Einführung in die kürzesten Briefe des Neuen Testaments
Heute Nachmittag wollen wir die drei kürzesten Briefe des Neuen Testaments in der Übersicht betrachten. Dabei beginnen wir mit dem Philemonbrief.
Ich habe versucht, den Philemonbrief in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Es handelt sich um ein herrliches Plädoyer von Paulus für einen davongelaufenen, einst unnützen Sklaven namens Onesimus. Der Name Onesimus bedeutet auf Deutsch „der Nützliche“.
Dieser Sklave kam durch den Kontakt mit dem in Rom gefangen gehaltenen Apostel zum Glauben. Dies geschah damals, als Paulus von etwa 60 bis 62 nach Christus in Rom in Haft war. Paulus ermahnt Philemon, den Herrn von Onesimus, er solle den Davongelaufenen als seinen Bruder in Christus liebevoll wieder aufnehmen.
Dieser Brief ist ein Juwel christlichen Takts und Feinfühligkeit im Umgang mit heiklen Angelegenheiten. Wer lernen möchte, wie man in schwierigen Situationen richtig mit Menschen spricht, kann dies durch den Philemonbrief erfahren.
Wenn man im Internet liest, etwa in Kommentaren und Blogs, ist man manchmal erschrocken, wie Christen tatsächlich schreiben können – oft absolut unwürdig für einen Christen. Es ist erschreckend, wie Menschen, die anderer Meinung sind, beschimpft werden.
Etwas ganz anderes lernen wir jedoch durch den Philemonbrief: Feinfühligkeit, Takt und dennoch die ganze Wahrheit sagen. Es geht nicht um Kompromisse, sondern um die Art und Weise, wie man Dinge auf eine feine, christuswürdige Weise ansprechen kann.
Der Philemon Brief: Inhalt und Adressaten
Philemon 1
Vers 1
Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder,
Philemon, dem Geliebten und unserem Mitarbeiter,
und Appia, der Schwester, und Archippus, unserem Mitkämpfer,
und der Gemeinde in deinem Haus:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Ich danke meinem Gott, indem ich dich allezeit in meinen Gebeten erwähne,
weil ich höre von deiner Liebe und von dem Glauben, den du an den Herrn Jesus hast,
und von der Liebe, die du zu allen Heiligen hast,
damit die Gemeinschaft deines Glaubens wirksam werde in der Erkenntnis aller guten Dinge, die in uns sind um Christi Jesu willen.
Denn ich hatte große Freude und großen Trost durch deine Liebe,
weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind.
Deshalb, obwohl ich große Freimütigkeit in Christus habe, dir das zu gebieten, was sich geziemt,
bitte ich dich doch vielmehr um der Liebe willen.
Denn ich bin nun ein solcher wie Paulus, der Alte,
jetzt aber auch ein Gefangener Christi Jesu.
Ich bitte dich für mein Kind, das ich gezeugt habe in meinen Fesseln: Onesimus.
Er war dir einst unnütz, jetzt aber ist er dir und mir nützlich geworden.
Diesen habe ich zu dir zurückgesandt, ihn, mein Herz,
den ich bei mir behalten wollte, damit er an deiner Statt mir diene in den Fesseln des Evangeliums.
Aber ohne dein Einverständnis wollte ich nichts tun,
damit deine Wohltat nicht gezwungen, sondern freiwillig sei.
Denn vielleicht ist er darum für eine Zeit von dir getrennt gewesen,
damit du ihn für immer besitzen mögest,
nicht länger als einen Sklaven, sondern mehr als einen Sklaven, nämlich als einen geliebten Bruder, besonders für mich,
wie viel mehr aber für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn!
Wenn du mich nun für deinen Genossen hältst,
so nimm ihn auf wie mich.
Wenn er dir aber irgendein Unrecht getan hat oder dir etwas schuldig ist,
so rechne es mir an.
Ich, Paulus, habe es mit meiner Hand geschrieben;
ich will es bezahlen.
Damit sage ich dir nicht, dass du auch dich selbst mir schuldig bist.
Ja, Bruder, ich möchte Nutzen an dir haben im Herrn;
erquicke mein Herz in Christus!
Da ich deinem Gehorsam vertraue, so habe ich dir geschrieben,
und ich weiß, dass du auch mehr tun wirst, als ich sage.
Zugleich aber bereite mir auch eine Herberge,
denn ich hoffe, dass ich euch durch eure Gebete geschenkt werde.
Es grüßen dich Epaphras, mein Mitgefangener in Christus Jesus,
Markus, Aristarchus, Demas und Lukas, meine Mitarbeiter.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist! Amen!
Hintergrund und Kontext des Philemon Briefes
Ein so schöner Brief! Wir fragen uns immer wieder, wenn wir ein neues Buch betrachten: An wen wurde das Buch geschrieben? Von wem wurde es geschrieben?
Die Autorschaft ist klar. Das erste Wort heißt Paulus, was auf Deutsch einfach „der Kleine“ bedeutet. Das ist der lateinische Name, den Paulus sich selbst nach seiner Bekehrung gegeben hat. Ursprünglich hieß er Saulus, was dem hebräischen Shaul entspricht. Die Eltern waren sehr stolz auf ihr Kind. Das kann man daran erkennen, dass Shaul „der Begehrte“ bedeutet.
So war es ja auch mit dem großen König Saul. Das Volk wollte ihn, denn er war der Mann nach dem Herzen der Menschen. Paulus stammte aus dem Stamm Benjamin, sagt Philippe. Diese Eltern aus dem Stamm Benjamin dachten: Unser Kleiner muss ein Großer werden. Darum gaben sie ihm den Namen Shaul.
Wir müssen auch daran denken, dass König Saul, eben Shaul im Alten Testament, einen Kopf größer war als das normale Volk. Doch als Paulus sich bekehrte und vor dem Herrn zu Boden fiel, wurde er ganz klein. Deshalb nahm er später den Namen Paulus, „der Kleine“, an – natürlich als Reim zu Saulus.
Er stellt sich vor als Paulus, nennt sich aber nirgends Apostel. Denn in diesem taktvollen Brief will er nicht mit apostolischer Autorität etwas erreichen, sondern wirklich das Herz von Philemon in dieser ganz, ganz heiklen Angelegenheit gewinnen. Darum stellt er sich nur als Paulus vor, ein Gefangener Christi Jesu.
Die Adressaten sind Philemon, wie Vers 1 sagt, zusammen mit seiner Frau Abja – das ist diese Abja, die Schwester – und dann wird auch noch Archippus erwähnt, zusammen mit der Gemeinde, der Hausgemeinde bei diesem offensichtlich reichen Philemon.
Es war so, dass sich die ersten Christen ganz unterschiedlich versammelten. Ganz am Anfang trafen sie sich in der Säulenhalle Salomos im Tempel. Das war eine riesige Halle, 250 Meter lang, mit einer Zedernholzdecke – also fantastisch, auch für die Akustik und den Gesang. Außerdem mussten sie keine Miete bezahlen, was besonders war, denn das war im Tempel, der für alle Juden frei zugänglich war.
Das war eine Möglichkeit. Dann sehen wir immer wieder im Neuen Testament, dass Gemeinden sich in Privathäusern versammelten. Besonders die Reichen öffneten ihre Häuser für die Gemeinden. So sehen wir auch bei Philemon, der Sklavenbesitzer und reich war, dass sich die Gemeinde in seinem Haus traf.
In Kolosser 4,15 sehen wir, dass Philemon in Kolossä lebte. Schlagen wir Kolosser 4,15-17 auf: „Grüßt die Brüder in Laodizea und Nymphas und die Gemeinde, die in seinem Haus ist! Und wenn der Brief bei euch in Kolossä gelesen ist, so sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde der Laodizäer gelesen wird und dass ihr auch den aus Laodizäa lest. Und sag Archippus: Sieh auf deinen Dienst, den du im Herrn empfangen hast, dass du ihn erfüllst! Der Gruß kommt von meiner Hand, Paulus. Gedenkt meiner Fesseln! Die Gnade sei mit euch!“
Hier wird Archippus erwähnt, der in der Gemeinde bei Philemon war. Im Kolosserbrief erfahren wir also, dass diese Gemeinde die Gemeinde in Kolossä ist.
Den Zusammenhang zwischen Kolosserbrief und Philemonbrief sehen wir noch weiter, wenn wir lesen in Kolosser 4,7-9: „Alles, was mich angeht, wird euch Tychikus kundtun, der geliebte Bruder und treue Diener und Mitknecht im Herrn, den ich zu euch gesandt habe, damit er eure Umstände erfahre und eure Herzen tröste, zusammen mit Onesimus, dem treuen und geliebten Bruder, der von euch ist. Sie werden euch alles kundtun, was hier geschieht.“
Wir sehen also: Der große Brief wurde von Tychikus überbracht, und bei dieser Gelegenheit war er zusammen mit Onesimus unterwegs. Tychikus brachte sowohl den Kolosserbrief als auch den Philemonbrief. Gleichzeitig brachte er den Sklaven Onesimus mit, der hier als der treue und geliebte Bruder bezeichnet wird, der von euch ist.
So sehen wir den direkten Zusammenhang mit der Gemeinde in der offensichtlich großen Liegenschaft Philemon. Dadurch erfahren wir auch einiges über Zeit und Ort der Abfassung.
Zeit und Ort der Abfassung des Philemon Briefes
Paulus war nach Apostelgeschichte 28 bis zum Ende seiner vierten Missionsreise Gefangener in Rom. Diese Gefangenschaft dauerte zwei volle Jahre. Wie Apostelgeschichte 28 am Schluss angibt, waren das die Jahre 60 bis 62 nach Christus. In dieser Zeit schrieb der Apostel Paulus eine ganze Reihe von Briefen.
Unter Punkt vier, zur Zeit und zum Ort der Abfassung, habe ich die Briefe der ersten Gefangenschaft zusammengestellt: den Epheserbrief, den Philipperbrief, den Kolosserbrief, den Philemonbrief und schließlich auch den Hebräerbrief. Alle diese Briefe entstanden in dieser Zeit.
Nun sehen wir, dass der Philemonbrief und der Kolosserbrief eng miteinander verbunden sind. Sie hängen auch direkt mit der Person Onesimus zusammen. Der Überbringer war Tychikus, der auch den Epheserbrief überbrachte. Das ist naheliegend, denn Kolosse lag in der Provinz Asia. Diese Provinz war etwa so groß wie die Schweiz und liegt in der heutigen Westtürkei. Die Hauptstadt dieser Provinz Asia war die Stadt Ephesus.
In dieser Provinz lagen Kolosse und weitere Gemeinden, die wir aus Offenbarung 2 und 3 kennen: Ephesus, Smyrna, Pergamos, Sardes, Philadelphia, Laodicea sowie Colossae und übrigens auch Hierapolis, das wir in Kolosser 4 finden. Dieses Gebiet war ein Schwerpunkt von Paulus’ Missionsarbeit, wo er mehrere Jahre wirkte.
Normalerweise hielt sich Paulus nur kurz an einem Ort auf, bevor er weiterzog. In Ephesus aber wirkte er sehr lange und unterrichtete täglich in der Schule des Tyrannus, einer Bibelschule. Interessanterweise führte dieses Bibelstudium nicht zu Passivität, sondern zu höchster Aktivität.
Schauen wir uns Apostelgeschichte 19 an, wo der Dienst des Paulus in Ephesus beschrieben wird. In Vers 9 heißt es: „Als aber etliche sich verhärteten und nicht glaubten und vor der Menge Übel redeten von dem Weg, trennte er sich von ihnen ab und sonderte die Jünger ab, indem er sich täglich in der Schule des Tyrannus unterredete.“ Diese Bibelschule gehörte zur Gemeinde.
Das ist ein interessanter Aspekt: Bibelunterricht sollte mit der Ortsgemeinde verbunden sein. Oft erleben wir, dass Bibelschulen und Ortsgemeinden nichts miteinander zu tun haben. Das kann dazu führen, dass Bibelschulen Ortsgemeinden in Lehrfragen spalten. Neue Ideen bringen dann Probleme mit sich.
Hier sehen wir jedoch, dass der Bibelschulunterricht in Verbindung mit der Gemeinde in Ephesus stand. In Apostelgeschichte 19, Vers 10 lesen wir: „Dies aber geschah zwei Jahre lang, so dass alle, die in Asia wohnten, sowohl Juden als Griechen, das Wort des Herrn hörten.“
Falls bei euch „Asien“ steht, ist das nicht ganz korrekt. Heute verstehen wir unter Asien den Kontinent. Damals aber bezeichnete „Asia“ ein Gebiet, etwa so groß wie die Schweiz. Es ist also nicht so, dass sie damals bis nach Thailand oder auf die Philippinen kamen.
Es ist erstaunlich, dass innerhalb von zwei Jahren alle Menschen in dieser Gegend das Evangelium hörten. Das bedeutet, der Bibelunterricht motivierte die Gläubigen so sehr zur Missionsarbeit, dass sie nicht nur zuhörten und lernten, sondern auch hinausgingen und das Evangelium weitergaben.
Die Gemeinde in Kolossae selbst entstand nicht durch Paulus, sondern durch Epaphras, wie wir in Kolosser 1, Vers 7 lernen: „Durch ihn ist die Gemeinde entstanden, so wie ihr gelernt habt von Epaphras, unserem geliebten Mitknecht, der ein treuer Diener Christi für euch ist, der uns auch eure Liebe im Geist kundgetan hat.“
Epaphras war kein Apostel, sondern ein Missionar. Das Ganze wurde durch den Lehrdienst des Apostels Paulus in Ephesus unterstützt. So erhalten wir ein Bild von der Gemeinde auf dem Privatgrund von Philemon.
In unserem Brief werden Lukas und Aristarchus am Schluss erwähnt. Sie waren Begleiter auf der vierten Missionsreise, der Romreise, wie wir aus Apostelgeschichte 27,1-2 lernen. Sie werden sowohl im Kolosserbrief (Kolosser 4,10 und 14) als auch am Schluss von Philemon (Philemon 1,24) erwähnt.
Das macht noch einmal ganz klar, dass diese beiden Briefe direkt zusammengehören und zur gleichen Zeit entstanden sind. Sie wurden kurz vor Paulus’ Freilassung geschrieben.
Auch im Philipperbrief, Kapitel 1, Vers 26, und Kapitel 2, Vers 24, spricht Paulus davon, dass er zuversichtlich ist, bald wieder frei zu sein. Das finden wir auch im Philemonbrief, Vers 22: „Macht doch bitte eine Herberge bereit für mich, denn ich hoffe, dass ich bald zu euch kommen werde.“
Das entspricht dem, was Paulus im Hebräerbrief sagt, Kapitel 13, Vers 23. Dort spricht er davon, dass er bald frei werden wird und sendet Grüße aus Italien.
Wir erfahren aus 2. Petrus 3 am Schluss, dass der Hebräerbrief als Rundschreiben an Juden von Paulus geschrieben wurde. Das passt genau zu Hebräer 13, wo steht, dass der Brief aus Italien geschrieben wurde und Paulus bald frei sein wird.
Auch Timotheus wird erwähnt: Hebräer 13, Vers 23 sagt: „Wisst, dass unser Bruder Timotheus freigelassen ist, mit dem, wenn er bald kommt, ich euch sehen werde.“
Dann grüßt Paulus alle Führer und Heiligen, und es grüßen ihn die aus Italien.
Bemerkenswert ist die Bemerkung in Philemon 1, Vers 22: „Zugleich aber bereite mir auch eine Herberge, denn ich hoffe, dass ich euch durch eure Gebete werde geschenkt werden.“ Paulus macht seine Hoffnung also abhängig vom Gebet der Gläubigen.
Manche fragen sich vielleicht, warum wir überhaupt beten, wenn Gott doch macht, was er will. Ja, Gott macht, was er will. Aber es gibt Dinge, die Gott nicht tun würde, wenn seine Kinder ihn nicht darum bitten.
Jakobus 4 ist eine wichtige Stelle, die zeigt, dass Beten hilft und einen Unterschied macht. Dort heißt es in Vers 2: „Ihr begehrt und habt nichts. Ihr mordet und neidet und könnt nichts erlangen. Ihr streitet und führt Krieg. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit: „Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, damit ihr es in euren Begierden vergeudet.“
Es kann also sein, dass Gott Gebete nicht erhört, weil sie falsch sind. Aber es gibt Dinge, die Gott nicht tun würde, wenn wir ihn nicht bitten. „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“ Das zeigt die Wichtigkeit des Gebets.
Beten macht einen Unterschied. Es gibt Dinge, die Gott auch tun würde, ob wir bitten oder nicht. Aber es gibt Dinge, die Gott nicht tut, wenn wir ihn nicht darum bitten.
Nach der Freilassung von Paulus: Weiterer Dienst
Und nun noch etwas: Wenn Paulus also wieder frei wurde aus der ersten Gefangenschaft, was hat er danach getan? Das habe ich hier kurz angedeutet unter Punkt fünf nach der Freilassung. Er ging unter anderem nach Spanien. Im Römerbrief 15,24 kündigt Paulus seinen Wunsch an, dass er schließlich bis nach Spanien gehen möchte.
Aber die Frage bleibt offen: Ja, und? Wurde daraus etwas? Ja, als er den Römerbrief schrieb – das war ja noch vor seiner Gefangenschaft in Rom – sagte er: So oft wollte ich schon euch Römer besuchen, aber es war mir nicht möglich. Doch wenn ich euch dann besuche, möchte ich über euch hinaus bis nach Spanien weitergehen.
Dann kam er nach Rom, allerdings als Gefangener. Nach zwei Jahren wurde er wieder frei, und dann konnte er bis nach Spanien gehen. Das wissen wir aus dem ersten Clemensbrief. Dieser ist ein frühchristlicher Brief, der aber nicht zur Bibel gehört.
Wie konnte man wissen, welche Bücher zur Bibel gehören und welche nicht? Sie mussten gemäß Epheser 2,20 von einem Apostel geschrieben sein oder von einem Propheten, der durch die Apostel als Prophet anerkannt war. Die Gemeinde ist nach Epheser 2,20 aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten. Nur Bücher, die von den zwölf Aposteln für Israel oder von dem Apostel Paulus für die Heidenvölker geschrieben wurden, wurden anerkannt.
Es wurde ganz genau und akribisch nachgeforscht, ob die Bücher echt sind. Darum wurden das Matthäusevangelium, das Johannesevangelium und so weiter akzeptiert, ebenso die Petrusbriefe und Paulusbriefe – die vierzehn inklusive Hebräerbrief – und auch der Jakobusbrief. Obwohl Jakobus kein Apostel war, war er der Bruder des Herrn, ein Prophet und von den Aposteln anerkannt. Ebenso wurden der Judasbrief und das Lukasevangelium anerkannt, denn Lukas war von Paulus als Prophet anerkannt. Auch das Markus-Evangelium wurde akzeptiert, da Markus ganz speziell durch Petrus anerkannt war. So ergaben sich die siebenundzwanzig Bücher des Neuen Testaments.
Alle anderen Bücher, auch all die Fälschungen wie das Judas-Evangelium aus viel späterer Zeit oder das Thomas-Evangelium – also das, worauf heute so liberale Journalisten oft hereinfallen – wurden von den frühen Christen nicht akzeptiert. Das ist der Unterschied. Die frühen Christen haben damals ganz genau geforscht. Ihnen reichte nicht irgendein Bestseller, der behauptet, man habe etwas ganz Tolles gefunden. Die Kirche wollte nichts davon wissen. Natürlich wollte sie das nicht, weil eben nichts Wahres dahinterstand.
Nun, der Clemensbrief wurde zwar von einem damals bekannten Bibellehrer geschrieben, aber er war kein Apostel und kein Prophet, der von den Aposteln anerkannt wurde. Trotzdem ist dieser Clemensbrief interessant als Information aus der frühchristlichen Zeit, wenn auch außerbiblisch. Darin schreibt er darüber, dass der Apostel Paulus wirklich noch nach Spanien gekommen ist. Es heißt dort, dass Paulus das Evangelium bis zum äußersten Westen verkündigt hat – das ist Spanien.
Übrigens, nur so nebenbei: Das einzige Gebiet rund um das Mittelmeer, in dem man mit Griechisch nicht durchkam, war Spanien. Dort war Lateinisch angesagt. In Rom konnte man mit Griechisch durchkommen, darum konnte Paulus den Römerbrief auf Griechisch schreiben. Das war zwar eine Zweitsprache, aber es ging. Das wäre so, als würde man bei uns einen Brief auf Englisch vorlesen.
Dann lesen wir noch, dass Paulus nach Kreta ging. In Titus 1,5 sagt er: „Dort habe ich dich, Titus, zurückgelassen, damit du in jeder Gemeinde Älteste in meinem Namen einsetzen würdest.“ Und in Titus 3,12 lesen wir von Paulus, der auf Nikopolis war – das ist auch ein Ort.
Das bringt man nirgends unter in der Apostelgeschichte, in den vier Reisen. Wo war er da? Auf Nikopolis und in Mazedonien, wie es in 1. Timotheus 1,3 erwähnt wird. Das fällt auch in diese Zeit hinein.
Aber schließlich wurde er dann wieder verhaftet, und zwar in Troas. 2. Timotheus 4,13 spricht von diesem Ort, wo noch Besitz vom Apostel Paulus zurückblieb. Dann kam die zweite Gefangenschaft in der Zeit um 66 oder 67 nach Christus, wieder in Rom. Paulus wusste nun, dass das Ende vor der Tür stand.
Der zweite Timotheusbrief besagt: „Ich habe den guten Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt. Fortan bleibt mir nur noch die Krone der Gerechtigkeit.“ Das war also der letzte Brief aus der Todeszelle.
Darum ist es ganz wichtig, den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Gefangenschaft zu machen. Aus der ersten wurde er frei, aber die zweite Gefangenschaft führte schließlich zu seinem Heimgang in das himmlische Reich, wie er es in 2. Timotheus 4 beschreibt.
Die erste Gefangenschaft in Rom und die Begegnung mit Onesimus
Nun noch ein Detail: In Apostelgeschichte 28 sagt Lukas, dass der Apostel Paulus zwei volle Jahre in Rom war. Dabei handelt es sich um einen juristischen Ausdruck, der genau diese Zeitspanne beschreibt. Im römischen Recht war festgelegt: Wenn ein Gefangener zwei volle Jahre im Gefängnis war und seine Ankläger nicht vor Gericht erschienen, musste er freigelassen werden.
Es war so, dass die führenden Priester aus Jerusalem offensichtlich nicht die Reise nach Rom antraten. Sie kamen nicht, und deshalb wurde Paulus schließlich freigelassen. Diese Gefangenschaft war jedoch für viele wichtig. Wir lesen in Apostelgeschichte 28,30: „Er aber blieb zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Haus und nahm alle auf, die zu ihm kamen, indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, mit aller Freimütigkeit ungehindert lehrte.“
Das war also keine Passivität. Paulus befand sich in einer Art Halbgefangenschaft – das heißt, er war gebunden in einem eigenen Mietshaus, aber zusammengekettet mit Soldaten. Flucht war also ausgeschlossen. Dennoch konnte er in dieser Zeit ständig evangelisieren. Übrigens ist das letzte Wort in der Apostelgeschichte „ungehindert“. So endet dieses Missionsbuch: ungehindert. Das Evangelium geht weiter, selbst wenn wir gebunden sind.
In dieser Zeit kam es zur Begegnung mit Onesimus, um den es im Philemonbrief geht. Wir können seine Geschichte aus dem Brief rekonstruieren. Onesimus war ein Sklave bei Philemon. Er war ein mühsamer, unnützer und fauler Mensch – so etwas gibt es auch. Dann lief er davon. Nach römischem Recht stand darauf die Todesstrafe. Onesimus verließ Kolossä, das heute in der Westtürkei liegt, und kam bis nach Rom.
Das war kein Problem, denn es gab keine Passkontrolle. Das Römische Reich war so organisiert, dass man als Wanderer überall durchkam. Man musste keine Stacheldrahtzäune überwinden, sondern konnte einfach weiterziehen. Schließlich kam er nach Rom und wurde dort gefangen genommen. Im Zusammenhang mit dieser Gefangenschaft kam er in Kontakt mit dem Apostel Paulus. Paulus verkündigte ihm das Evangelium, und Onesimus bekehrte sich.
Was Onesimus von Philemon schon längst gehört hatte, hörte er nun noch einmal, und er bekehrte sich. Nun stellte sich die Frage: Was tun? Nach römischem Recht dürfte er eigentlich nicht mehr leben. Paulus schrieb daher an Philemon und bat ihn, diesen Mann aufzunehmen. Er löste von innen heraus das Problem der Sklaverei auf. Onesimus sollte zurückkehren, doch nicht mehr als Sklave, sondern als Bruder im Herrn. Paulus forderte Philemon auf, ihn aufzunehmen.
Onesimus war nun wirklich ein nützlicher Mensch geworden – für Paulus schon hier in Rom und später auch bei Philemon in Asien. Eine ganz bewegende Geschichte. Der Apostel Paulus wusste, dass das eine schwierige Angelegenheit sein würde. Für Onesimus war die Bekehrung zwar ein Anfang, aber nun musste er mit seiner Vergangenheit fertigwerden und Philemon gegenübertreten.
Wie glücklich war Paulus, dass Tychikus mit ihm ging. Dieser Mann war in dieser Aktion sehr wichtig: Er überbrachte den Kolosserbrief, den Philemonbrief und brachte Onesimus mit. Paulus ging auf wunderbare Weise vor, um Philemon für dieses Anliegen zu gewinnen. Dabei wurde ein gesellschaftlich fest verankertes System von innen heraus aufgebrochen – das Thema Sklaverei.
Sklaverei im antiken Kontext und ihre Auflösung durch das Evangelium
Es ist wichtig, das Wort „doulos“ auf Griechisch zu betrachten. Es bedeutet grundsätzlich „gebundener“. Der Sinn ist jedoch „Sklave“. Es ist das Wort für Sklave, aber auch für Diener. Im Deutschen unterscheiden wir stark zwischen Sklave und Diener oder Knecht, was einen großen Unterschied darstellt. Das war auch in der Antike so, wenn es um Sklaverei ging.
Sklaven konnten wirklich Menschen sein, die behandelt wurden, wie man Tiere nicht behandeln würde. Sie galten als Abschaum und Dreck, wurden geschlagen, misshandelt oder sogar missbraucht. Das war das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. Aber das Wort „Sklave“ konnte auch etwas anderes bedeuten, je nachdem, bei wem man Sklave war.
Sklaven waren bei der Oberschicht in Griechenland zum Beispiel als Erzieher beliebt. Sie wurden eingesetzt, um die Kinder zur Schule zu begleiten und ihnen auf dem Weg interessante Dinge beizubringen. Solche Diener nannte man „Paidagogos“, auf Deutsch „Pädagoge“. Dieser Ausdruck kommt auch in Galater 3 vor. Dort wird gesagt, das Gesetz war unser Pädagoge auf Christus hin.
Unter dem Gesetz stand man gewissermaßen in der Stellung eines Sklaven vor Gott. Das Gesetz sollte den Menschen zeigen, dass sie schuldig sind und die Gebote nicht erfüllen können. Sie brauchen einen Erlöser. Dieser Erlöser wird bereits in 1. Mose 3,15 angekündigt: der Same der Frau, der kommen wird, der der Schlange den Kopf zertreten und uns erlösen wird.
So war das Gesetz der Pädagoge, der den Menschen die Notwendigkeit der Erlösung und die Tatsache ihrer Sündhaftigkeit deutlich machte. Es weckte das Sehnen nach dem Messias. Das Gesetz wird also als „Paidagogos“ bezeichnet, als ein nobler Sklave, der die Kinder unterwies. Er musste ihnen auf dem Schulweg interessante Dinge zeigen, wie Käfer, Schmetterlinge und Steine in der Natur. Das war ein guter Pädagoge.
Wir sehen also, dass Sklaven in der Antike durchaus gehobene Ämter übernehmen konnten. Je nach Hintergrund und Ausbildung waren sie sehr geachtete Personen. Es gab eine große Bandbreite. Darum kann man nicht einfach pauschal über Sklaverei sprechen.
Diese Menschen waren nicht einfach unbezahlt, sondern hatten Kost und Logis. Viele Menschen heute werden bezahlt, doch reicht das oft nicht einmal für Kost und Logis. Das heißt, das Niveau der Versorgung von Sklaven war in mancher Hinsicht höher als das vieler schlecht bezahlter Arbeitnehmer.
Nun sehen wir, wie der Philemonbrief das gesellschaftliche Problem der Antike im Umgang mit Knechten und Sklaven von innen aufbricht. Er zeigt, wie durch die Begegnung mit Jesus Christus die Beziehung zwischen Menschen etwas völlig Neues wird: Nicht mehr Sklave, sondern Bruder im Herrn.
Philemon soll den Onesimus als Bruder aufnehmen. Das Besondere daran ist, dass dies ohne Revolution geschieht. Im Römischen Reich gab es einen berühmten Sklavenaufstand, der mit Sicherheit Tote forderte. Das Christentum ruft jedoch nie zu Revolution oder Umsturz auf. Deshalb waren Christen nie staatsgefährdend.
Wenn man an die ehemalige Sowjetunion und die osteuropäischen Länder denkt, wurde oft behauptet, Christen gefährdeten das System. Doch aus Gesprächen mit Gläubigen aus diesen Ländern weiß man, dass Christen sehr zuverlässig an der Arbeitsstelle waren. Manche waren sogar überzeugte Christen, die als „schlimm“ dargestellt wurden – eine Folge von Überverleumdung.
Der Philemonbrief ist ein taktvoller Brief, der das Herz eines anders denkenden Menschen gewinnen will. Er bricht die Problematik von innen auf. Im Kolosserbrief, einem Parallelbrief zu Philemon, finden wir eine ergänzende Anweisung:
In Kolosser 4,1 heißt es: „Ihr Herren, gewährt euren Knechten oder Sklaven im ‚doulos‘, was recht und billig ist, da ihr wisst, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habt.“ Hier wird das Sklaventum von der Seite der Herren kritisch betrachtet. Sie haben die Pflicht, für ihre Knechte zu sorgen und ihnen das zukommen zu lassen, was ihnen als Menschen zusteht.
Diese Verantwortung gilt bis heute, auch wenn es nicht mehr um Sklaverei mit Kost und Logis geht, sondern allgemein um das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Im Parallelbrief, dem Epheserbrief, wird das Thema noch weiter ausgebaut. Tychikus hat diesen Brief ebenfalls mitgenommen. In Epheser 6 wird nicht nur die Verantwortung der Herren gegenüber den Arbeitnehmern betont, sondern auch die Pflichten der Arbeitnehmer angesprochen.
Epheser 6,5 sagt: „Ihr Knechte, gehorcht euren Herren nach dem Fleisch mit Furcht und Zittern in Einfalt eures Herzens als dem Christus, nicht mit Augendienerei als Menschengefällige, sondern als Knechte Christi, indem ihr den Willen Gottes von Herzen tut und mit Gutwilligkeit dient, als dem Herrn und nicht den Menschen.“
Interessant ist, dass hier betont wird, die Autorität des Arbeitgebers anzuerkennen und ihm in einer ehrlichen Haltung zu dienen – nicht nur, wenn der Chef zuschaut. Die Arbeit wird als Berufung verstanden, als Dienst an Christus. Diese Erkenntnis war eine große Entdeckung der Reformation, obwohl sie bereits in der Bibel stand.
Die Reformatoren betonten, dass jede Arbeit, auch die ganz normale, ein Gottesdienst ist. Das verleiht der Arbeit einen hohen Wert und verändert die Haltung gegenüber dem, was man tut.
Heutzutage spricht man oft nicht mehr von Beruf oder Profession, sondern von einem „Job“. Das ist problematisch, denn ein Job ist eine lästige Pflicht, die man nur erfüllt, um Geld zu verdienen. Das hat mit Berufung und Gottesdienst nichts zu tun.
Hier wird klar gesagt: Man soll seine Arbeit als Gottesdienst ausüben, nicht mit Augendienerei, also nicht nur, wenn der Chef zuschaut. Das ist ein großes Übel. Oft wird dann im Geheimen anderes gemacht, etwa im Internet gesurft.
Das wird klar verurteilt: Man soll nicht mit Augendienerei als Menschengefälliger dienen, sondern als Knecht Christi, indem man den Willen Gottes von Herzen tut und mit Gutwilligkeit dient, als dem Herrn und nicht den Menschen.
Man darf auch wissen, dass es in der Ewigkeit eine Belohnung dafür geben wird. Denn was immer jemand Gutes tut, wird er vom Herrn empfangen – egal, ob er Sklave oder Freier ist.
Auch die Herren werden in die Pflicht genommen. Epheser 6,9 sagt: „Ihr Herren, tut dasselbe gegen sie und lasst das Drohen.“ Dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundlegend. Man achtet den Angestellten, weil man weiß, dass sowohl ihr als auch euer Herr im Himmel ist und bei ihm keine Ansehung der Person gilt.
Vor Gott macht es keinen Unterschied, ob jemand Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ist. Gott anerkennt die sozialen Unterschiede in dieser Welt, aber vor ihm zählen sie nicht.
So sehen wir, was das Neue Testament in die antike Welt hineingebracht hat: eine Norm, die ohne Revolution die Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Arbeit von innen her aufbricht.
Darum verstehen wir auch, wie in der neueren europäischen Geschichte die Abschaffung der Sklaverei zustande kam. Dabei ging es speziell um die grausame Behandlung von Menschen, die schlimmer war als die Haltung von Haustieren. Ein Hamster kann sich zuhause noch wohlfühlen, aber die Sklaverei in Amerika war eine schreckliche Misshandlung und Auslieferung an den Tod.
Wer hat sich dagegen gewandt? Bibeltreue Christen. Sie setzten sich jahrelang dafür ein, bis schließlich in England die Sklaverei abgeschafft wurde. Das ist etwas, das aus dem Evangelium hervorgeht.
Wir müssen jedoch betonen, dass es heute Strömungen gibt, die sagen, der Hauptauftrag des Evangeliums sei, die Welt zu transformieren. Das stimmt nicht. Unser Auftrag ist es, das Evangelium zu verkündigen. Dass das Evangelium einen verändernden Einfluss hat, kommt dazu – aber es ist nicht die Hauptperspektive.
Das Evangelium wirkt verändernd, und das sehen wir schon von Anfang an, besonders im Zusammenhang mit dem Philemonbrief.
Das Gleichnis im Philemon Brief
Nun ist es so schön: Wir haben in diesem Brief ein Gleichnis. Ich habe das unter Besonderheiten aufgeführt, Punkt eins: Gleichnis.
Erste Feststellung: Onesimus, was „nützlich“ heißt, war Philemons Diener. Übrigens, Philemon heißt „der Liebende“. Wenn ein Chef ein Liebender ist, dann ist das ganz anders für den Angestellten, für den Diener. Nun, das ist ein Gleichnis dafür, dass der Mensch ursprünglich Gottes Diener war.
Erst in 1. Mose 1,2, als Gott den Menschen schuf, hat er ihm einen Auftrag gegeben, und zwar Arbeit – Arbeit im Garten – und die Erde zu verwalten.
Dann, zweiter Punkt: Onesimus erwies sich als unnütz und lief Philemon davon. Das ist ein Gleichnis dafür, dass der Mensch dem Gott der Liebe davongelaufen ist im Sündenfall (1. Mose 3). Darum sind die Werke des Menschen seither ohne Wert vor Gott. In Hebräer 9,14 werden sie genannt: tote Werke – schon aktiv, aber sie bringen nichts. In Epheser 2,1 wird gesagt, der verlorene Mensch ist tot in Sünden und Vergehungen und kann Gott nichts bringen, genauso wie eine Leiche nichts leistet. Ja, Epheser 2 beschreibt uns als laufende, als gehende Leichen.
Nun, dritter Punkt: Onesimus wurde verhaftet und kam ins Gefängnis nach Rom. Nach römischem Recht drohte ihm die Todesstrafe. Das ist ein Gleichnis dafür, dass der Mensch in die Gefangenschaft der Sünde und Satans kam. Ihm droht von Gott her die Todesstrafe. In Römer 6,23 heißt es: „Der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus.“ Aber eben die erste Hälfte: Der Lohn der Sünde ist der Tod.
Nächster Punkt: Paulus setzte sich für Onesimus als Mittler ein und war bereit, seine Schuld zu bezahlen. So steht das in Vers 19: „Ich, Paulus, habe es mit meiner Hand geschrieben.“ Das heißt also, den Philemon-Brief hat er eigenhändig geschrieben. Normalerweise hat er die Briefe diktiert, weil er ein Problem mit den Augen hatte.
Den Galaterbrief hat er vollständig eigenhändig geschrieben, weil es dort so eilte und er niemanden zum Diktieren hatte. Darum schreibt er in Galater 6: „Seht, mit welch großen Buchstaben ich euch geschrieben habe, mit eigener Hand.“ Diesen Brief hat er auch eigenhändig geschrieben, wirklich als authentisches Zeugnis: Ich stehe hinter dieser Sache.
Normalerweise hat Paulus nur den Gruß am Schluss eigenhändig geschrieben, wie er sagt in 2. Thessalonicher 3: „Der Gruß mit meiner, des Paulus Hand“ – was das Zeichen ist in jedem seiner Briefe. An dieser eigenhändigen Schlussunterschrift konnte man die echten Paulusbriefe erkennen, weil es ja auch gefälschte gab. Darum war es wichtig, dass das Original am Schluss, beim Gruß, die Handschrift von Paulus hatte.
Das war auch ein wichtiger Punkt bei der Feststellung, was zum Kanon gehört und was nicht. Man muss sich im Klaren sein: Die Originale waren im ersten Jahrhundert noch da und wohl auch im zweiten bis dritten Jahrhundert. Da konnte man die Handschriften noch an den originalen Paulusbriefen korrigieren und eichen.
Also, er hat das eigenhändig geschrieben und er will bezahlen. Nun weist das darauf hin, dass Jesus Christus sich als Mittler für uns einsetzte. In 1. Timotheus 2, Vers 5 heißt es: „Ein Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld gab.“
Nächster Punkt: Durch die Begegnung mit Paulus wurde Onesimus ein wiedergeborener Christ. In Vers 10 sagt Paulus: „Ich bitte dich für mein Kind, das ich gezeugt habe in den Fesseln, Onesimus.“ Das ist die Ausdrucksweise, wenn jemand direkt durch eine Person zum Glauben kam. Auch bei Timotheus schreibt Paulus: „Timotheus, mein echtes Kind.“ Und im 1. Korintherbrief, Kapitel 4, sagt Paulus, dass die Korinther, die durch ihn zum Glauben gekommen sind, viele Pädagogen haben könnten, aber nur einen Vater in Christus. Denn sie kamen durch Paulus zum Glauben, und das gab eine ganz besondere Beziehung zu ihnen.
So ist also dieser Onesimus durch den Apostel Paulus zum Glauben gekommen. Das weist darauf hin, dass durch Jesus Christus der verlorene Mensch neues Leben erlangen kann, wie Johannes 3,16 sagt: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“
Dann führte Paulus Onesimus zurück zu Philemon. Das sagt er in Vers 12: „Den ich zu dir zurückgesandt habe.“ Nun, Jesus Christus führt den verlorenen Menschen zum Vater zurück. In Johannes 14,6 sagt er: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“
Schließlich wurde der einst unnütze Onesimus durch Umkehr ein nützlicher Mensch. Vers 11 betont das ausdrücklich als Wortspiel. Das weist darauf hin, dass durch die Bekehrung der unnütze Mensch ein nützlicher Diener Gottes wird. So erklärt uns Hebräer 9,14, dass wir nun Gott Gottesdienst darbringen können durch die Umkehr und durch das Opfer des Herrn Jesus.
Ja, also ein wunderbares Gleichnis, das man in diesem Philemon-Brief erkennen kann.
Wortspiele und Struktur des Philemon Briefes
Unter den Besonderheiten habe ich eigentlich schon alles im bisherigen Verlauf erwähnt. Onesimus, der einst als unnütz galt, wird im Kolosserbrief als treuer und geliebter Bruder bezeichnet. Das Wortspiel mit dem Namen Onesimus ist interessant, denn es bezieht sich nicht nur auf den ehemaligen Sklaven, sondern auch auf den Arbeitgeber. Ist uns das aufgefallen?
In Philemon 12 lesen wir: „Den ich zu dir zurückgesandt habe, ihn, das ist mein Herz, den ich bei mir behalten wollte, damit er statt deiner mir diene in den Fesseln des Evangeliums.“ Und dann Vers 20 – nein, ich muss Vers 10 schon lesen: „Ich bitte dich für mein Kind, das ich gezeugt habe in den Fesseln, Onesimus, der dir einst unnütz war, jetzt aber dir und mir nützlich ist.“ Hier bezieht sich Paulus auf den Knecht.
Aber in den Versen 19 und 20 schreibt Paulus: „Ich, Paulus, habe es mit meiner Hand geschrieben, ich will bezahlen, dass ich dir nicht sage, dass du auch dich selbst mir schuldig bist.“ Wenn man daran denkt, was der Apostel Paulus geistlich in Asien bewirkt hat, wird klar, dass auch Philemon selbst eine Frucht dieser Arbeit war. Dann sagt Paulus: „Ja, Bruder, ich möchte Nutzen an dir haben im Herrn, erquicke mein Herz in Christus.“
Es soll also nicht nur der Arbeitnehmer nützlich sein, sondern auch der Arbeitgeber soll einer sein, der für andere nützlich ist. Das ist eine ganz interessante Anwendung und ein Wortspiel auf den Namen des Knechtes.
Die grobe Struktur des Briefes haben wir noch nicht besprochen. Sie ist einfach und schön nach dem Inhalt der Verse in drei Teile gegliedert. Erstens: Begrüßung und Dank. Hier sehen wir, wie Paulus Philemon gewinnt – nicht durch Augendienerei oder Schmeichelei, sondern indem er das ausdrückt, was im Leben von Philemon als Christ wirklich lobenswert ist.
Dann ist es natürlich so, dass Philemon es besser erträgt, wenn auch ein paar kritische Punkte angesprochen werden. Wie soll er sich gegenüber einem weggelaufenen Sklaven verhalten? Es ist wichtig, gerade dort, wo man ermahnen muss, die positiven Punkte hervorzuheben. Das macht auch der Herr Jesus in den Sendschreiben in Offenbarung 2 und 3 so. Er nennt immer zuerst das Positive, wo immer das möglich ist. Selbst dort, wo man denken würde, der Zustand sei schlimm, sieht der Herr Jesus noch, was gut ist.
Dann kommen die kritischen Dinge voll auf den Tisch. Kritik kann man besser ertragen, wenn man ein gefestigtes Rückgrat hat. Wenn der Angegriffene aber das Gefühl hat, man lehnt ihn sowieso ab, bringt jede Ermahnung nichts – dann verschließt man sich. Hier lernen wir den Grundsatz, nicht mit Schmeichelei vorzugehen, was die Bibel verurteilt, wie wir gleich in Epheser 6 sehen werden. Trotzdem soll man anerkennen und jemandem echte Wertschätzung zeigen.
Dann folgt der zweite Teil des Briefes: die Fürsprache zugunsten von Onesimus, Verse 8 bis 21. Paulus formuliert so treffend und gewinnend, dass man fast nicht anders kann, als das zu akzeptieren. Er betont dabei nicht seine Autorität. Zwar weist er darauf hin, dass er eigentlich befehlen könnte, doch das tut er nicht.
Drittens folgen Grußworte, Übermittlung und Segen, das sind die Verse 22 bis 25.
Jetzt können wir zum nächsten kurzen Brief übergehen, dem zweiten Johannesbrief. Damit haben wir an Bibelstudientagen schließlich fast alle Bücher des Neuen Testaments behandelt und auch fast alle Bücher des Alten Testaments überblickt. Es fehlen nur noch wenige, zum Beispiel Erste und Zweite Chronik. Trotzdem habe ich noch viele Ideen, um weiterzufahren.
Einführung in den zweiten Johannesbrief
Der Älteste an die auserwählte Frau und ihre Kinder, die ich in der Wahrheit liebe – und nicht nur ich, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben um der Wahrheit willen, die in uns bleibt und mit uns sein wird in Ewigkeit.
Gnade, Barmherzigkeit und Friede von Gott, dem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus, dem Sohn des Vaters, sei mit euch in Wahrheit und Liebe.
Ich freute mich sehr, dass ich einige von deinen Kindern in der Wahrheit wandelnd gefunden habe, wie wir vom Vater das Gebot empfangen haben.
Nun bitte ich dich, Frau, nicht, als ob ich dir ein neues Gebot schreibe, sondern das, welches wir von Anfang an hatten: dass wir einander lieben sollen. Und dies ist die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln.
Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang an gehört habt, dass ihr darin wandeln sollt. Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen. Dies ist der Verführer und der Antichrist.
Seht auf euch selbst, damit wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen.
Jeder, der weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott nicht. Wer in der Lehre bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn.
Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken.
Da ich euch vieles zu schreiben habe, wollte ich es nicht mit Papier und Tinte tun, sondern hoffe, zu euch zu kommen und mündlich mit euch zu reden, damit unsere Freude vollkommen sei.
Es grüßen dich die Kinder deiner auserwählten Schwester.
Wieder ein kurzer Brief, aber ein Juwel. Ich habe versucht, den zweiten Johannesbrief in zwei Sätzen auf den Punkt zu bringen.
Der zweite Johannesbrief wendet sich an eine Frau und ihre Kinder. Der alte Apostel Johannes warnt sie vor dem Umgang mit Irrlehren, die als Antichristen bezeichnet werden und die biblische Lehre über die Person von Jesus Christus nicht anerkennen.
Wir gehen nun nach folgendem Schema vor: Wer ist der Autor? Er nennt sich einfach „der Älteste“. Übrigens auch im dritten Johannesbrief, Vers 1, heißt es „der Älteste“. Im ersten Johannesbrief nennt er sich gar nicht. Dort beginnt es einfach mit „was von Anfang war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben“.
Vom Vokabular und von den Satzstrukturen her stimmt es markant mit dem Johannesevangelium überein. Im Johannesevangelium ist der Autor der Jünger, den Jesus liebte. Die frühchristliche Überlieferung bestätigt eindeutig, dass es der Apostel Johannes ist – derselbe Autor, der auch die Offenbarung geschrieben hat. Dort nennt er sich bereits in Kapitel 1 Johannes.
Die Sprache und Wortwahl sind so markant und klar, dass diese Briefe direkt mit dem Johannesevangelium verbunden sind. Er hebt hier nicht seine Apostelwürde hervor, sondern sein Alter und seine Reife. Das muss man auch im Zusammenhang mit dem nächsten Punkt sehen: Zeit und Ort der Abfassung.
Man kann das nicht genau sagen, aber es liegt im Bereich zwischen 90 und 100 nach Christus. Johannes wirkte am Ende seines Lebens, wie wir aus der frühchristlichen Überlieferung wissen, in Ephesus, in der Provinz Asia, besonders unter den jüdischen Gläubigen. Daher ist dieser Brief in Ephesus anzusiedeln, was den Ort der Abfassung betrifft.
Nun müssen wir uns überlegen: Johannes im Zeitraum 90 bis 100 nach Christus – wie alt war er da? Wäre er so alt gewesen wie Jesus, der in Bethlehem geboren wurde, dann wäre er höchstens etwa 100 Jahre alt gewesen. Wahrscheinlicher ist, dass die Jünger etwas jünger waren als ihr Herr, als sie berufen wurden. Dennoch kann man ihn ungefähr in diesem Alter ansetzen.
Das war die Zeit, als es keine Apostel mehr gab. Die anderen elf waren bereits heimgegangen. Wir wissen, dass der Apostel Paulus im Jahr 67, nach dem zweiten Timotheusbrief, unter Kaiser Nero getötet wurde. Der Apostel Petrus wurde ebenfalls von Kaiser Nero gekreuzigt, weil er kein römischer Bürger war. Dies geschah, nachdem er den zweiten Petrusbrief als Abschiedsbrief geschrieben hatte. Auch die anderen Apostel waren bereits heimgegangen.
So blieb nur noch dieser Letzte, von dem ohnehin das Gerücht kursierte, er werde nie sterben, bis der Herr wiederkommt. Das können wir in Johannes 21 nachlesen.
Wenn man das im Blick hat, erhält der Begriff „der Älteste“ eine ganz besondere Bedeutung. In Johannes 21 stellt der Herr Simon Petrus öffentlich vor den anderen Jüngern wieder her und gibt ihm einen Auftrag als Hirte unter den Gläubigen. Dabei kommt die Frage auf: „Was ist eigentlich mit Johannes?“
Ich lese aus dem Zusammenhang von Vers 18: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir“, spricht der Herr Jesus zu Petrus, „als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst.“
Johannes erklärt dies andeutend, mit welchem Tod er Gott verherrlichen sollte – nämlich dass er gekreuzigt werden würde, mit ausgestreckten Armen. Das hat sich sicher so ereignet.
Dann sagt Jesus zu Petrus: „Folge mir nach!“ Petrus wandte sich um und sah den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte – denjenigen, der sich beim Abendmahl an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: „Herr, wer ist es, der dich überliefert?“
Übrigens liebte der Herr alle Jünger. Aber die Tatsache, dass Johannes das so betont, macht deutlich, dass er sich der Liebe seines Herrn tiefer bewusst war als die anderen Jünger – das ist also subjektiv. So kann sich auch unser Empfinden von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich gestalten, und Johannes hatte ein ganz tiefes Empfinden, das von ihm selbst abhängt.
Dann kommt der Punkt: Als Petrus diesen sah, sagte er zu Jesus: „Herr, was soll aber dieser?“ Jesus antwortete: „Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“
Dieses Wort verbreitete sich unter den Brüdern: Jener Jünger stirbt nicht. Jesus sagte nicht, dass er nicht sterben werde, sondern: „Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?“
So wurde Johannes der Älteste von allen und starb etwa im 1. Jahrhundert. Eine frühchristliche Überlieferung besagt, dass er in der Anfangszeit der Regierung von Kaiser Trajan gestorben ist, also etwa um das Jahr 100.
Damit war die apostolische Zeit vorüber; es gab keine Apostel mehr.
Oft werde ich gefragt: „Wie ist das mit dem fünffältigen Dienst in Epheser 4? Dort heißt es doch, Christus hat die einen gegeben als Apostel und Propheten, andere als Hirten und Lehrer, und andere als Evangelisten, zur Erweiterung des Leibes Christi.“
Ja, das braucht es doch noch heute, diese Apostel, wird gesagt. Ich antworte: Das wird so nicht gesagt.
Im Epheserbrief geht es um die Gemeinde – nicht um die Ortsgemeinde, sondern im umfassenden Sinn um die Gemeinde weltweit und zeitlich von Pfingsten bis zur Entrückung.
In Epheser 2, Vers 20 wird die Gemeinde als Tempel beschrieben, der wächst. Dieser Tempel begann an Pfingsten, als die ersten Steine gelegt wurden. Dieser Tempel wächst und wächst immer noch. Jeder Gläubige, der zur Gemeinde hinzugefügt wird, ist ein Baustein an diesem wachsenden Tempel.
Wenn dann die Vollzahl der Nationen nach Römer 11 eingegangen ist – diese von Gott festgelegte Zahl, wer alles zur Gemeinde gehören wird –, dann kommt die Entrückung.
Der Epheserbrief zeigt die Gemeinde wirklich universal, weltweit und umfassend zeitlich von Pfingsten bis zur Entrückung.
Dort wird auch vom fünffältigen Dienst gesprochen. Christus hat die einen gegeben als Apostel und Propheten, aber das ist das Fundament. Epheser 2, Vers 20 sagt, dass wir auf der Grundlage der Apostel und Propheten aufgebaut sind.
Die Grundlage legt man nicht noch einmal oben aufs Dach. Was wäre das für ein Architekt, der so etwas macht und oben nochmals eine Grundlage schafft?
Da ist etwas nicht stimmig, wenn man sagt, jetzt sei die Zeit, in der Apostel und Propheten nochmals kommen.
Nein, wir sind auf diesem Fundament aufgebaut. Der Herr hat der Gemeinde Apostel und Propheten gegeben, wie es Epheser 4 sagt, und ihr Dienst ist in den 27 Büchern des Neuen Testaments zusammengefasst.
Darum sagt der Judasbrief ganz am Anfang, dass wir ermutigt werden, für den ein für allemal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.
Wir haben das Glaubensgut ein für allemal im Neuen Testament überliefert, und jetzt müssen wir kämpfen.
Bleiben also noch die Gaben Hirten, Lehrer und Evangelisten.
Der Lehrer erklärt die Bedeutung der Schriften der Apostel und Propheten. Er erklärt, was dort steht und was es bedeutet.
Der Hirte wendet das, was die Apostel und Propheten gelehrt haben, auf die Situation und die Nöte des einzelnen Menschen an, der Seelsorge braucht. Das ist der Hirtendienst.
Der Evangelist erklärt, was die Bedeutung dieses Wortes der Apostel und Propheten im Blick auf die verlorene Welt ist, damit sie gerettet wird und wie man den Menschen die Heilsbotschaft verständlich weitergibt.
Nun sehen wir bei Johannes, dass wir gerade vor dem Abschluss der Epoche der Apostel und Propheten stehen. Dann war diese Zeit vorbei.
Wir haben ihren Dienst in den Schriften, und eben auch in diesem zweiten Johannesbrief in einer so herzlichen, seelsorgerlichen Art und Weise, wie hier einer Frau mit ihren Kindern in einer schwierigen Frage geholfen wird.
Wo ist der Mann? Es wird nicht gesagt. Sie könnte Witwe gewesen sein, es könnte sein, dass der Mann davongelaufen ist – das gibt es ja.
Aber sie war mit ihren Kindern, und einige der Kinder waren gläubig, aber nicht alle. Auch nicht gerade einfach – alleinerziehende Mutter.
Das lesen wir hier in Vers 4: „Ich freute mich sehr, dass ich einige von deinen Kindern in der Wahrheit wandelnd gefunden habe“, aber nicht alle.
So ist die Situation.
Dieser Brief richtet sich also ganz speziell an eine Frau, die das Problem hatte, dass immer wieder Evangelisten auf der Durchreise kamen. Darunter waren solche, die wirklich nicht die Lehre des Christus brachten, sondern Verführer waren.
Er erklärt ihr, wie radikal sie damit umgehen muss, damit sie als Frau, die Verantwortung für ihre Kinder trägt, nicht verführt wird.
Es ist interessant, dass der Teufel den ersten Verführungsangriff nicht auf Adam, sondern auf Eva machte.
Als einer der führenden Engel wusste er genau, welche schöpfungsmäßigen Unterschiede zwischen Mann und Frau bestehen.
Wenn man das gegenüberstellt, sieht man, dass eine Frau eher durch Argumente, die mit Gefühl und Beziehung zu tun haben, leichter zu erreichen ist als ein Mann.
Da ist manches sentimental. Eine Frau will sagen: „Nein, das ist es eben, da geht es um Beziehung, das ist das Wirkliche.“
Der Teufel hat seinen Erstschlag gegen die Frau geführt, ohne den Mann.
Es gelang ihm, dass die Frau entschied, ohne mit dem Mann zu sprechen.
Beim Mann war es noch viel schlimmer. Die Bibel sagt, die Frau wurde verführt und reingelegt (1. Timotheus 2). Beim Mann wird das nicht gesagt. Dort heißt es, dass er den Bund mit Gott gebrochen hat (Hosea 6). Das war wirklich ein rational bewusster Bruch.
Hier im Johannesbrief geht es um eine Frau, die allein mit ihren Kindern ist und mit dem Problem der Verführung konfrontiert ist.
Wie soll sie reagieren? Sehr radikal.
Was eine Frau oft sagen würde: „So könnte man es nicht machen. Man muss ja doch noch an die menschliche Beziehung denken.“
Aber der Alte, der Älteste, sagt ihr: Es muss so sein.
Wir werden gleich sehen, dass diese Art von Verführern zur schlimmsten Kategorie gehört.
Man kann nach dem Neuen Testament Verführer in verschiedene Kategorien einteilen.
Aber dort, wo die Person von Jesus Christus angegriffen wird, ist das das Schlimmste, was es gibt.
Genau um diese geht es.
Damit wollen wir jetzt schließen.
Vers 9 sagt: „Jeder, der weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott nicht. Wer in der Lehre bleibt, hat sowohl den Vater als auch den Sohn.“
Hier bei den Besonderheiten habe ich Punkt vier aufgeführt: die Lehre des Christus.
Das ist grammatikalisch Genitiv. Nominativ ist „der Christus“, Genitiv „des Christus“, Dativ „dem Christus“, Akkusativ „den Christus“.
Es gibt verschiedene Arten von Genitiv, besonders im Griechischen.
Hier muss man es als genitivus objectivus auffassen, das heißt die Lehre über Christus.
Wer Christus ist, darum geht es hier.
Es gibt auch den Genitivus subjectivus, den man so auffassen würde, dass Christus der Urheber der Lehre ist, also die Lehre, die Christus verkündet.
Aber als genitivus objectivus ist die Lehre des Christus die Lehre, die Christus betrifft, über seine Person.
Wir werden gleich nach der Pause sehen, dass es im zweiten Johannesbrief und auch schon im ersten Johannesbrief genau um diesen Punkt geht.
Diese Lehrer greifen die Person des Herrn Jesus an, des Sohnes Gottes.
Darum ist das die schlimmste Form von Irrlehre, wenn die Person des Erlösers selbst angegriffen wird und ein anderer Jesus verkündigt wird.
Damit verlieren wir alles.
Ja, machen wir jetzt Pause! Wir fahren weiter im zweiten Johannesbrief.
Soziale Stellung und Umgang im zweiten Johannesbrief
Wir haben also gesehen, dass sich der Brief an eine Frau richtet, die als „Kyria“ angesprochen wird, was „Herrin“ bedeutet. Bemerkenswert ist, dass sie nicht einfach „Mutter“ genannt wird. Das macht deutlich, dass sie aus der Oberschicht stammte, eine wohlhabende Frau. So heißt es im ersten Vers: „der ältesten, auserwählten Frau“. Für „Frau“ steht hier eigentlich „Herrin“, also „Kyria“.
Interessant ist, dass Johannes sie mit einem Titel anspricht, der ihre soziale Stellung anerkennt. Das ist wichtig, denn das Neue Testament schafft die Klassenunterschiede nicht ab. Wir haben gerade im Philemonbrief gesehen, dass diese Unterschiede vor Gott keine Rolle spielen. Der Knecht Onesimus soll von seinem Herrn Philemon als ein geliebter Bruder betrachtet werden. Vor Gott sind wir also alle gleich, aber die gesellschaftlichen Unterschiede werden nicht aufgehoben.
Das Abschaffen der Klassenunterschiede geht wesentlich auf den Marxismus und Neomarxismus zurück. Ab den 1960er Jahren wurde in Schulen zunehmend ein Hass gegen alles, was mit Autorität zu tun hat, vermittelt. Die heutige junge Generation ist oft von diesen falschen Gedanken durchdrungen, weshalb ältere Menschen nicht mehr so geachtet werden wie früher. Früher erkannte ein Junge den Unterschied zwischen sich und einem Älteren an. Selbst wenn der Junge mehr wusste, begegnete er dem Älteren mit Respekt und Hochachtung, achtete ihn höher als sich selbst.
Hier lernen wir, dass diese Unterschiede nicht aufgehoben sind, sondern nur vor Gott keine Rolle spielen. Das wird auch sehr klar gelehrt in 1. Petrus 2,13: „Unterwerft euch nun aller menschlichen Einrichtung um des Herrn Willen, es sei dem König als Oberherrn oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt werden zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob derer, die Gutes tun, denn also ist es der Wille Gottes.“ Die verschiedenen Rangstellungen in der Gesellschaft sollen von Christen geachtet werden. Den Amtsträgern ist der nötige Respekt entgegenzubringen.
So lehren uns ganz kleine Wörter sehr wichtige und große Dinge. Es ist auch zu beachten, wie der alte Johannes diese Frau anschreibt – in einer Art und Weise, die eine klare Distanz wahrt. Er will ausdrücken, dass er ihr christliche Liebe entgegenbringt, aber diese Liebe darf nicht falsch verstanden werden. Seine Ausdrucksweise ist klar und nicht missverständlich: „der Älteste der auserwählten Herrin und ihren Kindern“. Interessant ist, dass er auch ihre Kinder mit einbezieht. Das zeigt eine gewisse Distanz, denn es heißt nicht einfach „die auserwählte Frau, die ich liebe“, sondern „der auserwählten Frau und ihren Kindern, die ich liebe in der Wahrheit“.
Warum sagt er „in der Wahrheit“? Gerade um klarzumachen, dass die christliche Liebe nicht mit einer falschen, zwischenmenschlichen Liebe verwechselt werden darf. Es ist die Liebe, die aus der gemeinsamen Anerkennung des Evangeliums herauskommt.
Dann sagt Johannes: „Und nicht ich allein“, was schon einmal klarstellt, dass er keine besondere Beziehung zu dieser Frau hat, sondern „auch alle, welche die Wahrheit erkannt haben um der Wahrheit willen, die in uns bleibt und mit uns sein wird in Ewigkeit.“ Es fällt auf, wie oft der Begriff „Wahrheit“ vorkommt. Ich habe das unter Besonderheiten aufgeführt: Fünfmal kommt der Ausdruck „Wahrheit“ vor, nämlich zweimal in Vers 1 und dann in den Versen 2, 3 und 4.
Übrigens, im dritten Johannesbrief kommt das Wort „Wahrheit“ sogar sechsmal vor, nämlich in Kapitel 1, Vers 1, und dann in den Versen 3, 4, 8 und 12. Das gehört zu den typischen Schlüsselwörtern bei Johannes: „Wahrheit“ – auch im Johannesevangelium. Es ist ein sehr wichtiger Begriff. Auf Griechisch heißt es „Aletheia“. Das „A“ ist ein privatives Alpha, das etwas verneint oder wegnimmt, wie in „anormal“ (nicht normal) oder „atonal“ (ohne Tonalität).
„Aletheia“ bedeutet also eigentlich „Nichtverborgenheit“. So verstehen wir, was Wahrheit ist: die Darstellung der Dinge, so wie sie sind. Der Herr Jesus sagt in Johannes 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Er sagt: Ich bin die Wahrheit. Die Realität, wie sie wirklich ist, können wir nur erkennen, wenn wir Jesus Christus, den Schöpfer aller Dinge, und seinen Willen sowie seinen Plan mit dieser Schöpfung anerkennen. In ihm sehen wir die Wirklichkeit.
Darum ist dieser Begriff sehr wichtig. Gerade im Johannesevangelium geht es darum, dass der Sohn Gottes in diese Welt gekommen ist, um zu zeigen, wer Gott ist. Er hat den dreieinigen Gott offenbart und ist der Weg zum Vater. Er zeigt uns das Herz Gottes so, wie es wirklich ist, so wie Gott wirklich ist. Deshalb ist der Begriff „Wahrheit“ in den Schriften von Johannes besonders bedeutsam.
Wir sehen auch, wie Johannes über Liebe spricht, etwa in Vers 1: „die ich liebe in der Wahrheit“. Ich habe im Skript aufgeführt, dass wir den Begriff „Liebe“ oder „lieben“ als Verb viermal finden, nämlich in den Versen 1, 3, 5 und 6. Das Gleiche gilt für den dritten Johannesbrief. Dort finden wir die Begriffe „Geliebter“, das Hauptwort „Liebe“ und das Verb „lieben“ zweimal in den Versen 2, 6 und 11. Am Schluss kommt zweimal das Wort „Freunde“ vor.
Man muss wissen, dass das Wort „Freunde“ auf Griechisch „Philos“ heißt, also „Freund“. Im Plural „philoi“. Das bedeutet aktiv übersetzt „liebender“, man kann es auch passiv als „geliebter“ übersetzen. Es ist also ein Wort, das Liebe beinhaltet. Dieses Wort kommt noch zusätzlich zweimal in Vers 15 vor. So stehen „Wahrheit“ und „Liebe“ in diesen beiden Briefen ganz im Vordergrund. Das gilt auch für den ersten Johannesbrief, den wir schon früher angeschaut haben, und ebenso für das Johannesevangelium.
Dort wird die Liebe Gottes wunderbar und deutlich dargestellt, aber eben auch die Wahrheit. Das ist kein Gegensatz. Liebe und Wahrheit gehören zusammen. Wahrheit ohne Liebe ist keine wirkliche Wahrheit, und Liebe ohne Wahrheit ist keine richtige Liebe. Das gehört zusammen.
Man kann sagen, das wird auch sehr eindrücklich im Alten Testament am Altar dargestellt, der mit dem Opfer ein Hinweis auf Golgatha ist. Der Altar war immer quadratisch. Die Wahrheit Gottes und seine Gerechtigkeit sind in vollkommener Harmonie und Übereinstimmung mit der Liebe Gottes. Darum ist die Quadratförmigkeit wichtig. Das macht klar: Es gibt keine Allversöhnung, denn Gott ist gerecht.
Aber es gibt auch nicht den Calvinismus, der sagt, Gott habe eigentlich nicht alle Menschen retten wollen, sondern nur einen Teil der Menschheit. Das ist Calvinismus. Die Bibel sagt hingegen, dass Gott nicht will, dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße kommen (2. Petrus 3,9). In 1. Timotheus 2,4 heißt es, dass unser Heiland Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Wir sehen also, die Liebe Gottes erstreckt sich auf die ganze Welt. Darum sagt auch Johannes 3,16: „Also hat Gott die Welt geliebt“ – nicht nur einen Teil der Welt. Die Welt hat seinen Sohn gegeben. Wahrheit und Liebe sind in vollkommenem Gleichmaß.
Im Gruß in Vers 3 heißt es: „Es wird mit euch sein Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott dem Vater und von dem Herrn Jesus Christus, dem Sohn des Vaters, in Wahrheit und Liebe.“ In den Briefen des Paulus ist es üblich, dass er Gnade und Frieden wünscht. Diese beiden Grüße stammen ursprünglich von Juden und Nichtjuden, die in der Gemeinde einen Leib bilden.
Im Judentum grüßt man sich mit „Shalom“, was Frieden bedeutet. Der griechische Gruß ist „Chaire“, was „Freue dich“ heißt. Eine kleine Abwandlung davon ist „Charis“, was Gnade bedeutet. So wird gewünscht: Gnade und Friede. Hier ist noch „Barmherzigkeit“ hinzugefügt, was besonders im Zusammenhang mit dieser Frau eine Bedeutung hat. Sie stand offenbar allein, ohne Mann, mit ihren Kindern, von denen nicht alle gläubig waren, und sie hatte es mit falschen Lehrern zu tun. Sie brauchte deshalb besonders die Barmherzigkeit Gottes. Er fühlt mit.
So wie Jesaja 63,9 sagt, dass Gott in all unserer Bedrängnis bei uns ist, fühlt er mit unseren Schwierigkeiten mit. Darum wird hier zu Gnade und Friede auch Barmherzigkeit gewünscht. Alles kommt von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Dann wird ein besonderer Name hinzugefügt: „dem Sohn des Vaters in Wahrheit und Liebe“. Dieser Ausdruck kommt nur hier in der ganzen Bibel vor.
Wir sind an den Ausdruck „Sohn Gottes“ gewöhnt, der das Verhältnis zwischen dem Herrn Jesus von Ewigkeit her und dem ewigen Vater zeigt. Er ist von Ewigkeit her der Sohn Gottes, und der Vater ist von Ewigkeit her der Vater. Unser Herr Jesus Christus hat von Ewigkeit her eine wunderbare Beziehung der Liebe zum ewigen Vater.
Der Herr Jesus spricht davon in Johannes 17, wenn er sagt: „Verherrliche mich, Vater, mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Er spricht auch von der Liebe des Vaters zu ihm, dem Sohn. Wenn wir an Johannes 1,14 denken, heißt es dort: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, die Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ In Vers 18 steht: „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgetan.“
Was bedeutet „in des Vaters Schoß“? Man muss nicht an ein Bild denken, dass der Vater das Kind auf dem Arm trägt. Der Ausdruck kommt nochmals im Johannesevangelium vor, am Vorabend der Kreuzigung, als der Herr und die Jünger auf Matratzen an einem dreiteiligen Tisch, dem Triklinum, lagen. Johannes lag dort so, dass er, wenn er den Kopf ein wenig zurücklegte, direkt an die Brust des Herrn kam. Er lag also an der Brust des Herrn, was Tischgemeinschaft mit dem Herrn bedeutet.
Dieser Johannes, der sich der Liebe des Herrn bewusst war, nennt sich den „Jünger, den Jesus liebte“. Er wurde auserwählt, das Johannesevangelium zu schreiben, mit dem Sohn Gottes, der von Ewigkeit her in dieser wunderbaren Gemeinschaft mit dem Vater war.
Jetzt versteht man besser, warum in 1. Timotheus 6 – auch schon in 1. Timotheus 1 – Gott als „der glückselige Gott“ bezeichnet wird. Dieser Ausdruck bedeutet, dass Gott, der dreieine Gott, in sich vollkommen glücklich ist. Er braucht uns Menschen nicht, um glücklich zu sein. Gott muss die Welt nicht erschaffen haben, um glücklich zu sein. Er ist in sich völlig befriedigt und glücklich.
Das wird uns vorgestellt als die Gemeinschaft zwischen dem Vater und dem Sohn. Wenn Johannes hier nicht nur „Sohn Gottes“ sagt, sondern „Sohn des Vaters“, bringt er diese ewige Beziehung der Liebe zwischen Vater und Sohn noch mehr zum Ausdruck.
Wenn wir sagen, dieser Ausdruck kommt sonst nirgendwo vor, muss man vielleicht noch darauf hinweisen, dass ein Mann in der Bibel „Barabbas“ hieß (Matthäus 27,16). „Barabbas“ bedeutet „Sohn des Vaters“. Ich habe gesagt, der Ausdruck „Sohn des Vaters“ kommt nur einmal als Name des Herrn Jesus vor. Aber als Eigenname gibt es diesen Ausdruck noch bei Barabbas.
Ist es nicht schrecklich, wenn man an die Szene denkt, in der Pilatus die Volksmenge fragt: „Wen wollt ihr? Den König der Juden oder Barabbas?“ Das war die Wahl zwischen „dem Sohn des Vaters“ und „dem Sohn des Vaters“. Aber die Alternative war ein Mörder.
Darum lesen wir so zu Herzen gehend in Apostelgeschichte 3,14: „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, dass euch ein Mann, der ein Mörder war, geschenkt würde; den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet.“ Das ist der Unterschied zwischen dem Sohn des Vaters dort und dem Sohn des Vaters hier. Barabbas ist eine teuflische Imitation.
Übrigens, zur Erklärung: „Bar“ ist auf Aramäisch „Sohn“ und „Abbas“ ist die griechische Aussprache. Die Griechen fügen bei hebräischen Wörtern oft ein „s“ an. Deshalb heißt es auf Griechisch nicht Jesaja, sondern Jesajas; nicht Jeremia, sondern Jeremias; nicht Elija, sondern Elias; und eben „Abbas“. „Abba“ ist der innige Name des Vaters.
In Markus 14 heißt es, dass der Herr Jesus im Garten Gethsemane betete: „Abba, Vater, alles ist möglich.“ Im Judentum lehrten die Rabbiner, man dürfe Gott nicht „Abba“ nennen, das sei zu vertraut. Man darf ihn nur „Avinu sheba Shamaim“ nennen, „unser Vater, der du bist in den Himmeln“. Das steht auch in den Gebetsbüchern. Aber im Judentum findet man nie die Anrede von Gott mit „Abba“.
Der Herr Jesus aber sprach so, denn er ist der ewige Sohn, der wahre „Bar Abba“ oder „Ben Abba“. In Römer 8 und Galater 4 lernen wir, dass die Gläubigen nun das Vorrecht haben, den Vater ebenfalls „Abba“ zu nennen. Das ist etwas ganz Besonderes. Im Judentum war das nicht möglich. Unsere Nähe zum Vater übersteigt alles, was man im Alten Testament kannte.
Deshalb zeigt uns das Johannesevangelium, dass der Herr Jesus, der ewige Sohn, in diese Welt kam, nicht nur um zu zeigen, wer der ewige Vater ist, sondern auch, wie Johannes 1,12 sagt: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“ Das geschieht durch Wiedergeburt, durch das neue Leben, das Jesus Christus ist.
Wenn also Johannes hier vom „Sohn des Vaters“ spricht, drückt das seine tiefe Einsicht und Herzempfindung für die Beziehung des Herrn Jesus als ewigen Sohn des Vaters aus.
In Vers 4 schreibt er: „Ich freute mich sehr, dass ich einige von deinen Kindern in der Wahrheit wandelnd gefunden habe, wie wir von dem Vater ein Gebot empfangen haben.“ Einige Kinder waren also wirklich auf dem guten Weg, worüber er sich freut. Von den anderen spricht er nicht.
Das zeigt, wie wichtig es ist, sich an denen zu freuen, die wirklich den Weg der Wahrheit gehen, statt nur zu klagen, wenn nicht alle gläubig sind. Natürlich beten wir für die anderen, solange wir können, aber wir sollen uns an denen freuen, die auf dem Weg sind.
In Vers 5 betont Johannes: „Und nun bitte ich die Frau nicht, als ob ich ein neues Gebot dir schriebe, sondern das, welches wir von Anfang gehabt haben, dass wir einander lieben sollen.“ In Vers 6 heißt es: „Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang gehört habt.“ Ich habe in den Besonderheiten vermerkt, dass „von Anfang“ zweimal vorkommt (Verse 5 und 6).
Mit „von Anfang“ ist der Neuanfang durch das Kommen Christi gemeint. So beginnt ja auch der erste Johannesbrief: Wenn Johannes schreibt, dass der Herr Jesus in diese Welt kam, das Wort des Lebens, beschreibt er, was von Anfang war – was wir gehört, gesehen, angeschaut und berührt haben, betreffend das Wort des Lebens.
Das Leben ist offenbart worden. Wir haben es gesehen, bezeugen es und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart wurde. Er spricht über den Herrn Jesus und zuerst davon, wie sie von ihm gehört haben – damals war noch Distanz. Dann haben sie ihn zum ersten Mal gesehen, vor etwa sechzig Jahren in der Jericho-Tiefebene, am Jordan. Johannes sagte: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.“
Dann kam noch mehr: Sie haben ihn angeschaut. Sie haben ihn wirklich gesehen – wer ist das? Der Messias. Und weiter: „Unsere Hände haben ihn berührt.“ Sie haben ihn wirklich angefasst. Sie haben gesehen, dass er kein Geist ist, sondern ein wirklicher Mensch, der in diese Welt gekommen ist – der Sohn des Vaters, der Sohn Gottes.
Mit dem Kommen des Herrn Jesus begann etwas ganz Neues. Ich habe alle acht Stellen aufgelistet, wo „Anfang“ im ersten Johannesbrief vorkommt. Es ist ein typisches Wort bei Johannes: Kapitel 1, Verse 1, 2, 7, zweimal in 27, 13, 14, zweimal in 24 und Kapitel 3, Vers 11. Ich habe Vers 8 herausgestrichen, dort ist ein anderer Anfang gemeint – der Anfang der Schöpfung.
Die Bibel beginnt ja mit „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Das ist der Beginn der Schöpfung. In 1. Johannes 3,8 heißt es: „Der Teufel sündigt von Anfang an.“ Die Engel, die Söhne Gottes, haben gejubelt, als Gott die Erde schuf (Hiob 38). Aber einer wollte sein wie Gott und wurde gestürzt. Darum wird in Vers 2 „Tohuwawohu“ nicht einfach mit „die Erde war“ übersetzt, sondern „die Erde wurde wüst und leer“ durch den Fall Satans, der auf die Erde geschleudert wurde.
Mit anderen Worten: Siebenmal bezieht sich „Anfang“ im ersten Johannesbrief nicht auf die Schöpfung, sondern auf das Kommen Jesu vor etwa zweitausend Jahren. Das war der Abschluss des Alten Testaments.
Manche sagen: „Seit Jesus Christus gekommen ist, ist Endzeit.“ An alle, die das sagen: Vergesst das! Seit zweitausend Jahren ist Endzeit. Wo steht das? In Hebräer 1 heißt es: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn.“
Seht ihr? „Am Ende dieser Tage“ – das ist ein bekannter Ausdruck aus dem Alten Testament für Endzeit. Da hat die Endzeit begonnen. Man muss genau lesen: Es heißt nicht „am Ende der Tage“, sondern „am Ende dieser Tage“. Welche Tage? Die Zeit, in der Gott im Alten Testament vielfältig durch die Propheten sprach. Nun kam der Sohn Gottes selbst und sprach zu uns, und damit sind diese Tage abgeschlossen.
Mit dem Kommen des Herrn Jesus begann etwas ganz Neues – dieser „Anfang“. Jetzt haben wir eine lange Zeit von diesem Anfang bis zur Wiederkunft Jesu. Der Abschluss dieser langen Zwischenzeit ist die Endzeit. Die Bibel nennt sie nicht „Ende dieser Tage“, sondern „Ende der Tage“, die Vollendung des Zeitalters.
Ausdrücke wie „die letzte Stunde“ oder „die letzten Tage“ sind klar für diese Zeit reserviert, in Verbindung mit dem zweiten Kommen Jesu, der Entrückung und der Heimkehr der Juden ins Land der Väter.
Man sollte sich nicht verwirren lassen, sondern die Bibel genau lesen. Jemand könnte sagen: „Ich habe noch eine Stelle.“ Ja, in 1. Johannes 2,18 heißt es: „Kindlein, es ist letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen geworden. Daher wissen wir, dass es letzte Stunde ist.“
Dort steht „letzte Stunde“ – jetzt. Der Beweis sind die vielen Antichristen. Aber wichtig: Im Griechischen steht nicht der bestimmte Artikel „die letzte Stunde“, sondern einfach „letzte Stunde“. Das ist in der griechischen Grammatik wichtig, denn das Fehlen des Artikels legt oft die Betonung auf den Charakter oder Inhalt des Wortes.
So bedeutet „Kindlein, es ist letzte Stunde“: Unsere Zeit hat den Charakter der letzten Stunde. Warum? Die letzte Stunde ist die Zeit, wenn der Antichrist kommt. Aber viele Antichristen sind schon da. Darum hat unsere Zeit den Charakter der letzten Stunde. Der Antichrist selbst ist noch nicht gekommen – der Mann, der laut Offenbarung 13 in der zweiten Hälfte Feuer vom Himmel herabkommen lässt und ein sprechendes Götzenbild aufstellt.
Das haben wir bisher noch nicht gesehen. Ich habe viele Götzen mit einem Mund gesehen, aber keiner hat gesprochen. Der Antichrist wird noch kommen, und das ist die letzte Stunde.
Johannes sagt: „Kindlein, unsere Zeit hat den Charakter der letzten Stunde.“ Wir haben jetzt falsche Lehrer, die die Person Jesu angreifen – das sind die Antichristen. Was tun sie? In 1. Johannes 2,22 heißt es: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der da leugnet, dass Jesus der Christus ist? Dieser ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater.“
Dann heißt es: „Was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was von Anfang war, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben.“ Dort sehen wir die Antichristen. Das sind Irrlehrer, die bewusst die Person Jesu angreifen. Das kann bedeuten, dass sie seine Gottheit leugnen oder sagen, er sei kein richtiger Mensch gewesen, sondern nur mit einem Scheinleib gekommen – so wie die Gnostiker zur Zeit Johannes.
Es gibt viele Variationen, aber der Angriff gilt der Person Jesu, des Vaters und des Sohnes. Wichtig: Antichristen sind nicht einfach Leute, die sich in einer Sache nicht sicher sind, sondern solche, die aktiv falsch lehren und andere in den Irrtum führen wollen. Darum sind sie die übelsten Irrlehrer.
Hier entsteht die Brücke zum zweiten Johannesbrief. Johannes erinnert an das, was wir von Anfang wissen, was der Herr Jesus lehrte, und an die Liebe zueinander. Das Gebot der Liebe aus Johannes 13, dass die Jünger einander lieben sollen, damit die Welt erkennt, wer Jesus Christus ist, wer Gott ist.
Darum sagt er: „Nun bitte ich dich, Frau, nicht als ob ich ein neues Gebot dir schriebe, sondern das, welches wir von Anfang gehabt haben, dass wir einander lieben sollen.“ Dann erklärt er: „Diese Liebe hat ein besonderes Kennzeichen, und das ist Gehorsam gegenüber Gottes Wort. Dies ist die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln.“
„Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang gehört habt, dass ihr darin wandeln sollt.“ Der Herr Jesus sagt in Johannes 14,21: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Und in Vers 23: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten.“
Wir sehen also, wahre Liebe zeigt sich darin, gehorsam gegenüber dem Wort Gottes zu sein.
Nun kommt die Warnung: Wir müssen bei der Lehre bleiben, die der Herr Jesus von Anfang an gebracht hat. In 1. Johannes 2,24 heißt es: „Was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was von Anfang war, so werdet auch ihr in dem Vater und in dem Sohn bleiben.“
Jetzt kommt die Gefahr: In 2. Johannes 1,7 warnt Johannes: „Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen. Dies ist der Verführer und der Antichrist.“ Wir haben im ersten Johannesbrief gelesen, dass diese Antichristen ursprünglich in den Gemeinden waren, dann weggegangen sind.
In 2. Johannes 1,19 heißt es: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden sie bei uns geblieben sein. Aber auf dass sie offenbar würden, dass sie alle nicht von uns sind.“
Damals gab es viele Irrlehrer, die auszogen, mit einem Sendungsbewusstsein die Person Jesu angriffen. Sie leugneten seine Gottheit, seine wahre Menschheit oder seine ewige Sohnschaft. Johannes warnt diese Frau deshalb radikal: Mit diesen Leuten keinen Kontakt haben.
In Vers 10 heißt es: „Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht; denn wer ihn grüßt, der hat Anteil an seinen bösen Werken.“ Man macht sich mitschuldig, wenn man mit solchen Leuten etwas zu tun hat. Nicht einmal ein normaler sozialer Gruß ist erlaubt.
„Grüßen“ heißt hier „cheirein“ sagen, also „freue dich“. Der griechische Gruß war „chaire“. Man soll ihnen nicht „chaire“ sagen und keine Anteilnahme an ihren bösen Werken zeigen. So soll klar gemacht werden: Wir haben nichts mit euch zu tun, ihr seid keine Christen.
Das betrifft zum Beispiel Zeugen Jehovas, die die Gottheit Christi aktiv leugnen. Von Haus zu Haus erklärt jemand ihnen, dass er ihnen nicht mehr „Auf Wiedersehen“ sagen darf, weil ihre Lehre so schlimm ist. Sie greifen das Zentrum des Evangeliums an und leugnen, dass Jesus Christus von Ewigkeit her Gott ist.
Sie lehren, er sei der Engel Michael, der Mensch geworden sei. Deshalb dürfe man nicht zu Jesus Christus beten. Doch Römer 10 sagt, dass nur wer den Namen des Herrn anruft, gerettet wird. Wir müssen bei der Bekehrung Jesus Christus anrufen.
Das ist auch das Kennzeichen der Gemeinden. In Apostelgeschichte 1,2 heißt es: „Samt allen, die an allen Orten den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, sowohl ihres als unseres Herrn.“ Die Zeugen Jehovas leugnen das.
Der Mann, der so handelt, grüßt nicht. Er erklärt das und war schockiert. Später kam die Frau zurück und berichtete von ihrer Umkehr und Freiheit von dieser Irrlehre. Gott weiß, was der Mensch braucht. Hier ist es auch ein Schutz für diese Frau, aber keine Kooperation oder Teilnahme an bösen Werken.
Nun ist wichtig: Das ist die schlimmste Kategorie von Irrlehren. Man darf diese Stelle nicht einfach auf alle Arten von Irrlehren anwenden. Zum Beispiel Adventisten leugnen nicht die Dreieinigkeit Gottes, aber sie haben falsche Lehren zur Frage der Rettung – das ist das Problem des „Glatterbriefs“. Das ist schlimm, aber nicht auf der gleichen Stufe wie die Leugnung der Gottheit Jesu.
Darum kann man den zweiten Johannesbrief nicht direkt auf Adventisten anwenden. Das wäre zu weit gegriffen. Es geht hier wirklich um die, die die Person des Sohnes Gottes angreifen und einen anderen Jesus verkündigen, wie es in 2. Korinther 11 heißt: „Wenn jemand einen anderen Jesus verkündigt.“
Die Zeugen Jehovas sagen auch „Jesus“, die Mormonen ebenfalls. Wenn man sie aber fragt, was das wirklich ist, erfährt man, dass Jesus der Bruder von Luzifer, einem Engel, sei. Das ist eine der verrücktesten Lehren überhaupt.
Die Mormonen sagen, Gott sei ursprünglich ein Mensch gewesen, der sich entwickelt habe, bis er Gott wurde, und wir alle könnten auch Götter werden. Eine konfuse Lehre.
Wenn sie an die Tür kommen, benutzen sie die gleichen Ausdrücke wie evangelikale Christen. Man könnte meinen, sie seien gläubig. Nein, sind sie nicht. Das ist eine falsche Lehre, die nicht an den Jesus der Bibel glaubt.
Nun schauen wir noch Vers 7 genau an: „Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleische kommend bekennen.“ Das haben nicht alle Übersetzungen richtig wiedergegeben. Wenn bei ihnen steht „gekommen“, ist das falsch.
In 1. Johannes 4,1 heißt es: „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind. Denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen. Hieran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus im Fleisch kommend bekennt, ist aus Gott; und jeder Geist, der Jesus Christus im Fleisch nicht kommend bekennt, ist nicht aus Gott. Dies ist der Geist des Antichrists, von welchem ihr gehört habt, dass er komme, und jetzt ist er schon in der Welt.“
Die Lehre in 1. Johannes 4 ist: Jesus Christus ist im Fleisch gekommen. Das heißt, der ewige Sohn Gottes, Gott selbst, ist ein wirklicher Mensch geworden, wurde als Mensch in Bethlehem geboren.
Er lebte 33 Jahre auf der Erde und starb als Mensch für uns Menschen. Gott kann nicht sterben. Deshalb musste der Herr Jesus Mensch werden – ein richtiger Mensch. Er starb als Mensch für uns.
Ein wirklicher Mensch hat einen Körper, eine Seele und einen Geist. Der Herr Jesus hatte nicht nur einen Körper, sondern sagte auch: „Meine Seele ist betrübt bis zum Tode.“ Und er sagte: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Er war ein wirklicher Mensch.
Er starb, sein Körper wurde ins Grab gelegt, und sein Geist, seine Seele ging ins Paradies. Das wird in Apostelgeschichte 2 als Hades bezeichnet, der Zustand des Todes. Für Gläubige ist das Paradies, für Verlorene der Ort der Qual, der Tartarus, wohin der reiche Mann nach Lukas 16 kam.
Der Herr Jesus war im Paradies. Er sagte zum Schächer: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Am dritten Tag ist er auferstanden. Sein Körper im Grab wurde wieder mit seiner menschlichen Seele und seinem Geist vereint.
Jesus ist wirklich körperlich auferstanden. Die Jünger meinten, er sei ein Geist. Er sagte: „Kommt, seht meine Hände und Füße; ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, dass ich habe.“ Er wollte Fisch und Honig essen, um zu zeigen, dass er wirklich auferstanden ist.
Thomas durfte seine Hände in die Wundmale legen, um zu spüren, dass Jesus wirklich ein Mensch ist. So ist der Herr Jesus als Mensch auferstanden.
Vierzig Tage später ist er als Mensch in den Himmel aufgefahren, hat sich als Mensch zur Rechten Gottes gesetzt und wird als Mensch zurückkehren. „Als Sohn des Menschen wird er auf den Wolken des Himmels kommen“ (Matthäus 24).
Vorher wird er bei der Entrückung als Mensch in die Luft kommen und die Gemeinde heimführen. Jesus Christus kommt also als wirklicher Mensch wieder.
Das „nicht Jesus Christus im Fleisch kommend“ (griechisch „erchomenos“) hat eine Zukunftsbedeutung: Er wird in der Zukunft als wirklicher Mensch kommen. Genau das leugnen zum Beispiel die Zeugen Jehovas.
Sie sagen, Jehova habe den Leib Jesu aus dem Grab verschwinden lassen und er sei als Geist auferstanden. Das sind Antichristen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist.
Dann warnt Johannes: „Seht auf euch selbst, dass wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen.“ Das zeigt, dass falsche Lehren Auswirkungen auf unseren ewigen Lohn haben.
Das sind keine Bagatellen. Man kann nicht sagen: „Lehre entzweit, aber Liebe vereint.“ Liebe und Wahrheit gehören zusammen. Wenn wir die Wahrheit des Evangeliums aufgeben, verlieren wir den Lohn.
In Vers 9 heißt es: „Jeder, der weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott nicht. Wer in der Lehre bleibt, hat sowohl den Vater als auch den Sohn.“ Das macht deutlich: Christentum ist keine Evolution.
Die Bücher des Neuen Testaments wurden in der apostolischen Zeit abgeschlossen. Wir haben jetzt die ganze Wahrheit. Es gibt keine weiteren Bücher.
Johannes schreibt in seinem Buch, das die Bibel abschließt, in der Offenbarung auf der letzten Seite: „Wer hier zu diesem Buch noch etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen hinzufügen.“ Wenn die Offenbarung am Schluss der Bibel steht, darf man nichts hinzufügen.
Wir haben die Wahrheit. Der Judasbrief sagt, wir sollen den heiligen Glauben ein für allemal bewahren. Es gibt keine Entwicklung mehr.
Wenn jemand mit neuen Lehren kommt, müssen die Alarmglocken läuten. Es geht darum, in dem zu bleiben, was wir im Wort haben.
Im ersten Johannesbrief heißt es: „Wenn in euch bleibt, was von Anfang war, dann bleibt ihr im Vater und im Sohn.“ Der Irrlehrer geht weiter, hat neue Offenbarungen.
Da sieht man die Kirchengeschichte: „Ich habe noch dies, noch das, noch das“ – zusätzliche Offenbarungen, wie das Buch Mormon.
Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre über Christus bleibt, hat Gott nicht. Wer in der Lehre bleibt, hat Vater und Sohn.
So hat Johannes das Wichtigste gesagt, was für die Gemeinde für die nächsten Jahrtausende erhalten bleiben sollte.
Es gab noch mehr, was er besprechen wollte, aber das brauchen wir jetzt nicht. Wichtig ist: Nicht nur Fernkontakt schriftlich, sondern direkter Kontakt.
Wenn das schon für einen richtigen Brief gilt, wie viel mehr für WhatsApp und SMS? Diese ersetzen nicht das direkte Miteinander sprechen und Austauschen. Notfall und E-Mail gehen schnell, aber es gibt viele Missverständnisse.
Hier lernen wir, wie wichtig direkte Kontakte unter Gläubigen sind. Eine Verheißung wird gegeben: „Auf dass unsere Freude völlig sei.“
Geht einmal alle Stellen durch, wo von „voller Freude“ die Rede ist, und ihr lernt verschiedene Gründe, wie man volle Freude bekommt. Hier ist eine: die christliche Gemeinschaft im direkten mündlichen Austausch über das Wort Gottes und über den Herrn Jesus.
Die „Kinder der auserwählten Schwester“ – die Frau hatte auch eine gläubige Schwester, und Johannes grüßt sie von den Kindern dieser Schwester, die er ebenfalls kannte.
Der dritte Johannesbrief: Aufnahme und Umgang mit Brüdern
Jetzt kommen wir zum dritten Johannesbrief. Das geht ziemlich schnell, weil wir schon vieles erklärt haben. Es ist sehr wichtig, dass wir ihn gerade in Verbindung mit dem zweiten Johannesbrief lesen.
Im zweiten Brief haben wir die große Warnung gesehen: Nicht aufnehmen! Im dritten Johannesbrief lesen wir dagegen einen anderen Befehl: „Nimm den Ältesten, den geliebten Gaius, auf, den ich in der Wahrheit liebe.“
Johannes schreibt: „Geliebter, ich wünsche, dass es dir in allem wohlgehe und du gesund seist, gleichwie es deiner Seele wohlgeht.“ Er wünscht Gesundheit, aber man muss betonen, dass es im Neuen Testament keine Verheißung für die Gläubigen gibt, dass sie immer gesund bleiben. Wenn wir gesund sind, ist das wirklich ein Geschenk, und dafür sollen wir danken und es einander wünschen.
Römer 8 macht klar: Die Erlösung des Körpers ist noch zukünftig. Deshalb können wir noch krank werden. Es ist eine Irrlehre zu sagen, die Krankheit sei für die Gläubigen vorbei, weil die Erlösung am Kreuz abgeschlossen sei. Ja, die Erlösung ist vollbracht, aber sie ist noch nicht auf den Körper angewendet. Deshalb können Gläubige noch sterben.
Alle Charismatiker, die behaupten, Gläubige dürften nicht mehr sterben – und das sind viele –, müssten eigentlich schon längst tot sein. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Krankheit und Tod sind Folgen der Sünde. Die Sünde ist zwar am Kreuz besiegt und abgeschafft, aber die Erlösung des Körpers ist noch nicht vollzogen. Daher können wir krank werden und sterben. Dennoch wünscht Johannes Gaius Gesundheit.
Dann schreibt Johannes weiter: „Denn ich freute mich sehr, als Brüder kamen und Zeugnis gaben von deinem Festhalten an der Wahrheit, gleichwie du in der Wahrheit wandelst.“
„Ich habe keine größere Freude als diese, dass ich höre, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln.“ Johannes kann Gaius ein gutes Zeugnis von seiner treuen Nachfolge ausstellen. Das ist die größte Freude im Dienst: zu sehen, dass Gläubige treu den Weg gehen.
Weiter heißt es: „Geliebter, du tust treu, was immer du an den Brüdern getan hast, und zwar an Fremden, die von deiner Liebe Zeugnis gegeben haben vor der Versammlung. Du wirst wohl tun, wenn du sie auf eine gotteswürdige Weise leitest, denn für den Namen sind sie ausgegangen und nehmen nichts von denen aus den Nationen.“
Johannes betont, dass wir als Christen verpflichtet sind, solche Missionare aufzunehmen, damit wir Mitarbeiter der Wahrheit werden. Er hat gehört, dass Gaius Evangelisten und Bibellehrer, die für den Namen Jesu unterwegs sind, aufgenommen hat. Das ist genau das Richtige. Diese Missionare nehmen kein Geld von Ungläubigen an. Es ist unsere Aufgabe, sie zu unterstützen. Gaius hat das gut gemacht, und die Brüder haben Zeugnis darüber abgelegt.
Dann kommt ein neues Thema: Johannes schreibt, dass er etwas an die Gemeinde geschrieben hat, aber Diotrephes, der gern der Erste unter ihnen sein will, nimmt Johannes und seinen Brief nicht an.
„Wenn ich komme, will ich seine Werke gedenken, die er tut, indem er mit bösen Worten gegen uns schwatzt. Er begnügt sich nicht damit, sondern nimmt auch die Brüder nicht an, die es wollen, und stößt sie aus der Gemeinde hinaus.“
Hier sehen wir das Problem eines Machtmenschen in der Gemeinde: Diotrephes will der Erste sein. Das ist ein echtes Problem, das sich durch die gesamte Kirchengeschichte bis heute zieht. Machtmenschen kehren normalerweise nicht um, was eine traurige Erfahrung ist.
Diotrephes nimmt den Apostel Johannes nicht einmal an. Er hat einen Brief geschrieben, aber Diotrephes weist ihn ab. Im zweiten Johannesbrief lesen wir, dass wir Menschen abweisen müssen, aber nur die falschen. Die richtigen dürfen wir nicht abweisen. Das wäre Sektiererei in der schlimmsten Form. Diotrephes aber wirft diejenigen aus der Gemeinde hinaus, die die Richtigen aufnehmen wollen. Das ist echte Sektiererei.
Die anderen Brüder wollten nur die aufnehmen, die aufgenommen werden sollen, und die ablehnen, die abgelehnt werden müssen. Das ist der Punkt. Deshalb geben der zweite und der dritte Johannesbrief zusammen ein vollständiges Bild: Im zweiten Brief heißt es „nicht aufnehmen“, im dritten Brief „aufnehmen“.
Johannes spricht in apostolischer Autorität und kündigt an, dass er sich, wenn er kommt, ernstlich mit dem schlimmen Diotrephes beschäftigen wird.
Bei solchen sektiererischen Menschen gilt das Gleiche wie im Fußball – entschuldigen Sie den einfachen Vergleich, aber er hilft beim Merken: In Titus 3 lesen wir, dass man einen sektiererischen Menschen nach ein- oder zweimaliger Ermahnung abweisen soll. Zuerst gibt es eine gelbe Karte, dann eine rote Karte, und dann ist er weg.
In Vers 11 heißt es: „Geliebter, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute. Wer Gutes tut, ist aus Gott; wer Böses tut, hat Gott nicht gesehen.“
Demetrius wird von allen und von der Wahrheit selbst ein gutes Zeugnis gegeben. Auch wir geben Zeugnis, und du weißt, dass unser Zeugnis wahr ist.
Hier sehen wir den Kontrast: der schlimme Diotrephes, der Machtmensch, und Demetrius, der ein gutes Zeugnis hat. Den einen kann man nachahmen, den anderen nicht und darf man nicht nachahmen.
Johannes schließt, wie schon im zweiten Brief, mit den Worten: „Ich hätte dir viel zu schreiben, aber ich will dir nicht mit Tinte und Feder schreiben. Ich hoffe, dich bald zu sehen, und dann wollen wir mündlich miteinander reden.“
„Friede dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde mit Namen.“
Ich habe schon erklärt: „Freunde“ (griechisch „Philoi“, Mehrzahl von „Philos“) bedeutet „liebender“ (aktiv übersetzt) oder „Geliebter“ (passiv übersetzt). Das sind Gläubige, die Liebe geben und auch empfangen. Das zeigt sich besonders im persönlichen Gespräch und in Gemeinschaft. Deshalb ist auch die Gastfreundschaft so wichtig.
Hebräer 13,1 sagt: „Der Gastfreundschaft vergesset nicht.“ Schön ist, dass Johannes zum Schluss die Freunde mit Namen grüßt. Der Eigenname ist eine wichtige Sache. Das ist tief in unserem Gehirn gespeichert. Man kann das testen: Wenn man jemanden wecken will und seinen Namen ruft, reagiert er viel stärker.
So war es auch im Garten in der Nähe von Golgatha. Maria Magdalena war am Grab und weinte. Jemand spricht mit ihr, und sie meint, es sei der Gärtner. Sie ist so verweint, dass sie ihn nicht richtig erkennt. Dann ruft er: „Maria!“ Da hört sie seinen Ruf und erkennt ihn.
Daran können wir schließen mit Jesaja 43, der sagt: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Das zeigt die persönliche Beziehung, die Gott zu uns hat und die wir auch untereinander als Freunde im Glauben haben dürfen.
Wir wollen noch zusammen beten:
Herr Jesus, wir danken dir für diese Juwelen deines Wortes. Danke, dass wir so viel daraus lernen dürfen – über dich und über unseren Weg als Gläubige, über die Gefahren unserer Zeit.
Wir möchten dir sagen: Wir brauchen deine Barmherzigkeit, die uns im zweiten Johannesbrief zugesprochen wird. Danke, Herr Jesus, dass du jede Situation verstehst, in der wir sind, und mit uns fühlst. Du gibst uns deine Gnade und deinen Frieden, um den Weg mit dir zu gehen.
Bewahre uns auf deinem Weg, dass wir jeden Tag neu in deiner Nähe bleiben und das Ziel erreichen, eines Tages vollen Lohn zu empfangen.
Amen.
