
Wir sind zurück in meiner neuen Predigtreihe „Gebete am Rande der Verzweiflung“. Es handelt sich um eine seelsorgerliche Reihe, in der wir uns insgesamt sieben ausgewählte Psalmen anschauen. Diese Psalmen haben alle eine Gemeinsamkeit: Sie werden von Beterinnen und Betern gesprochen, die sich am Rande der Verzweiflung befinden.
Diese Predigtreihe richtet sich vor allem an Menschen, die verzagt sind, die durch Leid gehen und denen es gerade nicht gut geht. Ich glaube jedoch, dass sie auch für uns alle gedacht ist, denn wir werden alle früher oder später in solchen Situationen sein.
In der letzten Predigt ging es um Psalm 13. Der Titel lautete: „Wenn dein Leid kein Ende nimmt“. Heute schauen wir uns Psalm 44 an. Mein Thema lautet: „Wenn Gottes Handeln keinen Sinn ergibt.“
Das ist provokativ formuliert, oder? Gemeint ist natürlich: Wenn Gottes Handeln für dich keinen Sinn ergibt.
Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard hat einmal gesagt: „Verstehen kann man das Leben oft nur rückwärts, doch leben muss man es vorwärts.“ Das ist so wahr.
Diese Aussage setzt voraus, dass wir alle früher oder später in unserem Leben Situationen erleben werden, die wir nicht einordnen können. Situationen, auf die wir keine Antwort haben und in denen Gottes Handeln für uns nicht nachvollziehbar ist.
Im Laufe der Vorbereitung – beziehungsweise schon einige Monate vorher – bin ich auf die Geschichte von Cody Newcom gestoßen. Cody lebt in Amerika und heiratet früh, mit 23 Jahren, voller Hoffnung, Mutter zu werden und eine Familie zu gründen.
Doch jahrelang gibt es keine positiven Schwangerschaftstests. Die beiden entscheiden sich als Ehepaar, zum Arzt zu gehen. Dort wird ihnen erklärt, dass sie ein Fall von unerklärlicher Unfruchtbarkeit sind. Die Ärzte haben keine Antwort darauf, warum sie keine Kinder bekommen können.
Das ist ein großer Schlag für jede Frau, die gerne Mutter werden möchte. Aber sie und ihr Mann entscheiden sich: „Dann adoptieren wir eben Kinder. Wir akzeptieren Gottes Willen.“ So adoptieren sie drei Kinder.
Kurz vor ihrem 42. Geburtstag wird Cody überraschend schwanger – nach 18 Jahren Unfruchtbarkeit. Für sie als Ehepaar ist das ein Wunder. Sie preisen den Herrn, denn Gott hat jetzt doch die jahrelangen Gebete erhört. Er hat das Leid gesehen, das sie 18 Jahre lang ertragen mussten.
Doch dann stirbt das Kind nach 15 Wochen im Mutterleib. Es bleiben mehr Fragen als Antworten: „Gott, warum? Warum bin ich überhaupt schwanger geworden, nur um eine weitere Leiderfahrung zu machen?“
Ihr Lieben, das sind Geschichten, die das Leben schreibt. Das sind keine Geschichten, die man sich am grünen Tisch überlegt, weil man eine Einleitung zu diesem Thema braucht.
Ich glaube, dass wir alle früher oder später in Situationen kommen, in denen Gottes Handeln für uns keinen Sinn ergibt.
Eine solche Situation liegt im Psalm 44 vor, den wir uns heute anschauen wollen. Psalm 44 ist ein Klagepsalm des Volkes. Es gibt auch Klagepsalmen des Einzelnen. Bei den Klagepsalmen des Einzelnen klagt eine Person Gott ihr Leid, dementsprechend finden wir dort die Ich-Form.
In unserem Psalm finden wir hingegen die Wir-Form. Es handelt sich um eine nationale Katastrophe, bei der das ganze Volk sein Leid klagt. Zwischendurch gibt es einen Wechsel zwischen Wir-Form und Ich-Form. Ich denke, dass an den Stellen, an denen der Psalm in die Ich-Form wechselt, ein Vertreter des Volkes spricht, aber immer noch für das Volk insgesamt.
Dieser Psalm ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Er beginnt zunächst völlig zuversichtlich. In den Versen 1 bis 9 blicken sie zurück und erinnern sich daran, wie sie Gott als Helfer erlebt haben. Doch mitten in Vers 10 gibt es einen Bruch in der Stimmung des Psalms.
Wir beginnen zunächst mit der positiven Gotteserfahrung. Diese besteht in Gottes helfendem Handeln. Das ist mein erster Punkt: die bisherige Erfahrung von Gottes helfendem Handeln.
In den ersten vier Versen sehen wir einen Rückblick auf Gottes Heilshandeln in der Vergangenheit. Ich lese sie einmal vor:
Dem Chorleiter von den Söhnen Korachs, ein Maskil.
Gott, mit unseren Ohren haben wir gehört, unsere Väter haben uns erzählt die Großtat, die du gewirkt hast in ihren Tagen, in den Tagen der Vorzeit.
Du, du hast mit deiner Hand Nationen ausgetrieben, aber sie hast du eingepflanzt, Völkerschaften hast du Schaden zugefügt, aber sie hast du ausgebreitet,
denn nicht durch ihr Schwert haben sie das Land in Besitz genommen, und nicht ihr Arm hat ihnen geholfen, sondern deine Rechte und dein Arm und das Licht deines Angesichts, weil du Wohlgefallen an ihnen hattest.
Vers 2 beginnt mit den Worten „Gott, mit unseren Ohren haben wir gehört.“ Damals war es so, dass Gottes Taten immer wieder der nächsten Generation weitergesagt werden mussten. Natürlich wurden die mächtigen Taten Gottes auch aufgeschrieben, zum Beispiel in den fünf Büchern Mose oder auch im Buch Josua. Aber damals gab es noch keinen Buchdruck, und es gab nicht so viele Kopien von den schriftlichen Dokumenten.
Dementsprechend war man darauf angewiesen, dass jede Generation der nächsten Generation mündlich erzählt, was Gott in der Vergangenheit getan hat. Und hiermit beginnt unser Psalm: Wir haben gehört, Gott, unsere Väter haben uns erzählt, damals, als du sie aus Ägypten geführt hast, du hast sie in das verheißene Land Kanaan angeführt, und du hast für sie gehandelt.
Rein menschlich waren die dort ansässigen Völker, die Kanaaniter, haushoch überlegen. Aber Gott hat für sein Volk Partei ergriffen. Er hat sie wunderbar ins Land geführt. Und schaut mal, Vers 4 macht das ziemlich deutlich:
„Denn nicht durch ihr Schwert haben sie das Land in Besitz genommen, und nicht ihr Arm hat ihnen geholfen, sondern deine Rechte und dein Arm und das Licht deines Angesichts, weil du Wohlgefallen an ihnen hattest.“
Die Betonung liegt hier wirklich auf Gottes helfendem Handeln, und darauf schauen sie zurück. Gott, wir haben dich so erlebt beziehungsweise unsere Väter haben dich so erlebt als einen guten Gott, der für sein Volk handelt.
Hast du Gott auch schon so erlebt in deinem Leben? Ich hoffe, dass du Gott bisher in deinem Leben auch als einen helfenden Gott erlebt hast. Du warst ernsthaft krank, und Gott hat dich geheilt. Du hattest einen Autounfall, und Gott hat dich wundersam bewahrt. Du warst in finanzieller Not, und Gott hat dich versorgt. Auch in diesen schweren Zeiten war Gott für dich da.
Du warst in tiefer Trauer, und Gott hat dich getröstet. Du warst chronisch müde, vielleicht am Rande eines Burnouts, du wusstest nicht mehr, woher du die Kraft für den Alltag nehmen solltest. Und du hast gemerkt, Gott in seiner Treue hat dir neue Kraft gegeben – Kraft, die du so dringend brauchtest.
Du hattest Ängste, vielleicht sogar Panikattacken, und Gott hat dir neuen Mut gegeben, neue Zuversicht und dir deine Ängste genommen. Aber das Wichtigste kommt noch: Du warst verloren in Sünden, und Christus hat dich neu gemacht.
Darf ich mal fragen: Wer im Raum hier hat Gottes Heilshandeln in seinem Leben in der Vergangenheit schon erlebt? Einfach mal ein Handzeichen. Das sind so viele. Diese Erfahrungen sind so wunderbar, aber weißt du was? Diese Erfahrungen kann dir niemand nehmen. Die hast du gemacht mit Gott.
Du kannst zurückschauen auf Gottes wunderbares, helfendes Handeln in deinem Leben. Und diese Gotteserfahrung stärkt dein Vertrauen, auch gerade in der Gegenwart.
Das sehen wir auch jetzt beim Volk. Sie haben Gott so erlebt, ihre Väter haben Gott so erlebt. Schaut mal, wie es in Vers 5 weitergeht: Gott schenkt Vertrauen aufgrund der bisherigen Erfahrung.
Du selbst bist mein König, o Gott,
gebiete die Rettung in Jakobs.
Durch dich werden wir niederstoßen unsere Bedränger,
durch deinen Namen werden wir zertreten, die gegen uns aufstehen.
Denn nicht auf meinen Bogen vertraue ich,
und mein Schwert wird mich nicht retten,
denn du rettest uns von unseren Bedrängern,
und unsere Hasser machst du zu Schande.
In Gott rühmen wir uns den ganzen Tag,
und deinen Namen werden wir ewig preisen.
Schaut mal, was hier passiert: Das Volk rechnet damit, dass Gott auch in der Gegenwart und in der Zukunft so handeln wird, wie er in der Vergangenheit gehandelt hat. So haben sie ihn erlebt, und deswegen sind sie jetzt hier voller Zuversicht. Wir werden unsere Feinde besiegen, heißt es in Vers 6: Durch dich werden wir niederstoßen unsere Bedränger.
Was hier auffällt, ist, dass sie einen so zuversichtlichen Glauben haben, dass Gott weiterhin genau so nach Schema F handeln wird, wie er es in der Vergangenheit getan hat. Sie haben eigentlich die richtige Theologie, sie haben ein richtiges Gottesverständnis.
Schaut euch mal die Gegenüberstellung an. In Vers 7 heißt es, von den Vorfahren: Sie haben das Land nicht durch ihr Schwert in Besitz genommen. Und das prägt jetzt die Gegenwart, ihren gegenwärtigen Glauben. Vers 7 und 8:
Denn nicht auf meinen Bogen vertraue ich,
und mein Schwert wird mich nicht retten.
Genau, sie haben die richtige Theologie: Gott muss eingreifen, du rettest uns. Das heißt, Gottes Handeln in der Vergangenheit hat ihre Glaubensinhalte – man könnte auch sagen ihr Gottesbild – enorm geprägt. Das macht sie so zuversichtlich, dass sie in Vers 9 sagen:
In Gott rühmen wir uns den ganzen Tag.
Ihr Lieben, das ist nachvollziehbar, oder? Wenn du Gott in der Vergangenheit so mächtig erlebt hast, stärkt das deine Zuversicht für die Gegenwart und für die Zukunft. Erfahrung stärkt Vertrauen. Erfahrung stärkt Vertrauen.
Ich musste an David denken, bevor er in diesen mächtigen Kampf gegen Goliath ging. Alle hatten Angst. David sagt: Ich gehe. Saul will ihn davon abhalten: Geh nicht! Wisst ihr, wie David argumentiert mit seiner Gotteserfahrung, die er bisher gemacht hat? 1. Samuel 17, Vers 37:
Der Herr, der mich aus den Klauen des Löwen
und aus den Klauen des Bären gerettet hat,
der wird mir jetzt auch helfen gegen den Philister.
Das heißt, David hat zwei wesentliche Erfahrungen mit Gott gemacht: Damals, als der Löwe kam, wusste er nicht, wie er ihn besiegen sollte, aber Gott hat ihm geholfen. Dann kam auch noch der Bär, und Gott hat ihm wieder geholfen. Deswegen geht er jetzt gegen Goliath, denn Gott wird ihm wieder helfen.
Vielleicht hast du es auch schon erlebt, dass diese Erfahrungen mit Gott dir so viel Zuversicht gegeben haben. Preist den Herrn, dass du diese Erfahrungen machen konntest! Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang, aber immer wieder wirst du solche Erfahrungen gemacht haben.
Ich hatte enorm Angst vor meiner ersten Predigt, ziemlich Angst. Ehrlich gesagt hatte ich ein Jahr lang Angst vor jeder Predigt. Aber dann wächst irgendwann die Erfahrung: Gott hat mich noch nie hängenlassen. Und diese Erfahrung, die man macht – und wende das auf deine Situation an – die Erfahrung, die du mit Gott machst, gibt dir immer mehr Zuversicht. So hast du nicht mehr die Angst, die du beim ersten Mal vielleicht hattest.
Vielleicht war es der Jobwechsel. Bei deinem ersten Jobwechsel bist du am Montagmorgen nicht sehr mutig zur Arbeit gefahren: Neues Umfeld, neue Kollegen, wie wird das Ganze? Du hast gemerkt, Gott hilft nicht nur in der Gemeinde, Gott hilft im Alltag. Er hat dir so geholfen, in die neue Arbeit hineinzukommen.
Dann hast du irgendwann noch mal den Job gewechselt, und du warst wieder etwas aufgeregt. Aber du hattest da schon eine Erfahrung mit Gott, und du hast gemerkt, sie bestätigt sich wieder. Wenn du jetzt vor neuen Situationen im Berufsleben stehst, kannst du auf diese zwei Erfahrungen zurückschauen und sagen: Ich bin zuversichtlich, der Gott, der mir beim ersten und zweiten Mal geholfen hat, der hilft mir auch beim dritten Mal.
Ihr Lieben, Gott ist ein Helfer in der Not. Gott ist ein Helfer in der Not, und diese Gotteserfahrungen sind kostbar.
Aber manchmal handelt Gott plötzlich anders als erwartet. Wenn dieser Psalm hier zu Ende wäre, dann wäre die Welt in Ordnung. Wenn dieser Psalm zu Ende wäre, hätten wir keine Fragen an Gott, dann wäre alles ziemlich klar.
Dann könnten wir ableiten: Wenn du Gottes Kind bist, wenn du Gott vertraust, dann bewahrt er dich vor jeder Not. Dann lässt Gott nicht zu, dass seinem Kind auch nur ein Haar gekrümmt wird und Leid in sein Leben kommt. Das könnten wir daraus schließen, da hätten wir einen ganz klaren Tun-Ergehen-Zusammenhang.
Aber, so einfach ist das nicht. Wenn der Psalm hier zu Ende wäre, dann wäre Gottes Handeln für uns immer logisch und nachvollziehbar. Doch der Psalm ist hier nicht zu Ende.
Das bringt uns zum zweiten Punkt: die aktuelle Erfahrung von Gottes erschütterndem Handeln. Kommt, wir lesen die Verse 10 bis 17:
Doch du hast uns verworfen und in Schande gebracht und zogst nicht aus mit unseren Herren. Du ließest uns zurückweichen vor dem Bedränger, und die uns hassen, haben für sich geraubt. Du gabst uns hin wie Schlachtvieh, und unter die Nationen hast du uns zerstreut. Du verkauftest dein Volk um ein Geringes und hast keinen Gewinn gemacht durch ihren Kaufpreis. Du machtest uns unsere Nachbarn zum Hohn, zu Spott und Schimpf denen, die uns umgeben. Du machtest uns zum Sprichwort unter den Nationen, zum Kopfschütteln unter den Völkerschaften. Den ganzen Tag ist meine Schande vor mir, und Scham hat mir mein Gesicht bedeckt wegen der Stimme der Schmähers und Lästerers angesichts des Feindes und des Rachgierigen.
Mit den ersten beiden Worten verändert sich die Stimmung in unserem Psalm drastisch: Doch du, doch du, Gott, du handelst plötzlich ganz anders, als wir dich bisher kennengelernt haben. Wir können dein Handeln gerade nicht einordnen.
Im historischen Kontext geht es hier um eine vernichtende militärische Niederlage. Die Verzweiflung ist herauszuhören, es klingt wie eine Anschuldigung: Gott, bisher hast du uns immer den Sieg geschenkt, dieses Mal nicht. Bisher bist du immer mit unseren Herren ausgezogen, dieses Mal nicht – völlig überraschend. So haben wir dich bisher nicht kennengelernt.
Der Kontrast in Gottes Handeln wird sichtbar, wenn wir Vers 3 und Vers 12 vergleichen. Schaut mal:
Vers 3: Du hast mit deiner Hand Nationen ausgetrieben.
Vers 12: Du gabst uns hin wie Schlachtvieh und unter die Nationen hast du uns zerstreut.
Damals hast du die Nationen zerstreut, diesmal hast du uns zerstreut unter die Nationen.
Gottes gegenwärtiges Handeln wirft viele Fragen auf. Sie sagen: Gott, du hast uns verworfen, du hast uns billig verkauft. Du hast uns hingegeben wie Schlachtvieh, du hast uns zum Sprichwort gemacht. Die Niederlage ist verheerend.
Hier werden im Psalm verschiedene Wörter benutzt, Synonyme, um die Demütigung zu beschreiben. Es ist die Rede von Hohn und Spott, von Schimpf, Schande und Schmach. Schmäher und Lästerer sind unterwegs, die Leute können nur den Kopf schütteln.
Die Demütigung des Volkes könnte nicht größer sein. Sie sind am Boden, am Boden zerstört. Schlimmer geht es nicht. Und sie suchen jetzt nach Gründen für Gottes Handeln.
Vielleicht kennst du das aus deinem Leben: Wenn Leid in dein Leben kommt, suchst du sofort nach Gründen. Das machen wir alle. Wir haben immer wieder die Tendenz, dass es ja irgendwie einen Sinn ergeben muss. Wir versuchen, uns einen Sinn aus den Ereignissen zu erschließen, die in unser Leben kommen.
Wenn Israel Gott untreu gewesen wäre, dann wäre Gottes Handeln für sie nachvollziehbar. Es gibt nur ein Problem: Sie waren Gott nicht untreu.
Schaut mal ab Vers 20:
Dies alles ist über uns gekommen. Doch wir hatten dich nicht vergessen, noch verraten deinen Bund. Unser Herz ist nicht zurückgewichen, noch sind unsere Schritte abgebogen von deinem Pfad, dass du uns so zugemutet hast am Ort der Schakale und uns bedeckt mit Finsternis. Hätten wir den Namen unseres Gottes vergessen und unsere Hände zu einem fremden Gott ausgestreckt, würde Gott das nicht erforschen, denn er erkennt die Geheimnisse des Herzens. Ja, um deinetwillen werden wir umgebracht den ganzen Tag, als Schlachtvieh werden wir hingestellt.
Hier müssen wir etwas verstehen: Als Gott einen Bund mit seinem Volk geschlossen hat – am Berg Sinai – ist ein Bund auch eine vertragliche Vereinbarung. Da hat Gott gesagt: Ich bin dein Gott und du bist mein Volk. Und wir halten jetzt Folgendes fest.
Vertraglich, juristisch sind das die Verse in 3. Mose 26 und 5. Mose 28, die Gegenüberstellung von Segen und Fluch. Gott sagt: Wenn du gehorsam bist, wenn du meinem Wort vertraust, werde ich dich segnen. Dann werden die Segnungen aufgelistet.
Er sagt aber auch: Wenn ihr ungehorsam seid, werden Flüche über euch kommen. Unter diesen Flüchen steht auch die große militärische Niederlage, von der hier die Rede ist.
Versteht ihr: Wenn sie ungehorsam gewesen wären, hätten sie keine Fragen an Gott. Denn dann könnte man die gegenwärtige Situation in eine Schublade einsortieren: Gericht!
Aber weil sie nicht ungehorsam waren, sie haben den Bund nicht gebrochen, sie haben keine Götzen angebetet – und Gott kennt doch das Herz –, fehlt ihnen hier eine Kategorie, um das, was gerade in ihrem Leben passiert, einzuordnen.
Der Kontrast wird so deutlich. Schaut mal Vers 11 und Vers 19:
Du ließest uns zurückweichen – wir haben versagt im Sinne von militärisch. Aber unser Herz ist doch nicht zurückgewichen. Gott, wir waren doch bei dir. Warum erleben wir dieses Leid? Gottes Handeln scheint überhaupt keinen Sinn zu ergeben.
Ich musste auch an Hiob denken. Die Situation von Hiob war relativ ähnlich. Hiob war Gott treu. Gott sagt sogar, Hiob sei der aufrichtigste Mann seiner Zeit gewesen.
Als das Leid so heftig in Hiobs Leben kommt, kann Hiob dieses Leid nicht einordnen. Dann kommen Hiobs Freunde, die sich wahrscheinlich selbst als Seelsorger bezeichnen würden. Sie kommen und haben alles richtig gemacht, solange sie geschwiegen haben.
Manchmal ist es übrigens am besten, als Seelsorger, wenn du mit unerklärlichem Leid konfrontiert bist, dich einfach danebenzusetzen und mitzuweinen. Du musst nichts sagen. Das haben Hiobs Freunde ein paar Tage lang gemacht – und dann haben sie ihren Mund geöffnet. Das war ihr Fehler.
Sie hatten klare Kategorien: Sünde führt zu Fluch. Hiob erlebt gerade Leid, also hat Hiob gesündigt. Das ist ihre klare Kategorie. Gott sagt am Ende des Buches Hiob, ihr habt Hiob Unrecht getan. Hiob hat gelitten, obwohl er nicht gesündigt hat. Das ist die Situation.
Der Theologe D. A. Carson sagt etwas über Hiob, das auch gut zu Psalm 44 passt. Übrigens, ich habe heute einige sehr gute Zitate dabei. Fühlt euch frei, während der Predigt das Handy zu zücken und Fotos zu machen.
„Ich darf das sagen, weil die Zitate nicht von mir stammen, sondern von Herrn Carson: Leiden und Übel dieser Art kann man nicht mit fertigen Patentrezepten behandeln. Bestimmte Erkenntnisse, die uns beim Bibelstudium aufgegangen sind, helfen hier nicht weiter, sondern scheitern an den vielen ungelösten Fragen.
Zu Hiobs physischem, also körperlichem Leid, das ohnehin schlimm genug ist, kommt der seelische Schmerz hinzu, den er empfindet, weil er in den Ereignissen keinen Sinn erkennen kann.“
Genau das ist die Situation von Psalm 44. Gottes Handeln ergibt scheinbar überhaupt keinen Sinn. Da hilft Bibelwissen nicht weiter, da hilft Theologie nicht weiter.
Der Seelsorger, mein Lieblingsautor Paul David Tripp, schreibt: Es werden Augenblicke kommen, in denen du einfach nicht mehr verstehst, was los ist. Tatsächlich wirst du Augenblicke erleben, in denen der Gott, der sich selbst als gut bezeichnet, Dinge in dein Leben bringt, die gar nicht gut erscheinen, ja, die sogar schlecht aussehen, sehr schlecht.
Darf ich heute fragen: Hast du diese Dinge schon erlebt in deinem Leben? Vielleicht erlebst du sie gerade, vielleicht hast du sie mal erlebt und bist irgendwie darüber hinweggekommen, auch ohne Antworten zu bekommen. Aber du kennst diese Ereignisse aus deiner Vergangenheit.
Vielleicht hast du als Single jahrelang für einen Partner gebetet. Du hattest Angst, alleine zu bleiben, aber du warst Gott treu und hast gesagt: „Ich gehe keine zweifelhafte Beziehung ein. Nur ein gottesfürchtiger Ehepartner kommt für mich in Frage.“
Und du warst so treu. Du hast dich ganz in den Dienst geschmissen und gesagt: „Ich werde Gott dienen, nicht auf mich schauen.“ Irgendwann meldet sich jemand bei dir, und du schöpfst neue Hoffnung. Doch dann stellst du fest, dass die Person es sich doch spontan anders überlegt hat. Du bleibst zurück mit einer weiteren Enttäuschung, mit einer weiteren Ablehnung. Du fragst Gott: „Ich habe dir doch schon alles hingegeben, warum diese nächste verletzende Situation?“
Vielleicht hast du dich ganz klar geführt gesehen, ein bestimmtes Studium zu beginnen. Gott hat dich da hineingestellt, er hat dir den Studienplatz besorgt. Am Ende von fünf Jahren schaffst du im wiederholten Versuch das Staatsexamen nicht. Du denkst dir: fünf Jahre für die Katz.
Dabei warst du treu. Du hast nicht nur für das Studium gelebt, du hast dich in der Gemeinde eingesetzt, du hast so gebetet für dieses Staatsexamen – und bist durchgefallen.
Vielleicht hast du geheiratet und hast gebetet: „Herr, bitte lass es ein Ehepartner sein, mit dem ich gemeinsam glücklich werden kann.“ Nach einigen Jahren entpuppt sich dein Ehepartner als ein Tyrann, der dich vielleicht sogar schlägt. Es bleiben mehr Fragen als Antworten: „Gott, wieso, wieso?“
Vielleicht hast du lange für Arbeit gebetet. Du spürst den Druck, für deine Familie sorgen zu müssen. Du bekommst so viele Absagen. Endlich findest du neue Arbeit, du preist Gott dafür. Du sitzt hier beim Gebetsgottesdienst und sagst: „Ich habe Arbeit gefunden.“ Kurz vor Ende der Probezeit liegt die Kündigung auf deinem Tisch. Das Ganze beginnt von vorne, und du bekommst es nicht sortiert. Warum?
Vielleicht hast du dein Herz darauf gerichtet, wirklich hingegeben zu leben. Du bist auf der Straße, du lebst für den Herrn, du brennst für den Herrn. Und plötzlich kommt diese niederschmetternde Diagnose in dein Leben: eine tödliche Krankheit. Da bleiben Fragen. Da bleiben Fragen.
Wisst ihr, ich könnte diese Aufzählung jetzt fortsetzen. Aber ich glaube, ich muss heute keine Überzeugungsarbeit leisten. Wir kennen diese Situationen entweder aus unserem eigenen Leben oder sie wurden uns durch die Lebensgeschichten anderer nahegebracht.
Ich muss an die Familie Kopp aus Hennef denken. Eine Familie mit fünf kleinen Kindern. Im Jahr 2015 stirbt der Mann an Krebs. Nach seinem Tod erkrankt seine Frau an Krebs und stirbt ein Jahr später. Fünf Kinder bleiben zurück, im Alter von zwei bis neun Jahren.
Ihr Lieben, ich habe keine Antworten darauf. Es gibt Dinge, die lassen uns sprachlos zurück, wo wir sagen: „Herr, das macht doch keinen Sinn, warum? Du bist doch gut!“
Der Theologe D. A. Carson bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: Es gibt bestimmte Sachverhalte, die wir niemals verstehen werden, denn wir sind nicht Gott. So ist es.
Weißt du, vielleicht suchst du nach einem Sinn. Das ist verständlich. Vielleicht suchst du nach Logik, und du kannst sie gerade nicht finden. Manchmal ist es so, dass Gott uns im Laufe unseres Lebens doch immer mehr zeigt.
Aber, ihr Lieben, wir müssen es ganz nüchtern anerkennen: Es gibt Fragen, die bleiben in diesem Leben ungelöst. Und es hängt damit zusammen, dass wir nicht Gott sind.
Ich möchte dich ermutigen: Auch bei all den Fragen, die du hast, lass Gott einfach Gott sein. Lass Gott einfach Gott sein in deinem Leben.
Das Wunderbare ist ja auch, dass Gott uns in seinem Wort nie dazu auffordert, sein Handeln bis ins letzte Detail verstehen zu müssen. Diesen Druck macht Gott uns nicht. Er sagt nicht: „Wehe dir, wenn du mein Handeln in deinem Leben nicht verstehst.“ Es gibt keine Stelle, die das von uns erwartet.
Gott sagt nicht: „Du musst mein Handeln verstehen.“ Stattdessen fordert er uns auf: „Vertrau mir einfach, ich bin Gott und du nicht. Und ich handle in deinem Leben.“
Wisst ihr, wir haben Gottes Handeln in unserem Leben nicht unter Kontrolle. Die Stürme, die in unser Leben kommen, haben wir nicht unter Kontrolle. Aber wisst ihr, was wir unter Kontrolle haben? Unsere Reaktion darauf, unsere Reaktion auf diese Stürme.
Darum geht es im dritten Punkt: die Reaktion – der verzweifelte Schrei zu Gott.
Ich lese zunächst die Verse 24 bis 27 vor:
„Erwache, das Volk betet, erwache! Warum schläfst du, Herr? Wache auf, verwirf uns nicht auf ewig! Warum verbirgst du dein Angesicht? Vergiss unser Elend und unsere Bedrückung! Denn unsere Seele ist in den Staub gebeugt, unser Bauch klebt an der Erde. Stehe auf, uns zu Hilfe, und erlöse uns um deiner Güte willen.“
Dieses Gebet am Ende besteht aus fünf flehenden Bitten und zwei Warum-Fragen.
Ich möchte dir persönlich zwei Dinge mitgeben, die sich anhand dieser letzten Verse zeigen. Erstens: Bete zu Gott, auch wenn du sein Handeln nicht verstehst. Das ist genau das, was das Volk hier tut. Sie können Gottes Handeln nicht verstehen, aber sie wenden sich trotzdem immer noch an Gott. Sie hören nicht auf zu beten. Und schau mal, wie sie beten: Sie werfen nicht frustriert das Handtuch und gehen von Gott weg.
Die Klage ist nie ein Schritt von Gott weg, sondern immer ein Schritt zu Gott hin. Ich kann Gott gerade nicht verstehen, aber ich will ihn verstehen. Und schau mal, was sie beten: „Erwache, warum schläfst du, Herr? Wache auf!“ Zugegeben, das ist eine ziemlich ungewöhnliche Art, mit Gott zu reden. Ich habe das selbst noch nie gebetet, aber wir finden es in der Bibel.
Vor allem geht es hier noch nicht einmal um die Frage, ob Gott schläft. Sie stellen ja die Frage, warum Gott schläft. Der Schlaf Gottes wird also vorausgesetzt. Dementsprechend finden wir hier die Bitten: „Erwache! Wach auf! Steh auf! Bitte tu doch etwas!“
Das wirft für uns heute die Frage auf: Schläft Gott?
In Psalm 121 finden wir die Antwort. Dort heißt es: „Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wankt; dein Hüter schlummert nicht.“ Siehe, nicht schläft noch schlummert der Hüter Israels.
Jetzt fragst du dich vielleicht, wie wir Psalm 121 und Psalm 44 zusammenbringen können. Psalm 121 beschreibt die objektive Tatsache, die theologische Wahrheit: Gott schläft nie. Im Psalm 44 finden wir dagegen die gefühlte aktuelle Situation. Und das ist der Punkt.
Die Beter in den Psalmen – das liebe ich so an ihnen – sie bringen all ihre Emotionen zu Gott. Weißt du, wenn meine Frau mir nicht mehr ihre Emotionen zeigen würde, dann wäre unsere Beziehung irgendwie faul. Das ist ja gerade das Kennzeichen einer guten Beziehung: Ich schütte mein ganzes Herz auch mal ungefiltert aus.
Hast du so eine Beziehung zum Herrn? Also sagst du: „Gott, ich kann dich nicht verstehen, aber ich gehe zu dir“? Bete zu Gott, auch wenn du sein Handeln nicht verstehst. Das ist es, was sie hier machen.
Weißt du, warum das so wichtig ist? Weil das Gebet dir den Halt gibt, den du so dringend brauchst.
Hast du dir schon einmal die Frage gestellt, warum Vögel, wenn sie schlafen, nicht vom Ast fallen? Vögel schlafen tatsächlich auf den Ästen, und sie fallen nachts nicht herunter.
Warum ist das so? Die Antwort ist wirklich interessant. Der Schöpfer hat es so eingerichtet: Wenn ein Vogel sich auf einen Ast setzt und dann in die Hocke geht – man könnte auch sagen, in die Knie – dann löst das einen Greifreflex aus.
Dieser Reflex hängt mit den Sehnen im Fuß zusammen, die sich zusammenziehen. Dadurch krallt sich der Vogel reflexartig am Ast fest, sobald er in die Knie geht, und fällt nicht herunter. Man kann also sagen: Wenn der Vogel in die Knie geht, kann er nicht vom Baum fallen.
Weißt du, Zeiten, in denen du Gottes Handeln in deinem Leben nicht verstehst, sind Zeiten, die dich zu Fall bringen können. Aber wenn du in die Knie gehst und Gott im Gebet suchst, bewahrt dich das davor, auf die Knie zu fallen.
Bist du sicher? Ganz ehrlich: Ich habe den Eindruck, dass meine Generation und die jüngeren Generationen vielleicht ganz neu lernen müssen, mit Leid in unserem Leben umzugehen. Ich habe das Gefühl, wir werden nicht darauf vorbereitet, wenn Christenverfolgung in Deutschland eintrifft – weil wir so sehr ein Christenleben feiern wollen.
Das ist grundsätzlich gut. Aber was passiert gerade bei jungen Leuten, wenn plötzlich etwas in ihr Leben kommt, das alles andere als gut zu sein scheint? Dann wird plötzlich alles dekonstruiert, und sie bewegen sich weg von Gott.
Ich möchte dir heute eines sagen: Wenn das das Wichtigste ist, was du aus dieser Predigt mitnimmst, dann ist das unglaublich wertvoll. Bete zu Gott, auch wenn du ihn nicht verstehst. Geh in die Knie, dann bist du sicher. Dann fällst du nicht.
Was hat Hiob gemacht? Wir müssen uns einmal in die Situation von Hiob hineinversetzen. Er erlebte unermessliches Leid. Stell dir eine Beerdigung mit zehn Särgen vor – zehn Kinder von Hiob starben auf einmal. Das war die Beerdigung, die er ertragen musste: zehn Särge.
Dann kam sein eigenes körperliches Leid hinzu. Und schließlich sagte seine Frau zu ihm: „Geh weg von Gott!“ Was macht Hiob in dieser Situation? Das war die größte Versuchung seines Lebens. Sollte er jetzt von Gott weggehen, nur weil er ihn nicht verstehen konnte?
Hiob aber geht zu Gott. Er geht auf die Knie, auch wenn er Gott nicht verstehen kann. Was macht Jesus in seiner schwersten Stunde im Garten Gethsemane? Auch er geht auf die Knie und betet.
Liebe Gemeinde, wir müssen lernen, neu auf die Knie zu gehen und zu beten. Wir müssen lernen, in schwierigen Situationen, in denen wir Gott nicht verstehen können, durch Gebet zu gehen. Wir müssen auf den Knien seine Nähe suchen – auch wenn wir ihn nicht verstehen.
Bete zu Gott, auch wenn du sein Handeln in deinem Leben nicht verstehst. Gerade haben wir im Lied „Oceans“ gesungen: „Du rufst mich raus aufs weite Wasser, wo meine Füße nicht mehr sicher stehen. Dort finde ich dich im Verborgenen, auf den Knien, da finde ich dich.“
Der Psalmexperte Peter Craigie schreibt über diesen Schluss: Auf der rationalen Ebene scheint es ziemlich sinnlos zu sein, zu beten und die Liebe Gottes zu suchen, wenn die unmittelbare Erfahrung nahelegt, dass man sich nicht auf Gott verlassen kann.
Jetzt kommt es: Der Satz hat es in sich. Doch das Gebet ist in einem Glauben verwurzelt, der tiefer ist als die Vernunft. Glaube ist nicht unvernünftig, aber Glaube ist mehr als Vernunft. Ich kann es nicht verstehen, aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und deswegen gehe ich auf die Knie.
Der zweite Punkt hängt mit dem ersten zusammen: Erkenne auch in der Not, wer Gott ist. Erkenne auch in der Not, wer Gott ist.
Schaut ganz am Ende unseres Psalms, da lesen wir in Vers 27: „Steh auf, uns zu Hilfe, und erlöse uns um deiner Güte willen.“ Das müssen wir uns einmal vorstellen: Sie können Gott überhaupt nicht verstehen. Sie haben gerade eine vernichtende Niederlage erlebt. Menschen sind gestorben, und so viel Leid ist ins Leben gekommen.
Trotzdem sagen sie zu Gott: „Eins glauben wir immer noch, wir glauben, dass du gut bist. Das bist du.“ Schaut mal, sie tun das einzig Richtige. Sie lassen nicht zu, dass ihre gegenwärtige Lebenssituation ihr Gottesbild bestimmt.
Das ist das, was ich dir mitgeben möchte: Lass nicht zu, dass deine Lebensumstände dein Gottesbild prägen. Denn dann können wir manchmal auf den falschen Dampfer kommen. Wenn wir aufgrund unserer Lebenssituation in einer gefallenen Welt, in der es nun einmal Leid gibt, durch die Schwierigkeiten auf Gott schließen, kann das zu falschen Vorstellungen führen.
Lass dein Gottesbild nicht von deiner Lebenssituation bestimmen, sondern allein von seinem Wort. Hier sagt Gott, wer er ist. Niemand erwartet von dir, dass du das emotional verstehen, ergreifen oder fühlen kannst.
Aber Gott sagt: Vertrau einfach darauf, was hier steht. „Ich bin gut, ich bin gut“, trotz allem, was in deinem Leben passiert. Erkenne auch in der Not, wer Gott ist.
Ich habe diese Geschichte schon einmal an anderer Stelle erzählt, aber sie passt einfach wieder so gut.
Vor einigen Jahren war ich mit einem Bruder aus der Gemeinde, Athenes, zusammen mit meinem Vater unterwegs in der Luft. Mein Vater ist ja bekanntlich Pilot. Athenes saß bei meinem Vater im Cockpit, ich saß hinten bei den Passagieren. Plötzlich, mitten im Flug, gab es heftige Turbulenzen. Die waren nicht ohne, wenn ich mich richtig erinnere.
Neben mir saß eine Frau, die richtig Angst bekam. Vielleicht hatte sie ohnehin Flugangst, und jetzt kamen auch noch diese Turbulenzen hinzu. Sie hat fast ein wenig geschrien. Ich drehte mich zu ihr und wollte sie trösten. Ich sagte zu ihr: „Wissen Sie was? Ich habe keine Angst, mein Vater fliegt das Ding.“
Diese Frau schaute mich an und sagte: „Dann habe ich auch keine Angst mehr.“
Jetzt analysieren wir noch einmal: Warum hatte ich diesen Frieden in den Turbulenzen? Was war der Grund?
Ich kenne mich überhaupt nicht aus mit Flugzeugen, ich kenne mich auch nicht aus mit Turbulenzen. Ich wusste nicht, woher diese Turbulenzen plötzlich kamen – eine offene Frage. Ich wusste nicht, ob die Turbulenzen noch heftiger werden würden. Ich wusste nicht, ob das Flugzeug überhaupt bautechnisch auf diese Form von Turbulenzen ausgelegt ist. Aber eins wusste ich: Wer im Cockpit sitzt.
Das ist der Punkt, ihr Lieben, das ist der Punkt.
Weißt du, wenn du in deinem Leben gerade vieles nicht verstehst, wenn du nicht weißt, woher das jetzt kommt und warum das passiert, und du so viele offene Fragen hast, dann gibt es eine Sache, die du wissen musst: Wer im Cockpit deines Lebens sitzt. Allein wer er ist, das genügt.
Du musst nicht alle Fragen in deinem Leben erklären können. Deswegen möchte ich dich heute einladen, auf Gott zu vertrauen.
Paul David Tripp schreibt: Wahrer, solider und dauerhafter Friede, der nicht den Umständen entsprechend aufsteigt oder untergeht, ist nicht darin zu finden – das ist jetzt ganz wichtig – ist nicht darin zu finden, dass man sein Leben auseinanderpflückt, bis man alle seine Einzelteile verstanden hat.
Du wirst niemals alles begreifen, weil Gott zu deinem Besten und zu seiner Ehre manches davon geheimnisvoll umwoben belässt. So findet man Frieden nur im Vertrauen – im Vertrauen auf den Einen, der all die Dinge genau unter Kontrolle hat, die dazu neigen, dir den Frieden zu rauben.
Es gibt viele Dinge in unserem Leben, die wir nicht verstehen können. Aber Gott sagt dir heute: Vertrau mir einfach.
Und weißt du, ich möchte dir heute abschließend zwei Dinge mitgeben. Bitte merke dir diese beiden Wahrheiten, denn sie sind so wichtig. Diese Dinge darfst du in deinem Glauben niemals loslassen, egal wie stürmisch dein Leben ist. Lass diese Wahrheiten nicht los, setze einen Anker. Wir müssen ankern, ihr Lieben. Wir müssen gewisse Wahrheiten festhalten – immer wieder.
Das Erste ist: Gott hat in deinem Leben alles unter Kontrolle. Die zweite Wahrheit lautet: Gott ist gut und hat gute Absichten.
Ich komme zum Ersten: Gott hat in deinem Leben alles unter Kontrolle. Wisst ihr, ich gehe noch einmal zurück zu Hiob. Hiob hatte so viele Warum-Fragen. Er hat Gott gefragt: Warum das? Warum das? Warum das? Und endlich kommt die Antwort Gottes in Hiob 38. Aber wisst ihr was? Diese Antwort ist so erstaunlich, denn Gott beantwortet Hiob gar nicht seine Warum-Fragen.
Wisst ihr, was Gott Hiob antwortet? Er sagt: Hiob, wo warst du, als ich die Erde geschaffen habe? Im ersten Moment könnte man meinen, das ist doch nicht die Antwort auf die Frage. Hiob will wissen, woher das Leid in seinem Leben kommt. Und Gott sagt Hiob: Wo warst du, als ich die Welt geschaffen habe? Wo warst du, als ich das Universum erschuf?
Dann geht Gott sogar in die Tierwelt und erklärt ihm, wie er für jedes Detail in der Tierwelt sorgt. Wisst ihr, was Gott damit deutlich machen will? Hiob, du musst nicht alle Antworten haben. Du musst nur eins wissen: Ich bin souverän, und du darfst in meiner Souveränität ruhen. Ich habe alles unter Kontrolle.
In Psalm 139 steht, dass Gott alle deine Tage kennt – und das darfst du auf dich anwenden. Alle deine Tage standen schon in seinem Buch, bevor einer von ihnen war. Das heißt, ich meine, wir wissen nicht, wie viele Tage wir haben. Es ist auch ganz gut so, dass wir es nicht wissen. Aber Gott weiß es, und Gott kennt alle deine Tage, bevor du geboren wurdest.
Da vergeht nicht einfach mal so etwas, wovon Gott keine Notizen nimmt. Alles in deinem Leben geht über Gottes Schreibtisch. Gott regiert dein Leben, Gott lenkt dein Leben, genauso wie er die Welt regiert. Es läuft nichts aus dem Ruder.
Und das Zweite ist: Gott ist gut und hat gute Absichten. Ich finde es so ermutigend zu sehen, wie es auch in der Bibel so viele Geschichten gibt, in denen man am Anfang Gottes Handeln nicht versteht. Doch dann wird der Plan Gottes mit dieser Situation doch klarer.
Ich will euch nur ein paar Geschichten in Kürze erzählen. Ich muss an Joseph denken. Joseph wurde von seinen Brüdern verkauft nach Ägypten. Dann kam Joseph an den Hof des Pharao, beziehungsweise zuerst zu Potiphar.
Die Bibelleser unter uns wissen, was dort passiert ist: Die Frau von Potiphar will eine Affäre mit dem jungen Joseph beginnen. Joseph ist stark und widersteht der Versuchung. Die Frau lügt, sodass Joseph ins Gefängnis geworfen wird.
Wir haben den Vorteil, dass wir wissen, wie die Geschichte endet. Aber lasst uns nicht aufs Ende schauen, sondern nur auf diese Situation. Wie hat sich Joseph im Gefängnis gefühlt? Er war stark trotz Enttäuschung in seinem Leben. Nun befindet er sich zu Unrecht im Gefängnis.
Ich weiß nicht, was Joseph gebetet hat, vermutlich: Herr, warum? Dann sehen wir Gottes Plan – aber das sehen wir erst später. Joseph sollte im Gefängnis den Mundschenk des Pharao kennenlernen, weil Gott eigentlich vorhatte, Joseph am Ende an den Hof des Pharao zu holen. Das hatte eine größere Absicht, denn Gott wollte das Volk Israel vor dem Hungertod retten.
Aber das war im Gefängnis noch nicht sichtbar. Und das ist oft so in unserem Leben: Wir sind in Situationen, die keinen Sinn ergeben. Rückblickend erkennen wir jedoch, dass Gott wunderbare Absichten hatte.
Ich muss an Lazarus denken. Maria und Martha hatten einen schwer kranken Bruder. Sie sagen: Jesus, komm bitte! Sie wussten, Jesus kann heilen. Doch Jesus kommt zu spät, und Lazarus stirbt.
Was haben die beiden Schwestern dabei empfunden? Was ging in ihren Köpfen vor? Es machte doch keinen Sinn: Jesus, du kannst heilen, wir sind deine Freunde, wir bitten dich, komm – und du kommst zu spät. Nur eine zeitliche Verspätung führt zum Tod. Das macht keinen Sinn.
Wir lesen die Geschichte weiter und stellen fest: Oh, es machte sehr viel Sinn. Jesus hatte eine größere Absicht. Er wollte nicht nur ein weiteres Mal zeigen, dass er Krankheiten heilen kann. Jesus wollte zum ersten Mal zeigen, dass er sogar den Tod besiegen kann. Er holt Lazarus aus dem Grab.
Die ultimative Geschichte findet sich aber bei der Kreuzigung Jesu. Versetzen wir uns in die Köpfe der Jünger. Sie haben ihr Leben auf eine Karte gesetzt, alles verlassen und gesagt: Wir folgen dir, Jesus. Sie haben ihr Leben für Jesus aufgegeben.
Sie dachten, jetzt befreit er uns von den Römern. Und denkt euch mal in die Jünger hinein, als sie Jesus am Kreuz hängen sehen: eine Niederlage. Verurteilt von Pontius Pilatus, angeklagt durch die römische Elite, stirbt er so, wie sonst nur Verbrecher sterben.
Sie stehen da und sagen sich: Das macht doch keinen Sinn, Gott. Aber, ihr Lieben, wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Gott handelt, und nicht immer ist seine Absicht sofort klar. Doch wir sehen gerade am Kreuzestod Jesu, dass Gott mit dem, was wie eine Niederlage aussah, den größtmöglichen Sieg über Sünde, Tod und Teufel errungen hat. Preis dem Herrn für seinen Sieg.
So erkennen wir gewisse Dinge zwar nicht sofort, aber wir sehen: Gott hat eine wunderbare Absicht. Und da möchte ich dir Mut machen.
Ich werde daran erinnert, wenn wir unser Leben mit einem gewebten Teppich oder einer Stickerei vergleichen. Ich habe euch da mal ein Bild mitgebracht. Auf diesem Bild sieht man die Rückseite eines Teppichs. Dort erkennt man kein klares Muster. Es sieht aus wie Chaos – so viele Fäden, die keinen Sinn ergeben und verknotet sind.
Aber das ist nur die Rückseite, nur eine Seite. Wenn wir uns die Vorderseite anschauen, sehen wir ein wunderbares Muster. Unser Problem ist, dass wir häufig nur die eine Seite sehen. Wir können die andere Seite nicht sehen, weil wir nicht Gott sind.
Aber ich kann dir sagen: Wenn du irgendwann vor Gott stehst, zeigt er dir die andere Seite deines Lebens. Ich habe vor kurzem mit einem älteren Bruder gesprochen, jenseits der Siebzig. Er sagte: Je älter ich werde und auf mein Leben zurückschaue, desto mehr erkenne ich den roten Faden in meinem Leben.
Nicht immer erkennen wir ihn. Manchmal sind es so viele Fäden, die keinen Sinn ergeben. Aber ich will dir vor allem heute Mut machen. Es soll eine ermutigende Predigt für dich sein, auch wenn du einiges nicht verstehst in deinem Leben.
Gott hat alles unter Kontrolle, und Gott ist gut. Irgendwann zeigt er dir das ganze Bild – spätestens, wenn du bei ihm bist. Dann wirst du ihn die ganze Ewigkeit dafür preisen, was er alles in deinem Leben getan hat. Amen!