Guten Tag, meine Damen und Herren.
Ich möchte Sie alle herzlich zu diesem Nachmittagsvortrag mit dem Titel „Wer ist Jesus Christus – Mythos oder Realität?“ begrüßen.
Archäologische und historische Zugänge zur biblischen Zeit
Wir fragen uns, was wir noch über die Zeit vor zweitausend Jahren wissen können, als Jesus Christus auftrat, und auch über die noch ältere Zeit des Alten Testaments der Bibel – zurück bis zum Auszug aus Ägypten, zu Abraham und noch weiter zurück.
Nun, eine gute Nachricht: Es gibt verschiedene Zugangsmöglichkeiten. Zunächst einmal durch archäologische Ausgrabungen. Man kann wirklich sagen, stumme Steine können schreien. Hier zum Beispiel sehen Sie Steine vom Tempel zur Zeit von Jesus Christus in Jerusalem. Bei den Ausgrabungen in den vergangenen Jahren sind viele Überreste, insbesondere Zerstörungsreste des Tempels, ans Licht gekommen.
Als man in Ostjerusalem ausgegraben hat, kamen die Steine so ans Licht, wie die Römer sie im Jahr siebzig abgebrochen und vom Tempelplatz heruntergeschmissen hatten – auf die Hauptstraße, die entlang der Tempelmauer verlief. So kann man durch die moderne Archäologie in Israel sehr viel erfahren über diese stummen Steine, die schreien können.
Manchmal sind diese Steine sogar noch mitteilsamer, nämlich dann, wenn sie Inschriften tragen, wie hier. Sie sehen eine originale Inschrift auf einem Stein, der ebenfalls vom Tempel zur Zeit von Jesus Christus stammt.
Sogar bildliche Darstellungen sind erhalten geblieben. Hier sehen Sie etwas vom Titusbogen in Rom. Die Römer errichteten diesen Triumphbogen nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70. Sie hielten bildlich fest, wie Juden die Tempelschätze aus Jerusalem als Kriegsgefangene durch die Straßen von Rom führten. Zu sehen sind hier der siebenarmige goldene Leuchter, silberne Posaunen und Teile des goldenen Schaubrots.
So geben uns sogar Steine bildlich etwas weiter aus der biblischen Zeit.
Dazu kommen historische Quellen, zum Beispiel das Geschichtswerk von Josephus Flavius. Er war ein jüdischer Priester aus dem ersten Jahrhundert, der später in seinem Leben große Werke über die jüdische Geschichte verfasste. Sein Geschichtswerk ist von unschätzbarem Wert und gibt uns viele Details über die Zeit des Neuen Testaments, über die Zeit von Jesus Christus, aber auch zurück bis in die alttestamentliche Zeit.
Hinzu kommen die rabbinischen Schriften, insbesondere der Talmud. Der babylonische Talmud ist das wichtigste rabbinische Werk im Judentum. Auch dort erhalten wir sehr viele Informationen über die Zeit des Neuen Testaments und zurück bis in die alttestamentliche Zeit.
Ebenso wichtig sind die Midraschim – jüdische Kommentare aus dem Mittelalter und zurück bis ins Altertum. Hinzu kommen die Targumim, aramäische Übersetzungen des Alten Testaments. Diese sind nicht nur Übersetzungen, sondern enthalten auch erklärende Zusätze. Dadurch erfährt man manches über das Denken im Judentum zur Zeit von Jesus Christus.
Auch Quellen von römischen Schriftstellern wie Tacitus und Plinius sind von Bedeutung. Außerdem gibt es viele außerbiblische Handschriften aus der Zeit von Jesus Christus und davor.
Zum Beispiel die Handschriften von Qumran. Diese umfassen einerseits biblische Handschriften, andererseits auch außerbiblische Texte, die uns Informationen über das Denken und die Zeit des Neuen Testaments und davor geben.
Die Überlieferung und Authentizität der neutestamentlichen Schriften
Zu all dem, was ich bisher genannt habe, kommen die Schriften des Neuen Testaments hinzu. Sie wurden zwischen 30 und 98 nach Christus verfasst. Heute besitzen wir über 5.860 griechische Handschriften aus allen Jahrhunderten: dem zweiten, dritten, vierten, fünften Jahrhundert und so weiter.
Zusätzlich gibt es durch diverse Funde aus der jüngsten Vergangenheit sogar Hinweise darauf, dass einige Handschriftenfunde bis ins erste Jahrhundert nach Christus zurückgehen könnten. Danach liegen sie für alle Jahrhunderte bis ins fünfzehnte Jahrhundert vor. Mit der Erfindung der Buchdruckkunst endete dann das große Zeitalter der handschriftlichen Abschriften.
Vom Neuen Testament haben wir also circa 6.000 Handschriften. Diese Zahl steigt ständig, da immer wieder neues Material entdeckt wird. Hinzu kommen etwa 10.000 Handschriften der alten Übersetzungen des Neuen Testaments auf Aramäisch oder Syrisch, in den verschiedenen koptischen Dialekten Ägyptens, Lateinisch und weiteren Sprachen.
Nun muss man sich Folgendes überlegen: Die Originale des Neuen Testaments wurden im ersten Jahrhundert verfasst, zur Zeit der Augenzeugen. Dabei waren nicht nur die positiv gesinnten Augenzeugen beteiligt, sondern auch Feinde des Christentums, die ebenfalls Augenzeugen waren.
Eine ganz wichtige Überlegung ist: Wenn irgendwelche Details in den Schriften des Neuen Testaments den Tatsachen widersprochen hätten, so wie sie wirklich geschehen sind, dann wäre dies eine einzigartige und willkommene Gelegenheit für die Feinde gewesen, das Christentum schon in der Anfangszeit widerlegen zu können.
Interessanterweise gibt es aus dem ersten und zweiten Jahrhundert keine Streitschriften, die das Christentum mit Fakten widerlegen, die dem Neuen Testament widersprechen würden. Stattdessen wurden die ersten Christen im ersten Jahrhundert hauptsächlich mit physischer Gewalt verfolgt, nicht mit handfesten Argumenten.
Warum war das so? Weil auch für die Gegner klar war, dass die Dinge tatsächlich so geschehen sind, wie sie in den Evangelien beschrieben werden.
Man sieht also, dass es eine riskante Sache gewesen sein muss, das Neue Testament in einer Zeit zu schreiben, in der die Feinde unter den Augenzeugen noch lebten. Dennoch mussten die Schreiber des Neuen Testaments keine Angst haben. Sie beschrieben einfach, was damals geschehen ist.
Die Entstehung und Bedeutung des Alten Testaments
Die Bibel besteht aus zwei Teilen: dem Alten und dem Neuen Testament. Das Alte Testament wurde vor der Ankunft von Jesus Christus geschrieben, also vor etwa zweitausend Jahren.
Die ältesten Schriften im Alten Testament sind die Tora, die fünf Bücher Mose. Diese befinden sich am Anfang der Bibel. Sie gehen zurück auf die Zeit des Auszugs aus Ägypten, der nach einer strikten Chronologie, die die biblischen Zahlen genau berücksichtigt, um 1606 vor Christus stattgefunden haben soll.
Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Schriften von Propheten hinzu. Der letzte Prophet des Alten Testaments war Maleachi, der etwa 400 Jahre vor Christus lebte. Danach gab es in Israel keine weiteren Schriftpropheten mehr. Der Talmud berichtet im Traktat Sanhedrin, dass nach den Propheten Sacharja, Haggai und Maleachi der Heilige Geist von Israel wich. Man war sich also bewusst, dass es nach Maleachi keine autoritativen Schriftpropheten mehr gab.
In dieser Zeit wurden auch die sogenannten Apokryphen verfasst. Diese Schriften stammen aus dem Judentum, wurden jedoch nicht als Teil der Bibel anerkannt, da es keine weiteren Schriftpropheten gab. Im Judentum wurden sie daher nie als biblisch betrachtet.
Nach diesen 400 Jahren des Schweigens der Schriftpropheten trat schließlich Jesus Christus auf. Er wurde in Bethlehem geboren, was genau der Prophezeiung des Propheten Micha aus dem achten Jahrhundert vor Christus entspricht. Micha sagte deutlich voraus, dass der Messias in Bethlehem geboren werden würde.
In Micha 5,2 heißt es: Gott spricht: „Und du, Bethlehem Efrata, bist klein unter den Tausenden von Juda; aus dir wird mir hervorgehen, der Herrscher über Israel sein soll, und seine Ausgänge sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her.“
Die jüdische Erwartung des Messias und die Geburt Jesu
Nun können Sie sich den Targumien zuwenden. Ich habe bereits über diese aramäischen Übersetzungen des Alten Testaments im Judentum gesprochen. Sie geben uns Einblick in das Denken im Judentum zur Zeit Jesu.
Im Targum zu Micha 5, den Sie in jeder rabbinischen Bibel finden, steht dieser Text direkt neben dem hebräischen Grundtext von Micha. Dort, im Targum Jonathan ben Uzziel, ist eingefügt: „Aus dir, Bethlehem, wird der Messias kommen.“ Der Begriff „Meschicha“ wurde dort eingefügt, um klarzumachen, dass im Judentum bekannt war, dass sich diese Stelle auf den Messias bezieht.
Die Evangelien bezeugen nun, dass Jesus Christus in Bethlehem geboren wurde. Wäre das nicht der Fall gewesen, zum Beispiel wenn er in Nazaret geboren worden wäre, hätten die Gegner des Christentums die Evangelien sofort widerlegen können. Jeder wusste doch, dass die Geburt Jesu in Nazaret stattgefunden habe und nicht in Bethlehem. Das wäre ein offener Betrug gewesen. Doch so argumentierten die Feinde damals nicht.
Diese Art von Kritik stammt eher aus dem 21. Jahrhundert, also aus einer Zeit, die zweitausend Jahre Abstand hat und Schwierigkeiten, das tatsächliche Geschehen nachzuvollziehen. Solche Kritiker sagen: „Nein, wir gehen davon aus, dass Jesus in Nazaret geboren wurde.“ Doch wenn man nach Beweisen fragt, haben sie keine. Lukas und Matthäus bezeugen die Geburt in Bethlehem zur Zeit der Augenzeugen, zur Zeit der Feinde, die es noch miterlebt haben – und es wurde nicht widersprochen.
Aus der Weihnachtsgeschichte in Lukas 2 lesen wir: „Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben.“ Der griechische Begriff „oikumenä“ ist der Fachausdruck für das römische Reich. Die Einschreibung, „Apographä“ auf Griechisch, ist interessant, weil dieser Ausdruck nicht der typische Begriff für eine Steuereinschreibung ist.
Unter Kaiser Augustus, der von 27 v. Chr. bis 14 n. Chr. regierte, gab es verschiedene Steuereinschreibungen. Doch „Apographä“ ist nicht das übliche Wort dafür. Wenn wir also herausfinden wollen, wann Jesus Christus geboren wurde, müssen wir uns nicht auf die Steuereinschreibungen fixieren.
Ein besonderes Datum ist der 5. Februar 2 v. Chr. An diesem Tag, zum 25-jährigen Jubiläum von Kaiser Augustus, wurde er zum „Pater Patriae“, dem „Vater des Vaterlandes“, ausgerufen. Jeder im römischen Reich musste einen Treueeid ablegen, der natürlich in Listen erfasst wurde – eben in solchen allgemeinen Listen, wie sie mit „Apographä“ bezeichnet werden.
Interessanterweise gibt es aus der Antike viele Quellen, die sagen, Jesus Christus sei zwei Jahre vor Christus geboren worden. Natürlich schrieben diese Quellen damals nicht „zwei vor Christus“. Sie datierten, wie alle im römischen Reich, ab „ab urbe condita“, also ab der Gründung der Stadt Rom. Das lernt man im Lateinunterricht: 753 v. Chr. gilt als Gründungsjahr Roms.
Wenn man diese Daten umrechnet, ergibt sich das Jahr 2 v. Chr. für die Geburt Jesu. Astronomisch gesehen liegt die Geburt jedoch im Jahr 1 v. Chr. Das ist eine merkwürdige Sache. Ich gebe zu, es gibt viele merkwürdige Dinge auf der Welt, aber in der Geschichtsschreibung kennt man kein Jahr Null. Von 1 v. Chr. bis 1 n. Chr. ist nur ein Jahr.
Astronomen hingegen können mit einem fehlenden Jahr Null nicht arbeiten. Sie brauchen einen Nullpunkt, um die Zeit mathematisch besser erfassen zu können. Deshalb sind die Jahreszahlen in der Astronomie vor Christus um ein Jahr verschoben.
Wenn Sie also ein Astronomie-Programm benutzen und den Sternenhimmel über Memmingen im Jahr 1000 v. Chr. anzeigen lassen, werden Sie überrascht sein, denn dort steht „999 v. Chr.“. Sie hatten doch 1000 eingegeben. Der Computer rechnet sofort um, weil er denkt, Sie meinen historisch 1000 v. Chr., das ist astronomisch 999 v. Chr.
Sie sehen unten in der Darstellung: 3 v. Chr., 2 v. Chr., 1 v. Chr., und dann ein Jahr später 1 n. Chr., 2 n. Chr. Astronomisch ist also 3 v. Chr., 2 v. Chr., 1 v. Chr. und historisch ist 1 v. Chr. das Jahr Null. Nach Christus ist alles gleich, da gibt es kein Problem mehr.
Hinweise zur Jahreszeit und zum historischen Kontext der Geburt Jesu
Nun gibt es aus den Evangelien selbst weitere Hinweise, die auf den Herbst als Zeitpunkt der Geburt Jesu hindeuten. Der 24. Dezember ist ja allgemein bekannt kein historisch genaues Datum. Es wurde einfach aus nicht-historischen Gründen gewählt.
Die Hirten in Bethlehem, wo es im Dezember sehr kalt werden kann, übernachteten damals noch auf den Feldern. Im Dezember wäre das kaum möglich gewesen. Das spricht dafür, dass die Geburt Jesu in einer wärmeren Jahreszeit stattfand.
Daraus folgt, dass die Geburt Jesu kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung stattgefunden hat. Die Zeitrechnung nach Christus, die von einem Mönch zurückgerechnet wurde, ist also durchaus korrekt.
Wer behauptet, Jesus sei sieben Jahre vor Christus geboren worden, beruft sich oft auf eine Steuereinschreibung. Diese Theorie passt jedoch nicht zu den antiken Überlieferungen. Historisch gesehen entspricht das Jahr zwei vor Christus astronomisch dem Jahr eins vor Christus.
Wir wissen heute sogar noch, wie Kaiser Augustus ausgesehen hat. Sein Haarschnitt war recht ordentlich. Auf einer Goldmünze ist sein Profil abgebildet. Auch ohne Fotoapparat gibt es also genaue Vorstellungen von Personen aus biblischer Zeit.
In Matthäus 2,1 heißt es: „Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren worden war, in den Tagen Herodes des Königs, siehe, da kamen Magier vom Morgenland nach Jerusalem und fragten: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?“
Diese Magier, von denen hier die Rede ist, waren persische Sternkundige. Das griechische Wort „Magoi“ ist ein persisches Wort. Sie wussten, dass mit dem Erscheinen eines neuen Sterns der Messias geboren sein musste.
Offensichtlich hatten die Juden bereits während der babylonischen Gefangenschaft überliefert, dass in der Tora, genauer in 4. Mose 24,17, steht, dass mit dem Kommen des Messias ein Stern aufgeht. Allerdings wussten sie nicht, wo genau das geschehen würde.
Deshalb gingen die Magier zunächst in die Hauptstadt Jerusalem. Dort wurden sie auf den Propheten Micha hingewiesen, der sagt, dass der Messias in Bethlehem geboren wird.
Daraufhin machten sich die Magier auf den Weg nach Süden, vom Herodespalast in Jerusalem aus. Dieser lag beim heutigen Jaffator. Von dort aus gingen sie den Weg hinunter, vorbei am Sultansteich, wo heute Konzerte stattfinden.
Nach etwa zwölf Kilometern erreichten sie Bethlehem.
Die Bewahrung des Geburtsortes und Herodes’ Herrschaft
Und nun ist es so: Im Jahr 135 nach Christus hatte Kaiser Hadrian, der damals einen großen Hass auf die Juden hegte, den Geburtsort Christi in Bethlehem geschändet. Er baute genau über die Hirtenhöhle, mit dem vorangebauten Stall und der Höhle, einen Adonistempel. Dies geschah, um die messiasgläubigen Juden zu brüskieren.
Übrigens errichtete er auf dem Tempelplatz in Jerusalem einen Jupiter-Tempel, genau dort, wo sich das Allerheiligste befand – heute befindet sich an dieser Stelle der Felsendom der Muslime. In Medesa, einem Ort, an dem man zuweilen Heilung erfahren konnte, ließ Johannes V. einen Aesculapius-Tempel errichten. Aesculapius ist der Gott der Medizin, allerdings ein griechischer Gott.
Über Golgatha baute Hadrian offenbar einen Venus-Tempel. Doch durch diese Bauten wurde das Wissen um den exakten Ort weitergegeben. Im Jahr 135 nach Christus wussten die Menschen in Jerusalem noch, wo genau Golgatha lag, und in Bethlehem war der Geburtsort Jesu ebenfalls bekannt. Durch den Adonistempel in Bethlehem wurde dieses Wissen bewahrt.
Im Jahr 330 nach Christus, zur Zeit der konstantinischen Wende, wurde das Christentum zur erlaubten Religion und schließlich zur Staatsreligion. Kaiser Konstantin ließ eine Geburtskirche errichten. Im sechsten Jahrhundert wurde diese Kirche von Kaiser Justinian neu erbaut, und sie steht bis heute.
Deshalb wissen wir auch heute noch genau, wo der exakte Ort in Bethlehem liegt. In diesem großen Kirchenkomplex findet man einen kleineren Bau, der in die Hirtenhöhle hineinführt. Dieser Ort ist noch gut bekannt.
Hier sehen Sie das Herodion. Es sieht aus wie ein Vulkan, ist aber keiner. König Herodes, der Kindermörder von Bethlehem, ließ ganz in der Nähe von Bethlehem einen Hügel aufschütten, der wie ein Vulkankrater aussah. Auf diesem Hügel baute er einen riesigen Palast. Man kann ihn heute besuchen. Vor wenigen Jahren wurde dort auch sein originales Grab gefunden.
Auf Masada, diesem imposanten Felsen am Südende des Toten Meeres, hatte Herodes einen Palast mit drei Etagen gebaut – wie ein Adlerhorst. Dort findet man noch originale Wandmalereien von ihm.
Was ich besonders gerne mache, wenn ich Gruppen aus Europa nach Israel bringe, ist, sie durch das Badehaus von Herodes auf Masada zu führen. Gleich gehen wir hinein. Es ist das originale Badehaus von Herodes.
Zur Zeit der Ausgrabung im zwanzigsten Jahrhundert fand man alles bis zu der Höhe der schwarzen Linie. Den Rest ergänzte man mit Schutt. Man sieht hier einen doppelten Boden. Hinten war ein Hypokaust, also eine Heizung, die Warmluft unter dem Boden zirkulieren ließ. So konnte Herodes seinen Luxus mitten in der Wüste ausleben.
Auch von den Wandmalereien im Badehaus sind noch Reste erhalten. Übrigens muss Herodes ein ziemlich kleiner Mann gewesen sein. Normale Leute wie Sie – ich nicht unbedingt – müssen sich beim Durchgehen der Türen im Badehaus etwas bücken, aber man kommt hindurch.
Wenn ich an Lessing denke – den Dichter, der „Nathan der Weise“ schrieb (1729–1789) –, so sagte er, man könne nicht wissen, welche Religion die wahre sei: Islam, Christentum oder Judentum. Das sei auch nicht so wichtig.
Dieser Mann sagte außerdem, ein garstiger Graben trenne uns von den biblischen Ereignissen. Damit meinte er, dass wir sowieso nicht mehr genau wissen können, was damals wirklich geschehen ist. Das führte ihn dazu, auch zu bezweifeln, ob alles so geschah, wie es in der Bibel steht.
Ich muss jedoch sagen, dass uns die moderne Archäologie die biblische Welt sehr nahegebracht hat. Ich war zwar noch nie im Badehaus von Monsieur Hollande, aber immer wieder im Badehaus von Herodes.
So kann moderne Geschichte manchmal weiter entfernt sein als die biblische Geschichte.
Das Ritual der Darbringung Jesu im Tempel
Die Bibel berichtet, dass die Eltern nach der Geburt Jesu in Bethlehem mit dem Kind nach Jerusalem gingen. Dies geschah etwas mehr als einen Monat nach der Geburt. Nach der Tora, genauer in 3. Mose 12, musste eine Frau, die geboren hatte, ein Reinigungsopfer für sich darbringen (3. Mose 12,1-8).
Dazu musste sie nach Jerusalem gehen. Gleichzeitig war dies die Gelegenheit, den Erstgeborenen darzubringen. Im Judentum muss jeder Erstgeborene ganz speziell Gott dargebracht werden. Dafür muss ein bestimmter Silberpreis für den Stamm Levi, also für das Priestertum, bezahlt werden. Heute wird dieses Ritual in Amerika zum Beispiel oft mit Silberdollar durchgeführt. Dieses Ritual nennt man Pidjon Haben, die Darbringung des Erstgeborenen.
Damals, als es den Tempel noch gab, musste man auf der Südseite des Tempels sein. Man sieht das Tempelhaus mit dem innersten Vorhof. Auf der Südseite gab es eine Terrasse mit drei großen Eingangstoren. Das mittlere große Eingangstor war das Tor der Erstgeborenen.
Die Bibel beschreibt in Lukas 2, dass, als Maria und Joseph eingetreten waren, Simeon kam und das Kind in die Arme nahm. Das ist genau das Ritual: Ein Priester muss das Kind in die Arme nehmen und dann das Verfahren nach 4. Mose 18,15 durchführen.
Heute wissen wir auf dem Tempelplatz in Jerusalem ganz genau, wo dieses Tor der Erstgeborenen stand. Ich kann Ihnen die genaue Stelle zeigen, wo das stattgefunden hat. Hier stehen wir im zweiten Vorhof, dem Vorhof der Frauen. Hier sieht man die fünfzehn halbkreisförmigen Treppen, die zum Nikanortor hinaufführen, das direkt in den Innenvorhof leitet.
Maria war damals zu arm, um ein richtiges Opfer zu bringen. Das wäre ein Schaf gewesen. Doch die Tora erlaubt in 3. Mose 12, dass man, wenn man zu arm ist, auch Tauben opfern darf. Deshalb brachte sie Tauben als Opfer dar.
Bei den Taubenopfern legt man keine Hände auf. Das geschieht nur bei den größeren Opfern. Deshalb durfte Maria nicht in den inneren Vorhof gehen. Von Norden her gab es das Tor der Frauen, durch das Frauen direkt in den inneren Vorhof zum Altar gehen und dort das Opfer darbringen konnten.
Da Maria aber nur Tauben brachte, musste sie vor dem Nikanortor stehen und warten, bis ein Priester das Taubenopfer auf dem Brandopferaltar dargebracht hatte. Dort stand sie also.
Heute kann ich Ihnen auf dem Tempelplatz genau zeigen, wo dieser Standort war. Gerade vor dem Nikanortor war dieser Platz, auf der Ostseite der sogenannten Muslimplattform, dort auf dieser Treppe. Das Tor der Erstgeborenen war genau an dieser Stelle.
Wenn Sie als Besucher den Tempelplatz vom Maghreb-Tor aus betreten – Muslime dürfen nur dort hinauf –, kommen Sie über diese Treppe nach oben. Dort befindet sich die Stelle.
Wir wissen dank der jüngsten Ausgrabungen und Vermessungen ganz genau, wo auf dem Tempelplatz was war. Diese Untersuchungen stimmen bis ins Detail mit den natürlichen Beschaffenheiten des Felsens des Berges überein.
Herodespalast und politische Hintergründe zur Zeit Jesu
Und jetzt gehen wir zum Jaffatur in der Altstadt von Jerusalem. Hier sehen Sie den Hippikusturm.
Dieser Turm ist in der Höhe original, der Rest ist ein späterer Nachbau. Die mächtigen, großen Steine sind noch die originalen Steine des Hippikusturmes. Dieser war einer der drei großen Türme beim Herodespalast in Jerusalem.
Dort sind die Weisen aus dem Morgenland, die Magoi, hingekommen und haben gefragt: Wo ist der Messias, der geboren worden ist?
Im Jahr 70 nach Christus haben die Römer Jerusalem vollkommen zerstört und sogar die Mauern geschleift. Es sollte kein Stein mehr auf dem anderen stehen. Doch Titus, der General, befahl, diesen Turm stehen zu lassen. Er wollte damit ein Zeichen für die Nachwelt setzen und deutlich machen, dass es nur durch die Hilfe der Vorsehung möglich war, Jerusalem zu zerstören.
Darum steht der Turm noch heute und markiert genau den Ort, an dem der Palast von Herodes war. Später wurde dieser Palast von den Landpflegern übernommen. Die Herodesfamilie verlor die Herrschaft. Pontius Pilatus, der Landpfleger zur Zeit der Kreuzigung Jesu, residierte hier.
Jetzt wissen Sie auch, wo der Prozess Jesu vor Herodes stattgefunden hat – genau hier.
Herodes war ein Mann, der ständig Angst hatte, jemand könnte ihm die Macht entreißen. Deshalb scheute er auch nicht davor zurück, eigene Söhne umzubringen, die er für gefährlich hielt. Sogar seine Lieblingsfrau unter den zehn Frauen, Mariamne, ließ er töten, weil er befürchtete, sie wolle Königin an seiner Stelle werden.
Nun verstehen Sie auch, warum er bereit war, den Kindermord von Bethlehem zu veranstalten. Das passt genau in seine blutige Geschichte hinein.
Als es zu diesem Kindermord kam, mussten Maria und Joseph mit dem Kind nach Ägypten fliehen. Erst nachdem Herodes kurze Zeit später gestorben war, kehrten sie aus Ägypten zurück nach Israel.
Davon lesen wir in Matthäus 2,14: „Er aber stand auf, nahm das Kindlein und seine Mutter des Nachts zu sich und zog hin nach Ägypten.“
Dadurch erfüllte sich die Prophetie über den Messias in Hosea 11,1, wo Gott sagt: „Und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“
Die erste Verszeile lautet: „Als Israel jung war, da liebte Gott Israel.“ Die zweite Verszeile weist auf den Messias hin: „Und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“
Hier hat sich erfüllt, dass der Messias aus Ägypten kommen sollte.
Diskussion um das Todesjahr Herodes’ und die Herkunft Jesu
Jetzt haben Sie vielleicht noch ein Problem mit mir und denken: „Aber ich habe doch immer gelesen, Herodes sei vier vor Christus gestorben.“ Ja, das haben Sie in vielen Büchern gelesen, aber nicht in allen.
Sie müssen auch wissen, wie man in der Geschichtsschreibung auf das Jahr vier vor Christus gekommen ist. Die Grundlage dafür bildet Josephus Flavius. Dieser jüdische Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert berichtet, dass vor dem Tod von Herodes eine Mondfinsternis stattgefunden hat. Tatsächlich gab es im Jahr vier vor Christus eine Mondfinsternis. Historisch gesehen war es eine partielle Finsternis.
Aber im Jahr eins vor Christus fand astronomisch eine totale Mondfinsternis statt. Die Ereignisse, die Josephus Flavius beschreibt – von der Mondfinsternis bis zum Tod von Herodes – lassen sich sehr gut in das Jahr eins vor Christus einordnen. Im Gegensatz dazu müssten bei vier vor Christus alle Ereignisse irgendwie hineingezwängt werden.
Wir haben also keinen Grund, an vier vor Christus beziehungsweise astronomisch an drei vor Christus festzuhalten. Es ist viel naheliegender, dass Herodes im Jahr eins vor Christus gestorben ist. Die Eltern Jesu hörten, dass einer der blutrünstigsten Söhne von Herodes König über Judäa wurde. Deshalb wollten sie nicht nach Bethlehem ziehen, um dort ihren Wohnsitz zu nehmen, sondern gingen nach Galiläa, nach Nazareth.
Das ist der Grund, warum Jesus Christus zwar wohl in Bethlehem geboren wurde, aber in Nazareth aufwuchs.
Interessant ist nun, was der Prophet Sacharja sagt. Er war einer der drei letzten Schriftpropheten, neben Haggai und Maleachi. In Sacharja 3,8 heißt es: „Siehe, ich sende meinen Knecht, genannt Spross.“
Nun ist Folgendes interessant: Im Targum, der aramäischen Übersetzung in der Rabbinerbibel, steht an dieser Stelle „Mein Knecht, der Meshicha“, also der Messias. Im Judentum wusste man also, dass diese Stelle, genau wie Micha 5 und viele andere, auf den Messias hinweist.
Aber hier wird gesagt, er werde „Spross“ genannt werden. Das ist etwas seltsam. Wurde Jesus Christus jemals so genannt?
Man kannte Jesus Christus als „Jesus den Nazaräer“, nicht als „Jesus den Bethlehemitter“. Jesus der Nazaräer, weil er dort aufwuchs und den größten Teil seines Lebens verbrachte. „Nazaräer“ kommt von Nazareth, und Nazareth wiederum kommt von der Wurzel „naezer“, was „Spross“ oder „Zweig“ bedeutet.
Nazareth heißt also auf gut Deutsch „Sprosslingen“ oder „Zweiglingen“. Jedes Mal, wenn man von Jesus dem Nazaräer spricht – und so nennen ihn auch sehr distanziert Kritiker im 21. Jahrhundert –, sagen sie „Jesus von Nazareth“.
Sie würden nicht „Herr Jesus“ sagen, das sagt nur jemand, der eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus hat. Aber sie sagen „Jesus der Nazaräer“ oder „Jesus von Nazareth“. Und jedes Mal erfüllen sie damit Sacharja 3,8: „Er wird Spross genannt werden.“
Es ist also schon interessant: Er sollte in Bethlehem geboren werden, aus Ägypten gerufen werden und Nazaräer genannt werden.
Die zeitliche Einordnung des Wirkens Jesu
Nun machen wir einen zeitlichen Sprung von der Geburtszeit Jesu in die Zeit, als Jesus Christus als Prediger auftrat, also etwa dreißig Jahre später.
Lukas 3,1 sagt: „Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Landpfleger von Judäa war.“ So wird das Ereignis in der Bibel sehr genau datiert.
Sie sehen, Märchenbücher funktionieren nicht so. Es gibt Kritiker, die behaupten, die Bibel sei ein Märchenbuch. Das liest man oft auf atheistischen Blogs im Internet. Ein Märchenbuch, sagen sie. Nun, ich habe als kleiner Junge Märchen gelernt, zum Beispiel „Es war einmal ein Junge und ein Mädchen, Hänsel und Gretel.“ Ja gut, „einmal wann“ wird nicht gesagt. Und wo haben sie gelebt? Auch das wird nicht genannt.
Ich möchte fragen: Wo war das Hexenhaus? War das irgendwo im Schwarzwald? Das wird nicht erklärt, weil es in den Märchen nicht wichtig ist, wo und wann etwas geschieht. Denn es hat ja gar nicht wirklich stattgefunden.
Hier jedoch haben wir einen historischen Bericht, der sehr genau nach den Kaisern datiert. Zuerst in den Tagen von Kaiser Augustus gab es einen Erlass. Dann, im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius.
Tiberius war in der Geschichte Herrscher nach dem Tod von Augustus, von 14 nach Christus bis 37 nach Christus. Lukas definiert das noch genauer: Pontius Pilatus war Landpfleger von Judäa. Er hatte dieses Amt von 26 bis 36 nach Christus inne.
In diesen begrenzten Jahren spielte die Handlung also. Nach der biblischen Datierung war das Jahr 29 nach Christus, denn 14 plus 15 ergibt 29.
Vor einigen Jahren wurde bei Ausgrabungen in Caesarea am Mittelmeer eine Steininschrift gefunden. Darauf steht „Iberius Pilatus“. Es handelt sich um eine Weihinschrift für einen Tempel zur Anbetung des Kaisers Tiberius, der sich als Gott verehren ließ. Diese Weihinschrift wurde von Pontius Pilatus, dem Landpfleger, zu Ehren seines Kaisers eingerichtet.
Auf diesem Stein sind also genau die beiden Personen verewigt, die wir in Lukas 3,1 in einem Vers zusammen haben.
Außerdem gibt es noch eine Goldmünze mit dem Kopf von Kaiser Tiberius. So wissen wir sogar, wie der Mann ausgesehen hat. Wenn Sie genau hinschauen, ist der Kiefer ziemlich interessant. Meine Tochter könnte Ihnen ganz genau erklären, was das Problem ist. Man könnte es heute beheben, aber es ist nicht so schlimm.
Historische Bestätigung der Christenverfolgung und Hinrichtung Jesu
Nun lese ich bei Tacitus, diesem römischen Schriftsteller, der etwa von 58 bis 120 nach Christus lebte. Er berichtet über die Christenverfolgung zur Zeit von Kaiser Nero. Nero wollte einen Stadtteil in Rom abreißen lassen, um dort schönere Gebäude zu errichten.
Dazu ließ er dieses Quartier anzünden und beschuldigte anschließend die Christen, den Brand verursacht zu haben. In der Folge wurden viele Christen gekreuzigt.
Tacitus schreibt darüber, um das Gerede zu widerlegen. Denn viele Leute vermuteten, dass Nero selbst das Feuer gelegt hatte. Um dieses Gerede zu widerlegen, gab Nero den Christen, die wegen ihrer Vergehen verhasst waren, die Schuld und belegte sie mit den grausamsten Strafen.
Tacitus erwähnt, dass dieser Name "Christus" von einem Mann stammt, der während der Herrschaft des Kaisers Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet wurde. Dieser verderbliche Aberglaube, so Tacitus, wurde zunächst unterdrückt, brach jedoch nicht nur in Judäa, dem Ursprungsland dieses Glaubens, sondern auch in Rom wieder aus. Dort fanden sich von allen Seiten die abscheulichsten Gräuel und Verbrechen, die Anhänger fanden.
Wir können dankbar sein, dass Tacitus uns hier berichtet, dass das Christentum auf einen Christus zurückgeht, der zu Zeiten Tiberius unter Pontius Pilatus hingerichtet wurde – und zwar im Jahr 32, so nach den Evangelien. Die außerbiblische, säkulare Geschichte stimmt damit genau mit der biblischen Geschichte überein.
Der Auftakt des öffentlichen Wirkens Jesu und Johannes der Täufer
Als Jesus Christus als öffentlicher Prediger auftrat, war er ungefähr dreißig Jahre alt, so sagt die Bibel. Das führt uns von der Zeit vor Christus bis etwa neunzig Jahre nach Christus. Diese Angaben stimmen mit dem überein, was in Lukas 3 berichtet wird.
Johannes der Täufer trat als Prediger auf, als Vorläufer Jesu. Nach Johannes 1,28 wirkte er in Betanien, einem Ort, der auch Betabara genannt wird. Er rief die Menschen auf: „Bekennt eure Sünden Gott und macht euch bereit, denn jetzt kommt der Messias.“
Wir gehen also nach Betabara, nach Bethanien, das sich unten in der Wüste befindet, dort, wo der Jordan ins Tote Meer mündet. Ich gebe Ihnen hier eine ziemlich alte Karte als geografische Illustration. Es handelt sich um ein Mosaik, das man in einer byzantinischen Kirche gefunden hat. Dieses Mosaik stammt aus dem vierten oder fünften Jahrhundert nach Christus. Darauf ist der Ort Betabara mit griechischen Buchstaben eingezeichnet, genau an der Stelle, wo der Jordan heute ins Tote Meer fließt.
Johannes der Täufer wird auch bei dem Schriftsteller Josephus Flavius in seinen „Jüdischen Altertümern“ erwähnt. Ich zitiere: Manche Juden waren der Ansicht, der Untergang der Streitmacht des Herodes – es geht hier um Herodes Antipas, einen Sohn Herodes’ –, der eine militärische Niederlage erlitt, sei eine Strafe Gottes dafür, dass er Johannes den Täufer umgebracht hatte.
Josephus schreibt: „Manche Juden waren der Ansicht, der Untergang der Streitmacht des Herodes Antipas sei dem Zorn Gottes zuzuschreiben. Dieser habe für die Tötung Johannes des Täufers die gerechte Strafe gefordert. Johannes hatte Herodes hinrichten lassen, obwohl er ein edler Mann war. Er ermahnte die Juden, nach Vollkommenheit zu streben, indem sie Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegenüber Gott übten und so zur Taufe kamen. Johannes verkündigte, die Taufe werde Gott angenehm sein, weil sie nur zur Heiligung des Leibes diene, nicht aber zur Sühne für ihre Sünden.“
Josephus Flavius erklärt weiter, dass Johannes der Täufer die Taufe nur symbolisch vollzog. Sie bewirkte kein Wunder und war kein Sakrament, sondern drückte die innere Haltung der Umkehr aus.
Da infolge der wunderbaren Anziehungskraft solcher Reden eine große Menschenmenge zu Johannes strömte, fürchtete Herodes dessen Ansehen. Der Rat Johannes’ schien allgemein befolgt zu werden. Herodes befürchtete, dass Johannes das Volk zum Aufruhr treiben könnte. Deshalb hielt er es für besser, ihn rechtzeitig aus dem Weg zu räumen, bevor sich die Dinge zu sehr zugunsten Johannes’ wenden würden. Er wollte später keine Reue empfinden, wenn es zu spät sei.
Auf diesen Verdacht hin ließ Herodes Johannes in Ketten legen und nach der Festung Machärus bringen, die oben erwähnt wurde. Dort wurde Johannes hingerichtet. Nach Überzeugung der Juden war dieser Tod die Ursache dafür, dass Herodes’ Streitmacht unterging. Gott habe in seinem Zorn diese Strafe über den Tetrarchen verhängt.
Ganz abgesehen von der Interpretation der geschichtlichen Ereignisse sehen wir hier, dass Johannes der Täufer eine historische Persönlichkeit war, die das ganze Judentum in Bewegung brachte. Das berichten auch die vier Evangelien. Sie schildern, wie Johannes die Menschen aufrief, ein gerechtes Leben zu führen, nachdem sie ihre Schuld vor Gott bekannt und sich bekehrt hatten. Das steht in völliger Übereinstimmung mit dem Neuen Testament.
Weitere historische Belege aus der Zeit der frühen Christen
Und dann lese ich noch eine andere Passage aus den Schriften von Josephus Flavius, wieder aus den jüdischen Altertümern. Ich lese Ihnen natürlich nur Passagen vor, die in der Forschung unbestritten und nicht angefochten sind. Das ist noch wichtig zu sagen.
Der jüngere Ananus war ein hoher Priester, der auch in der Apostelgeschichte im Neuen Testament erwähnt wird. Dieser jüngere Ananus, dessen Ernennung zum Hohen Priester ich soeben erwähnt habe, war von heftiger und verwegener Gemütsart. Er gehörte zur Sekte der Sadduzäer, die, wie schon früher bemerkt, im Gericht härter und liebloser sind als alle anderen Juden.
Zur Befriedigung dieser seiner Hartherzigkeit glaubte Ananus, nun da Festus, der Landpfleger, gestorben war und Albinus noch nicht angekommen war, eine günstige Gelegenheit gefunden zu haben. Er versammelte daher den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor dasselbe den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus sowie noch einige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen ließ.
Sie sehen, in diesem Text wird Ananus erwähnt, der auch im Neuen Testament vorkommt, ebenso der Landpfleger Festus, der auch in der Zeit von Ananus in der Apostelgeschichte erwähnt wird. Dann wird Jakobus, der Bruder des Herrn, der im Neuen Testament eine wichtige Rolle spielt und auf den der Jakobusbrief geschrieben wurde, hier namentlich erwähnt als Bruder des Herrn – genau so, wie das Neue Testament es berichtet.
Josephus sagt nicht, Jesus sei der Messias. Er sagt als nichtgläubiger Jude: Jesus, der Messias, der Christus genannt wird. Aber Sie sehen die historische Übereinstimmung.
Hier sehen Sie übrigens noch die Ruinen der Burg Machairus in Jordanien. Das ist der Ort, an dem Johannes der Täufer hingerichtet wurde, wie es auch die Evangelien berichten.
Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu
Nach dieser Einführung durch Johannes den Täufer begann Jesus Christus zu predigen. Dies wird beschrieben in Matthäus 4,13.
Bevor ich jedoch fortfahre, möchte ich an dieser Stelle einen kurzen musikalischen Unterbruch einfügen.
