine Bereitschaft, alle unsere Schuld zu bezahlen – wir sind ja von Gott davongelaufene Diener. Jesus setzt sich für uns ein.
Der Herr Jesus hat das Erlösungswerk am Kreuz vollbracht, um uns zu nützlichen Dienern Gottes zu machen. Dadurch entsteht ein ganz neues Verhältnis zu Gott, das sogar tiefer ist als das Verhältnis, das der Mensch vor dem Sündenfall hatte.
In diesem Zusammenhang illustriert das ganze Evangelium eine herrliche Perle im Wort Gottes.
Und nun wenden wir uns dem Hebräerbrief zu. Dieser wurde in derselben Zeit geschrieben wie der Philemonbrief, nämlich am Ende der zweijährigen Gefangenschaft in Rom.
Im Hebräerbrief lesen wir in Kapitel 13, Vers 23: „Wisst, dass unser Bruder Timotheus freigelassen ist, mit dem, wenn er bald kommt, ich euch sehen werde.“ Weiter heißt es: „Grüßt alle eure Führer und alle Heiligen. Es grüßen euch die von Italien. Die Gnade sei mit euch allen. Amen!“
Hier wird deutlich, dass der Hebräerbrief in Italien verfasst wurde. Paulus spricht von der Freilassung Timotheus’, der ebenfalls Mitgefangener in Rom war. Außerdem kündigt Paulus an: „Ich werde euch sehen, ich werde euch besuchen.“
Diese Angaben stimmen genau mit den Informationen überein, die bereits im Philemonbrief und im Philipperbrief erwähnt wurden.
Nun, der Brief richtet sich an die Hebräer. Wer sind die Hebräer? Es ist ganz wichtig zu wissen, dass die Titel der neutestamentlichen Bücher nicht inspiriert sind. Sie wurden menschlich hinzugefügt. Im Original stand also nicht „Der Brief an die Hebräer“, sondern der Text beginnt mit „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise gesprochen hat“ usw.
Der Titel ist jedoch gut und richtig. Der Brief an die Hebräer ist ein Rundschreiben an Juden, die zum Glauben an den Messias Jesus gekommen waren. Dieser Brief wurde nicht an eine bestimmte Gemeinde geschrieben, sondern war ein Rundschreiben.
Ich werde jetzt gleich noch den ersten und zweiten Petrusbrief anschauen und...
Schlagen wir mal auf, 1. Petrus 1, Vers 1: Petrus, Apostel Jesu Christi, schreibt an die Fremdlinge der Zerstreuung aus Pontus, Galatien, Kappadokien, Asia und Bithynien.
Das Wort „Zerstreuung“ ist im Griechischen „Diaspora“ und ein Fachausdruck für Juden, die im Ausland leben. Das bedeutet also, der erste Petrusbrief war eine Art Hebräerbrief, gerichtet an Gläubige, die Juden in verschiedenen Provinzen der Diaspora waren.
Nun zum zweiten Brief: Schlagen wir auf 2. Petrus 3. Dieser wurde an die gleichen Leute geschrieben. 2. Petrus 3, Vers 1: „Diesen zweiten Brief, Geliebte, schreibe ich euch bereits, in welchen beiden ich durch Erinnerung eure lautere Gesinnung aufwecke.“
Auch der zweite Brief ist also ein Hebräerbrief, der an die gleichen Juden in der Diaspora gerichtet ist.
In 2. Petrus 3, Vers 15 schreibt Petrus: „Und erachtet die Langmut unseres Herrn für Errettung, so wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat.“
Ist das nicht interessant? In diesem Hebräerbrief sagt Petrus, dass Paulus euch ebenfalls einen Hebräerbrief geschrieben hat. Was ist das für ein Brief? Offensichtlich handelt es sich um einen Brief, in dem es um die Langmut Gottes, also die Geduld Gottes, geht – eine Geduld, die eine Chance zur Errettung bietet. Das wird hier deutlich gemacht.
In Vers 16 heißt es weiter: „Wie auch in allen Briefen, wenn er, Paulus, in ihnen von diesen Dingen redet, von denen einige schwer zu verstehen sind, die die Unwissenden und Unbefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften zu ihrem eigenen Verderben.“
Hier erwähnt Petrus, dass Paulus nicht nur einen Hebräerbrief geschrieben hat, sondern viele andere Briefe. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass diese Briefe von manchen verdreht werden, ebenso wie die übrigen Schriften.
Mit „übrigen Schriften“ sind die Bücher der Bibel gemeint. Der Ausdruck „Schriften“ steht hier für die biblischen Bücher und betont, dass die Bibel eine Sammlung von verschiedenen Büchern, also eine Bibliothek, ist.
Dieser Brief an die Juden in der Diaspora ist also in der Bibel enthalten. Ja, das ist der Hebräerbrief. Aber der Hebräerbrief ist doch von jemandem geschrieben, von dem wir nicht wissen, wer er war? Wirklich?
Wie konnte man überhaupt wissen, welche Bücher zum Neuen Testament gehören und welche nicht?
Die frühen Christen hatten das Grundprinzip aus Epheser 2,20 verinnerlicht: Die Gemeinde ist aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten. Dies bildet die Basis, die Grundlage des Glaubens.
Das bedeutet, ein Buch musste nachweislich von einem Apostel Jesu Christi geschrieben worden sein. Dabei handelte es sich um einen der Zwölf, die für die zwölf Stämme Israels bestimmt waren, oder um den Apostel Paulus, der als Apostel für die Heidenvölker galt. Dabei ist mit Apostel nicht im Sinne eines Missionars gemeint, sondern der Ausdruck „Apostel Jesu Christi“ gilt ausschließlich für diese Zwölf und Paulus.
Ein Buch musste also nachweislich von einem dieser Apostel oder von einem Propheten stammen. Dabei ist wichtig, dass es sich um einen neutestamentlichen Propheten handeln musste, der von den Aposteln anerkannt war. Aufgrund dieser Kriterien wurde zum Beispiel das Matthäusevangelium anerkannt, weil nachgewiesen werden konnte, dass es vom Apostel Matthäus stammt.
Ebenso wurden das Markusevangelium und das Lukasevangelium anerkannt, da klar war, dass diese Propheten von den Aposteln Jesu Christi als solche anerkannt waren. Markus war ein Prophet, Lukas ebenfalls. Das Johannesevangelium wurde anerkannt, da Johannes ein Apostel Jesu Christi war. Auch die Apostelgeschichte von Lukas wurde als Werk eines anerkannten Propheten akzeptiert.
Der Römerbrief gilt als erster Gründerbrief und stammt von Paulus. So geht es weiter mit den Briefen, etwa den Petrusbriefen, den Johannesbriefen und der Offenbarung, die ebenfalls vom Apostel Johannes stammen. Alles war somit klar und nachvollziehbar.
Doch wie verhält es sich mit den Briefen von Jakobus und Judas? Diese Autoren waren Halbbrüder des Herrn und wurden von den zwölf Aposteln sowie von Paulus anerkannt. Deshalb wurden auch ihre Briefe als kanonisch anerkannt.
Anders verhält es sich mit dem Hebräerbrief. Der Verfasser ist unbekannt, doch der Brief wurde dennoch anerkannt. Dies erscheint problematisch und widerspricht dem genannten Grundprinzip.
Und was man wissen muss: Im Westen, wo das immer zählt, wissen wir nicht, wer das geschrieben hat. Im Osten war von der frühen Christenheit im ersten Jahrhundert an klar, dass Paulus der Autor ist.
Wären wir also im Osten aufgewachsen – in Russland, Griechenland, der Türkei und so weiter – dann hätte man in der Kirchengeschichte immer gelernt, dass Paulus der Verfasser war. Im Osten war das gar keine Diskussion.
Das Schöne daran ist der Papyrus 47, eine Handschrift, die von gewissen Forschern heute sogar auf das erste Jahrhundert datiert wird, etwa auf das Jahr 80 nach Christus. Diese Sammlung enthält Paulusbriefe. Der Hebräerbrief ist darin eingeordnet nach dem Römerbrief und vor dem ersten Korintherbrief.
Im ersten Jahrhundert in Ägypten, wo die Handschrift gefunden wurde, war klar, dass Paulus den Hebräerbrief geschrieben hat. Das passt genau mit der Aussage aus 2. Petrus 3.
Man könnte einwenden: Paulus nennt im Hebräerbrief seinen Namen nicht. Er sagt nicht: Paulus, Apostel Jesu Christi. Das hätte er auch garantiert nicht gemacht, denn er wäre Apostel der Heidenvölker, nicht der Hebräer, der Juden. Darum besteht er hier auch gar nicht auf seinem Apostelamt. Das passt schon deswegen.
In diesem Brief soll die Herrlichkeit des Herrn Jesus in einer ganz herausragenden Weise beschrieben werden. Deshalb tritt der Autor selbst so sehr in den Hintergrund, dass er mit den Worten beginnt: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn.“
Ich lese das mal auf Griechisch vor. Warum? Weil der Klang hier sehr eindrücklich ist. Die Sprache dieses Briefes ist ganz besonders erhaben – noch erhabener als in anderen Briefen von Paulus. Das liegt daran, dass Paulus damit sprachlich auch die Erhabenheit des Herrn Jesus, des Messias, ausdrücken will.
Gleich zu Beginn fällt auf, wie der Text klingt. Er benutzt einen Stabreim. Ein Stabreim ist eine sprachliche Figur, die wir zum Beispiel aus Redewendungen wie „Haus und Hof“ oder „Mann und Maus“ kennen. Dabei beginnen die Wörter mit demselben Anfangslaut. Hier aber hört man einen Explosivlaut „P“: polymeros, kai polytropos, palai hoteos, ladesas, teus Patrasin, ent teus Prophetais.
Das ist nicht einfach ein M wie bei Mann und Maus, sondern ein kraftvoller Explosivlaut. Die griechischen Worte lauten: „Polymeros kai polytropos palai hoteos ladesas teus Patrasin ent teus Prophetais.“
Diese Sprache ist erhaben und gewaltig, um zu zeigen, wie wunderbar der Herr Jesus ist. So wird hier der Sohn Gottes eingeführt: nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat – in den Propheten –, hat er am Ende dieser Tage, also am Ende der Zeit des Alten Testaments, zu uns im Sohn gesprochen.
Im Deutschen wird das mit „vielfältig und auf vielerlei Weise“ nachgeahmt, doch im Griechischen klingt es noch viel schöner. Gleich zu Beginn tritt der Mensch als Autor völlig zurück; es geht allein um den Sohn Gottes.
Dann werden sieben Herrlichkeiten des Herrn Jesus aufgezählt: Erstens, er ist gesetzt als Erbe aller Dinge. Zweitens, durch ihn sind auch die Welten gemacht; er ist der Schöpfer von Diesseits und Jenseits – deshalb wird hier von „Welten“ in der Mehrzahl gesprochen. Drittens, er ist die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit. Viertens, er ist der Abdruck seines Wesens. Fünftens, er trägt alle Dinge durch das Wort seiner Macht.
Er hat nicht nur alles erschaffen, sondern hält auch die Welt zusammen, damit sie nicht auseinanderfällt. Er trägt sie durch sein Wort. Sechstens, nachdem er durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt hat – das Werk am Kreuz vollendet –,
siebtens, hat er sich gesetzt zu Rechten der Majestät in der Höhe. Nach dem Kreuz ist Jesus auferstanden, in den Himmel aufgefahren und hat sich als Mensch zu Gottes Rechten gesetzt.
Diese sieben Herrlichkeiten werden im weiteren Verlauf des Briefes durch sieben alttestamentliche Zitate unterstrichen. So wird das, was hier gesagt wurde, biblisch belegt.
Der ganze Aufbau dieses Briefes ist einfach grandios. Deshalb versteht man auch, warum Petrus schreibt: „Wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat.“ (2. Petrus 3,15)
Und ich lese jetzt mal vor, hier auf dem Blatt: Der Hebräerbrief richtet sich an jüdische Christen, man könnte auch sagen an messiasgläubige Juden. Man könnte sie auch messianische Juden nennen.
Man muss immer wissen, dass das Wort „Christ“ zurückübersetzt ins Hebräische „Anhänger des Messias“ bedeutet. Ein Christ ist also ein Anhänger von Christus, und Christus ist einfach das griechische Wort für das hebräische Messias. Ein Christ ist demnach ein messiasgläubiger Mensch.
Darum ist es wichtig zu wissen, dass es in Israel noch ein anderes Wort für Christen gibt: die Nozrien, die Nazarener. Dieses Wort hat eine sehr distanzierte Bedeutung. „Christen“ kann vieles bedeuten: katholisch und Kreuzzüge, Judenverfolgung, evangelisch, lutherisch, evangelikal – all das sind die Nozrien.
Ich erinnere mich noch, dass ich einmal in einer Sicherheitsbefragung gefragt wurde: „Adonazri, bist du ein Nazaräer?“ Auf Hebräisch sagen sich alle „Du“, so wie in der Bibel, wo man auch David duzt. Ich antwortete nicht mit „Ja, ich bin ein Christ“, sondern sagte: „Animamin meschichi“, also „Ich bin ein messianisch Gläubiger“. Das ist deshalb wichtig, weil dieser Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch nicht überall bekannt ist. Manche wissen sofort, dass es sich um messianische Juden handelt, die an Jesus glauben. Obwohl sie eigentlich zu den Heiden gehören, sagen sie: „Wir sind Juden“, denn wenn die Vorfahren Juden waren, dann sind sie auch Juden.
Manche wissen das, andere nicht. Der Befrager wusste es nicht, und ich erklärte ihm: Die Nozrien sind die, die äußerlich glauben. Der „Mamminim Meschichi“, der messianisch Gläubige, ist derjenige, der wirklich von Herzen überzeugt glaubt – ein echter Glaube, der tief geht. Darüber können Sie nachdenken.
Also, die Hebräer: Ich habe hier gelesen, der Hebräerbrief richtet sich an jüdische Christen, messiasgläubige Juden. Er zeigt, dass das Alte Testament mit seinen vielen Riten und Opfern nur ein Schattenbild von dem ist, was jetzt durch das Kommen des Messias Jesus Wirklichkeit geworden ist.
Eindrücklich und beredt stellt dieser Brief die Einzigartigkeit, Größe und Herrlichkeit der Person des Herrn Jesus Christus dar. Der Brief zeigt, dass der Herr Jesus erhaben ist über alles: über die Engel, über Mose, über Aaron, über Josua. Es wird auch gezeigt, dass alles, was er gebracht hat, größer und besser ist als das, was ursprünglich war.
Außerdem wird dargestellt, dass der Messias Jesus einen neuen Bund eingeführt hat, und dieser neue Bund ist besser als der alte Bund. Das klingt natürlich sehr, sehr herausfordernd.
Ich war ein Jude, genauer gesagt ein orthodoxer Jude. Wenn ein orthodoxer Jude hört, dass jemand vom „Alten Testament“ spricht, hört er das nicht so gern. Man sagt stattdessen „Tanach“. Das ist die Abkürzung für Gesetz, Propheten und Schriften. Oder man sagt „Mikra“ beziehungsweise „Hamikra“, was einfach „die Bibel“ bedeutet.
Der Begriff „Altes Testament“ wird eher ungern verwendet, weil er für sie so klingt, als würde man sagen: Eure Bibel, also die Bücher von 1. Mose bis Maleachi, sei veraltet und nicht mehr nötig. Das muss man wissen. Und man sollte mit den Menschen so reden, dass man sie gewinnt. Deshalb benutze ich nicht extra den Ausdruck „Altes Testament“, sondern sage „Hamikra“, die Bibel.
Ein Vorteil dabei ist, dass man im Hebräischen auch für das Neue Testament „Mikra“ sagt. Also sind Altes und Neues Testament zusammen ebenfalls „Hamikra“. Das Alte Testament für sich allein ist auch „Hamikra“, wobei nicht ganz geklärt ist, was genau damit gemeint ist. Wenn man sagt „Hamikra“, ist klar, dass damit Gesetz, Propheten und Schriften gemeint sind, also alle Bücher des Alten Testaments.
Warum hören sie das Wort „Altes Testament“ nicht so gern? Weil man das Gefühl hat, damit würde man sagen, es sei veraltet und nicht mehr nötig. Aber der Hebräerbrief zeigt in Jeremia 31,31, dass Gott ankündigt, er werde in künftigen Tagen einen neuen Bund schließen. Das steht ja im Alten Testament, dass ein neuer Bund kommen wird.
Der Hebräerbrief stellt das dar und macht klar: Das Alte Testament, oder sagen wir den Tanach, sagt in Jeremia, dass ein neuer Bund kommen wird. Wenn man von einem neuen Bund spricht, wird der erste Bund vom Sinai dadurch alt gemacht. Wenn etwas neu ist, ist das, was vorher war, alt. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht mehr nötig ist.
Im Hebräerbrief wird klargemacht, dass all die Einrichtungen im Alten Testament Vorbereitungen und Hinweise auf den Messias waren. Alle diese Opfer, die Stiftshütte, der Tempel und all die Feste, die Gott Israel gegeben hat, haben alle eine tiefe symbolische Bedeutung. Sie weisen auf den Messias hin, der all dieses Symbolische durch sein Opfer wirklich erfüllen sollte.
Darin sieht man die gewaltige Weisheit von Paulus, wie auch unser geliebter Bruder Paulus euch geschrieben hat, nach der Weisheit, die ihm gegeben wurde.
Und nun war das Problem unter den Hebräern, dass nicht klar war, ob sie alle wirklich bekehrt waren. Bekenner waren sie ja, aber ich meine, auch in unseren evangelikalen Gemeinden gibt es Leute, die sagen: „Ich bin gläubig.“ Aber wirklich – man sieht eigentlich keine Frucht. Wenn man mit ihnen zusammen ist, dann spricht man über Autos, über Ferien, über Aktien. Ja, aber man kann kaum ein geistliches Gespräch führen, und man sieht auch nicht wirklich Frucht im Leben.
Sie sind Christen, ja. Aber unter den Hebräern gab es eben auch solche, bei denen man sagen muss, es ist nicht klar, ob sie wirklich durchgedrungen sind. Darum sagt Paulus immer wieder in diesem Brief: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“ Das heißt also, hier macht er klar, ihr müsst euch jetzt wirklich echt bekehren. Wenn man den Ruf zur Bekehrung hört, dann muss man folgen, sonst könnte es sein, dass man sich verhärtet.
Er macht klar in diesem Brief, dass es auch die Möglichkeit gibt, dass jemand, der messianisch gläubig ist, aber nicht wirklich bis zur Wiedergeburt durchgedrungen ist, eines Tages sagt: „Ich möchte mit diesem angeblichen Messias Jesus nichts mehr zu tun haben. Er war ein falscher Messias.“ Darum heißt es in Hebräer 6, solche, die Jesus Christus wiederum kreuzigen, also sagen, er ist nicht der Messias, und er hat es verdient, dass er als Verführer gekreuzigt wurde.
In Hebräer 10 wird gesagt, solche, die den Sohn Gottes mit Füßen treten, das sind nicht Gläubige, die sich plötzlich fragen: „Oh, mir kam so ein Gedanke, und da habe ich den Heiligen Geist irgendwie gelästert. Bin ich jetzt verloren?“ Den kann man sofort Mut machen, das hat mit dir überhaupt nichts zu tun. Es geht um solche, die sich dazu bekannt haben und schließlich nichts mehr mit Jesus Christus zu tun haben wollten, weil sie eben nie wirklich durchgedrungen sind. Sie haben sich mit der Zeit verhärtet und am Schluss alles definitiv verworfen.
Wenn jemand Angst hat und sagt: „Ja, aber vielleicht gehöre ich doch zu denen,“ dann keine Angst, du gehörst nicht zu denen. Warum nicht? Weil diese auch gar nicht zurück zum Herrn Jesus wollen und sich auch nicht zur Buße erneuern (Hebräer 6). Sie bekennen nicht ihre Sünden. Und immer wieder, wenn Leute so Angst haben, frage ich sie gerne: „Hast du es bekannt?“ Ich weiß schon längst, was die Antwort sein wird. Nicht nur einmal, sondern immer wieder: „Du kannst Buße tun.“ Diese Menschen können keine Buße tun. Du gehörst nicht zu dieser Gruppe.
Es geht also um solche, die sich nur äußerlich dazu bekannt haben, aber sich nicht wirklich bekehrt haben. Schließlich verhärten sie sich und wollen nichts mehr zu tun haben mit dem Herrn Jesus. Sie verwerfen ihn als falschen Messias endgültig.
Aber es gilt immer Johannes 6, wo der Herr Jesus sagt, in Vers 37: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen.“ Also darf jeder wissen: Wenn er zu dem Herrn Jesus kommt, dann ist er immer erwünscht. Aber wenn er nicht kommt, das ist das Problem – sie kommen nicht.
Darum heißt es in diesem Brief immer wieder: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“
Wie Petrus gesagt hat: Achtet die Langmut unseres Gottes zur Errettung. Er wartet und ist langmütig. Das ist die Chance, um errettet zu werden.
Der Hebräerbrief wurde geschrieben, um messiasgläubigen Juden nochmals eine feste Grundlage zu geben. Er zeigt, wie der Herr Jesus all das erfüllt hat, was im Alten Testament verheißen wurde, durch sein Werk am Kreuz. Dadurch wurde die Grundlage für einen neuen Bund gelegt. Es ist wichtig, dass diejenigen, die noch nicht ganz durchdrungen sind, die Sache wirklich festmachen.
Der Brief umfasst dreizehn Kapitel. Am Schluss schreibt Paulus in Kapitel 13, Vers 22: „Ich bitte euch aber, Brüder, ertragt das Wort der Ermahnung, denn ich habe euch mit kurzen Worten geschrieben.“
Wenn das Herz so voll ist von Herrn Jesus und dem, was er getan hat, dann sind dreizehn Kapitel Schreiben tatsächlich kurzweilig. Paulus betont, dass es ein kurzer Brief ist.
Wir wenden uns nun dem Jakobusbrief zu. Im Skript zum Hebräerbrief wird erläutert, dass der Jakobusbrief zeigt, wie sich echter Glaube in konkreten Taten ausdrückt. Ein Glaube, der nur ein Lippenbekenntnis ist, muss als tot bezeichnet werden. Dieser Brief macht sehr deutlich, was in Gottes Augen gute Werke sind.
Jakobus richtete seinen Brief an jüdische Christen in der Anfangszeit des Christentums. Diese Zeit war eine Übergangsphase, in der Judenchristen häufig sowohl die Synagoge als auch die christliche Gemeinde besuchten. Hier haben wir also erneut einen Hebräerbrief.
Jakobus 1 beginnt mit den Worten: „Jakobus, Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus, den zwölf Stämmen, die in der Zerstreuung in der Diaspora leben“ – ein Fachausdruck für Juden, die im Ausland leben. Dies ist sein Gruß. Der Brief richtet sich also an Juden aus den zwölf Stämmen, was ihn ebenfalls als einen Hebräerbrief kennzeichnet.
Wenn man diesen Brief liest, merkt man schnell, dass er an Juden gerichtet ist, die sich zum Messias Jesus bekennen. Doch nicht alle sind wirklich durchdrungen von diesem Glauben. Deshalb finden sich in diesem Brief auch Verse, die zur Bekehrung aufrufen. Das ist eigentlich bemerkenswert, nicht wahr? Ein solcher Aufruf wäre auch heute noch in vielen Predigten wünschenswert.
Dabei meine ich nicht diejenigen, die den Herrn bereits lieben und tun möchten, was sein Wort sagt. Diese fühlen sich oft angesprochen, obwohl sie es nicht sind. Das sind die Falschen. Es ist sehr wichtig, zu lernen, wie man mit Predigten umgeht. Man muss erkennen, wer damit gemeint ist.
Es gibt ernsthafte Christen mit feinem Gewissen, die alles, was gepredigt wird, auf sich beziehen. Wenn aber diejenigen angesprochen werden, die nicht wiedergeboren sind, und aufgefordert werden, sich wirklich zu bekehren, denken sie oft: „Ich bin wahrscheinlich doch noch nicht richtig bekehrt.“
In solchen Fällen muss man verstehen, dass die Predigt sich tatsächlich auf diejenigen bezieht, die noch nicht bekehrt sind. So kann man mit solchen Predigten richtig umgehen. Andernfalls beklagen sich manche über diese Predigten, und das darf nicht sein.
Im Jakobusbrief, Kapitel 4, sagt er in Vers 8: „Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen. Säubert die Hände, ihr Sünder, und reinigt die Herzen, ihr Wankelmütigen. Seid niedergebeugt, trauert und weint! Euer Lachen verwandelt sich in Traurigkeit, und eure Freude in Niedergeschlagenheit. Demütigt euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen.“
Auch hier muss man beachten, dass in der Anfangszeit Juden angesprochen werden, die sich zum Messias Jesus bekannten. Aber nicht alle von ihnen hatten sich wirklich bekehrt. Diese Personen werden hier ebenfalls angesprochen.
Das ist der Grund, warum man manchmal den Eindruck hat, Jakobus spricht sowohl zu Wiedergeborenen als auch zu Verlorenen. Und das ist auch richtig so.
Wichtig ist: Der Jakobusbrief ist nicht an die Heiligen in Ephesus gerichtet (vgl. Epheser 1,1 und 2), sondern an die zwölf Stämme in der Diaspora. Das ist nicht dasselbe.
In Kapitel 2, Vers 2, heißt es: „Denn wenn in eure Synagoge ein Mann kommt mit goldenem Ring und in prächtigem Kleid, es aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung hereintritt, ihr aber auf den schaut, der die prächtige Kleidung trägt und zu ihm sagt: ‚Setze dich bequem hierher!‘“
Diese Menschen gingen also in die Synagoge. Aber in Kapitel 5, Vers 14, sagt Jakobus: „Ist jemand krank unter euch, so rufe er die Ältesten der Versammlung zu sich, und sie mögen über ihm beten und ihn mit Öl salben.“
Das bezieht sich auf die Ekklesia, die Gemeinde. Ja, diese Menschen gingen damals sowohl in die Synagoge als auch in die Gemeinde.
Dies verleiht dem Brief ein ganz besonderes Gepräge. Hier wird klargemacht, dass echter Glaube ein Glaube ist, der sich auch in Taten zeigt.
Man kann nicht einfach sagen: „Ich bin messiasgläubig“, wenn sich das nicht in den Taten widerspiegelt. Das spricht gegen eine echte Bekehrung.
Und dann noch etwas Besonderes, nur so nebenbei: Ich habe das in einem Vortrag über den Jakobusbrief gezeigt, den man zum Beispiel auf sermononline.de findet.
Der Jakobusbrief lässt sich in zwölf Abschnitte einteilen. Diese zwölf Abschnitte stimmen genau mit dem Segen Jakobs an die zwölf Patriarchen in 1. Mose 49 überein.
Es beginnt mit Ruben, „mein Erstgeborener“, und der erste Abschnitt passt genau dazu. Dann folgt der zweite Abschnitt zu Simeon, danach Levi und so weiter, durch alle zwölf Stämme hindurch bis Kapitel fünf.
Das ist ein wunderbarer Aufbau. Wenn man diese Parallelen zum Segen Jakobs in 1. Mose 49 sieht – den wir, so Gott will, am nächsten Mittwoch über den Livestream im Biedelseminar in Hunzenschwil durchnehmen werden – erkennt man, dass diese zwölf Segnungen an die Patriarchen genau mit der Struktur des Jakobusbriefs übereinstimmen, der sich an die zwölf Stämme richtet.
Wir kommen nun zum ersten Petrusbrief. Auf dem Skript lese ich vor: Der erste Petrusbrief richtet sich an jüdische Christen, die in der Diaspora lebten. Sie mussten lernen, was es bedeutet, an einen unsichtbaren Messias zu glauben, dessen Weltreich noch in der Zukunft liegt.
Dieser Brief zeigt, wie Christen in der Zeit zwischen dem Weggang des Herrn Jesus in den Himmel und der Aufrichtung des messianischen Reiches bei der Wiederkunft Christi leben sollen. Immer wieder wird das Leben Jesu hier auf Erden als Vorbild dargestellt.
Für Juden war das ein Problem. Sie erkannten, dass Jesus viele Prophezeiungen über den Messias erfüllt hatte, aber er kein Königreich aufgerichtet hatte. Das stellte eine Schwierigkeit dar: Wie kann man anderen Juden beweisen, dass Jesus der Messias ist, wenn es kein Friedensreich gibt?
Ich hatte einmal ein Gespräch mit einem orthodoxen Juden. Er sagte mir, Jesus könne nicht der Messias sein, sonst gäbe es seit zweitausend Jahren Frieden. Ich machte ihm klar: Wenn es in den vergangenen zweitausend Jahren Frieden gegeben hätte, dann wäre Jesus nicht der Messias.
In Daniel 9 heißt es, der Messias werde kommen, getötet werden und kein Friedensreich haben. Danach werde das Volk des kommenden Fürsten die Stadt und das Heiligtum zerstören. Das geschah im Jahr 70. Bis ans Ende wird es Krieg und Verwüstung geben, bis in die Endzeit. Diese Ansicht findet sich schon im Alten Testament, und sie zeigt, dass die Vorstellung falsch ist, der Messias müsse sofort ein Friedensreich aufrichten.
Der Messias musste zuerst als leidender Messias kommen. Darum zeigt der erste Petrusbrief in Kapitel 2, dass Jesaja 53 durch den Herrn Jesus erfüllt wurde. Dort heißt es in Vers 21 und 22:
„Denn hierzu seid ihr berufen worden, denn auch Christus, das heißt der Messias, hat für euch gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt. Er tat keine Sünde, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden. Er schalt nicht zurück, als er gescholten wurde, und drohte nicht mit Leiden, sondern übergab sich dem gerecht richtenden Gott. Er trug selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz, damit wir den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben.“
Weiter heißt es: „Durch seine Striemen seid ihr heil geworden. Ihr gingt in der Irre wie Schafe, aber jetzt seid ihr zurückgekehrt zu dem Hirten und Aufseher eurer Seelen.“
All diese Aussagen beziehen sich auf Jesaja 53. Es wird klar, dass der Messias zuerst leiden musste.
Es lohnt sich, in der Bibel am Rand jedes Mal ein „L“ zu notieren, wenn im ersten Petrusbrief vom Leiden die Rede ist. Ich habe das zumindest so gemacht. Man wird dann viele „L“ sehen.
Der Brief zeigt, dass der Herr Jesus gelitten hat und auch wir in dieser Welt leiden. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis alles geändert wird. Wenn der Herr Jesus wiederkommt, wird er, wie in Kapitel 5, Vers 4 gesagt wird, als Erzhirte die Krone der Herrlichkeit verteilen.
Die Zwischenzeit ist schwierig. Wir müssen aushalten, dass das Königreich und das Friedensreich noch nicht da sind. Jesus erfüllt das durch sein Leiden am Kreuz. Jetzt gehen auch wir durch Leiden hindurch.
Doch es wird nicht gesagt, dass wir ständig und immer leiden müssen. In 1. Petrus 1, Vers 6 heißt es: „Ihr seid jetzt eine kurze Zeit, wenn es nötig ist, betrübt durch mancherlei Versuchungen, damit die Bewährung eures Glaubens viel kostbarer als das vergängliche Gold sei, das durch Feuer geprüft wird, zum Lob, zur Herrlichkeit und Ehre bei der Offenbarung Jesu Christi.“
Hier wird von einer kurzen Zeit gesprochen, wenn nötig, betrübt. Manchmal denken wir, die Prüfung dauere schon sehr lange. Aber der Herr sieht die Zeit anders. Oft verliert man im Rückblick das Zeitgefühl, wenn eine Prüfung vorbei ist. Vieles Schwierige wird vergessen.
Es ist wichtig, zu lernen, so zu vergessen. Man darf wissen, dass es nicht mehr war, als nötig. Der Herr legt uns nichts mehr auf, als wir tragen können. Er hat einen Plan.
Die Zeit ist also nicht eine Zeit, in der wir grundsätzlich immer leiden müssen. Aber wir gehen durch Leiden hindurch und lernen dabei von Jesus, der durch Leiden zur Herrlichkeit ging. Das wird im ersten Petrusbrief wunderbar dargestellt.
Es lohnt sich, den Brief erneut zu lesen und besonders auf die Stellen zu achten, in denen über das Leiden Christi und das Leiden der Gläubigen gesprochen wird. Man sieht dann, dass wir aus verschiedenen Gründen leiden.
Der erste Petrusbrief sagt, dass wir leiden können, weil wir uns unmöglich verhalten. Dieses Leiden könnten wir vermeiden, wenn wir uns nicht unmöglich verhielten. Andererseits gibt es Leiden um der Gerechtigkeit willen – also nicht, weil wir etwas falsch machen, sondern weil wir etwas richtig machen. Dafür kann man leiden.
Auch hier können wir von Jesus lernen, denn er hat das genauso erlebt. Er wurde von den Menschen wegen seines richtigen Handelns verfolgt.
Der Brief macht Mut, den Weg weiterzugehen mit dem Blick auf die kommende Herrlichkeit. Der Herr Jesus wird König sein, und wir werden an seiner Seite sein. Jetzt schauen wir auf sein Vorbild.
Wir sollen in den Fußstapfen des Herrn folgen. In 1. Petrus 2,21 heißt es: „Denn dazu seid ihr berufen, dass ihr in seinen Fußstapfen nachfolgt.“ Das ist ein Rückbezug auf Psalm 89, Vers 52. Dort wird von den Fußstapfen des Messias gesprochen. Der Psalmist sagt, dass die Fußstapfen des Messias verhöhnt werden.
Viele haben den Herrn auf seinem Leidensweg verhöhnt. Doch genau in seinen Fußstapfen, wie er als Vorbild durch diese Welt gegangen ist und mit Menschen umging, die gegen ihn waren, dürfen wir ihm folgen und von ihm lernen – in den Fußstapfen des Messias.
Ich habe gesagt, wir kommen bis zum zweiten Petrusbrief, aber nicht bis zum letzten Vers dieses Briefes, sondern nur bis zum ersten.
Dieser zweite Brief richtet sich, wie wir bereits gesehen haben, an dieselben Adressaten wie der erste. Petrus übermittelt hier den hebräischen Gläubigen seine letzten Anliegen. Man kann diesen Brief gewissermaßen als ein Testament aus der Todeszelle in Rom verstehen.
Mehr dazu erfahren wir beim nächsten Mal.
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