
Wir haben gesehen, wie der Prophet Samuel Saul mit einer Ölflasche gesalbt hat (1. Samuel 10,1). Dies war bereits ein Vorzeichen dafür, dass dieses Königtum schließlich zusammenbrechen würde, weil es nicht von Gott, sondern von den Menschen ausging.
Außerdem haben wir gesehen, wie Samuel in Mizpa dem Volk noch einmal vorgestellt wurde (1. Samuel 10,19). Dort sagte er: „Ihr aber habt heute euren Gott verworfen, der euch aus all eurem Unglück und euren Drangsalen errettet hat, und habt zu ihm gesagt: Einen König sollst du über uns setzen.“
In Mizpa wurde schließlich durch das Los Saul bestimmt. Man mag sich fragen, wie man durch das Los den Willen Gottes erfahren kann. Doch im Alten Testament geschah es wiederholt, dass Gott das Los so führte, dass es seinen Willen ausdrückte.
Das letzte Mal, wo wir in der Bibel finden, wie der Wille Gottes durch das Los erkannt wird, war in der Apostelgeschichte. Es geschieht dort beinahe wie aus dem Maschinengewehr: Apostelgeschichte 1.
Dies war im Zusammenhang mit dem Problem, dass der Apostel Judas wegfiel und ersetzt werden musste. Die Apostel waren ja als Apostel Jesu Christi für die zwölf Stämme Israels bestimmt. Später wurde im Gegensatz dazu der Apostel Paulus als Apostel Jesu Christi für die Nationen gewählt.
Übrigens, wenn ich betone "Apostel Jesu Christi", ist das wichtig. Im Neuen Testament wird an manchen Stellen das Wort "Apostel" verwendet. Dieses Wort bedeutet auf Griechisch "Gesandter". Es wird auch im Sinne von Missionar gebraucht und bezieht sich manchmal auf Personen außerhalb des Zwölferkreises, der für die zwölf Stämme Israels bestimmt ist. Paulus ist der einzige Apostel für die Nationen.
Um das klar zu unterscheiden, spricht man von den Zwölf für Israel und Paulus für die Nationen als "Apostel Jesu Christi". Dies steht im Gegensatz zu dem Begriff "Apostel" allein. An einer Stelle werden sie auch "Abgesandte von den Gemeinden" genannt. Dabei handelt es sich um Abgesandte von Jesus Christus mit einer ganz besonderen Autorität, die sich auf die Grundlegung der Gemeinde bezieht.
Nun fiel Judas weg und musste ersetzt werden. Das geschah durch das Los. Ich lese aus Apostelgeschichte 1,24: "Und sie beteten und sprachen: Du, Herr, Herzenskenner aller, zeige von diesen beiden den einen an, den du erwählt hast, das Los dieses Dienstes und Apostelamtes zu empfangen, von dem Judas abgewichen ist, um an seinen eigenen Ort zu gehen."
Sie gaben ihnen Lose, und das Los fiel auf Matthias. Er wurde den elf Aposteln zugerechnet. So waren es wieder zwölf Apostel. Ganz klar war der zwölfte Apostel vom Herrn bestimmt, und zwar durch das Los.
Im nächsten Vers, Kapitel 2, Vers 1, heißt es: „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, da waren sie alle an einem Ort beisammen. Plötzlich kam aus dem Himmel ein Brausen.“
Der Heilige Geist wurde über die Gläubigen ausgegossen. So entstand die Gemeinde, und von diesem Zeitpunkt an finden wir das Los nie mehr.
Das war also die Zeit, in der Gott den Heiligen Geist nicht seinem Volk, das heißt den Gläubigen, gegeben hatte. Stattdessen kam der Heilige Geist auf Propheten, konnte aber auch wieder von ihnen weggehen und zurückkehren.
In der Gemeinde ist das jedoch ganz anders. Jesus sagte schon in seiner Abschiedsrede in Johannes 14: Der Heilige Geist wird kommen. „Er wird in euch sein, er wird in Ewigkeit bei euch sein.“ Das ist unfassbar, was wir haben.
Nun ist alles anders, was die Führung betrifft. Wir können noch kurz Römer 8 aufschlagen. Dort wird der Normalfall gezeigt, wie Gott heute führt, seitdem die Erlösten den Heiligen Geist bleibend und innewohnend haben.
Römer 8,14: Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes.
Ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, indem wir rufen: Abba, Vater.
Der Geist selbst bezeugt unserem Geist – besser als mit „unserem Geist“ ist zu übersetzen „bezeugt unserem Geist“ –, dass wir Kinder Gottes sind.
Nun geht es mir um Vers 14: „So viele durch den Geist Gottes geleitet werden.“ Die griechische Verbform ist hier ein sogenannter Durativ, also eine Verbform, die ausdrückt, dass die Handlung fortdauernd oder wiederholt geschieht.
Das heißt, hier wird der Normalfall gezeigt, dass die Erlösten heute durch den Geist Gottes geleitet werden.
Der Geist Gottes kann unserem Geist – das ist unser Bewusstsein und unser höheres Denken – sich bezeugen.
So gibt der Heilige Geist dieses innere Bewusstsein, diese innere Sicherheit und Überzeugung ins Herz, und so leitet er.
Darum brauchen wir kein Los. Das ist ein Vorteil.
Im Alten Testament war das Loswerfen eine anerkannte Methode, um Gottes Willen zu erkennen. So bestätigt 1. Samuel 10 die Prophetie Samuels, dass Saul Fürst über Israel werden sollte. Das Los fiel zunächst auf den Stamm Benjamin (1. Samuel 10,20), dann auf die Familie Madri und schließlich wurde Saul selbst aus dieser Stammesfamilie ausgewählt.
Dieses Prinzip findet sich auch an anderer Stelle wieder. Im Dritten Buch Mose, Kapitel 16, geht es um den Jom Kippur, den großen Versöhnungstag im Herbst. An diesem Tag mussten zwei Böcke, also zwei Ziegenböcke, vor den Hohenpriester gestellt werden. Es musste entschieden werden, welcher Bock als „Azazel“ bestimmt wird.
Das Wort „Azazel“ wurde oft mysteriös interpretiert. Tatsächlich ist die Bedeutung jedoch relativ einfach: „Az“ bedeutet auf Hebräisch „Ziege“ und „azal“ heißt „weggehen“. Der „Azazel“ ist also der Bock, der weggeht, in die Wüste als Sündenbock. Der andere Bock war der Herresbock. Er wurde geschlachtet, und sein Blut musste vom Hohenpriester ins Allerheiligste gebracht werden.
Nun, welcher Bock sollte welche Funktion übernehmen?
In 3. Mose 16,7 heißt es: „Und er soll die beiden Böcke nehmen und sie vor den Herrn stellen an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft. Und Aaron soll Lose werfen über die beiden Böcke, ein Los für den Herrn und ein Los für Azazel.“
Wie hat man das praktisch gemacht? Dem Hohenpriester wurde eine Box gereicht, in der Lose lagen. Er musste mit beiden Händen gleichzeitig hineingreifen. Diese Lose konnte man aufklappen.
Der Hohepriester nahm die beiden Lose und legte sie jeweils auf die Köpfe der Ziegen. Dann wurden die Lose feierlich geöffnet. Auf dem einen stand „Ladonai“, was „Für den Herrn“ bedeutet, und auf dem anderen „la Azazel“, für den Bock, der weggeht.
Es ist interessant, dass im Judentum festgehalten wird: Wenn das Los für den Herrn in die rechte Hand kam, war das ein Zeichen dafür, dass der Herr das Opfer am Jom Kippur annehmen wollte.
Im Talmud, dem wichtigsten theologischen Werk im Judentum nach der Bibel, steht im Traktat Joma 38b: „Vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels kam das Los nicht mehr in die rechte Hand.“
Wenn man das als rabbinische Fantasie abtun wollte, muss man sich fragen, wie so etwas möglich sein kann. Das wäre ja ein völliger Eigentor. Der Tempel wurde im Jahr 70 zerstört, aber der Talmud hält fest, dass in den vierzig Jahren davor das Los nicht mehr in die rechte Hand kam. Das bedeutet, dass Gott die Opfer seit dem Jahr 30 abgelehnt hat.
Daraufhin hörten sie auf, die Opfer darzubringen – und das bis heute. Denn der Tempel konnte bis heute nicht wieder aufgebaut werden, und Jom Kippur kann nur im Tempel durchgeführt werden.
Das ist wirklich unglaublich.
Also, siebzig minus vierzig ergibt dreißig. Gemäß der genauen Chronologie der Evangelien begann der Herr Jesus im Jahr neunundzwanzig zu predigen. Das war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius. Augustus starb im Jahr vierzehn. Wenn man fünfzehn dazu zählt, kommt man auf neunundzwanzig.
Die Evangelien machen deutlich, dass der Herr Jesus drei Jahre lang öffentlich wirkte, also von neunundzwanzig bis zweiunddreißig.
Im Jahr dreißig, also genau ein Jahr nach Beginn seines Dienstes, lesen wir in Markus 3, dass die Führer des Volkes zum ersten Mal beschlossen, ihn zu töten. Ab diesem Jahr, mit dem Beschluss im Jahr dreißig, dass er sterben müsse und nicht der Messias sei, verschlechterte sich die Lage zunehmend.
Man wusste, dass Gott das Opfer des Jom Kippur nicht mehr annahm. Das ist eine dramatische Entwicklung. Solche Details muss man im Gespräch mit orthodoxen Juden und auch mit säkularen Menschen erwähnen. Denn auch diese erreicht man über die Brücke ihrer Tradition.
So kann man zeigen, dass Jesus Christus tatsächlich die Erfüllung der Prophetie über den Messias ist. Und weil er abgelehnt wurde, wurden auch die Opfer abgelehnt.
Und wenn jemand sagt: Ja, das war vielleicht Zufall, okay, dann kann man zuhause üben. Man nimmt ein Eurostück und wirft es 40 Mal. Das geht eine Weile.
Es gibt eine fantastische Zahl, die man berechnen kann mit 1 durch 2 hoch n. In diesem Fall ist n 40. Man kann 2 hoch 40 auf dem Taschenrechner ausrechnen. Das ergibt eine Zahl, die zeigt, dass es einfach durch Zufall unmöglich ist.
Soviel noch zu dem Thema Werfen im Alten und Neuen Testament.
Wir kehren nun zurück zu 1. Samuel und kommen zu Kapitel 11. Nahas, der Ammoniter, zog herauf und belagerte Jabes Gilead.
Alle Männer von Jabes sprachen zu Nahas: „Schließe einen Bund mit uns, so wollen wir dir dienen.“ Diese Szene hatten wir bereits gestern Abend betrachtet. Jabes Gilead hat eine ganz unrühmliche Vergangenheit.
Diese Stadt war im Zusammenhang mit dem Gräuel in Gibea bekannt – der Stadt, aus der Saul stammte und die in Kapitel 10, Vers 26 erwähnt wird. In der Zeit der Richter (Kapitel 19 bis 21) wollte diese Stadt dem Bösen gegenüber neutral bleiben. Doch Neutralität gegenüber dem Bösen ist aus Gottes Sicht nicht möglich. Das war Jabes Gilead.
Nun sehen wir wieder eine traurige Situation: Ausgerechnet diese Stadt wird vom Feind belagert. Das mag zwar sein, denn der Feind hasst das Volk Gottes und will es angreifen, wo er kann. Aber es ist schon traurig, wenn wir lesen: „Und alle Männer von Jabes sprachen zu Nahas: Schließe einen Bund mit uns, so wollen wir dir dienen.“ Sie waren also bereit, einen Kompromiss mit dem Feind einzugehen.
Glücklicherweise war der Feind so bösartig, dass er eine Forderung stellte, die einfach nicht zu erfüllen war. Nahas, der Ammoniter, sprach zu ihnen: „Unter dieser Bedingung will ich einen Bund mit euch schließen, dass ich euch allen das rechte Auge aussteche und damit eine Schmach über ganz Israel lege.“
Man muss sich das vorstellen: Ein Bund, bei dem vereinbart wird, dass allen das rechte Auge ausgestochen wird – natürlich ohne Anästhesie. Schrecklich, nicht wahr? Diese Forderung brachte sie dazu, wenigstens zu denken: Nein, wir müssen eine andere Lösung finden.
Nahas, der Ammoniter – woher stammt er? Ammon war einer der beiden Söhne von Lot, die durch Blutschande entstanden sind. Die Ammoniter stammen von diesem Sohn ab, die Moabiter von dem anderen.
Die Ammoniter wählten ihr Siedlungsgebiet im heutigen Norden Jordaniens, also nördlich vom Toten Meer. Dort befindet sich auch die Stadt Amman. Der Name Amman leitet sich von Ammon ab, der Hauptstadt der Ammoniter.
Die Moabiter, Nachkommen von Moab, wählten ihr Siedlungsgebiet auf der anderen Seite des Toten Meeres, von Israel aus gesehen, auf jordanischem Boden. Dort liegt das Hochplateau entlang des Toten Meeres.
Wenn man darüber nachdenkt, woher das alles kam: Abraham wurde berufen, aus Ur in Chaldäa auszuziehen (1. Mose 12,1-3). Gott sagte zu ihm: „Geh aus deines Vaters Haus und aus deiner Verwandtschaft.“ Abraham war gehorsam und zog aus, nahm jedoch Lot, seinen Neffen, mit. Das hätte er nicht tun sollen, doch er tat es trotzdem.
Deshalb befand sich Lot am falschen Ort – er nahm seinen Wohnsitz in Sodom. Das hatte auch Auswirkungen auf seine Töchter und führte zu Verderbnis.
Das bedeutet nicht, dass wir nicht in einer Welt leben dürfen, die verdorben und gefährlich ist. Aber wir sollten dort wohnen, wo der Herr uns haben will. Wenn wir an einen Ort gehen, wo der Herr uns nicht haben will, können wir nicht mit der gleichen Bewahrung rechnen wie an dem Ort, den der Herr für uns bestimmt hat.
Das sehen wir zum Beispiel auch bei Daniel. Daniel wurde nach Babylon deportiert, aber das hat er nicht selbst gewählt. Man hat ihn ausgewählt, und er musste dort an der Universität studieren – sechs Semester, also drei Jahre – und die Schriften der Chaldäer studieren. In diesen Schriften sind viele Überschriften enthalten.
Das hat er nicht aus Spaß gewählt. Vielmehr hat er in seinem Herzen beschlossen, sich nicht zu verunreinigen in Babel (Daniel 1,8). So hat der Herr ihn bewahrt.
Das ist auch eine Ermutigung, wenn wir Kinder haben, die in der Schule einem schwierigen und gefährlichen Umfeld ausgesetzt sind. Wenn wir sehen, dass es wirklich notwendig ist, dass sie diese Ausbildung machen, und sie sich nicht aus Spaß mit manchen Dingen beschäftigen, sondern den Weg mit dem Herrn gehen möchten, dann können wir auf Bewahrung hoffen.
Anders ist es, wenn jemand sagt: „Ja, aus Spaß beschäftige ich mich gerne mit deutscher Literatur.“ Dazu gehört zum Beispiel auch die moderne Literatur, die oft sehr problematisch ist. Wenn ich bei unseren Kindern sehe, womit sie in der Literatur konfrontiert wurden, muss ich ehrlich sagen: Das geht gar nicht. Ich selbst hatte schon große Schwierigkeiten mit dem Wissen. Und dann die Kinder noch schlimmere Erfahrungen.
Aber wenn man wissen darf, dass es wirklich der Weg des Herrn ist, und die Kinder diese Ausbildung machen sollen, und sie den Weg mit dem Herrn gehen möchten, dann kann man mit Bewahrung rechnen.
Bei Lot war es jedoch anders. Er ging einen falschen Weg, und so wurden seine Töchter durch den Einfluss von Sodom verdorben. Deshalb hatten sie die Idee, ihren Vater mit Alkohol zu betäuben. Jede von ihnen bekam ein Kind von ihrem Vater.
Das ist sehr hässlich, nicht wahr? Aus dieser Verbindung entstanden die Ammoniter. Sie wurden zu Todfeinden Israels. Es ist dramatisch zu sehen, welche Folgen ein Fehler eines Vaters haben kann – Abraham, der Lot mitnahm, war der Auslöser dafür, was sich später ereignete.
Jetzt sehen wir, dass neben den Ammonitern auch die Leute von Jabes-Gilead belagert werden. Dabei schließen sie einen äußerst üblen Bund.
Aber dann lesen wir in Vers 3: Und die Ältesten von Jabes sprachen zu ihm: „Lass uns sieben Tage warten, und wir wollen Boten in alle Grenzen Israels senden. Wenn niemand da ist, der uns rettet, so wollen wir zu dir hinausgehen.“
Die Boten kamen nach Gibeah, zu Saul, und überbrachten diese Worte dem Volk. Das ganze Volk erhob seine Stimme und weinte.
Das zeigt auch den geistlichen Zustand: Die Menschen weinen zwar, sehen aber keine Lösung.
Dann geht es weiter: „Und siehe, Saul kam vom Feld hinter den Rindern her. Und Saul sprach: ‚Was hat das Volk, dass sie weinen?‘“ Sie erzählten ihm die Worte der Männer von Jabes.
Und jetzt kommt das Entscheidende: Da geriet der Geist Gottes über Saul.
Wir haben hier wieder das Wort „geraten“. Die Elberfelder Bibel macht einen Unterschied, denn an anderen Stellen heißt es, der Geist Gottes „kam auf“ jemanden, während hier „geriet“ gut mit dem hebräischen Begriff „Zalach“ übersetzt ist. Dieses Wort wird, wie schon erwähnt, mehrfach für Simson in der Geschichte von Richter 13–16 verwendet.
Das „Geraten“ drückt aus, dass ein Widerstand überwunden werden muss. Simson war ein durch und durch fleischlicher Mann. Natürlich drückten seine langen Haare als Nasiräer völlige Hingabe an Gott aus. Dort wird durch dieses äußere Zeichen gezeigt, dass Hingabe an Gott Kraft bewirkt. In der Übertragung bedeutet das: Wirkliche Herzenshingabe an den Herrn rüstet uns mit Kraft für den Dienst aus.
Doch bei Simson war das alles symbolisch und äußerlich, während seine innere geistliche Verfassung katastrophal war. Deshalb lesen wir auch bei ihm, dass der Geist Gottes über ihn geriet – weil ein fleischlicher Widerstand im Herzen überwunden werden musste.
Bei Saul sehen wir, wie bereits mehrfach erwähnt, dass er nicht bekehrt war, nicht wiedergeboren. Darum heißt es hier, der Geist Gottes geriet über Saul, als er diese Worte hörte.
Wir haben schon in Kapitel 10 gesehen: Als der Geist Gottes über ihn geriet, wurde er ein ganz anderer Mensch. Er wurde so, wie er gewesen wäre, wenn er sich bekehrt hätte.
Und dann lesen wir, als er diese Worte hörte: „Und sein Zorn entbrannte sehr.“
In Jakobus 1 lesen wir, dass der Zorn eines Mannes nicht die Gerechtigkeit Gottes bewirkt. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass es sich um den Zorn eines Mannes handelt, wenn dieser von uns selbst ausgeht. Es gibt jedoch auch den heiligen Zorn. Dies kennen wir von Mose, als er vom Berg herunterkam mit den Gesetzestafeln und sah, wie Israel in die Sünde des goldenen Kalbes gefallen war. Das war ein heiliger Zorn.
Aber aufgepasst: In Epheser 4 werden wir zum Zorn aufgerufen. Das klingt vielleicht überraschend, nicht wahr? Doch das Wort „aber“ ist an der richtigen Stelle sehr wichtig. Schlagen wir Epheser 4 auf und lesen ab Vers 25. Dort geht es, auch in den Versen davor, darum, dass man den alten Menschen bei der Bekehrung abgelegt hat – also alles, was mit dem alten Leben zusammenhängt – und den neuen Menschen angezogen hat. Das ist das, was Saul hätte sein sollen: ein anderer Mensch, ein neuer Mensch.
In Vers 25 heißt es: „Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander.“ Und jetzt kommt es: „Zürnt und sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn und gebt nicht Raum dem Teufel.“
Dies ist ein Zitat aus den Psalmen: „Zürnt und sündigt nicht.“ Das Wort „zürnt“ ist ein Befehl, ein Imperativ. Seid also zornig, aber es wird gleich hinzugefügt: „und sündigt nicht.“ Denn im Zorn führt so leicht zur Sünde.
Darum sagt Jakobus ganz allgemein: Der Zorn eines Mannes – und bei Männern besteht eine größere Gefahr, zornig zu werden. Ich weiß, Frauen können auch unglaublich zornig werden, aber Männer tun das viel leichter und stärker, so pauschalisiert. Deshalb wird hier gewarnt: Der Zorn eines Mannes bewirkt nicht die Gerechtigkeit.
Man muss also sehr selbstkritisch sein, wenn man merkt, dass der Zorn aufkommt. Ist das wirklich nicht aus dem Fleisch, aus der sündigen Natur? Oder ist es wirklich vom Herrn? Darum wird hier gesagt: „Zürnt und sündigt nicht.“
Und dann wird gleich hinzugefügt: „Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn.“ Wenn es unser Zorn ist, dann ist es sowieso falsch. Deshalb müssen wir darauf achten, dass wir den Zorn noch am gleichen Tag in Ordnung bringen.
Manche Ehepaare diskutieren dann zwar noch ein paar Stunden in der Nacht, und die Sonne ist schon untergegangen, aber es ist gut, wenn man das Problem möglichst noch am gleichen Kalendertag löst. Darum gibt es diese klare Anweisung: Die Sonne geht nicht unter über eurem Zorn.
Und weiter heißt es: „Gebt nicht Raum dem Teufel.“ Das bedeutet, dass man durch den falschen, fleischlichen Zorn dem Feind im Herzen Raum zum Wirken geben kann. Das darf auf keinen Fall geschehen.
Interessant ist, dass dies an die Heiligen von Ephesus gerichtet ist, Kapitel 4, Vers 1. Also: „Zürnt und sündigt nicht.“
Hier sehen wir den Zusammenhang: Der Geist Gottes gerät über Saul, und sein Zorn entbrannte. Das war ein göttlicher Zorn.
Und er nahm ein Joch Rinder, zerstückelte sie und sandte die Stücke durch Boten in alle Grenzen Israels. Dabei ließ er sagen:
Es schaudert mich fast, wenn ich das so lese. Warum? Weil es an die ganze Geschichte in Geba erinnert. Dort, in Geba, wurde eine Frau vergewaltigt und getötet. Ihr Ehemann zerstückelte die Leiche in zwölf Teile und schickte sie an alle zwölf Stämme Israels. Damit wollte er sie aufrufen, dieses Böse zu bestrafen.
Das führte zu einem Bürgerkrieg, bei dem sehr falsch gehandelt wurde. Der Stamm Benjamin wurde fast ausgerottet. Manche fragen sich, warum in der Bibel so schreckliche Dinge berichtet werden. Wie kann das sein?
Ich habe diesen Satz schon gestern gesagt, aber ich wiederhole ihn noch einmal: Im Buch der Richter geht es über die Zeit von Othniel, dem ersten Richter, bis Simson, dem vierzehnten. Das endet in Kapitel 16. Was dann ab Kapitel 17 bis 21 folgt, ist im Grunde nur ein Anhang. Zeitlich greifen diese beiden Anhänge – Kapitel 17 und 18 sowie Kapitel 19 bis 21 – sogar bis in die Anfangszeit der Richter zurück.
In Kapitel 17 und 18 wird gezeigt, wie der Götzendienst ganz früh nach der Landnahme unter Josua Eingang fand. Das war ein Bruch mit Gott. Götzendienst ist ein Bruch mit Gott.
Die Kapitel 19 bis 21 berichten von der Schandtat in Geba und der Neutralität von Gilead. Hier erfahren wir: Der Bruch mit Gott, wie er in den Kapiteln 17 und 18 beschrieben wird, führt zum Bruch mit den Menschen. Es geht um Ehebruch, Massenvergewaltigung, Mord, Krieg und Menschenraub.
Die Bibel zeigt, wie die Realität ist. Deshalb spricht sie über diese Dinge – sie muss es sogar tun. Wenn man bedenkt, wie knapp darüber berichtet wird, ist das sehr eindrücklich. Menschen könnten aus dieser Geschichte ein Buch mit 480 Seiten machen – eine typische Romanlänge. Diese dicken Wälzer sind oft erfunden und reine Fiktion.
Ich frage mich manchmal, warum man seine Zeit mit solchen Romanen vergeudet, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben. Der Autor fühlt sich wie ein Schöpfer, der seine Figuren formt und sie das sagen lässt, was er will.
Das Wort Gottes ist ganz anders. Es beschreibt die Dinge knapp, so viel wie nötig, aber nicht zu viel. Was beschrieben wird, ist wie eine Federzeichnung. In diesen drei Kapiteln gibt es eine knappe Beschreibung, die zu unserer Belehrung dient. So können wir sehen, wie böse das menschliche Herz ist.
Wenn der Bruch mit Gott vollzogen wird, geschieht genau das, was wir heute in unserer Gesellschaft erleben. Es ist ein Bruch mit den Menschen. Die Familie steht im Visier, um sie und die Ehe zu zerstören. In einer solchen Welt leben wir. Deshalb müssen wir durch das Wort Gottes ausgerüstet werden.
Das Wort Gottes berichtet darüber, aber sehr knapp. Das wird uns in den letzten Kapiteln des Buches der Richter gezeigt. Wie gesagt, Saul zerstückelte hier Rinder, die er geschlachtet hatte.
Doch es erinnert wieder an die schreckliche Tat in Geba, damals im Buch der Richter.
Nun sehen wir uns nochmals Vers sieben an: Er nahm ein Joch Rinder, zerstückelte sie und sandte die Stücke mit Boten in alle Grenzen Israels. Gleichzeitig ließ er ausrichten, wer nicht hinter Saul und Samuel her auszieht, dem werde ebenso mit den Rindern verfahren.
Interessant ist, dass es hier nicht nur um Saul geht, sondern Samuel immer noch eine bedeutende Rolle spielt. Durch diese Maßnahme fiel der Schrecken des Herrn auf das Volk, und sie zogen aus wie ein Mann.
Saul musterte das Heer in Bezek. Die Kinder Israel zählten dreihunderttausend, die Männer von Juda dreißigtausend – eine beeindruckende Armee. Sie sprachen zu den Boten, die gekommen waren: „So sollt ihr den Männern von Jabbes-Gilead sagen: Morgen, wenn die Sonne heiß scheint, wird euch Rettung zuteilwerden.“
Die Boten kehrten zurück und berichteten den Männern von Jabbes-Gilead. Diese freuten sich sehr und sagten: „Morgen werden wir zu euch hinausgehen, und ihr könnt mit uns tun, was euch in euren Augen gut erscheint.“
Am nächsten Tag stellte Saul das Volk in drei Abteilungen auf. Sie drangen mitten in das Lager bei der Morgenwache ein und schlugen die Ammoniter bis zum Heißwerden des Tages. Die Überlebenden wurden zerstreut, und es blieben nicht einmal zwei beieinander.
Dies war ein gewaltiger Sieg und eine große Befreiung – und das durch König Saul.
Wir müssen bedenken, dass der Geist Gottes über Saul kam. Genau das haben wir bereits in der Vorausschau auf seinen Dienst gesehen, insbesondere in Kapitel 10. Dort sollte Saul die Grundsätze lernen, die Samuel ihm anhand dieses Vorzeichens vermittelt hatte. Diese Grundsätze zeigen, wovon ein gottgesegneter Dienst als König abhängt.
Eine wichtige Lektion war die Begegnung mit der Schar der Propheten. Wenn der Geist Gottes über Saul kam, begann er Lieder zu Ehren des Herrn zu singen. Doch das geschah nicht von Herzen, sondern nur äußerlich.
Solange es eine Gemeinschaft zwischen Saul und Samuel gab, der wirklich mit dem Herrn in Verbindung stand, funktionierte alles gut. Im weiteren Verlauf, in den kommenden Kapiteln, werden wir jedoch sehen, wie diese Gemeinschaft vollständig zerbricht. Dadurch zerbrach gewissermaßen auch das Reich von König Saul.
Aber diese Verbindung mit Samuel, der ja so vorbildlich war, habe ich schon gestern erwähnt. Er war nicht eifersüchtig darauf, sich für Saul einzusetzen. Dabei bedeutete jeder Schritt eigentlich, dass er nun abgelöst war. Er war nicht mehr wirklich in der Funktion als Richter, sondern Saul übernahm seine Aufgabe.
Ich weiß, dass Saul eigentlich gar nicht fähig dazu war, weil er der Mann nach dem Herzen der Menschen und nicht der Mann nach dem Herzen Gottes war. Aber es ist unglaublich, wie Samuel da zurückstehen konnte und wusste: Jetzt muss es so sein.
So finden wir also diesen gewaltigen Sieg. So wäre es gekommen, wenn alles in Gemeinschaft mit dem Herrn geschehen wäre. Es war nur möglich, weil Samuel mit dabei war, mit Saul zusammen. Und weil der Geist Gottes in unverdienter Gnade wirkte, obwohl Saul eigentlich kein wirklich offenes Herz dafür hatte.
Jetzt machen wir eine Viertelstunde Pause und fahren dann weiter.
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