
Ich möchte mit euch einige Verse aus dem Matthäusevangelium lesen: Matthäus 20,1-16. Zuerst lese ich den Text vor, danach möchte ich einige Gedanken dazu mit euch teilen.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg steht in Matthäus 20,1-16. Es folgt auf das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern. Die Jünger kommen zu ihm und fragen: „Was wird uns dafür werden?“ Sie wollen wissen, was sie davon haben, Jesu Nachfolger geworden zu sein. Sie haben Familie, Karriere und vieles andere aufgegeben. Deshalb fragen sie: „Was haben wir eigentlich davon?“
Jesus antwortet ihnen und verspricht eine reiche Belohnung im Jenseits. Er sagt, sie werden Richter über das Volk Israel sein und vielfach das zurückbekommen, was sie hier geopfert haben.
Dann erzählt Jesus in Kapitel 20 ein Gleichnis. Ich glaube, dass dieses Gleichnis direkt an die vorherige Antwort anknüpft. In der Bibel gibt es keinen Einschnitt, der darauf hinweist, dass es sich um ein neues Thema handelt. Deshalb denke ich, dass dieses Gleichnis ebenfalls eine Antwort auf die Frage ist.
In dem Gleichnis geht es um den Lohn, den Menschen für ihre Arbeit im Weinberg erhalten wollen.
Ich lese also Vers 1:
Denn das Reich des Himmels gleicht einem Hausherrn, der am Morgen früh ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg einzustellen. Nachdem er mit den Arbeitern um einen Dinar für den Tag übereingekommen war, sandte er sie in seinen Weinberg.
Als er um die dritte Stunde ausging, sah er andere auf dem Markt stehen und sprach zu ihnen: "Geht auch ihr in den Weinberg, und was recht ist, will ich euch geben." Sie gingen hin.
Wiederum ging er um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.
Als er aber um die elfte Stunde ausging, fand er andere untätig dastehen und sprach zu ihnen: "Warum steht ihr hier den ganzen Tag untätig?" Sie antworteten ihm: "Es hat uns niemand eingestellt." Er sprach zu ihnen: "Geht auch ihr in den Weinberg, und was recht ist, das werdet ihr empfangen."
Als es aber Abend geworden war, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: "Rufe die Arbeiter und bezahle ihnen den Lohn, indem du bei dem Letzten anfängst bis zu dem Ersten."
Da kamen die, welche um die elfte Stunde eingestellt worden waren, und jeder empfing einen Dinar.
Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen. Auch sie empfingen jeder einen Dinar.
Als sie ihren Lohn empfangen hatten, murrten sie gegen den Hausherren und sprachen: "Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast uns gleich gemacht, die wir die Last der Hitze und des Tages ertragen haben."
Er aber antwortete und sprach zu einem unter ihnen: "Freund, ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht um einen Dinar mit mir übereingekommen? Nimm das Deine und geh hin. Ich will aber diesem Letzten so viel geben wie dir. Habe ich nicht die Macht, mit dem Meinen zu tun, was ich will? Blickst du darum neidisch, weil ich gütig bin?"
So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein, denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.
(Matteus 20,1-16)
Ich möchte nicht auf jedes Detail dieses Textes eingehen, denn sicherlich steckt viel mehr darin, als für eine Andacht von zehn Minuten möglich ist. Stattdessen möchte ich mich hier auf einige wenige Punkte konzentrieren.
Ich glaube, dass Jesus dieses Gleichnis für Menschen spricht, die Christen sind. Das ist ja auch sein Publikum: die Jünger, die sich an ihn gewandt haben.
Hier wird uns deutlich gemacht, dass auch wir als Christen mit Problemen zu tun haben können. Es gibt Menschen, die im Dienst Jesu stehen und trotzdem in ihrem geistlichen Leben Schwierigkeiten haben.
Besonders werden hier zwei Gruppen hervorgehoben. Zum einen diejenigen, die die ganze Hitze des Tages ertragen haben und viel gearbeitet haben im Weinberg des Herrn. Übertragen auf das Reich Gottes, sind das Christen, die lange Zeit dabei gewesen sind.
Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die erst kurz vor Toresschluss dazugekommen sind. Beide Gruppen haben ihre eigenen Probleme.
Und wenn ich das einmal anwenden würde, so wie Jesus das hier auch versteht, dann sind diejenigen, die als Letzte dazukommen – also die, die erst zur elften Stunde, das heißt schon am Abend, berufen werden, um mit Jesus zu leben – diejenigen, die erst kurz vor Ende ihres Lebens auf der Erde zum Glauben gekommen sind. Das sind Menschen, die gar nicht viel Gelegenheit hatten, für Jesus zu arbeiten.
Vielleicht trifft das auf den einen oder anderen von uns hier heute Abend zu, der vor kurzem zum Glauben gekommen ist und einen großen Teil seines Lebens ohne Jesus Christus verbracht hat. Vielleicht sind hier sogar noch einige, die sagen: „Jesus Christus interessiert mich eigentlich gar nicht, ich will hier Urlaub machen.“ Aber mit Jesus zu leben, das ist für sie etwas ganz Neues.
Auf jeden Fall wird derjenige, der sehr spät zum Glauben kommt, häufig so erleben, dass er vor der Erkenntnis steht: Ein großer Teil meines Lebens war vertane Zeit. Genauso wie die Arbeiter, die sagen: „Wir sind jetzt bis zur elften Stunde hier, keiner hat uns eingestellt, wir hängen hier so herum auf dem Marktplatz.“ Irgendetwas haben sie auch gemacht. Wahrscheinlich haben sie, wie wir heute sagen würden, das Leben genossen. Sie haben in der Sonne sitzen können, vielleicht Essen gegessen und getrunken, vielleicht Würfelspiele auf dem Marktplatz gespielt. Aber sie haben nicht das getan, was eigentlich ihr Lebenszweck und Lebenssinn gewesen wäre: nämlich hier für ihren Unterhalt zu arbeiten.
So soll es ja sein. Und doch sind sie ganz spät noch von Jesus berufen worden, sind mit in das Reich Gottes hineingekommen und haben denselben Lohn bekommen. Der Lohn wird hier mit einem Denar angegeben. Dabei geht es, glaube ich, nicht um die Geldmenge, sondern um das, was darin steckt: Sie sind mit bei Jesus Christus in der Ewigkeit. Sie haben dasselbe, weil das, was Jesus gibt, letztendlich ein Geschenk ist.
Und da liegt das Problem, das Menschen haben können: Sie haben einen großen Teil ihres Lebens verschwendet mit nutzlosen Dingen. Manchmal kann das sogar einem passieren, der irgendwann einmal mit Jesus angefangen hat, der aber dann auch noch einen großen Teil seines Lebens verschwendet hat – für Dinge, die um uns herum wichtig zu sein scheinen, aber es bei Gott eigentlich nicht sind.
Ich hoffe, dass diejenigen, für die das zutrifft, hier in der Freizeit eine neue Blickrichtung bekommen. Eine Blickrichtung darauf, was wirklich im Leben wichtig ist. Für diejenigen, die erst sehr spät zum Glauben gekommen sind, hilft die Freizeithoffnung auch dabei zu erkennen: Egal, wie viel du für Jesus einsetzt – Jesus stellt sich zu dir in der Ewigkeit. Es ist keine Sache von Rechnungen, die da aufgemacht werden.
Hier kommen wir zur zweiten Gruppe von Menschen, die noch mehr im Mittelpunkt steht. Mit der ersten Gruppe, das heißt denjenigen, die ganz spät zum Glauben oder zur Arbeit im Weinberg gekommen sind, beschäftigt sich Jesus nur sehr wenig. Es gibt nur wenige Verse, die sich mit diesen Personen befassen.
Die Personen, die ganz früh angefangen haben, werden hier ausführlicher charakterisiert. Vielleicht trifft das auch auf einige von uns zu. Einige sind als Jugendliche zum Glauben gekommen, so wie ich, und haben sich gesagt: Ich will mit Jesus leben. Trotzdem ist damit nicht alles erledigt, und nicht alle Probleme sind vorbei.
Gerade diese Personengruppe wird angesprochen, weil sie etwas missverstanden hat. Vielleicht sind sie mit einer völlig falschen Motivation in ihr Christsein gestartet und fallen deshalb in Enttäuschung und Frustration. Eigentlich müssten sie sich doch freuen, oder? Wenn wir den Dienst im Weinberg als das Leben mit Jesus ansehen, müssten sie am Ende des Tages jubeln und sagen: Egal ob ein Dinar oder nicht, wie großartig, dass wir für dich arbeiten konnten. Aber genau das tun sie nicht.
Sie hatten von Anfang an eine völlig falsche Motivation für ihren christlichen Glauben. Übrigens wird nur bei dieser Gruppe erwähnt, dass sie mit dem Herrn erst einmal gehandelt haben und abgemacht haben, dass sie für ein Dinar arbeiten. Bei den folgenden Gruppen nehmen sie einfach das, was der Herr ihnen bereit ist zu geben.
Scheinbar haben sie von Anfang an nach modernen kapitalistischen Mustern gelernt: Verhandle erst einmal, hol möglichst deine Gewerkschaft dazu, und wenn du die günstigsten Konditionen herausgeschlagen hast, kannst du deine Arbeit tun. Am Ende des Tages wollen sie dann noch einmal nachverhandeln und sagen: Ja, wir haben das zwar so ausgehandelt, aber wenn die anderen das schon umsonst bekommen, dann müssten wir doch noch mehr bekommen.
Hier haben sie offenbar ganz vergessen, worum es im Christsein beziehungsweise im Dienst für den Herrn eigentlich geht. Es geht nicht in erster Linie darum, nach kapitalistischen Mustern möglichst hohe Stellungen im Jenseits zu bekommen.
Genau das ist die Frage, die auch die Jünger hatten: Wie geht es uns denn? Wir könnten später fragen, mit ihrem Schächer am Kreuz. Der hat gar nichts mehr für Jesus getan, und was, der soll neben uns auf derselben Bank im Himmel sitzen und Halleluja singen? Das geht doch nicht. Der muss doch, wenn überhaupt, hinten auf der hinteren Bank sitzen und vielleicht nach ein paar Millionen Jahren darf er auch mal nach vorne rücken, wenn er lange genug gewartet hat.
Denn ich habe doch mein gesamtes Leben geopfert, habe alle Partys verschmäht, nur um mit Jesus leben zu können. Hier liegt doch eine völlig falsche Vorstellung zugrunde.
Hier geht es darum, und ich denke, das werdet ihr auch hier in Brake merken: Hier ticken die Uhren etwas anders. Auf dem heiligen Berg der Bibelschule sind wir tatsächlich etwas unnormal. Denn in der Welt gilt meist: Was leistest du, dafür wirst du bezahlt. Wenn du nichts leistest, gibt es keine Bezahlung.
Das ist jedoch nicht das Prinzip Gottes. Gottes Prinzip ist das der Gnade. Du bekommst das ewige Leben geschenkt, weil du gar nichts tun kannst, um es dir zu erarbeiten. Selbst wenn du als kleines Kind im zarten Alter von fünf Jahren dich bekehrt hast, viele Bibelstunden besucht, Gottesdienste besucht, viele Stunden Predigten angehört und Bibelverse auswendig gelernt hast, hast du deshalb noch lange keinen Anspruch auf das ewige Leben.
Genau diese Perspektive will Jesus hier vermitteln. Wir müssen unser ganzes logisches Denken, das wir aus der Welt mitgebracht haben, ad acta legen. Das logische Denken der Welt lautet: Wer mehr arbeitet, bekommt auch mehr. Wer ordentlich etwas leistet, hat Anspruch auf einen entsprechenden Lohn im Himmel.
Nicht, dass es kein Preisgericht im Himmel gibt. Aber in diesem Preisgericht geht es nicht darum, ob wir errettet werden oder nicht. Vielmehr kann es höchstens darum gehen, ob wir noch eine kleine Ehrung dazu bekommen – ja oder nein. Dabei werden ganz andere Dinge eine Rolle spielen, als wir hier auf der Erde den Eindruck haben.
Ich erinnere euch an das, was Jesus sagte: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Vielleicht hast du einem Obdachlosen geholfen, und das gibt plötzlich eine Krone im Himmel. Aber die zweitausendfünfhundert Gottesdienstbesuche vielleicht nicht. Denn wenn diese lediglich dazu dienen, sich ein Pluskonto im Himmel zu erarbeiten, dann hilft das alles nichts.
Man war dann zwar schön da, nett für die Gemeinschaft, nett für den Prediger, dass er ein paar Leute vor sich sitzen hatte, aber letztendlich ist das nichts, was uns im Himmel weiterhilft. Das ist ein vollkommen falsches Denken: Tue ich das alles, damit ich im Himmel besser abschneide?
Ich glaube, wir als Christen brauchen immer wieder einen Paradigmenwechsel – so nennen das die Esoteriker. Das heißt, wir müssen mal in eine andere Richtung denken. Das, was die Bibel mit Metanoia meint, einen Umsinnenden, brauchen wir immer wieder. Denn wir sind so stark von einem Leistungsdenken geprägt, dass es häufig auch in unser geistliches Leben Einzug halten kann.
Das führt uns in eine vollkommen falsche Richtung. Genau diese Richtung, wie die Mitarbeiter Jesu beziehungsweise des Weingärtners, die hier scharf kritisiert werden. Sie tun alles nur um des Lohnes willen, nur um sich das Himmelreich zu erarbeiten.
Das ist das weltliche, irdische, ganz normale Denken, das auch die meisten anderen Religionen so vertreten: Wenn du Hindu bist, Buddhist oder Muslim, wird dir Errettung durch deine Leistung versprochen. Hier aber wird es genau umgekehrt gemacht. Hier bekommst du ewiges Leben als Geschenk, als Gnade.
Das ist das Problem, das die Galater hatten, wo Paulus ihnen sagt: Ihr habt so gut angefangen, warum seid ihr jetzt wieder zurückgefallen? Sie hatten erkannt, dass Erlösung gut ist, und versuchten dann, alle möglichen Gesetze und Gebote einzuhalten, um sich so selbst Errettung zu verdienen.
Ich hoffe, dass diese Freizeit hier in Brake dazu beiträgt, solch einen Paradigmenwechsel zu erleben oder vielleicht darin bestätigt zu werden, anders zu denken als die Welt um uns herum. Die Welt denkt nicht nur von Arbeit und entsprechender Belohnung, sondern misst oft den Wert des Menschen an seiner Leistung.
Jesus tut das ganz anders. Er sagt zum Beispiel: „Die Ersten werden die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein.“ So läuft das im normalen Geschäft nicht. Wenn du im Geschäft etwas verkaufen willst, musst du der Erste sein, dann bist du der große Held.
Hier aber läuft das total anders. Wir müssen manchmal aufpassen, dass wir nicht weltliches Verhalten aus dem Geschäfts- oder Alltagsleben in unsere persönliche Frömmigkeit oder in das Leben der Gemeinde übernehmen. Denn dann läuft alles total schief.
Es ist nicht nur so, dass es schief läuft und wir sagen: „Naja, macht ja nichts.“ Es führt auch zu frustrierten Christen. Dann denkt man immer nur daran, worauf man verzichtet hat. Man denkt daran, dass man nicht mit Freunden trinken gehen konnte, nicht ins Kino gegangen ist, um Christ zu sein.
Ständig ist man frustriert darüber, wie schlecht es einem geht, statt daran zu denken, dass das Leben mit Jesus eine Befreiung ist. Dass doch alles schon ein Geschenk ist, das wir im Dienst hier auf der Erde haben.
Und ich hoffe, dass das mit dir dazu dient, vielleicht auch manche Gespräche und den Austausch untereinander zu fördern.
Ich möchte euch mit diesen beiden Gedanken in den Abend entlassen und noch mit euch beten. Ihr könnt gerne dazu aufstehen.
Vater im Himmel, wir danken dir dafür, dass du uns in deinen Dienst nehmen willst. Vielen Dank, dass du uns würdig erachtest, mit dir zusammen zu leben, zu arbeiten und ein Leben hier auf der Erde unter deiner Regie zu führen.
Wir wollen dich bitten, dass du uns hilfst, die richtige Perspektive dafür zu bekommen. Nicht eine menschliche Sache daraus zu machen, die von Leistung und Lohn oder von zusätzlichen Geboten geprägt ist, die wir uns selbst aufbürden. Sondern von einem Leben in echter Freiheit, einem Leben unter deiner Einleitung, in deiner Liebe.
Diese Liebe soll Menschen in unserer Umgebung zum Nachdenken bringen. Sie soll uns zufrieden und ausgeglichen machen, selbst wenn wir schwitzen müssen oder Ärger in unserem Alltag erleben. Dabei wissen wir, dass du an unserer Seite stehst.
Ich möchte dich bitten, dass du uns Freude am Christsein gibst. Erinnere uns daran, womit du uns alles beschenkt hast. Hilf uns, trotz Widerstände, Anfechtungen und mancher schlechter oder neidischer Gedanken, die kommen können, wenn wir scheinbar glückliche Nichtchristen um uns herum sehen, standhaft zu bleiben.
Hilf uns, dass du uns dahin durchführst und uns zeigst, wofür du uns eigentlich hier auf der Erde und für alle Ewigkeit berufen hast.
Geh du auch mit uns in den Abend und in die Nacht und gib uns Kraft!