Gedanken über das Lebensende und die Vorbereitung auf den Tod
Stell dir vor, du müsstest heute sterben.
Vielleicht denkst du jetzt: Das ist eine düstere Frage für so einen herrlichen Sonntag. Aber lass dich kurz darauf ein: Was wäre, wenn dein Leben heute Abend hier auf der Erde schon zu Ende wäre? Was würde dann unterm Strich stehen? Woran würdest du merken, dass es sich gelohnt hat? Könntest du in Frieden gehen?
Wir sehen heute den alten Jakob – Israel wird er auch im Predigttext genannt – auf seinem Sterbebett. Dort sehen wir einen Mann, der in Frieden gehen kann. Und zwar nicht nur, weil er schon sehr alt war – 147 Jahre, das ist ja ein stattliches Alter – sondern noch mehr, weil dieser Mann seinen Gott gut kannte. Er hatte die Prioritäten für das Leben auf dieser Erde verstanden. Er wusste, worauf es ankommt und was wichtig ist.
Wenn dir der Gedanke an deinen Tod Sorge macht oder du vielleicht gar nicht daran denken magst, vor allem nicht an so einem schönen Tag, dann bete ich, dass dich das ermutigt, was du im Leben von Jakob, von Israel, siehst. Möge es dich getrost machen in deinem Blick auf den Tod, dir Angst und Sorge nehmen und auch deinen Blick aufs Ende so ordnen, dass er dein Leben hier mit Prioritäten versieht.
Lass uns beten: Herr, lehre uns, zu bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Es ist unser Gebet. Wir wollen den Tod nicht verdrängen, sondern daran denken. Zugleich bitten wir dich, Herr, dass wir dem Tod froh entgegengehen können. Schenke uns eine Freude, wie wir sie bei Jakob auf dem Sterbebett sehen: eine Dankbarkeit über deine Treue und Gnade in unserem Leben.
Herr, wir beten, dass du uns alle Angst nimmst und uns auf das Ende vorbereitest – auch jetzt durch diesen Text. Amen.
Jakob auf dem Sterbebett: Ein Leben in Gottes Treue
Ja, wir haben ihn gerade gehört. Wir haben das auch im Gottesdienstblatt abgedruckt – nicht den ganzen Text, weil er doch sehr lang ist, aber die zentralen Verse haben wir mit aufgenommen. Ich hoffe, das hilft, um die Predigt besser nachzuvollziehen.
Der erste Punkt: Jakob bereitet sich auf den Tod vor. Das sehen wir am Ende von Genesis 47, Verse 27 bis 31. Dort begegnet uns der alte Jakob, 147 Jahre alt. Die letzten 17 Jahre seines Lebens hat er in Ägypten verbracht.
In den letzten Wochen haben wir das große Wunder gehört, das Gott im Leben dieses alten Mannes getan hat: Er hat ihn und seine ganze Familie in der Hungersnot gerettet und nach Ägypten gebracht, wo sie Josef wiedertrafen. Josef, von dem sie dachten, er sei längst tot oder zumindest weit weg. Gott wirkt Wunder und gebraucht Josef, um die Familie zu retten.
Für Jakob war das eine besondere Freude. Er hat seinen Sohn wiedersehen dürfen, was er nie erwartet hätte. Bei der Begegnung, die wir schon gelesen haben, sagt er zu Josef: „Jetzt kann ich eigentlich sterben. Jetzt habe ich das Größte noch erleben dürfen, ich habe meinen Sohn noch einmal in den Armen halten dürfen, jetzt kann ich sterben.“
Gott schenkt ihm dann noch einmal siebzehn Jahre mit seinem geliebten Josef, und er wird noch älter in Ägypten. Aber nun ist die Zeit gekommen: Er ist alt, fast blind und liegt krank im Bett. Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Jakob merkt das, und wen ruft er als Erstes? Seinen Lieblingssohn Josef, den er an sein Bett ruft.
Jakob hat einen letzten Willen. Er sagt zu Josef in Genesis 47, Verse 29 und 30: „Habe ich Gnade vor dir gefunden, so lege deine Hand unter meine Hüfte, dass du die Liebe und Treue an mir tust und begräbst mich nicht in Ägypten, sondern ich will liegen bei meinen Vätern. Du sollst mich aus Ägypten führen und in ihrem Grab begraben. Begrab mich nicht hier in Ägypten, begrab mich in Kanaan.“
Da, wo Abraham begraben ist, da, wo Isaak begraben ist, will auch Jakob begraben werden. Jakob wusste, dass er in Ägypten sterben würde, aber dort wollte er nicht begraben werden.
Warum war ihm das so wichtig? So wichtig, dass er Josef einen Eid schwören lässt: „Leg deine Hand unter meine Hüfte, schwör mir das, dass du mich nicht in Ägypten begräbst.“ Und so wichtig, dass er jubelt und sich freut, als Josef ihm das tatsächlich schwört.
In Vers 31 neigt sich Israel anbetend über das Kopfende seines Bettes hin. In tiefem Frieden in seinem Herzen sagt er zu Josef: „Ich werde dich hier nicht begraben, ich werde dich in Kanaan begraben.“
Jakob wusste: „Ich gehöre nicht nach Ägypten. Ich bin hier ein Fremder, ein Pilger auf einer Reise. Ich gehöre nicht nach Ägypten, ich gehöre in Gottes verheißenes Land, ich gehöre nach Kanaan.“ Das hat Jakob in seinen siebzehn Jahren in Ägypten nie vergessen. Er wusste immer, wo er hingehört und wo sein Zuhause ist.
Bei manchen Menschen ist das heute noch so. Man liest manchmal von türkischen Gastarbeitern, dass sie nach ihrem Tod zurück in ihre Heimat geflogen werden, um dort bei ihrer Familie begraben zu werden.
Bei Jakob war das aber mehr als Folklore oder Tradition. Das, was er wollte, hatte eine ganz tiefe geistliche Dimension. Er wusste: Mein Zuhause ist in Gottes verheißenem Land. Mein Zuhause ist bei Gott.
Die Frage nach der Heimat und die himmlische Perspektive
Darf ich dich mal fragen: Weißt du, wo deine Heimat ist? Weißt du, wo du zu Hause bist?
Das ist eine ganz entscheidende Frage, um wirklich im Frieden leben und im Frieden sterben zu können. Wo bin ich zu Hause? Wir müssen ja alle irgendwann gehen. Manchmal kommt das mit Ansage, so wie bei Jakob. Mit 147 Jahren sollte sich niemand mehr wundern, wenn die Zeit irgendwann vorbei ist.
Aber bei manchen kommt das ganz überraschend, wie bei einem Studienfreund von mir, der in den Dreißigerjahren einen Unfall hatte und ganz plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Wohin geht dann deine Reise, wenn es zu Ende ist?
Der Hebräerbrief sagt im elften Kapitel, dass das irdische Vaterland, von dem Jakob spricht und wo er begraben werden will, nur ein Abbild ist, ein Schatten für unsere himmlische Heimat, für das himmlische Vaterland. Paulus schreibt im Philippabrief an die Philipper in Kapitel 3, Vers 20: Unser Bürgerrecht ist im Himmel.
Wie Israel nicht zu Hause war in Ägypten, so sind wir nicht zu Hause in München oder in Deutschland oder in dieser Welt. Wir sind Bürger des Himmels, wenn wir an Jesus glauben. Und wir leben hier, wie Jakob, für eine gewisse Zeit – vielleicht 70 Jahre, vielleicht 80 Jahre und vielleicht sogar noch ein bisschen länger. Vielleicht auch ein bisschen kürzer oder deutlich kürzer.
Aber wir sind doch auf der Durchreise, wir sind Fremdlinge, wir sind Pilger auf dem Weg in unsere himmlische Heimat. Wenn wir das wirklich verinnerlichen, wenn uns das bewegt, wenn unser Blick auf diese Heimat ausgerichtet ist, dann können wir froh dem Tod entgegengehen und zuversichtlich sein.
Wir sind als Christen nicht automatisch frei von allen Ängsten, was das Sterben angeht. Vielleicht kennst du auch solche Fragen: Wie wird das sein? Werde ich Schmerzen leiden müssen? Wird das wehtun? Wird es vielleicht viel zu früh sein? Werde ich liebe Menschen zurücklassen, die mich doch eigentlich noch brauchen?
Es sind alles Fragen, mit denen wir uns den Kopf zermatern können. Wir können uns Sorgen machen und darüber nachdenken. Aber es bringt ja doch nichts. Es führt zu gar nichts.
Die Bibel sagt uns, Gott sagt uns: Deine Tage sind gezählt. Ich habe sie alle gezählt, ich weiß, wie lange du leben wirst. Ich habe dir eine gewisse Zahl an Tagen zugemessen hier auf dieser Erde, und irgendwann ist es vorbei. Mach dir da keine Sorgen drum. Du kannst es eh nicht verlängern, aber ich habe das in der Hand.
Wichtig ist, wo wir hingehen. Wir wissen, wo unsere Heimat ist.
Ich finde es so wunderbar, wie Paulus das auch im Philippabrief sagt, in Kapitel 1, Vers 23: Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre.
Das müsst ihr euch mal vorstellen: Er sagt, ich habe keine Angst zu sterben, ich freue mich darauf, das wird klasse. Und es war keine morbide Todessehnsucht, die Paulus da hatte, sondern er wusste einfach, wohin es geht, er wusste, wo seine Heimat ist.
Und er sagt ja dann auch noch: Ja, und solange ich hier bin, ist das auch gut. Gott weiß, warum ich hier bin. Ich soll noch ein paar weitere Menschen erreichen und das Evangelium weitertragen. Das mache ich gern, ich bin auch gerne hier. Aber ich habe kein Problem damit, heimzugehen in meine Heimat. Ich freue mich darauf.
Das ist eine Gewissheit, die ich uns allen wünsche: dass unser Zuhause im Himmel ist. Es ist ein großer Segen, so einen Frieden zu haben, das klar geordnet zu wissen. Es ist ein großer Segen für uns und auch für unsere Mitmenschen.
Mut und Hoffnung durch die himmlische Heimat
Was hat Christen mutig gemacht, in dieser Welt unterwegs zu sein? Christen, die in Länder gingen, zu Menschen, die ihnen todfeindlich gesinnt waren, mussten um ihr Leben bangen. Doch sie sind als Missionare hingegangen, weil sie wussten: Mein Zuhause ist im Himmel. Wenn Gott mich hier noch weiter haben will, kann mir nichts geschehen. Oder er holt mich heim.
Christen, die sich um hoch ansteckende Menschen kümmerten und zu den Pestkranken gingen, übten Nächstenliebe. Sie wussten: Wenn ich sterbe, dann gehe ich heim. Christen, die unter der Androhung der Todesstrafe nicht den Glauben abschworen, sagten: Ihr könnt nur meinen Leib töten, aber den Geist nicht. Der Geist geht nach Hause zum Vater.
Wir müssen den Tod nicht fürchten. Er ist die Tür, eine Grenze, die wir überschreiten – aus dieser Welt, in der wir Pilger sind, hin in unsere himmlische Heimat. Und das Wunderbare ist: Diese Tür steht jedem offen, der kommt. Es ist nicht so, dass dieses Bürgerrecht exklusiv für einen kleinen Kreis ausgegeben wird, für nur wenige, die es bekommen können.
Die Bibel sagt uns: Jeder, der sein Vertrauen auf Jesus setzt, kann das Bürgerrecht im Himmel bekommen – wirklich jeder. Jesus sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und glaubt an mich, wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? Vertraust du mir, sagt Jesus, dass ich dir dieses Leben schenken kann? Dass ich es für dich erkämpft habe am Kreuz von Golgatha? Dass ich mein Leben hingegeben habe für deine und meine Schuld, die uns den ewigen Tod bringen würde und uns ausschließt aus dieser Heimat, aus dem Himmelreich? Glaubst du das?
Dann lass es dir doch schenken! Er gibt es jedem, der kommt im Glauben und im Vertrauen und sagt: Jesus, sei du auch mein Herr. Ich will dieses Bürgerrecht im Himmel auch. Ich weiß, hier auf der Erde geht es irgendwann zu Ende. Schenk mir eine Heimat, die ewig ist.
Jakob wusste, wohin er geht. Er war vorbereitet auf seinen Tod. Deshalb konnte er in Frieden sterben, doch vorher regelt er noch sein Erbe, sein Vermächtnis.
Jakob übergibt sein Vermächtnis an die nächste Generation
Lesen wir weiter in Kapitel 48 von einer Begegnung, nämlich bei Jakob, dem alten Israel. Dort war es ein bisschen wie ein Sterben auf Raten. Es ging nicht ganz schnell, sondern es ging einfach bergab mit ihm. Er wurde immer kränker und immer schwächer.
Jetzt lesen wir von einer weiteren Begegnung, vielleicht einige Tage später. Jakob liegt sehr krank auf dem Bett, und die Leute rufen Josef und seine Söhne wieder: „Kommt schnell, mit Jakob geht es zu Ende!“ Dann kommen sie. Ich finde es so wunderbar, dass in Vers 2 steht, dass Israel sich stark machte und sich aufsetzte im Bett, als er seinen Josef, seinen Lieblingssohn, sieht.
Er machte sich noch einmal stark. Das ist wie im Film, wenn der Held kurz vor dem Sterben ist und noch einmal alle Kräfte sammelt, um seinem Sohn die letzten Worte und sein Vermächtnis mitzugeben. „Das musst du noch wissen, bevor ich sterbe, das will ich noch regeln.“
Und was sagt der sterbende Jakob zuerst zu Josef? Er erinnert ihn an Gottes Verheißungen (Verse 3 und 4). Er erzählt ihm davon, wahrscheinlich nicht zum ersten Mal. Er erinnert daran, wie Gott ihm damals vor so vielen Jahren in Luz begegnet ist. Vielleicht erinnert ihr euch: Auf der Flucht, als er vor Esau geflohen ist, begegnete ihm Gott in diesem Traum. Dort sieht er die Himmelsleiter, und Gott spricht ihm die Verheißungen zu: „Ich werde dir ein großes Volk machen, ich werde dich segnen mit Land, deinem Land, das ihr für immer haben werdet. Viele Völker sollen aus dir hervorgehen.“
Gott hat diese Verheißung wiederholt bei der Rückkehr, als Jakob zu seinem Bruder Esau zurückkommt. Er begegnet ihm noch einmal in Luz oder Bethel und bestätigt die Verheißung erneut.
Jetzt gibt Jakob diese Verheißung weiter (Verse 3 und 4). Er sagt: „Der allmächtige Gott erschien mir zu Luz im Lande Kanaan und segnete mich und sprach zu mir: Siehe, ich will dich wachsen lassen und mehren und will dich zu einer Menge von Völkern machen und will dies Land deinen Nachkommen für alle Zeit zum Eigentum geben.“
Ein bisschen davon hatte Jakob in Ägypten schon erleben dürfen, oder? In den siebzehn Jahren war die Familie gewachsen. Aber das war doch kein großes Volk, das war mehr eine Großfamilie. Die Söhne hatten geheiratet und auch Kinder bekommen, aber eine Großfamilie, kein großes Volk, geschweige denn viele Völker – das war noch nicht eingetreten.
Jakob wusste, es ist Zeit für mich, den Staffelstab weiterzugeben. Das ist ein Projekt, dieser Heilsplan, den Gott sich ausgedacht hat. Er geht über Generationen und Generationen. Meine Zeit ist jetzt gekommen, ich gebe den Staffelstab an die nächste Generation weiter.
Kommt uns das bekannt vor? Das ist bei uns Christen nicht anders. Es ist sehr fantastisch, wie sich das Evangelium in den letzten 2000 Jahren ausgebreitet hat. Wie es aus der Stadt Jerusalem Kreise gezogen hat, die Region erreicht hat, bald Rom erreichte und schließlich die ganze Welt. Und doch sind noch nicht alle Völker erreicht.
Es soll ja inzwischen sogar wieder Regionen in Deutschland geben, in denen man das Evangelium nicht mehr kennt, wo die Leute gar nicht wissen, was das Evangelium ist. Es gibt also noch viel zu tun. Der Staffelstab wird weitergegeben an die nächste Generation. Es sind noch Menschen zu erreichen, die diese Verheißung brauchen.
Denn es heißt in der Offenbarung, in den Psalmen und an anderen Stellen: Es werden einmal alle Völker vor Jesu Thron stehen, ihn anbeten und loben. Wir geben den Staffelstab weiter. Vielleicht erleben wir das noch in unserer Lebenszeit hier auf der Erde. Aber vor uns sind schon viele Generationen von Christen gestorben und haben den Staffelstab weitergegeben.
Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass es mit uns genauso sein wird.
Die Adoption der Enkel und der Segen Jakobs
Was also tun? Wir schauen zuerst, wie Jakob es auf dem Sterbebett gemacht hat. In den Versen 5 bis 20 entscheidet sich Jakob, die Söhne von Joseph zu adoptieren.
Vers 5: „So sollen nun deine beiden Söhne, Ephraim und Manasse, die dir geboren sind in Ägyptenland, ehe ich hergekommen bin zu dir, mein sein gleichwie Ruben und Simeon.“
Jakob adoptiert also die übernächste Generation. Er sagt zu Joseph, dass seine Söhne Ephraim und Manasse wie seine eigenen Söhne sein sollen. Sie treten sogar an die Stelle von Simeon und Ruben. Das lesen wir auch in 1. Chronik 5, wo steht, dass diese beiden Söhne das Erstgeburtsrecht erhielten. Jakob überträgt ihnen dieses Recht, weil Ruben und Simeon sich schwer verfehlt hatten. Das müssen wir jetzt nicht mehr im Detail anschauen, da wir das schon gemeinsam studiert haben. Aber ihre Verfehlungen waren so gravierend, dass Jakob ihnen das Erstgeburtsrecht nicht geben konnte und es auf die übernächste Generation, also auf seine Enkel Ephraim und Manasse, überträgt.
Warum ausgerechnet sie? Das habe ich mich gefragt. Zum einen erinnerten diese beiden Enkel Jakob an Gottes Treue in seinem Leben. Das sehen wir hier in den Versen 10 und 11. Als er die beiden Enkel sieht, ist er ganz außer sich. Dieser alte Mann bekommt noch einmal so richtig Leben eingehaucht und freut sich. Vers 10 und 11: „Er küsste sie und erherzte sie.“ Das sind sehr warme Worte. Er küsste sie, erherzte sie, er hatte seine Enkel so lieb. Und er sprach zu Joseph: „Siehe, ich habe dein Angesicht gesehen, was ich nicht gedacht hätte.“ Das kann man auch übersetzen mit: „Was ich nicht zu bitten gewagt hätte.“ Jakob hätte nicht gewagt, den Herrn zu bitten, dass er das noch erleben darf. Und Gott hat ihm sogar seine Söhne sehen lassen. „Ach, ich bin so gesegnet.“ Für ihn war das eine Erinnerung an Gottes Treue.
Aber noch ein zweiter Grund ist vielleicht sogar noch wichtiger: Er sieht seine Enkel und weiß, dass diese beiden Halbegypter sind. Das wird hier schon früher erwähnt, dass sie geboren wurden, ehe Jakob mit seiner Familie nach Ägypten kam. Sie waren die Söhne von Asenat. Asenat war eine Priestertochter, die Tochter eines hohen Priesters in Ägypten. Der Pharao hatte Joseph sie zur Frau gegeben. Sie waren also Halbegypter.
Der sterbende Israel machte sich wahrscheinlich Sorgen um die beiden. Er wusste, dass sie in Ägypten groß geworden sind, diese Kultur erlebt haben, ihr ganzes Leben. Sie waren inzwischen schon um die zwanzig Jahre alt und von Ägypten geprägt. Jakob wollte ihnen ganz deutlich machen: Ihr gehört auch nicht zu Ägypten. Ich gehöre nicht zu Ägypten, euer Vater gehört nicht zu Ägypten, ihr gehört auch nicht zu Ägypten, ihr gehört nach Kanaan.
Er adoptiert sie, um unmissverständlich klarzumachen, dass sie dazugehören, dass sie die nächsten Glieder in der Kette sind. Und er segnet sie.
Jetzt ist hier eine ganz spannende Geschichte, wie er sie segnet: Dieser fast blinde Jakob überkreuzt die Hände und segnet den Jüngeren mit der rechten Hand und den Älteren mit der linken Hand. Das bedeutet, dass der Jüngere den größeren Segen bekommt. Joseph sagt, dass Jakob einen Fehler macht und die Hände richtig halten muss, damit alles seine gute Ordnung hat. Jakob antwortet, dass es seine gute Ordnung hat und er den Jüngeren segnen will.
Warum? Darüber spekulieren wir irgendwann mal in der Bibelstunde. Auf jeden Fall bekommen beide den Segen, beide werden adoptiert und zu Stammvätern Israels. Jakob segnet sie reichlich.
Auf den Segen möchte ich mit euch noch schauen. Verse 15 und 16: Was spricht er ihnen zu? „Der Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak gewandelt sind, der Gott, der mein Hirte gewesen ist, mein Leben lang bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, der segne die Knaben, dass durch sie mein und meiner Väter Abraham und Isaak Name fortlebe, dass sie wachsen und dass sie viel werden auf Erden.“
Das zeigt so viel von der Treue, die Jakob selbst erleben durfte, von der Treue Gottes in seinem Leben und im Leben seiner Väter. Er sagt: „Ich segne dich im Namen des Gottes, vor dem schon deine Großväter gewandelt sind, der Abraham und Isaak.“ Sie haben mit Gott gelebt, für Gott gelebt und erlebt, wie Gott sie ans gute Ziel gebracht hat.
Jakob segnet sie im Namen des Hirten. Gott war ein Hirte in Jakobs Leben, der ihn gut geführt hat über grüne Auen. Er durfte Freuden erleben und erfahren, wie Gott ihm schöne Zeiten geschenkt hat. Aber er wurde auch durch finstere Täler geführt, und davon gab es einige in seinem langen Leben.
Gott hat ihn bewahrt in der Verfolgung, als Esau ihm nachsetzte. Er hat ihn bewahrt auch bei dem Betrug, den er durch seinen Onkel Laban erleben musste, als er erst die falsche Frau bekam. Er hat ihn bewahrt, als er seine Lieblingsfrau Rahel verlor und begraben musste. Er hat ihn bewahrt, als Joseph verloren schien, ja sogar tot.
Welches Leid und welche schweren Zeiten hat Jakob erlebt? Nicht nur ein paar Monate, sondern viele Jahre, Jahrzehnte, die richtig schwer und finster waren. Und hier auf dem Sterbebett sagt er: „Aber der Herr ist mein Hirte, der Herr hat mich gut geweidet, der hat mich versorgt, es hat mir an nichts gefehlt, der Herr ist mein Hirte.“
Das wird so oft noch in der Bibel gesagt, und Jesus sagt das später von sich selbst: „Ich bin der gute Hirte, der seine Schafe kennt und für sie sorgt.“ Bei diesem guten Hirten segnet Jakob seine Enkel.
Dann nennt er Gott seinen Erlöser. Er sagt: „Der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel.“ Ja, das durfte er erleben: Gott ist treu, Gott hat ihn erlöst. Vielleicht dachte er an den Kampf am Jabok, wo er mit Gott gerungen hat, siegreich blieb und Gott ihn segnete und ihm Erlösung zusprach.
Jakob kannte seinen Gott. Er wusste, Gott ist ein wunderbarer Hirte und ein mächtiger Erlöser. Das ist eine Gewissheit, die ich uns auf dem Sterbebett wünsche: so aus dieser Welt zu gehen mit der Gewissheit, dass bei allem Schweren, was Gott uns vielleicht auch zugemutet hat, bei allem Leid, das wir tragen mussten, wir sagen können: Der Herr hat es gut gemacht, hat mich treu geführt bis ans Ziel.
Und es muss kein frommer Wunsch bleiben, sich das jetzt nur zu wünschen und dann zu sehen, wie es herauskommt. Wir können uns hier und heute, so quicklebendig, wie wir zusammen sind, darauf vorbereiten. Indem wir uns immer wieder fragen: Wo war der Herr bis hierher schon treu in meinem Leben? Wo hat er mich überall gut versorgt? Was hat er mir an reichem Segen geschenkt? Wo hat er mich durch ein finsteres Tal geführt, und ich durfte erleben, dass er nicht von meiner Seite wich?
Am wichtigsten: Wie hat er mich erlöst am Kreuz von Golgatha? Wie hat er mir seine Liebe gezeigt? Kannst du dich noch darüber freuen, so wie am Anfang, als Gott dir seine Liebe zeigte, deine Schuld trug und dich mit sich selbst versöhnte?
Darüber können wir viel nachdenken und uns über Gottes Treue schon jetzt freuen. Es kommt nicht erst im Alter plötzlich über uns, sondern wir können uns darauf vorbereiten. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“
Und auch das, wenn wir das einüben, wird zum Segen für andere. Wie schön ist es, wenn jemand im Alter, schon schwach, von Gottes Treue Zeugnis geben kann! Das ist das Schönste, was es auf dieser Erde gibt. Schon Menschen begegnen, todkrank, die den Herrn loben mit einer Freude, bei der man sich fragt: Wo kommt das her in all dem Schmerz und Leid? Es ist übernatürlich, ein Geschenk Gottes.
Also: Er adoptiert die Söhne, segnet sie und spricht ihnen zu: „Ihr bekommt jetzt den Staffelstab. Es geht weiter mit euch. Der Herr soll aus euch ein großes Volk machen, und der Segen soll weiterfließen.“
Ein besonderes Erbe und die Verantwortung der nächsten Generation
Und dann gibt er seinem Lieblingssohn noch ein besonderes Geschenk: Er vererbt ihm ein Stück Land. Er sagt in Vers 21: „Ihr werdet wieder zurückkehren, ihr werdet zurückkommen in das Land eurer Väter. Gott selbst wird euch dahin zurückbringen.“ Und Joseph, damit du dir da ganz sicher bist, gebe ich dir schon mal ein Erbe, ein Stück Land in Kanaan.
Das ist nochmal wie ein Wegweiser. Joseph, du gehörst auch nicht nach Ägypten, du gehörst nach Kanaan. Ich überschreibe dir schon mal ein Stück Land, damit du weißt, das gilt einzunehmen.
Es hat lange gedauert, das wissen wir aus dem Fortgang der Geschichte. Aber es war schon so ein Fingerzeig. Das Grab dort, die Predigt: Ihr gehört nicht nach Ägypten, ihr gehört nach Kanaan, dieses Stück Land, die Predigt: Da gehört ihr hin.
Das ist natürlich historisch eine einmalige Situation, was wir hier lesen. Das war Gottes Geschichte erst mal mit Jakob, Josef, Ephraim und Manasse, um seinen Heilsplan weiterzubringen und voranzutreiben.
Aber wir dürfen auch als Christen davon lernen. Es ist uns auch dazu gegeben, dass wir lernen: Gott ist immer noch dabei, seinen Heilsplan zu erfüllen. Wir sollen bereit sein, dass Jesus wiederkommt. Aber wir sollen auch bereit sein, zu ihm zu gehen, loszulassen und den Staffelstab weiterzugeben an die nächste Generation.
Und welches Vermächtnis, welches Erbe hinterlassen wir eigentlich der nächsten Generation von Kindern Gottes? Zuerst können wir ja mal über unsere eigenen, über unsere leiblichen Kinder nachdenken. Wie diese beiden Jungs von Joseph werden sie auch in zwei Kulturen groß.
Die eine Kultur ist das christliche Elternhaus, wo wir ihnen sagen: Es gibt einen Gott, der dich liebt, der dich gemacht hat und vor dem du ein Sünder bist und seine Erlösung brauchst. Das sagen wir unseren Kindern.
Dann gibt es aber auch die andere Kultur. Die Kinder kommen in die Schule, und da gibt es Lehrer, die machen sich über ihren Glauben lustig. Sie kommen in eine Gesellschaft, die an so vielen Ecken ihnen sagt: Die Werte der Bibel kannst du in die Tonne kloppen, wir leben anders.
Sie erleben den Spott über ihren Glauben auf dem Schulhof oder im Kindergarten schon. Das ist die andere Kultur.
Wie prägen wir unsere Kinder so, dass sie wirklich verstehen: Ihr gehört nicht zu Ägypten, ihr gehört nicht zu dieser Welt, sondern ihr gehört auch ins Himmelreich? Wie bringen wir ihnen bei, dass sie erkennen, wie sie ins Himmelreich kommen und Bürger des Himmels werden?
Ich zehre bis heute davon, dass mir das meine Eltern weitergegeben haben. Sie haben mit uns die Bibel gelesen, mit uns gebetet am Abend und uns die Hände segnend aufgelegt. Wir haben diskutiert über Inhalte aus der Schule: „Ja, was sagt denn Gott da eigentlich dazu?“
Wir sind gefordert als Eltern, zuallererst unseren Kindern zu zeigen, wo sie hingehören. Das ist ja auch unsere große Sehnsucht.
Mir ist klar, dass das nicht automatisch passiert und dass dann nicht jedes Kind zum Glauben kommt. Aber wir haben eine Verantwortung.
Das bringt uns zum Nächsten: Als ganze Gemeinde können wir für diese nächste Generation beten. Und wir sollten auch beten.
Wir wissen das von Eltern, die so Kummer tragen um ihre Kinder, die trotz allem Bibel lesen, beten und das Vermitteln, doch einen anderen Weg gehen.
Es ist so ermutigend, ich kann das für mich selbst sagen, wenn dann jemand kommt und sagt: „Ich bete für deine Kinder, ich bete, dass sie verstehen, wo sie hingehören. Ich bitte, dass Gott ihnen Glauben schenkt, dass er ihnen auch das Bürgerrecht im Himmel schenkt.“
Wir können füreinander beten, für die nächste Generation beten.
Du kannst dich auch investieren, indem du ihnen in der Gemeinde die Bibel lehrst, zum Beispiel in der Jungschar, im Teenkreis oder in der Jugend.
Wie viele kommen da zu einem eigenständigen Glauben, der sich vom Elternhaus löst! Nicht das, was die Eltern die ganze Zeit sagen – ja, in einem gewissen Alter ist das nervig –, aber da bekommt man es noch mal von jemand anders gesagt. Das ist gut, wenn wir so ein Segen sind und unsere Kinder lehren.
Vielleicht hast du aber auch gar keine eigenen Kinder, und vielleicht wirst du auch nie welche haben. Aber jeder von uns kann ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter werden.
Jeder von uns kann, so wie Jakob der Vater von Ephraim und Manasse wurde, geistlich Kinder adoptieren. Er kann ihnen das Evangelium sagen und so zum Vater werden.
Natürlich ist der wahre Vater der Vater im Himmel, der das schenkt. Aber wir sind mit hineingenommen in diesen Plan. Wir können durch Gottes Gnade Menschen zu Jesus Christus führen.
Und das ist ein Erbe. Wenn du aus dieser Welt gehst, ist das so viel mehr wert als ein volles Bankkonto, ein tolles Haus oder Antiquitäten.
Wenn Menschen zurückbleiben, die auch durch deinen Dienst und dein Zeugnis Jesus gefunden und kennengelernt haben, dann hast du ein wertvolles Erbe hinterlassen.
Lass dich dabei nicht zu sehr entmutigen, wenn das nicht im persönlichen Miteinander bei dir passiert. Wir erleben das als Pastoren oft: Da hat jemand so lange gesät und sich über Jahre mit jemandem getroffen. Dann bringt er ihn mal mit in den Christsein-Deckenkurs oder in den Gottesdienst, und dann bekehrt sich die Person.
Dann sagen alle: „Mensch, Pastor, das würde ich auch mal gerne erleben, dass sich jemand bekehrt. Du erlebst das immer.“
Ja, aber ihr habt ja vorher gesät. Es ist nicht so entscheidend, ob sich die Person dann bei dir bekehrt.
Das Erbe ist das beste Erbe, das du hinterlassen kannst.
Und dann geht es ja noch weiter: Wenn jemand neu im Glauben ist, helfen wir ihm.
Ja, was heißt das jetzt? Wie kannst du die Bibel lesen, so dass es dich wirklich im Glauben voranbringt und nicht nur bildet? Wie kannst du beten? Wie kannst du im Alltag Jesus ähnlicher leben?
Auch da brauchen wir geistliche Väter und geistliche Mütter.
Ich bin dankbar für viele solche Väter und Mütter in meinem Leben, die mir das beigebracht haben und mir gezeigt haben: „Ja, wie sieht denn das Christenleben praktisch aus?“
Abschließende Ermutigung und Gebet
Ich möchte zum Schluss noch einmal deinen Blick auf diesen alten Jakob richten, wie er da liegt auf seinem Sterbebett. Mit 147 Jahren ist er ein zufriedener Mann. Er ist jemand, der ein Lied singen kann von Gottes Treue und Barmherzigkeit in seinem Leben.
Willst du so aus dieser Welt gehen, dann ermutige ich dich: Schau mehr auf deine himmlische Heimat. Drück das nicht zur Seite und sag nicht, das sei etwas, das erst im Alter relevant wird. Es kann hier und jetzt, egal ob du jung oder alt bist, dein Leben prägen. Die Frage ist: Wo gehöre ich hin? Unser Bürgerrecht ist im Himmel.
Stell dir das vor: Die Bibel beschreibt an verschiedenen Stellen, wie das sein wird. Wir können es nicht vollständig begreifen, aber wir dürfen wissen, dass es wunderschön sein wird. Vor allem werden wir Jesus viel näher sein als hier auf Erden. Da wird die Sünde weg sein. Wir werden ihn sehen, wie er ist, sagt die Bibel. Wir werden ihm ganz nah sein, unserem herrlichen Erlöser.
Denk viel darüber nach. Das bereitet dich auf deinen Tod vor. Und dann kannst du deine Priorität darauf legen, die nächste Generation von Gläubigen vorzubereiten, damit auch sie mit so einer Hoffnung und in Frieden sterben können.
Ich möchte beten: Vater, wir danken dir für dieses große Geschenk, dass wir wissen können, wo unsere Heimat ist, wenn wir an Jesus glauben. Du hast uns den Himmel aufgeschlossen. Es ist ein großes Geschenk, gerade in dieser Zeit, in der Menschen Angst haben zu sterben – an Corona und an allem Möglichen. Zu wissen, dass wir den Tod nicht fürchten müssen, sondern dass er der Übergang ist durch die Tür, über die Grenze in unsere himmlische Heimat.
Wir wollen beten, dass uns das wirklich klar vor Augen steht. Dass wir jede Angst vor dem Tod verlieren und mit Paulus sagen können, er hätte gute Lust, dahin zu scheiden und bei Christus zu sein. Wir beten für unsere Kinder und Enkel, die dich kennen, dass du sie bewahrst und nah bei dir hältst. Für die, die auf Abwegen sind, bitten wir, dass du sie wieder zurückholst zu dir oder zum ersten Mal Glauben schenkst, der rettet. Dass du ihnen den Weg weist in die himmlische Heimat.
Ich möchte für jeden beten, der das noch nicht begriffen oder ergriffen hat, dass du ihm diese Freude an dir und diese Gewissheit schenkst. Denn mit dem Tod fängt das Leben erst so richtig an.
Herr, segne uns und stärke uns in unserem Glauben. Amen.