Einführung in die Gliederung des Jakobsbuches
Zuerst zur Gliederung dieser Kapitel: Ich habe bisher noch gar nichts gesagt. Ihr habt ja das Blatt vor euch mit der Gliederung dieser Tolle Dot Jakobs. Dort finden sich viele solcher Markierungen, die wiederum in den Perioden, in der Tolle Dot, vorkommen. Im Text gibt es einige wichtige Stellen.
Kapitel 37, Vers 1: „Jakob wohnte in dem Lande.“
Kapitel 42, Vers 1: „Jakob sah, und Jakob sah, dass in Ägypten Getreide war.“
Kapitel 46, Vers 1: „Israel brach auf und alles, was er hatte.“
Kapitel 47, Vers 27: „Also wohnte Israel im Lande Ägypten.“
Diese Sätze sind immer wiederkehrende Marker, bei denen zuerst Jakob genannt wird, später zweimal Israel. Es gibt jeweils eine Bewegung: Zuerst wohnt er im Lande, dann schickt er die Brüder (Kapitel 42), dann bricht er auf (Kapitel 46, Vers 1), und schließlich wohnt er im Lande Ägypten (Kapitel 47, Vers 27). Diese Stellen sind wichtige Gliederungspunkte.
Außerdem fällt auf, dass in jedem Abschnitt Juda eine besondere Rolle spielt. Er taucht immer plötzlich auf und steht im Zentrum der Geschichten. In drei Unterabschnitten ist der zentrale Abschnitt immer der, in dem Juda vorkommt.
Die Geschichte wendet sich Jakob zu
Wir sind jetzt in Kapitel 42, und plötzlich wendet sich die Geschichte wieder Jakob zu, weg von Joseph hin zu Jakob. Vergessen wir nicht, dass wir die ganze Geschichte dieses Kapitels aus dem Blickwinkel Jakobs lesen wollen. Er ist letztlich das Thema, um das es hier geht. Er ist der Mann, dessen Familie zerrissen ist.
Jakob sah, dass in Ägypten Getreide zu haben war. Er sprach zu seinen Söhnen: „Was seht ihr einander an? Siehe, ich habe gehört, dass in Ägypten Getreide zu haben ist. Zieht dorthin und kauft uns von dort Getreide, damit wir leben und nicht sterben.“
So zogen zehn Brüder Josephs hinab, um in Ägypten Getreide zu kaufen. Benjamin, den Bruder Josephs, sandte Jakob jedoch nicht mit seinen Brüdern, denn er sagte, es könnte ihm sonst ein Unheil widerfahren.
Denken wir an diesen gebrochenen Mann: Es sind Jahre vergangen, zweiundzwanzig Jahre oder einundzwanzig. Und immer noch hängt er an Benjamin. Benjamin ist inzwischen etwa vierundzwanzig Jahre alt. Er war etwa drei Jahre alt, als Joseph verkauft wurde, und ist jetzt also schon ein erwachsener Mann.
Aber Benjamin wird nicht mitgeschickt, weil Jakob befürchtet, dass ihm etwas zustoßen könnte. Das ist ja dem anderen auch ein Unheil widerfahren, oder? Und jetzt will Jakob ihn so lange wie möglich beschützen.
Die Brüder in Ägypten und Josephs erste Reaktion
So kamen die Söhne Israels – hier merken wir wieder, dass der Name Israel und nicht Jakob verwendet wird – um Getreide zu kaufen. Sie kamen zusammen mit anderen, die ebenfalls kamen, denn im Land Kanaan herrschte Hungersnot.
Joseph war der Gebieter über das Land. Er verkaufte das Getreide an das ganze Volk des Landes. Die Brüder Josephs kamen und verbeugten sich vor ihm mit dem Angesicht zur Erde. Jetzt geht der Traum in Erfüllung.
Dies sind die zweiten kritischen Minuten im Leben Josephs, die zweiten entscheidenden Momente, auf die er lange gewartet hat. Was hätte ich getan? Was hättest du getan? Jetzt bekommt er es zurück.
Joseph sah seine Brüder, erkannte sie, stellte sich jedoch fremd und redete hart mit ihnen: „Woher kommt ihr?“ – „Aus dem Land Kanaan, um Speise zu kaufen.“ Doch sie erkannten ihn nicht.
In Vers 9 heißt es: „Und Joseph dachte an die Träume, die er von ihnen geträumt hatte, und sprach zu ihnen: Ihr seid Kundschafter.“ Wie hängt dieser Satz zusammen? Warum sagt er das, weil er an die Träume dachte? Er dachte an die Träume und sagte: „Ihr seid Kundschafter.“
Wie hängt der Traum mit der Behauptung zusammen? Das ist Joseph jetzt: „Ihr seid Kundschafter.“ Das ist eine interessante Formulierung, oder? Er dachte an die Träume und sagte: „Ihr seid Kundschafter.“
Warum gibt er sich ihnen nicht zu erkennen? Warum sagt er nicht: „Brüder, ich bin Joseph, den ihr verkauft habt“? Warum sagt er das nicht? Das war nicht der Grund. Sie sollten ihn nicht hassen. Er wartete weit, bis auch der Vater da war.
Er sagt es nicht, um sie nur zu beschuldigen oder auszuschimpfen, damit die Familie in Ordnung kommt. Was ist die Bedingung dafür, dass die Familienordnung wiederhergestellt wird? Dass sie sich empfehlen.
Sie schulden niemandem etwas. Sie sollten sich niederbeugen, so wie es im Volk auch üblich war. Nun, sie haben sich verbeugt, oder? Haben sie sich verbeugt? Ja, nicht wahr. Und sie haben sich vor sechs Personen verbeugt? Ja, mit dem Herzen, nicht nur oberflächlich.
Eins ist klar: Es gibt keine Vergebung ohne Buße. Es gibt keine Vergebung ohne Buße.
Die Brüder behaupten ihre Ehrlichkeit
Sie sagen also, vielleicht wart ihr busfertig. Na ja, schauen wir, ob ihr tatsächlich busfertig wart.
Wer seid ihr?
Ja, wir sind redliche Leute. So.
Aus welchem Land kommt ihr? Wo waren wir? Vers 9 war das.
Ihr seid kundschaftlich, ihr seid gekommen, um zu sehen, wo das Land offen ist.
Sie antworteten:
Nein, mein Herr, deine Knechte sind gekommen, Speise zu kaufen. Wir sind alle eines Mannes Söhne, wir sind redlich, deine Knechte sind niemals kundschaftlich gewesen.
Er sprach zu ihnen:
Nein, sondern ihr seid gekommen, zu sehen, wo das Land offen ist.
Sie sprachen:
Wir, deine Knechte, sind zwölf Brüder, eines Mannes Söhne im Lande Kanaan. Und siehe, der Jüngste ist heute bei unserem Vater, und einer ist nicht mehr.
Da sprach Joseph zu ihnen:
Das ist es, was ich euch gesagt habe: Kundschaft auf der Seite. Daran sollt ihr geprüft werden beim Leben Pharaos. Ihr sollt nicht von hier wegkommen, es sei denn, euer jüngster Bruder kommt hierher. Sendet von euch einen hin, dass euer Bruder herhole. Ihr aber sollt in Haft bleiben. So sollen eure Worte geprüft werden.
Haben sie gelogen? Haben sie gelogen?
Sie haben doch alles brav gesagt: Wir sind zwölf Söhne eines Vaters, der Jüngste ist beim Vater, und einer ist nicht mehr.
Bitte?
Sie haben 22 Jahre lang eine Lüge geglaubt, und jetzt glauben sie wirklich selbst daran. Eine Lüge ist erzählt, und jetzt glauben sie selbst daran. Ja, ja, klar, sehr klar.
Einmal die Lüge angefangen, setzen sie sie vor jeden, der uns fragt. Ist ja klar: Wir sind redliche Leute, redliche Leute. Durch und durch ehrlich.
Und jetzt fokussiert Joseph seine ganze Macht auf diese eine Behauptung: Wir sind ehrliche Leute. Verstehen wir das? Das wird jetzt geprüft, diese eine Aussage: Wir sind ehrliche Leute. Eure Worte sollen geprüft werden.
Vers 15: Drei Tage ins Gefängnis.
Prüfung der Brüder und die Forderung nach Benjamin
Am dritten Tag sprach Joseph zu ihnen: „Wenn ihr am Leben bleiben wollt, sollt ihr folgendes tun: Ich fürchte Gott. Seid ihr redlich und ehrlich, dann lasst einen eurer Brüder gebunden im Hause zurück, wo er bewacht wird. Ihr aber zieht hin und bringt Getreide für den Hunger eurer Häuser. Und euren jüngsten Bruder sollt ihr zu mir bringen. So werden sich eure Worte als wahr erweisen. Ich möchte sehen, ob ihr ehrliche Leute seid.“
Es geht um diese eine Frage: „Und euren jüngsten Bruder sollt ihr zu mir bringen, so werden sich eure Worte als wahr erweisen und ihr werdet nicht sterben.“ Nun reden sie untereinander, aber sie wissen nicht, dass Joseph versteht, was sie sagen.
Sie sprechen: „Wir sind schuldig wegen unseres Bruders.“ Einerseits sagen sie: „Wir sind ehrlich, ihr Leute.“ So verhielten sie sich gegenüber diesen Fremden. Doch sie merken, dass ihr Gewissen seit 22 Jahren belastet ist. Ein schlechtes Gewissen war da. „Wir sind schuldig wegen unseres Bruders, denn wir sahen die Angst seiner Seele, als er uns anflehte, und wir hörten nicht auf ihn. Darum ist diese Bedrängnis über uns gekommen.“
Sie wissen, dass es einen Gott gibt, und sie haben ein Gewissen, wie jeder Mensch. Jetzt merken sie: „Jetzt kommen wir in die Enge.“ Das hat vielleicht mit dem zu tun, dass sie damals ihren Bruder verkauft haben, vor 21 Jahren.
Ruben antwortete und sprach zu ihnen: „Habe ich euch nicht gesagt: Versündigt euch nicht an dem Knaben? Ihr aber habt nicht gehört. Und siehe, nun wird auch sein Blut gefordert.“
Sie wussten nicht, dass Joseph verstand, denn ein Dolmetscher war zwischen ihnen. Er wandte sich von ihnen ab und weinte. Dann wandte er sich wieder zu ihnen und redete mit ihnen. Er nahm Simeon – da haben wir es, oder? Nicht Ruben, sondern Simeon wurde aus ihrer Mitte genommen und vor ihren Augen gebunden, der Zweitälteste.
Der Älteste, das muss für Joseph sehr bewegend gewesen sein. Ruben hätte ihn befreien wollen. Also kommt Simeon als Gefangener.
Joseph befahl, dass man ihre Säcke mit Getreide fülle. Es heißt, er weinte. Sein Herz ist bei diesen Brüdern, und er hätte ihnen sehr gerne gesagt: „Brüder, ich habe euch vergeben, und ich möchte, dass alles wieder gut wird.“ Aber er kann nicht. Es ist nicht wirklich echte Buße, denn sie hängen an ihrer Lüge. Das wusste er. Sie haben 21 Jahre lang gelogen.
Es gibt keine Vergebung ohne Buße. Wie soll er ihnen Vergebung zusprechen, wenn sie nicht wirklich ihre Schuld zugeben? Das ist auch beim Evangelium so. Wenn Jesus für alle Menschen gestorben ist, warum vergibt Gott dann nicht einfach so? Gottes Herz blutet, wenn er die Menschen sieht. Er möchte jeden retten.
Der Herr Jesus ist doch gestorben, warum vergibt Gott nicht einfach? Warum sagt er nicht: „Hallo, kommt alle zu mir, seid alle erlöst, ich habe für euch alle gesühnt“? Es geht nicht. Gott kann nicht. Er würde liebend gerne sagen: „Alle Leute, kommt her, ich habe euch allen vergeben.“ Aber ohne Buße keine Vergebung.
Es geht hier nicht um Bitterkeit im Herzen. Josef hat keine Bitterkeit. Im Herzen hat er überhaupt kein Problem, aber er kann ihnen nicht sagen: „Leute, Brüder, ich habe euch vergeben.“ Es geht nicht.
Zur Zeit Noahs waren die Menschen sehr sündig. Warum hat Gott ihnen nicht vergeben? Warum war er so hart mit der Flut? Es geht nicht. Man kann nicht sagen: „Ich vergebe euch, Leute“, wenn keine Buße vorhanden ist. Die Botschaft würde nur bedeuten, es war nicht so schlimm. Es ist nicht so schlimm, oder? Gott vergibt ja ohnehin. Es geht nicht.
Dann befiehlt Joseph, dass man ihre Säcke mit Getreide fülle. Sie beladen ihre Esel und ziehen davon. In der Herberge merkt einer, dass das Geld wieder oben im Sack liegt.
In Vers 28 spricht Joseph zu seinen Brüdern: „Mein Geld ist mir wieder geworden, ist wieder zurückgekommen, und siehe, es ist in meinem Sack.“ Da entfiel ihnen der Mut. Im Hebräischen heißt es: „Da ging ihr Herz heraus.“ Das ist eine plastische hebräische Sprache. Da ging ihr Herz heraus, und sie erzitterten.
Jeder sprach zu seinem Bruder. Sie zitterten untereinander und fragten: „Was hat uns Gott da angetan?“ Sie wissen es genau: Gott steht dahinter.
Rückkehr zum Vater und Jakobs Sorge
Sie kommen heim zu ihrem Vater Jakob im Land Kanaan und berichten ihm alles, was ihnen begegnet ist. Der Vater steht im Zentrum – vergessen wir das nicht. Es geht um den Vater. Alles wird ihm berichtet.
Sie sagen, dass sie sprechen und dass der Herr dieses Landes sehr streng war. Wir sagten zu ihm (Vers 31): „Wir sind ehrlich, Papa, wir sind doch ehrlich, oder? Wir sind keine Kundschafter, sondern zwölf Brüder, Söhne unseres Vaters. Einer von uns ist nicht mehr. Der Jüngste ist heute bei unserem Vater im Land Kanaan.“ So haben wir dem Mann ganz brav gesagt, wie wir es dir auch immer wieder gesagt haben.
Der Mann, der Herr des Landes, sprach zu uns: „Ich will erkennen, ob ihr ehrlich seid. Einen eurer Brüder lasst bei mir und nehmt den Hungerbedarf eurer Häuser mit. Zieht hin und bringt euren jüngsten Bruder zu mir, dann werde ich erkennen, dass ihr nicht kundschaftlich seid, sondern ehrlich.“ Merkt ihr, wie oft das betont wird? Es geht um diese eine Frage.
„Dann werde ich euren Bruder freigeben usw.“ (Vers 35) Als sie ihre Säcke ausschütteten, siehe, da hatte jeder seinen Beutel mit Geld in seinem Sack. Sie und ihr Vater sahen die Beutel mit ihrem Geld, und sie fürchteten sich.
Was wird jetzt in Ägypten geschehen? Können wir wieder nach Ägypten kommen, wenn wir dort als Diebe erscheinen, als unredliche Leute, die nicht bezahlt haben? Wir sind doch redlich, ehrliche Leute! Und jetzt bekommen die Leute in Ägypten den Eindruck, wir seien unehrlich?
Da sprach Jakob, ihr Vater, zu ihnen: „Ihr macht mich kinderlos, ihr beraubt mich meiner Kinder. Joseph ist nicht mehr, Simeon ist nicht mehr, und Benjamin wollt ihr auch wegnehmen.“ Alles geht über mich, oder? Das alles ist über mich gekommen, alles ist gegen mich.
Jakob ahnt es: Er verliert nach und nach seine Familie. Und er ahnt noch etwas: Diesen Söhnen kann ich nicht trauen. Nun meint Jakob, alles arbeitet gegen ihn. Aber was ist die Wahrheit? Eigentlich arbeitet alles für ihn – er weiß es nur noch nicht.
Gott hat hinter den Kulissen schon lange angefangen, für Jakob zu arbeiten. Und wie arbeitet Gott für Jakob? Jakob meint, alles arbeitet gegen ihn. So sind wir auch manchmal. Wir meinen, alles arbeitet gegen uns. In Wirklichkeit ist Gott längst unterwegs, um für uns zu arbeiten.
Denn zur Bewahrung und Vermehrung des Samens Jakobs hat Gott hier schon etwas getan, damit die Verheißung in Erfüllung geht – der Segen für die ganze Welt. Außerdem arbeitet Gott weiter an der Heiligung Jakobs und an seinem Herzen.
Rubens Versprechen und Jakobs Schmerz
Und jetzt kommt Ruben. Ruben denkt, als Erstgeborener müsse er jetzt Verantwortung übernehmen, oder?
Ruben antwortete seinem Vater und sprach: „Wenn ich ihn dir nicht zurückbringe, so magst du meine zwei Söhne töten. Gib mir deine Hand, ich werde ihn dir zurückbringen.“ Er sprach: „Mein Sohn soll nicht mit euch hinabziehen.“
Ruben, gerade du, gerade du machst den Mund auf. Von Ruben ist nichts zu erwarten. Er hat das Vertrauen des Vaters verloren, und er hat ja auch alles dafür getan. Nein, niemals, Ruben, niemals! Mein Sohn soll nicht mit euch hinabziehen, denn sein Bruder ist tot und er allein ist übrig geblieben. Sollte ihm auf dem Wege, den ihr reist, ein Unheil widerfahren, würde ihr mein ganzes, mein graues Haar mit Kummer in den Schuh bringen.
Welcher Schmerz dieses Vaters kommt hier zum Ausdruck! Wie sehr hängt er an seinem Benjamin! Er wusste doch eigentlich gar nicht, dass seine Brüder jetzt schon zwanzig Jahre in einer Angelegenheit leben. Das wollte er eben herausfinden.
An der Aussage „Wir sind redliche Leute“ und dem Hinweis, dass einer einfach weg ist, merkt er: Aha, da wurde nie etwas geklärt. Und er möchte noch weiter herausfinden. Er will herausfinden, wo das Herz dieser Brüder ist.
Joseph ist jetzt gezwungen, die Brüder durch diese Seelennot gehen zu lassen. Er muss sie zu einem Punkt bringen, an dem er merkt, dass sie anders geworden sind, dass sie nicht die gleichen sind wie vorher.
Aber so wie sie dann gekommen sind und auf ihre Ehrlichkeit pochen, gibt es keine Basis für Vergebung. Also gehen wir mal weiter.
Die Hungersnot und Jakobs Loslassen
Die Hungersnot war schwer im Land (Vers 1, Kapitel 43). Jakob klammert sich an das Letzte, was er noch hat: Benjamin. Er wird jedoch dasselbe tun müssen wie Abraham. Jakob wird lernen müssen, das Letzte loszulassen, was er besitzt. Das ist Gottes Lektion an Jakob. Er wird lernen müssen, seinen geliebten Benjamin aufzugeben, sodass er nur noch Gott hat – nur noch Gott.
Doch dieser Jakob durchlebt schwere, schwere Leiden. Als das Getreide, das sie aus Ägypten mitgebracht hatten, aufgegessen war, sprach ihr Vater zu ihnen: „Zieht wieder hin und kauft uns ein wenig Speise!“ Da antwortete ihm Juda, nicht Ruben. Nun kommt Juda ins Spiel. Er sagt: „Der Mann hat uns ernstlich bezeugt und gesagt, ihr sollt sein Angesicht nicht sehen, es sei denn, euer Bruder ist mit euch. Wenn du bereit bist, unseren Bruder mit uns zu senden, ziehen wir hinab und kaufen dir zu essen. Wenn du aber nicht bereit bist, ihn zu senden, ziehen wir nicht hinab, denn der Mann hat uns gesagt, ihr sollt sein Angesicht nicht sehen, es sei denn, euer Bruder ist mit euch.“
Israel, der jetzt so genannt wird, sprach: „Warum habt ihr mir so übel getan, dass ihr dem Mann sagtet, dass ihr noch einen Bruder habt? Hättet ihr nicht ein bisschen lügen können?“ Sie antworteten: „Der Mann erkundigte sich so genau nach uns und unserer Verwandtschaft. Er fragte: ‚Lebt euer Vater noch? Habt ihr noch einen Bruder?‘ Da gaben wir ihm Auskunft, wie er uns fragte. Konnten wir denn wissen, dass er sagen würde: ‚Bringt einen Bruder mit herab‘?“
Da sprach Juda zu Israel, seinem Vater – und es ist bemerkenswert, dass hier Juda und Israel in einer Zeile genannt werden: „Gib mir den Knaben mit, und wir wollen uns aufmachen und hinziehen, damit wir leben und nicht sterben, wir und du und unsere kleinen Kinder. Ich will für ihn bürgen. Von meiner Hand sollst du ihn fordern. Wenn ich ihn dir nicht zurückbringe und vor dein Angesicht stelle, will ich mein Leben lang die Schuld tragen.“
Juda setzt sich nun ein, und er weiß, was er tut. Ruben hat nichts zu sagen. Juda ist ein Mann, der seine Frau verloren hat, sein erstes und zweites Kind verloren hat und nur noch ein Kind und die Zwillinge hat. Er sagt: „Ich will mein Leben lang die Schuld tragen, Vater.“ Der Vater wird weich, doch es ist Juda, der vor ihm steht – ein Juda, der einiges durchgemacht hat, der zur Familie zurückgekehrt ist und sich seiner Schuld gestellt hat, inklusive des Traumas. Juda gewinnt wieder etwas Vertrauen von seinem Vater.
„Ja, wenn wir nicht gezögert hätten, wären wir schon zweimal zurückgekehrt“, sprach Israel, ihr Vater, zu ihnen. „Muss es denn so sein? So tut dies: Nehmt von den besten Früchten des Landes in eure Säcke und bringt sie dem Mann als Geschenk hinab – ein wenig Balsam, ein wenig Honig, Tragant, Ladan, Pistazien und Mandeln.“ Das ist irgendwie nett von Jakob. Er denkt sich ein paar Nüsse und Honig aus, vielleicht als Geschenk, damit der Großvizier von Ägypten umgestimmt werden kann.
Juda übernimmt Verantwortung. Hauptsein heißt, das Haupt hinzuhalten und sich anzubieten. „Ich bin bereit, Vater, ich bin bereit, die ganze Verantwortung zu übernehmen.“ Juda ist der Viertgeborene, der von Lea. Nicht der Erstgeborene, Simeon oder Levi, die auch kein Vertrauen vom Vater haben. Doch Juda lernt hier, Verantwortung zu tragen und sein Leben einzusetzen. Wie hat Gott Juda schon verändert! Da ist etwas in diesem Mann geschehen. Diese Hingabe Judas ermutigt Jakob zum Loslassen von Benjamin.
Vers 12: „Nehmt doppelt so viel Geld in eure Hand und bringt das Geld, das oben in eure Säcke zurückgekommen ist – ihr sollt ja beweisen, dass ihr redliche Leute seid – in eure Hand zurück. Vielleicht war es ein Irrtum. Nehmt euren Bruder und macht euch auf und kehrt zu dem Mann zurück. Aber El Shaddai gebe euch Barmherzigkeit vor dem Mann, damit er euch und euren anderen Bruder und Benjamin freilässt.“
Jakob denkt an El Shaddai. „Ach, ich, wie ich der Kinder beraubt bin, bin ich der Kinder beraubt.“ Er liebt El Shaddai. Gott ist mächtig, und er ergibt sich in den Willen von El Shaddai. Wenn er der Kinder beraubt wird, dann ist er der Kinder beraubt. Jetzt ist er bereit, alles zu verlieren. Wenn El Shaddai es so führt, dass er alle seine Kinder verliert, will er sich diesem Los fügen, das Gott ihm gegeben hat. El Shaddai ist mächtig und allmächtig. Sein Vertrauen ruht auf ihm.
Jakob weiß nicht, dass das Loslassen von Benjamin gerade dazu dient, dass die Familie wieder zusammengeführt wird. Oh, wenn er das gewusst hätte! Oft ist es bei uns genauso: Wir wissen nicht, dass gerade ein Verzicht, ein Opfer oder ein Loslassen genau die Lösung für das Problem ist. Loslassen – Gott hat einen viel besseren Überblick, auch wenn aller Schein dagegen spricht.
Die Rückkehr nach Ägypten mit Benjamin
Nun, Vers 15: Die Männer nahmen das Geschenk und doppelt so viel Geld mit sich, außerdem Benjamin, und machten sich auf den Weg, um nach Ägypten hinabzuziehen. Dort traten sie vor Joseph.
Als Joseph Benjamin bei ihnen sah, sprach er zu seinem Hausverwalter: „Führe diese Männer ins Haus, schlachte Schlachtvieh und bereite ein Mahl zu, denn die Männer sollen mit mir zu Mittag essen.“
Inzwischen waren wirklich zweiundzwanzig Jahre vergangen. Jetzt stand bereits das dritte Jahr der Hungersnot bevor. Es sind also 22 Jahre vergangen, und nun sieht Joseph seinen geliebten Bruder Benjamin wieder. Benjamin ist inzwischen 25 Jahre alt.
Vers 18: Da fürchteten sich die Männer sehr, als sie in Josephs Haus geführt wurden. Sie sprachen zueinander: „Wegen des Geldes, das beim letzten Mal wieder in unsere Säcke gelegt wurde, werden wir hier hereingeführt, damit man sich über uns stürze, uns überfalle und uns und unsere Esel zu Sklaven mache.“ Die ägyptische Sklaverei galt als das Schlimmste, was einem widerfahren konnte.
„Es gibt nichts Schlimmeres, als Sklave in Ägypten zu sein“, sagten sie. Doch was hatten sie damals mit Joseph gemacht? Dieses grausame Grauen sitzt tief in ihnen – die Angst, nach Ägypten als Sklave verkauft zu werden.
Sie traten zu dem Hausverwalter Josephs und sprachen vor dem Eingang des Hauses: „Bitte, mein Herr, wir sind schon einmal herabgezogen, um Speise zu kaufen. Als wir in der Herberge unsere Säcke öffneten, siehe, da war in jedem Sack Geld, unser Geld nach seinem vollen Gewicht. Hier bringen wir es dir zurück. Wir sind doch ehrliche Leute.“
„Wir haben auch noch anderes Geld mitgebracht, um Speise zu kaufen. Wir wissen nicht, wer uns das Geld in unsere Säcke gelegt hat.“
Joseph antwortete ihnen: „Friede euch! Fürchtet euch nicht! Euer Gott und der Gott eures Vaters hat euch einen Schatz in eure Säcke gegeben. Euer Geld habe ich erhalten.“
Dann führte er Simeon zu ihnen. Es gab also ein Wiedersehen mit Simeon, der ein ganzes Jahr lang von der Familie getrennt war.
Der Hausverwalter führte die Männer in Josefs Haus, gab ihnen Wasser, damit sie ihre Füße wuschen, und gab ihren Eseln Futter. Die Männer bereiteten das Geschenk vor, bis Josef zur Mittagszeit kam, denn sie hatten gehört, dass sie dort essen sollten.
Als Josef ins Haus kam, brachten sie ihm das Geschenk, das sie mitgebracht hatten, und verneigten sich vor ihm zur Erde.
Dann begann Josef, nach dem Vater zu fragen. Die Betonung liegt darauf, wie es dem Vater wohl geht. Immer wieder wird gefragt: „Wie geht es dem Vater?“ Das wird hier stark betont und wird noch öfter zu lesen sein. Es zeigt, wie sehr sie lernen, sich um den Vater zu kümmern.
„Geht es dem Vater wohl? Was fühlt der Vater? Was hat der Vater für Empfindungen? Lebt er noch?“ Sie antworteten: „Unserem Vater geht es gut, er lebt noch.“ Dann verbeugten sie sich vor Josef.
Er hob seine Augen auf und sah seinen Bruder Benjamin. Ach, wie hätte er ihn jetzt gern umarmt und mit ihm geweint! Doch er durfte nicht, er konnte nicht.
„Ist das euer jüngster Bruder, vor dem ihr mir gesagt habt: ‚Gott sei dir gnädig, mein Sohn‘?“ Jetzt musste Josef schneller hinauslaufen, denn die Tränen kamen.
Sein Herz entbrannte über seinen Bruder. Er suchte einen Ort, wo er weinen konnte, und ging in sein Gemach. Dort weinte er. Danach wusch er sein Angesicht und ging wieder hinaus.
Doch es gab immer noch keine Anzeichen von Reue. Er konnte sich ihnen nicht offenbaren, es war nicht möglich.
Dann gab es ein großes Mahl, ein mächtiges Essen. Die Ägypter durften nicht dabei sein. In Vers 32 heißt es, die Ägypter durften nicht mit den Hebräern essen, denn es war für die Ägypter ein Gräuel, also ein Tabu.
Sie saßen sich gegenüber, der Erstgeborene nach seiner Erstgeburt und der Jüngste nach seiner Jugend, und sie wunderten sich.
Dann wurde das Essen aufgetragen, und Benjamin erhielt eine Ehrenportion.
Die Prüfung mit dem silbernen Becher
Kapitel 44
Und Joseph befahl seinem Hausverwalter: „Fülle den Männern ihre Säcke. Und das Geld soll daraufgelegt werden. Meinen silbernen Becher aber lege in den Sack des Jüngsten.“
Was macht Josef hier? Was soll das? Es ist ganz, ganz durchdacht und sehr wichtig für die Brüder, was jetzt kommt – sehr, sehr wichtig. Josef tut dies aus Liebe zu den Brüdern.
Also, der Becher kommt in den Sack.
Am nächsten Morgen werden die Männer entlassen. Sie ziehen aus der Stadt hinaus, und sobald sie draußen sind, schickt Josef den Hausverwalter nach mit den Worten: „Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten? Ist es nicht der Kelch, aus dem mein Herr trinkt, mit dem er weiß, dass ihr Böses getan habt?“
Er jagt ihnen also nach.
Sie antworteten ihm in Vers 7: „Warum redet mein Herr solche Worte? Ferne sei es von deinen Knechten, so etwas zu tun. Wir sind doch ehrliche Leute, ehrliche Leute! Siehe, das Geld, das wir oben in unseren Säcken fanden, haben wir aus dem Land Kanaan zurückgebracht. Wir haben bewiesen, dass wir ehrliche Leute sind. Wie sollten wir da aus dem Hause deines Herrn Silber und Gold gestohlen haben? Aber bei welchem von deinen Knechten es gefunden wird, der soll sterben!“
Das haben wir schon einmal gelesen – sowas. Könnt ihr euch erinnern? Die Kinder lernen vom Vater. Ich denke, das ist so, um ihnen zu zeigen, dass die Ägypter wahrscheinlich ihre Wahrsagekelche haben. Und das ist natürlich alles gestellt, oder? Josef hat nicht wirklich gewarnt, aber es soll jetzt gestellt werden, die ganze Sache. Es soll ja noch nicht herauskommen.
Ich denke, dass es so zu verstehen ist, wie ein ägyptischer großer Wesir vielleicht seine Wahrsagekelche hat.
„Bei welchem von deinen Knechten es gefunden wird, der soll sterben, und auch wir sollen meinem Herrn zu Sklaven werden.“ Er sprach nun: „Wie er geredet hat, so soll es sein.“ Er durchsucht dann die Säcke und findet ihn bei Benjamin.
Jetzt ist interessant die Reaktion: In Vers 13 zerrissen sie ihre Kleider. Nicht etwa, dass sie über Benjamin herfielen und sagten: „Wir haben es doch gewusst, der Lieblingssohn des Vaters – geschieht dir Recht, wir verkaufen dich jetzt auch in die Sklaverei.“ Nein, mittlerweile war etwas in den Herzen der Brüder passiert.
Gerade jetzt zerrissen sie ihre Kleider, und jeder belud seinen Esel. Sie kehrten in die Stadt zurück. Auf der ganzen Reise zurück sagte keiner ein Wort.
Und Juda und seine Brüder – es ist interessant, wie das hier steht. Im Hebräischen heißt es: „Und Juda ging und seine Brüder auch.“ Und „Juda ging und seine Brüder ebenfalls in das Haus Josefs.“
Jetzt konzentriert sich alles auf Juda. Kein Vorwurf an Benjamin, nichts. Juda übernimmt die Führung. Hauptsein heißt, das Haupt hinhalten.
Juda und seine Brüder gingen ebenfalls in das Haus Josefs, der noch dort war, und sie fielen vor ihm zur Erde nieder.
Josef sprach zu ihnen: „Was ist das für eine Tat, die ihr da getan habt? Wusstet ihr nicht, dass ein Mann wie ich weissagen kann?“ Das ist natürlich gestellt worden.
Da sprach Juda: „Was sollen wir meinem Herrn sagen? Was sollen wir reden? Was sollen wir als Rechtfertigung vorbringen?“ Keine Rechtfertigung, nichts.
„Wir sind ehrliche Leute? Nein, nein, wir sind keine ehrlichen Leute. Gott hat die Schuld eines Knechtes gefunden. Siehe, da sind wir Sklaven meines Herrn, sowohl wir als auch der, bei dem der Becher gefunden wurde.“
Josef aber sprach: „Ferner sei es von mir, so etwas zu tun! Der Mann, bei dem der Becher gefunden wurde, soll mein Sklave sein. Euer Bruder muss in die ägyptische Sklaverei.“ Sozusagen der Jüngste.
„Ihr zieht hinauf in Frieden zu eurem Vater.“ „In Frieden“ ist gut gesagt. „Zieht hinauf zu eurem Vater in Frieden.“
Da trat Juda zu ihm und sprach: „Bitte, mein Herr, lass deinen Knecht ein Wort reden zu den Ohren meines Herrn. Und dein Zorn entbrenne nicht über deinen Knecht, denn du bist wie der Pharao.“
Mein Herr fragte deine Knechte und sprach: „Habt ihr noch einen Vater?“ Und bitte beachten wir jetzt in dieser ergreifenden Rede Judas: Es geht in fast jedem Vers um den Vater. Beachten wir das.
„Habt ihr noch einen Vater oder Bruder?“
Da antworteten wir meinem Herrn: „Wir haben einen Vater, der ist alt, und einen jungen Knaben, der ihm in seinem Alter geboren wurde. Sein Bruder ist tot, und er allein ist übrig geblieben von seiner Mutter, und sein Vater liebt ihn.“
Juda ist interessiert an den Gefühlen des Vaters.
„Was kümmert mich der Vater?“, hatte er früher gesagt. Jetzt nicht mehr. Sein Vater liebt ihn.
Da sprachst du zu deinen Knechten: „Bringt ihn herab zu mir, ich will ihn mit eigenen Augen sehen.“
Und wir sprachen zu meinem Herrn: „Der Knabe kann seinen Vater nicht verlassen. Verließ er seinen Vater, so würde der sterben.“
Da sprachst du zu deinen Knechten: „Wenn euer jüngster Bruder nicht mit euch herabkommt, sollt ihr mein Angesicht nicht mehr sehen.“
Als wir nun zu deinem Knecht, unserem Vater, hinaufkamen, berichteten wir ihm die Worte meines Herrn.
Dann sprach unser Vater: „Zieht wieder hin und kauft uns ein wenig Speise!“
Wir aber sprachen: „Wir können nicht hinabziehen, nur wenn unser jüngster Bruder mit uns kommt, ziehen wir hinab. Denn wir dürfen das Angesicht des Mannes nicht sehen, wenn unser jüngster Bruder nicht mit uns ist.“
Da sprach dein Knecht, mein Vater, zu uns: „Ihr wisst, dass meine Frau mir zwei Söhne geboren hat. Der eine ging weg von mir, und ich musste sagen, er ist zerrissen worden – ja, zerrissen – und ich habe ihn bisher nicht mehr gesehen. Werdet ihr diesen auch von mir nehmen? Und widerfährt euch mein Unheil, so werdet ihr mein graues Haar mit Kummer in das Totenreich, in den Scheol, bringen.“
Und jetzt, wenn ich zu deinem Knecht, meinem Vater, heimkäme und der Knabe nicht mit uns wäre – der Knabe, an dessen Seele seine Seele hängt –, so wird es geschehen, wenn er sieht, dass der Knabe nicht da ist, dass er stirbt.
Und wir, deine Knechte, würden das graue Haar deines Knechtes, unseres Vaters, mit Kummer in den Scheol hinabbringen. Denn dein Knecht ist Bürge geworden für den Knaben bei meinem Vater, indem ich sprach: ‚Wenn ich ihn dir nicht zurückbringe, will ich vor meinem Vater mein Leben lang die Schuld tragen.‘
Und nun möge doch mein Knecht anstelle des Knaben hierbleiben. Möge doch dein Knecht, also ich, anstelle des Knaben hierbleiben – als Sklave für meinen Herrn – und möge der Knabe mit seinen Brüdern hinaufziehen.
Wie sollte ich zu meinem Vater hinaufziehen, wenn der Knabe nicht mit mir ist? Ich müsste das Leid ansehen, das meinen Vater treffen würde.“
Juda spricht stellvertretend für alle Brüder. Da steht Ruben mit hängendem Kopf, da steht Simeon, da steht Levi, und bringt kein Wort heraus. Aber Juda spricht.
Juda sagt: Lieber gehe ich in die ägyptische Sklaverei, als dass mein Vater noch einmal so einen Schlag erleidet. So einen Schlag, dass er seinen geliebten Sohn verliert. Das würde der Vater nicht überleben.
Wir merken, was hier mit Juda passiert: Ganz anders als früher. Früher hat er gesagt, Kapitel 37: „Ja, verkaufen wir Joseph in die ägyptische Sklaverei, dann haben wir ein bisschen Gewinn davon. Was kümmert uns der Vater?“
Jetzt weiß er eins: Er hat gesehen, wie der Vater 22 Jahre lang gelitten hat. Wie er Leid getragen hat um Joseph, wie er ein gebeugter, gebrochener Mann geworden ist.
Und er weiß, so einen zweiten Schlag überlebt er nicht mehr. Wie sehr kümmert ihn der Schmerz seines Vaters.
Die Züchtigung im Leben Judas und die Veränderung in seinem Leben sind gewaltig.
Er ist bereit, in die ägyptische Sklaverei zu gehen anstelle von Benjamin. Lieber ägyptische Sklaverei, als das Leid sehen zu müssen, das seinen Vater treffen würde.
Nie mehr, nie mehr darf so etwas wieder passieren, nie mehr!
Er ist bereit, stellvertretend zu leiden, damit der Vater seinen Sohn wiederbekommt, damit der Vater alle seine Söhne hat.
Hier erleben wir echte Buße. Nie mehr soll so etwas geschehen, nie mehr! Jetzt kann...
Joseph offenbart sich und die Versöhnung beginnt
Jetzt kann Joseph sich nicht mehr zurückhalten, das ist klar. Vor allen, die um ihn herumstanden, konnte Joseph sich nicht mehr bezwingen. Er rief: „Lasst jedermann von mir hinausgehen!“ Und kein Mensch blieb bei ihm, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab.
Er weinte laut, sodass es die Ägypter und das Haus des Pharaos hörten. Dann sprach er zu seinen Brüdern: „Ich bin Joseph! Lebt mein Vater noch?“
Jetzt bringt niemand mehr ein Wort heraus. Die Brüder treten zurück, offensichtlich erschüttert. Joseph sagt zu ihnen: „Tretet her, tretet doch her zu mir!“
Was wir hier sehen, ist, dass Juda die Verantwortung übernimmt. Juda ist bereit, stellvertretend zu leiden. Er zeigt auch, dass sie alle letztlich zusammenstehen. Hier spricht Juda für alle. Nun ist Versöhnung möglich.
Die Familie wird geeint, indem sie nachempfinden, welchen Schmerz der Vater erlitten hat, als er damals seinen einzigen und geliebten Sohn verloren hatte, in den er all seine Hoffnung gesetzt hatte. Und wir sollen wissen: Es geht ja um den Vater.
Der Schmerz des himmlischen Vaters und die große Heilsgeschichte
Und vergessen wir nicht, dass das Buch Genesis von einem Vater spricht, der seine Söhne verloren hat. In den ersten Kapiteln des Buches erinnern wir uns an den Schmerz Gottes, als er sieht, dass er zuerst Adam verloren hat. Und dann hat er alles verloren. Es heißt in 1. Mose 6,6: „Es schmerzte ihn in sein Herz hinein.“
Wir haben das fast überlesen, als wir das gelesen haben. In 1. Mose 6,6 – was hat denn der Vater, der himmlische Vater, erduldet, als er den Menschen, den er gemacht hatte, auf der Erde anschaut und sieht, wie er von Sünde entstellt und von Sünde erfüllt ist? Es reute Jahwe, dass er den Menschen auf der Erde gemacht hatte, und es schmerzte ihn in sein Herz hinein (1. Mose 6,6).
In dieser Rede von Judah sehen wir, wie sie jetzt lernen, an den Schmerz des Vaters zu denken. Das steht im Zentrum – das ist der große Tod Jakobs. Wie kann die Familie Jakob wieder vereint werden? Indem die Brüder erkennen, welchen Schmerz ein Vater erlebt, der seinen Sohn verliert. Und sie sind schuldig, sie haben es verschuldet, und Judah zuerst.
Oft lesen wir das in der Bibel: Judah zuerst. So wie er vorangegangen ist in der Sünde, wird er später dann auch in der Versöhnung vorangehen. Später heißt es oft wieder „Judah zuerst“. Im Buch der Richter lesen wir ebenfalls „Judah zuerst“. Judah übernimmt die Führung.
Und wenn der Vater dann gebracht werden soll, um Joseph zu sehen, heißt es „Judah zuerst“. In Kapitel 46, Vers 28 bekommt Judah die Aufgabe, den Vater zu Joseph zu führen. Dort heißt es: „Er sandte Judah vor sich hin zu Joseph, um sie nach Goschen zu weisen“ (1. Mose 46,28). Judah wird der Führer, der den Vater dem Sohn entgegenführt, dem Joseph entgegenführt.
Wie kann Gottes Volk geeint werden? Indem der Schmerz des Vaters erkannt wird. Was hat der himmlische Vater erlitten, als er seinen einzigen Sohn hingab auf Golgatha? Wie empfinde ich darüber, dass der himmlische Vater seinen Sohn, den einzigen Geliebten, hingegeben hat? Was empfand er, als er seine Menschensöhne verlor? Verlorene Söhne.
Was empfand der Vater, als er Israel, den erstgeborenen Sohn, verlor? Israel ist der erstgeborene Sohn. Das Volk Israel gilt später als der erstgeborene Sohn Gottes. In 2. Mose 4,22 lesen wir: „Israel ist mein erstgeborener Sohn.“
Was hat der Vater für den Schmerz erdulden müssen, als er wieder seine Söhne und Töchter verloren hat? „Israel ist mein erstgeborener Sohn“ – so wiederholt sich in der Geschichte, was im Kleinen hier in der Familie Jakob passiert.
Bevor wir schließen, möchte ich noch auf eine Stelle eingehen: In 5. Mose 32 ist das berühmte Lied des Mose, und dort sieht man auch ein wenig in das Herz Gottes hinein.
Bleiben wir bei diesem Gedanken: Was empfindet der Vater?
5. Mose 32,5: „Es versündigte sich gegen ihn eine verkehrte und verdrehte Generation, ein verkehrtes, verdrehtes Geschlecht, nicht seine Kinder. Ihr eigener Schandfleck, natürlich waren sie seine Kinder, aber entstellt sind sie geworden.“
„Nicht seine Kinder, ihr eigener Schandfleck. Wollt ihr so dem Herrn vergelten? Törichtes und unweises Volk! Ist er nicht dein Vater, der dich geschaffen hat? Er hat dich gemacht und dich bereitet.“
„Denk an die Tage der Vorzeit, gebt Acht auf die Jahre von Generation zu Generation. Frag deinen Vater, frag deinen Vater.“
Oder weiter unten, Vers 18: „Den Felsen, der dich gezeugt hat, den hast du getäuscht und hast vergessen den Gott, der dich geboren hat.“
Und Jahwe sah es und verwarf sie aus Unwillen über seine Söhne und seine Töchter, und er sprach: „Ich will mein Angesicht vor ihnen verbergen. Ich will sehen, was ihr Ende ist; denn ein Geschlecht voller Verkehrtheit sind sie, eine ungläubige Generation, Kinder, in denen kein Glaube ist.“
Hat der Herr Jesus nicht auch so geredet? Von einer „ungläubigen und verkehrten Generation, in der kein Glaube ist“?
In Lukas 9 sehen wir den Herrn Jesus. Warum kam Jesus zu Israel?
Lukas 9,41: Jesus antwortete und sprach: „O ungläubige und verkehrte Nation, verkehrtes Geschlecht!“
Was ist der Zusammenhang in Lukas 9?
Dort oben war der Herr Jesus am Berg mit den Jüngern, Vers 35. Es geschah eine Stimme aus der Wolke, die sagte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört.“
Dann geht Jesus vom Berg herunter. Dort steht ein Vater und sagt: „Schau, dieser ist mein geliebter Sohn, mein Einziger“ (Vers 38).
Die Jünger hören noch die Stimme Gottes: „Dieser ist mein geliebter Sohn“, und dann sehen sie einen Vater mit seinem geliebten Sohn.
Plötzlich ergreift ein Geist den Sohn, und er schreit, zerrt ihn unter Schäumen, und kaum lässt er von ihm ab. Er reißt ihn zu Boden.
Der Vater sagt: „Ich bat deine Jünger, dass sie ihn austreiben, aber sie konnten es nicht.“
Jesus antwortete: „O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, bis wann soll ich bei euch sein und euch ertragen? Bring deinen Sohn her!“
Doch noch während der Vater den Sohn herbeibringt, wirft der Dämon ihn nieder und zerrt ihn zusammen.
Jesus aber bedrohte den unreinen Geist, heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater zurück.
Da war ein Vater in Israel, der hatte einen lieben Sohn. Wie sehr schätzte er diesen Sohn, wie liebte er ihn! Er hatte nur diesen einen Sohn.
Er ist groß geworden, und der Vater hat jede Entwicklungsstufe miterlebt und sich hineingefühlt. Es war sein Einziger, sein Alles.
Doch dann wurde dieser Sohn entstellt, das Gesicht verzerrt, Schaum kommt aus dem Mund, und er wird zu Boden geworfen. Man muss aufpassen, dass er nicht ins Feuer oder ins Wasser fällt. Man muss ihn gerade noch herausziehen, damit er nicht stirbt.
Da hat der Vater einen entstellten Sohn, mit dem er nicht mehr reden kann, der ihm nichts mehr sagt, der nur noch von Dämonen entstellt ist.
Dann kommt der Herr Jesus, und der Vater sagt: „Schau, da ist mein Sohn.“
Warum kam Jesus?
Jesus kam, um dem Vater seinen Sohn zurückzugeben.
Der Herr Jesus kommt, bedroht den Geist, wirft den unreinen Geist hinaus und gibt dem Vater den Sohn zurück.
Jetzt hat der Vater wieder einen Sohn, ein Gegenüber. Wie glücklich ist der Vater!
Wieso kam der Herr Jesus nach Israel? Um dem himmlischen Vater seine verlorenen Söhne und Töchter zurückzugeben.
Der Messias, der Same Abrahams, bringt dem Vater die Söhne zurück.
Was wir hier haben, ist die große Geschichte, die sich in Joseph widerspiegelt.
Joseph – im ersten Buch Mose – ist die kleine Geschichte, wie der Vater Jakob seine Söhne zurückbekommt.
Aber vergessen wir nicht: Es ist eigentlich ein Prototyp für die große Geschichte, wie der himmlische Vater seine Kinder zurückbekommt, nach dem Ebenbild Gottes.
So haben wir hier die ganze Heilsgeschichte. Der Segen Abrahams kommt zu den Völkern, aber zuerst muss der Vater diese verlorenen Söhne zurückbekommen.
Dann werden alle Menschen zum Heil kommen, alle, die ihn annehmen, natürlich.
Wir machen hier eine Pause.
