Einführung in die geistige Entwicklung des Abendlandes
Vor der Pause haben wir uns mit einer Gegenüberstellung von Aristoteles und Platon beschäftigt. Übrigens ist Platon der griechische Name, während Plato die Form ist, wie die Römer denselben Namen aussprachen – mit oder ohne „n“ ist also dasselbe.
Platon übte vom ersten bis zum dreizehnten Jahrhundert einen Einfluss auf das Abendland aus, der als verheerend bezeichnet werden kann. Aus diesem Einfluss entstand das mystische, diesseits verachtende Denken sowie die Vorstellung von Selbsterlösung.
Aristoteles hingegen wirkte vom dreizehnten bis zum einundzwanzigsten Jahrhundert mit einem ebenfalls verheerenden Einfluss auf das Abendland. Daraus entwickelte sich das irdische, materialistische Denken, das das Jenseits verachtet.
Wir erkennen, wie sich im dreizehnten Jahrhundert die Wurzeln des modernen Denkens herausbilden. Betrachtet man die Folgen in unserer Zeit, im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert, wird deutlich, dass dieser Wechsel durch die Kreuzzüge ausgelöst wurde.
Es ist interessant zu bedenken, dass die verheerenden Gräuel der Kreuzzüge letztlich die verheerende Situation unserer Zeit hervorgerufen haben.
Wandel in der Malerei als Spiegel geistiger Veränderungen
Wir können das sehr schön an der Malerei veranschaulichen, was wir bisher gesehen haben. Die Malerei vor 1300 zeichnet sich dadurch aus, dass kein Interesse an der Natur besteht. Man findet hier starre, leblose Symbolik, die auf etwas Höheres, auf etwas Eigenes hinweisen soll.
Das sieht man zum Beispiel an den Gesichtern. Die Gesichter, wie hier beim um 1200 gemalten Propheten Daniel, sind symbolisch und ohne wirkliche Individualität.
Mit der Malerei ab 1300 kommt eine Wende. Der Maler, bei dem sich diese Wende besonders gut zeigen lässt, ist Giotto di Bondone (1266–1337). Bei ihm sieht man, wie plötzlich das Interesse an der Natur erwacht.
Seht ihr, wie der Mann, obwohl er hier ein religiöses Thema darstellt, im Hintergrund sehr ausführlich Berge und Bäume malt? Das ist wirklich auffällig und war früher nicht üblich. Plötzlich entsteht Freude daran, Berge, Bäume und echte Menschen mit Gesichtern zu malen, die Leben und Individualität zeigen.
Ein anderes Gemälde zeigt ebenfalls Bäume. Man hat plötzlich Interesse an Details des Baums; es sind nicht mehr nur die Umrisse, sondern auch Blätter werden dargestellt. Wieder ist ein Gebirge als Hintergrund zu einem religiösen Motiv zu sehen.
Es sind wirkliche Menschen mit Gesichtern, die individuelle Gefühle ausdrücken.
Entwicklung der Landschaftsmalerei und Naturbegeisterung
Und gehen wir weiter in der Geschichte der Malerei: Jean Fouquet ist hier ein Beispiel. Um 1450 sieht man, wie plötzlich ausgiebig Landschaften gemalt werden. Er stellt die Umziehung von Jericho dar, die Posaunen von Jericho.
In mittelalterlicher Vorstellung hat er noch keinen Archäologieunterricht genossen, aber er hat Freude daran, Landschaften, Flüsse und Bäume zu malen – eine wirkliche Natur, so wie sie ist.
Wenn man in der späteren Malerei noch ausgiebiger Landschaften findet, dann hat das hier seinen Anfang genommen. Der untere Bereich eines Bildes wird plötzlich interessant. In dieser neuen Zeit, die nach 1300 begonnen hat, findet man auch das erste Zeugnis von einem Europäer, der in Südfrankreich einfach aus Freude an der Natur einen Berg bestiegen hat.
Auf einen Berg hinaufzugehen, nur um die Natur zu erleben, und dann wieder hinunterzulaufen, war etwas Neues. Für uns heute ist das ganz normal, aber man sieht, wie sehr der Platonismus damals eine Fessel war.
Renaissance und Humanismus als Wendepunkt
Diese Wende durch die Entdeckung von Aristoteles löste die Renaissance aus, die vom 14. bis zum 16. Jahrhundert dauerte. In dieser Zeit rückt der Mensch in den Mittelpunkt. Man spricht dann vom Humanismus.
Humanismus sollte man nicht mit humanitärer Hilfe verwechseln. Der Begriff Humanismus leitet sich von „Homo“ ab, was Mensch bedeutet. Dabei geht es nicht einfach um das Menschliche an sich, sondern darum, dass der Mensch der Mittelpunkt aller Dinge ist – nicht mehr Gott.
Mit diesem Wechsel erwachte auch das Interesse an Wissenschaft und Forschung. In dieser Zeit kam es zur Entdeckung der Welt. Man unternahm Fahrten, um die Erde zu erkunden, und entdeckte einen neuen Kontinent: Amerika.
Das waren also vor allem positive Folgen. Man entdeckte das Diesseits, also das Leben auf der Erde, neu. Allerdings führte die alleinige Betonung des Diesseits dazu, dass der Bereich „oben“, also das Geistige oder Göttliche, verdrängt wurde – wie wir noch sehen werden.
Bibel und Humanismus im Gegensatz
Nun möchte ich betonen: Bibel kontra Renaissance und Humanismus. Im Humanismus steht der Mensch im Mittelpunkt; der Mensch ist das Maß aller Dinge. Paulus schreibt jedoch in Kolosser 1,18, dass Jesus Christus in allem den Vorrang hat.
Das ist ein Totalschlag gegen den Humanismus.
In der Vision von Johannes, Offenbarung 5,6, heißt es: „Und ich sah inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet.“ Hier sieht Johannes Jesus Christus inmitten des Thrones Gottes, umgeben von den Erlösten.
Jesus Christus ist der absolute Mittelpunkt.
Humanismus ist somit das Gegenteil von einem christozentrischen Glauben, bei dem Christus im Zentrum steht.
Menschlichkeit in der Kunst und aristotelische Motivation
Das Gesicht der Mona Lisa von Leonardo da Vinci zeigt, wie der Mensch in den Mittelpunkt rückt. Dieses eigenartige Lächeln hat die Forscher bis heute beschäftigt, da unklar ist, was es ausdrücken soll.
Leonardo da Vinci war auf der Suche nach dem eigentlich Menschlichen, also dem, was das Individuum ausmacht. Diese Suche war jedoch aristotelisch motiviert.
Reformation und Rückbesinnung auf die Schrift
Nun beginnt die Reformation am 31. Oktober 1517. An diesem Tag schlug Martin Luther seine 95 Thesen öffentlich an. Er wollte damit nicht die Kirche zerstören, sondern die Missstände, die er gesehen hatte, mit seinen Studenten diskutieren. Luther hätte niemals gedacht, dass diese 95 Thesen Europa derart revolutionieren würden.
Hier sehen wir Martin Luther, den großen deutschen Reformator (1483–1546), sowie Jean Calvin, auch Johannes Calvin genannt (1509–1564). Sie sind zwei der zahlreichen Reformatoren, die die Bibel neu entdeckten.
Als Schlagwort formulierten sie „sola scriptura“. Das bedeutet nicht „allein die Schrift“, wie oft falsch übersetzt, sondern ist lateinisch ein Ablativ. Es heißt vielmehr: allein durch die Schrift können wir wahre Erkenntnis erlangen und wissen, was wirklich Wahrheit ist. „Allein durch die Schrift“ bedeutet, nicht durch Platon, nicht durch Aristoteles, auch nicht durch päpstliche Entscheidungen und Konzile. Das geschriebene Wort ist die Basis und das Fundament des christlichen Glaubens.
Ein weiteres Schlagwort lautet „sola fide“ – allein durch Glauben. Wir können uns nicht durch eigene Werke oder durch Ablass zur Herrlichkeit Gottes hinaufarbeiten. Stattdessen nehmen wir schlicht und einfach im Vertrauen an: Jesus Christus hat am Kreuz alles für mich getan. Ich brauche sein Werk der Erlösung und seinen Verdienst nur im Vertrauen für mich persönlich in Anspruch zu nehmen. Ich muss Gott nichts bieten, um errettet zu werden.
Ein drittes Schlagwort ist „sola gratia“ – allein durch Gnade. Ohne eigenen Beitrag ist alles ein Geschenk: die Erlösung und die Vergebung. Wir können nichts dazu beitragen; es ist ein hundertprozentiges Geschenk. Das Mittel, wie man sich dieses Geschenk aneignen kann, geschieht allein durch Glauben. Die Ursache des Heils ist jedoch allein durch Gnade.
So stehen wir im Zusammenhang zwischen „sola fide“ und „sola gratia“. Das war eine unglaubliche Entdeckung.
Ablehnung des Machtapparats und Rückkehr zur Bibel
Aber was war das letztlich? Es war ein Verwerfen dieses Machtapparats, der sich von der römischen Kultur hergeleitet hatte und so eine römische Kirche hervorgebracht hatte. Es war ein Verwerfen all dieser heidnisch-philosophischen Einflüsse. Wir wollen nichts mehr damit zu tun haben. Das war Martin Luthers tiefste Überzeugung.
Die Bibel ist das einzige Fundament des Glaubens. Ob etwas richtig oder falsch ist, können wir nur anhand der Bibel erkennen. So war Luther an jenem großen Tag angeklagt, an dem die Herrschaften von Europa versammelt waren, und dieser einfache Mönch sollte zur Rede gestellt werden.
Er sagte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott möge mir helfen.“ Wenn ihr mir anhand der Heiligen Schrift beweisen könnt, dass meine Ideen falsch sind, dann nehme ich das sofort an. Aber nicht, weil ein Konzil es gesagt hat, nicht weil die Philosophie es gesagt hat, sondern allein durch die Schrift müsst ihr mir das beweisen. Und dann bin ich bereit.
Er war also in der Lage zu sagen: Es geht mir nicht darum, wenn ganz Europa gegen mich ist und ich habe die Schrift auf meiner Seite, dann weiß ich, wo die Wahrheit ist.
Autorität der Bibel in allen Lebensbereichen
Die Bibel hat Autorität über alle Lebensbereiche – das war die Überzeugung der Reformatoren. Dies gilt sowohl für den Glauben als auch für das Familienleben, die Arbeit und die Ethik, also die Moral. Ebenso betrifft sie die Kunst und die Wissenschaft.
Die Reformatoren erkannten, dass es falsch ist, eine Spaltung zwischen dem „Unteren“ und dem „Oberen“ vorzunehmen. Beides stammt von Gott: das Sichtbare und das Unsichtbare. Beide Bereiche sind wertvoll, und allein die Bibel hat in beiden das letzte Wort. Es ist nicht so, dass im unteren Bereich eher die Philosophie und im oberen Bereich eher die Bibel maßgeblich wäre.
Mit diesem gespaltenen Denken wollten die Reformatoren nichts zu tun haben. Deshalb konnte Martin Luther heiraten und eine Familie gründen. Er versuchte, das christliche Haus als Vorbild zu gestalten.
Dabei wird das Irdische nicht verachtet, auch wenn man sich um die Kinder kümmern und sich mit ihren Problemen auseinandersetzen muss. Das ist nicht minderwertig, sondern gehört zum eigentlichen Christenleben. Dieses Leben soll sich gerade auch in diesen Bereichen zeigen und entfalten.
Reformation als Ansporn zur Wissenschaft
Die Reformation betonte auch ausdrücklich Gott als Schöpfer des Irdischen. Dies war wiederum ein Ansporn zur wissenschaftlichen Forschung.
Ich habe gezeigt, dass unter dem Einfluss von Aristoteles bereits in der Renaissance wissenschaftliche Forschung begann. Es ist jedoch erstaunlich, dass sich die Wissenschaft gerade dort besonders gut entwickeln konnte, wo die Reformation in Europa Fuß gefasst hatte.
Ein gutes Beispiel dafür ist Sir Isaac Newton (1643–1727). Er war ein englischer Astronom, Mathematiker, Physiker und Naturphilosoph und zählt zu den bedeutendsten Forschern der Geschichte. Seine Forschungsarbeit wurde jedoch stark durch die Reformation ermöglicht.
Wenn Gott alles geschaffen hat und dies wunderbar in seiner Weisheit getan hat, dann sollen wir doch auch diese Werke erforschen. Dies wird auch in der Bibel deutlich: Gottes Werke werden von allen erforscht, die Freude daran haben.
Wir haben eine biblische Begründung für Forschungsarbeit – aber nicht, um uns selbst zu verherrlichen, sondern um letztlich dem Schöpfer die Ehre zu geben.
Gegenreformation und Religionskriege
Die Geschichte geriet in eine sehr schwierige Zeit. Die Kirche ließ sich nicht reformieren. Martin Luther wollte die Kirche nicht zerstören, sondern erneuern. Er wollte sie zur Basis zurückbringen. Doch die breite Masse akzeptierte das nicht.
Interessanterweise bekehrten sich viele Mönche und Nonnen in der reformatorischen Zeit des 16. Jahrhunderts. Es kam jedoch praktisch nie vor, dass sich ein Bischof, also jemand aus den höheren kirchlichen Rängen, in dieser Zeit bekehrte.
Die Gegenreformation in Europa im 16. und 17. Jahrhundert führte zu schrecklichen Kriegen. Dazu zählen zum Beispiel der Schmalkaldische Krieg 1546/47, die Hugenottenkriege 1562 und der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648. Europa wurde durch diese Kriege schrecklich verheert und verwüstet.
Ermüdung und Aufklärung als Folge der Kriege
Nach dem Dreißigjährigen Krieg lässt sich unter den Evangelischen eine umfassende Ermüdung feststellen. Diese äußerte sich durch ein fehlendes Interesse an biblischen Lehrfragen. Man war nicht mehr daran interessiert, was genau nach der Bibel richtig ist und was nicht. Es stellte sich eine Ermüdung ein mit der Frage: Was soll das alles?
In diese Zeit trat der Philosoph Voltaire, einer der führenden Denker der Aufklärungszeit. Er lebte von 1694 bis 1778 und sagte: „Le dogme apporte le fanatisme“ – das Dogma führt zum Fanatismus.
So führte die Katastrophe der gegenreformatorischen Religionskriege zur Entstehung der Aufklärung. Viele Philosophen und Gelehrte wandten sich in dieser Zeit vom Glauben ab. Sie meinten, der Glaube bringe nur Streit und Krieg. Damit wollten sie nichts mehr zu tun haben.
Auf diese Weise wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet – oder das Bad mit dem Kind. Viele begannen sich vom Glauben abzuwenden.
Prophetischer Hinweis auf den Abfall vor der Wiederkunft Christi
In 2. Thessalonicher 2,3 spricht Paulus von einem großen Abfall, der noch kommen soll, bevor Christus wiederkommt. Abfallen kann man nur vom Glauben.
Es geht also nicht um die heidnische Welt, sondern um die christliche Welt. Diese soll einen massiven, antichristlichen Abfall erleben, bevor Jesus Christus wiederkommt und bevor der Antichrist selbst erscheint.
Aufklärung und Rationalismus im 18. Jahrhundert
Wir gehen nun zum achtzehnten Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung. In Frankreich nennt man diese Epoche „le siècle des Lumières“, das Jahrhundert der Lichter.
Es waren die Aufklärer, die sagten, die frühere Zeit, das Mittelalter, sei dunkel und finster gewesen. Doch jetzt komme das Licht. Die Bibel wurde als Gotteswort verworfen. Es gebe keine von Gott inspirierte Bibel mehr. Die Vernunft des Menschen sei die höchste Instanz.
Wenn ich entscheiden will, was richtig oder falsch ist, dann muss mir das meine eigene Vernunft sagen. Und wenn etwas gegen die Vernunft geht, verwerfen wir es. Denn die Vernunft ist der Maßstab, nicht mehr die Bibel. Religion führe nur zu Fanatismus.
Man nennt das Rationalismus. „Ratio“ heißt im Lateinischen Vernunft. Rationalismus ist jedoch nicht einfach eine vernünftige Sache, sondern eine Überbetonung der Vernunft. Dabei werden die Grenzen der Vernunft gar nicht mehr anerkannt.
Wenn ich sage, nur das, was ich verstehen kann, ist wahr, soll ich dann alles erzählen, was ich nicht verstehe? Das ist doch sehr beschränkt, wenn man sich als beschränkter Mensch absolut setzt.
Ein wichtiger Punkt war außerdem die Auffassung, dass Gott zwar existiert, aber nicht in das Geschehen der Welt eingreift. Es gibt darum auch keine Wunder. Alle Wundergeschichten der Bibel seien nur aus einer Zeit der Finsternis, in der man den Verstand noch nicht als letzte Instanz erkannt hatte.
Gott gibt es zwar, er hat der Welt den ersten Anstoß gegeben. Die Welt ist also wie eine Uhr, die einmal aufgezogen wurde und seitdem abläuft. Gott ist weit entfernt. Man nennt dies den Deismus, einen Gottglauben, bei dem Gott ganz fern ist.
Man betonte die Toleranz. Wir Menschen sollen tolerant miteinander umgehen und keine Religionskriege führen, denn man könne ja sowieso nicht wissen, was wahr ist. Also sollen wir tolerant sein. Der obere Bereich, also das Übernatürliche, wird mehr und mehr ausgelöscht.
Wichtig war für diese Zeit der Glaube an das Gute im Menschen. Der Mensch sei im Innersten gut. Natürlich gebe es das Böse in der Welt, aber das könne man mit Vernunft und Erziehung überwinden.
Darum seien Schulen so wichtig, weil die Menschen dadurch immer besser werden. Bildung sei gut, denn Bildung mache den Menschen besser.
Typisch für diese Zeit war der Glaube an einen steten Fortschritt. Tatsächlich wurden gewaltige Neuerungen in der Wissenschaft und auch in gesellschaftlichen Erneuerungen erreicht. So glaubte man, man stehe am Anfang einer blühenden Zeit, die immer mehr eine bessere und lebenswertere Welt bringe.
Nachwirkungen der Aufklärung im Alltag
Schauen wir uns an, wie diese einzelnen Punkte in unserer heutigen Zeit nachwirken – sowohl beim Mann als auch bei der Frau auf der Straße.
Diese Menschen müssen nicht einmal solche Philosophen gelesen haben, doch sie sind dennoch von diesen Gedanken beeinflusst.
Lessing und die Ringparabel als Symbol für religiöse Toleranz
Ein weiterer bedeutender Aufklärer war Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Er war Pfarrer und zugleich Dramatiker. Bekannt ist er vor allem durch sein Theaterstück Nathan der Weise, in dem die berühmte Ringparabel vorkommt.
In diesem Stück wird ein Jude am Hof des Sultans gefragt: „Warum bist du eigentlich Jude?“ Es könne doch nicht sein, dass man einfach nur Jude sei, ohne besonderen Grund – ebenso wenig wie Christ oder Muslim, nur weil man in diese Religion hineingeboren wurde. Man müsse doch besondere Argumente dafür haben, warum man Jude sei.
Nathan der Weise antwortet darauf mit einem Gleichnis, der sogenannten Ringparabel. Ein Vater hat drei Söhne, die er alle gleich lieb hat. Er besitzt einen ganz wunderbaren Ring, und es geht darum, wem er den Ring vererben soll. Da er sich nicht entscheiden kann, lässt er zwei weitere Ringe anfertigen, die genauso aussehen wie der echte. So gibt er jedem seiner drei Söhne einen Ring, doch niemand weiß, wer den echten Ring besitzt. Tatsächlich ist es sogar fraglich, ob überhaupt jemand den echten Ring hat.
Mit dieser Parabel will Lessing die drei großen Religionen – Christentum, Judentum und Islam – symbolisieren. Man kann nicht wissen, welche Religion den „wahren“ Glauben besitzt. Nathan erklärt daraufhin, dass es viel wichtiger sei, moralisch zu leben. Ob jemand Muslim, Christ oder Jude ist, spiele keine Rolle.
Da man nicht wissen könne, wer den echten Ring hat, solle man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen oder gar darüber streiten. Stattdessen solle man tolerant sein, weil die Wahrheit letztlich nicht eindeutig erkennbar ist.
Dieses Denken hat das Abendland später tief geprägt und durchdrungen.
Weiterentwicklung des Denkens im 19. Jahrhundert
Nun, dieses Denken ist nie statisch; es entwickelt sich ständig weiter. Nach dem achtzehnten Jahrhundert kam das neunzehnte Jahrhundert.
Ludwig Feuerbach (1804–1872) sagte, Gott sei nur eine Projektion. Gott ist eine Idee des Menschen in seinem Kopf, und dieser Mensch projiziert diese Idee nach außen. Gott gibt es demnach gar nicht.
Die Aufklärer hingegen sagten, Gott existiere zwar weiterhin, aber er spreche nicht zu uns durch die Bibel und greife nicht in die Geschichte ein. Gott sei einfach weit weg.
Der nächste Schritt war: Wenn Gott im Alltag keine Rolle spielt, warum wollen wir ihn dann überhaupt noch haben? Warum nicht ganz auf ihn verzichten? „Gott ist nur eine Projektion“ – in diesem Klima kam Charles Darwin.
Darwin war ursprünglich angehender Pfarrer. Man sieht, das waren ganz schwierige Leute, diese Theologen, nicht wahr? Er lebte von 1809 bis 1882 und kam zu der Überzeugung, dass wir Gott auch nicht zur Erklärung des Anfangs brauchen.
Die Deisten hatten gedacht, die Welt müsse ja irgendwie begonnen haben, deshalb brauche man Gott. Aber danach sei Gott nicht mehr nötig. Darwin sagte, das sei auch nicht nötig. Wir können das Leben, sogar seine Entstehung, aus sich selbst heraus innerweltlich erklären.
Wir brauchen keinen oberen Bereich, der untere Bereich reicht aus, um alles zu erklären – bis hin zur Abstammung des Menschen aus dem Tierreich.
Friedrich Nietzsche (1844–1900) erklärte: „Gott ist tot.“ Er war einer der schärfsten Feinde des Christentums, hatte aber selbst einen christlichen Hintergrund. Oft werden gerade diejenigen, die aus christlichen Kreisen kommen und sich nicht bekehren, zu den schlimmsten Feinden des Christentums.
Diese neuen Ideen des achtzehnten Jahrhunderts, die im neunzehnten Jahrhundert weiterentwickelt wurden, eroberten alle Wissenschaften – auch die Theologie.
So entstand die liberale Theologie. Für sie ist die Bibel nicht das unfehlbare Wort Gottes, sondern eine Sammlung religiöser Ideen von Menschen früherer Zeiten. Diese Ideen können wir als nützlich ansehen und darauf weiterbauen.
Das zwanzigste Jahrhundert – Kriege und Desorientierung
Und dann kommen wir zum zwanzigsten Jahrhundert. In einem sehr guten Übersichtsartikel über die Weltgeschichte im Lexikon Encarta von Microsoft wird das zwanzigste Jahrhundert als „das schreckliche zwanzigste Jahrhundert“ betitelt.
Dort erscheint der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918. Ich habe es schon mehrmals gesagt: Warum heißt der Erste Weltkrieg eigentlich „der Erste“? Das wurde mir in der Schule nie erklärt. Dabei ist es ganz einfach. Es war der erste Krieg, der ein Weltkrieg war. Dieses Phänomen hatte es früher noch nie gegeben. Darum war der Erste Weltkrieg im zwanzigsten Jahrhundert eben der erste Weltkrieg.
In der Zeit, in der die Ideen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts die Massen erobern, kommt es zum Ersten Weltkrieg mit Millionen von Toten. Danach sagt man sich: „Jetzt machen wir Frieden und schließen Verträge für Sicherheit. Nie mehr soll so etwas kommen!“
Doch dann kam der Zweite Weltkrieg von 1939 bis 1945 mit über 50 Millionen Toten. Man könnte sagen, der Humanismus macht den Menschen zur Bestie. Oder jemand hat es so ausgedrückt: Humanismus oder Humanität, also Menschlichkeit ohne Divinität, ohne das Göttliche, wird zur Bestialität.
Das haben wir im zwanzigsten Jahrhundert erlebt – das schreckliche zwanzigste Jahrhundert mit dem ersten Abwurf von Atombomben. Was ist das für eine kalte Welt geworden? Warum ist es so kalt geworden?
Die Antwort geben die Jahrhunderte davor, denn dort sind ganz wesentliche Umbrüche geschehen. Der tiefste Einschnitt war die Aufklärung. Doch auch diese war vorbereitet durch die Wiederentdeckung von Aristoteles.
Das zwanzigste Jahrhundert kennzeichnet sich durch Desorientierung, Entfremdung, Destabilisierung und die Auflösung der Werte.
Relativismus und Werteverlust in der Moderne
Ich war bei einem Podiumsgespräch zum Thema Abtreibung. Einer der Teilnehmer auf der Bühne, ein Philosoph von der Universität Zürich, sagte: „Wir haben uns für die Moderne entschieden, und deshalb müssen wir auch den Preis der Moderne bezahlen.
Heute ist es so, dass man, wenn man eine Meinung durchsetzen will, mehr als 50 Prozent auf seiner Seite haben muss. Wer gegen Abtreibung ist, der muss also mehr als 50 Prozent Unterstützung gewinnen, dann gilt das als Wahrheit. Die Wahrheit ist nur noch das, was die Mehrheit als wahr betrachtet. Es gibt keine absolute Wahrheit mehr.
Und darauf können wir aufbauen. Als Nächstes kommen dann die Alten, dann die Behinderten und schließlich die unangenehmen Religiösen. So läuft das, wir kennen diese Reihenfolge aus der Geschichte.
Desorientierung, Entfremdung, Destabilisierung und die Auflösung der Werte – das ist der Preis der Moderne. Der untere Bereich hat den oberen völlig aufgefressen.“
Entstehung des Fundamentalismus als Reaktion
Nun, in dieser Zeit entstand der Fundamentalismus am Ende des neunzehnten und insbesondere am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Dabei sind einige Namen besonders zu erwähnen. Es handelt sich um amerikanische Gelehrte wie Benjamin Warfield, James Orr, W. Griffith Thomas und G. Campbell Morgan. Diese gläubigen Theologen betrachteten die damaligen Neuerungen mit großer Sorge.
Die liberale Theologie kam in Amerika einige Jahrzehnte später in die Kirchen als in Europa. Diese Theologen sagten sich, dass sie der Auflösung des christlichen Glaubens entgegentreten müssten. So veröffentlichten sie eine Taschenbuchreihe mit zwölf Bänden, die „The Fundamentals, The Testimony for the Truth“ heißt. Man könnte das übersetzen mit „Die fundamentalen Wahrheiten“ beziehungsweise „Das Zeugnis für die Wahrheit“.
In diesen Büchern brachten sie fünf absolute Basiswahrheiten des christlichen Glaubens ans Licht. Erstens: Die Bibel ist von Gott inspiriert und damit absolut unfehlbar. Das war keine neue Erfindung, sondern das, was die Urchristen auch geglaubt haben und im Prinzip auch die Kirche durch die Jahrhunderte hindurch. Allerdings hatte die Kirche diese Schrift in der Praxis durch die Autorität der Kirche und ihrer Würdenträger ersetzt.
Zweitens: Christus ist körperlich wirklich am dritten Tag auferstanden und nicht nur als Idee. Das ist das, was die Christen immer geglaubt haben, bis es durch die Aufklärung, die in die Theologie hineingekommen ist, auch an diesem Punkt aufgelöst und uminterpretiert wurde.
Drittens: Die Lehre der Bibel, dass Christus durch eine Jungfrau geboren wurde, muss absolut festgehalten werden. Auch übernatürliche Dinge glauben sie so, wie es in der Bibel steht.
Viertens: Die Vollgültigkeit des Opfers Jesu am Kreuz. Jesus Christus ist gestorben, nicht einfach als Idealheld, sondern sein Opfer hat wirklich erlösende Bedeutung für uns Menschen, für jeden Glaubenden.
Fünftens: Jesus Christus wird wiederkommen, wie er es gesagt hat. Das ist nicht nur eine Idee, sondern das wird wirklich geschehen. Körperlich wird der Menschensohn zurückkehren.
Man sieht, das sind eigentlich alles Dinge, die die Christen in den frühen Jahrhunderten allgemein geglaubt haben. Diese Wahrheiten nennen sie die Fundamentals, die grundlegenden Wahrheiten. Wer das nicht glaubt, kann kein wirklicher Christ sein.
Von dem Titel „The Fundamentals“ hat man dann die Anhänger als Fundamentalisten bezeichnet. So ist der Ausdruck entstanden. Das hat nichts zu tun mit Sektiererei oder übertriebenen neuen Ideen. Es ist einfach eine Rückkehr zu den Grundlagen, was Christen früher schon immer geglaubt haben, ausgehend von der Bibel.
Diese Personen sind die Fundamentalisten. Erst später wurde der Begriff auf den Islam übertragen, und zwar erst seit der schiitischen islamischen Revolution im Iran, also nach dem Sturz des Schahs. Danach wurde der Ausdruck auch auf Muslime angewandt und noch etwas später auch auf Hindus.
Das ist die Geschichte des Ausdrucks „Fundamentalisten“. Man hat den Begriff immer mehr in einem erweiterten und verwässerten Sinn gebraucht, sodass heute viele Menschen gar nicht mehr wissen, was Fundamentalismus eigentlich bedeutet.
Krise und Enttäuschung im 20. Jahrhundert
Nun, dieses kalte zwanzigste Jahrhundert mit zwei furchtbaren Weltkriegen, die schließlich mit Atombombenabwürfen endeten, hat zu einer Krise im Abendland geführt. Einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg brachten die Sechzigerjahre eine tiefe Revolution.
Die Masse war enttäuscht über die wissenschaftliche Entwicklung. Was soll dieses Fortschrittsdenken aus der Aufklärung letztlich bringen? Es führt ja nur zu Unheil und Schaden. Menschen forschen an der Materie, entdecken die Atome und entwickeln daraus die Atombombe. Und das war sogar ein Pazifist wie Einstein, der letztlich zur Atombombe beitrug. Diese Entwicklung führte zu einer tiefen Enttäuschung und damit auch zu einer Skepsis gegenüber Wissenschaft und Forschung.
Es ist eine Enttäuschung über den Rationalismus. Die Vernunft, unser Denken, führt uns letztlich in die Sackgasse. Denn wenn das stimmt mit Darwin, dann ist der Mensch letztlich nur eine chemisch-biologische Maschine ohne Sinn und Ziel. Darum taucht im zwanzigsten Jahrhundert so oft die Frage auf: Was bin ich wert? Man müsse sich halt ein bisschen mehr selbst lieben, um den eigenen Wert zu erkennen.
Früher hatten die Menschen das nicht. Wenn sie depressiv waren, führten sie ihre Arbeit als Bauern einfach weiter. Sie nahmen das Joch des Lebens auf sich und hatten eine viel positivere Haltung dazu. Das beeinflusste natürlich auch ihre Gesundung positiv. Denn früher rechnete man mit einem Gott, der uns Dinge zu tragen gibt, uns dabei aber auch hilft und Auswege bringt.
Diese Enttäuschung über den Rationalismus führte zu einer Flucht in eine irrationale Welt. Rockmusik, mit der man völlig abfahren kann, Drogen, östliche Religionen, Okkultismus und Esoterik – all diese Dinge entstanden und erreichten ab den sechziger Jahren einen Siegeszug durch die westliche Welt. Die Reihenfolge war meist zuerst Rockmusik, dann das Interesse an Drogen wegen der Wirkung der Musik. Durch die Drogen entstand das Interesse an östlichen Religionen, weil man ähnliche Erfahrungen ohne Drogen machen kann. Damit war man dann schon im Okkultismus und in der Esoterik drin.
Alles von früher galt als schlecht – nicht nur das, was der Rationalismus gebracht hatte, sondern auch die Religion. Darum kam es zu einem Bruch mit den herkömmlichen Werten: sexuelle Perversion, Homosexualität, Auflösung von Ehe und Familie, Abtreibung – all diese Dinge wurden umfassend propagiert. Man wollte bewusst einen Bruch mit der Vergangenheit erreichen, in der Hoffnung, hier die neue Welt zu finden.
Paulus spricht im 2. Thessalonicher 2,3 von diesem großen Abfall, dieser Apostasie, vor dem Kommen des Antichristen, der noch vor der Wiederkunft Christi erscheinen soll. Dort heißt es:
„Denn dieser Tag, das ist der Tag der Wiederkunft Jesu als Richter, kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, geoffenbart werde.“
Also führt dieser Abfall in der christlichen oder einst christlichen Welt letztlich zum Erscheinen des Menschen der Sünde, des Sohnes des Verderbens – das ist der Antichrist.
Das 21. Jahrhundert – Terror und Orientierungslosigkeit
Und nun kommen wir zum einundzwanzigsten Jahrhundert. Dieses Jahrhundert ist noch nicht so lange alt, doch der Terroranschlag am 11. September 2001 hat diesem neuen Jahrtausend ein ganz besonderes Gesicht gegeben.
Osama bin Laden war in aller Munde, und die Katastrophe der Twin Towers in New York hat die Welt erschüttert. Es folgten Angst, Unsicherheit, Orientierungslosigkeit, Ziellosigkeit und Ohnmacht. All das kam zusätzlich zu dem Problem AIDS, das wir bereits aus dem letzten Jahrhundert mitgebracht hatten.
Eine Werbekampagne in England gegen AIDS verwendete einen Spruch aus den sechziger Jahren: „Rock and Roll, Drugs and Sex“ – das waren die drei Dinge, die damals für ein glückliches Leben propagiert wurden: Rockmusik, Drogen und Sexualität. Darunter stand der Satz: „At least Rock and Roll can't give you AIDS.“
Dann folgten weitere Herausforderungen: SARS, der Afghanistankrieg, der Irakkrieg und der Krieg gegen den Terrorismus – ein Feldzug, der kein Ende zu nehmen scheint. Der Terrorismus nimmt weiter zu und lässt sich nicht zurückdrängen im 21. Jahrhundert.
Die Frage nach dem Leben in der heutigen Zeit
Wie der Mensch denkt, so ist er. Hesekiel 33,10.
Also sprecht ihr und sagt: Unsere Übertretungen und unsere Sünden sind auf uns, und in denselben schwinden wir dahin. Wie könnten wir denn leben? Das muss die große Frage des einundzwanzigsten Jahrhunderts sein: Wie könnten wir denn leben?
Francis Schaeffer hat eine ganze Serie von guten Büchern geschrieben, gerade um Menschen zu helfen, die in den sechziger Jahren diesen Umbruch erlebt haben. Ich empfehle denen, die sich mit den heutigen Fragen noch intensiver auseinandersetzen wollen, die Bücher von Francis Schaeffer zu lesen. Er ist zwar verstorben, aber er hat ein Erbe hinterlassen, in dem er den Ausweg aus der Zeit ab den sechziger Jahren dargelegt hat.
Diese Bücher sind sehr nützlich, und viele Studenten sind zu ihm gekommen und haben gefragt: Gibt es wirkliche Antworten in einer solch verunsichernden Zeit? Er hat ihnen Antworten aus der Bibel gegeben. Sein letztes wichtiges Buch heißt „How Should We Then Live?“ – Wie sollen wir denn leben? Das entspricht Hesekiel 33: Wie könnten wir denn leben? Das ist die Frage der heutigen Zeit.
Gott gibt die Antwort als Ausweg aus der Sackgasse. Hesekiel 33,11 spricht zu denen, die so fragen: „So wahr ich lebe, spricht der Herr, der Ewige: Ich habe kein Gefallen am Tod des Gesetzlosen, sondern dass der Gesetzlose von seinem Wege umkehre und lebe. Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen, denn warum wollt ihr sterben?“
Das Opfer Jesu als Fundament des Lebens
Und vor zweitausend Jahren, lange bevor diese Krise kam, ist der Herr Jesus auf dem Golgatha-Felsen vor den Toren Jerusalems gestorben – als Opfer. Er nahm die Schuld unseres Lebens auf sich und tilgte sie vollständig. So können wir vor Gott bestehen und leben.
Hier finden wir Antwort und Hoffnung, hier finden wir das Fundament. Wir brauchen keine neue Philosophie, sondern einfach die Basis, die die Christen schon immer hatten. Wenn uns dann jemand als Fundamentalisten bezeichnet, müssen wir liebevoll erklären, was das Wort eigentlich bedeutet.
Wir glauben das, was die Christen früher immer geglaubt haben. Dieses Glaubensfundament gab ihnen Hoffnung und Stärkung im Leid und im Leben. So konnten sie mit den Herausforderungen des Lebens fertig werden – nicht aus eigener Kraft, sondern weil sie auf die Hilfe Gottes vertrauten.
Gott, der ewige Gott, ruft nicht nur einmal: „Kehrt um! Kehrt um von euren bösen Wegen, denn warum wollt ihr sterben?“ Hier liegt der Ausweg.
Jeder, der seine persönliche Schuld ganz ehrlich vor diesem ewigen Gott, dem Gott der Bibel, reuig bekennt und das Opfer von Golgatha für sich in Anspruch nimmt, kann sagen: „Jesus ist für mich gestorben“ – für ganz konkrete Sünden, die man bekennt und noch weiß. Dann schenkt Gott ewiges Leben.
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe (Johannes 3,16). Das ist im Kern das Evangelium.
Abschluss und Fragen
Können wir das Licht anmachen? Wir haben noch vier Minuten Zeit, fünf Minuten für Fragen. Wer beginnt? Also, wer fängt ganz hinten an, bitte? Noch einmal!
Ja, das verstehe ich gut, und zwar aus folgendem Grund: Wenn man in zwei Stunden zweitausend Jahre Geistesgeschichte durchnehmen soll, kann man sich nur auf einige ganz wichtige Linien beziehen. Es war mir einfach wichtig, dass man nur diese darstellt. Das ist so, wie in einem Anatomiebuch, in dem man nur eine Darstellung mit den Blutgefäßen sieht. So war das.
Ich habe also nur ein paar abstrakte Linien gezeigt, damit klar wird, was die erste Hälfte dieser zweitausend Jahre ausmacht: Platonismus. Die zweite Hälfte ist das aristotelische Denken. Das sollte deutlich werden.
Den Kommunismus müsste man so darstellen: Aufgrund von Feuerbach kommt Marx, der eine Erlösungslehre rein innerweltlich, ohne Gott, aufbauen will. Dies führt dann zur russischen Revolution am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit Abermillionen von Toten durch Leninismus und Stalinismus. Das wäre noch eine ganz wichtige Linie im zwanzigsten Jahrhundert.
Ich habe jetzt nur die zwei Weltkriege vorgestellt, aber ich hätte noch zeigen sollen, was die Bolschewisten für Millionen von Menschen auf dem Gewissen haben und welche Kälte sie ins zwanzigste Jahrhundert gebracht haben. Aber ich meine, in zwei Stunden das alles darzustellen – das würden manche nicht nur als ein Wagnis, sondern als ein bisschen verrückt ansehen. Aber ich glaube, es geht schon. Es geht schon.
Weiter! Ja, so klar war ja auch nicht alles. Ich meine, PowerPoint ist wunderbar.
Gut, die Linie der Gemeinde muss man natürlich sehen: Bis 1300 waren die wahren Gläubigen immer eingebettet in das, was die offizielle Kirche war – zur Hauptsache. Sie waren darum eben im Platonismus verhaftet. Das hat dann aber schließlich dazu geführt, dass in der Reformation das Fundament wieder neu entdeckt wurde.
Natürlich hatten ihre Vorgänger nicht nur Wycliffe, sondern weiter zurück bis zu den Waldensern, die das schon früher in Ansätzen entdeckt hatten. Die Reformatoren haben das dann wirklich ausgeführt, so dass es eine Bedeutung für die ganze abendländische Welt hatte.
Dann könnte man die Linie der Gemeinde weiterführen, wie die liberale Theologie versucht hat, die Gemeinde zu erobern. Natürlich gab es darauf schon längst vor den Fundamentalisten Reaktionen. Ich wollte die Fundamentalisten besonders herausheben, weil sie für das 20. und 21. Jahrhundert sehr bedeutend sind.
Sie zeigen, wie Christen, die über die Basis der Reformation zur Schrift zurückgefunden haben, eine Front bilden gegenüber einem Denken, das den Menschen in eine Sackgasse führt.
Noch etwas? Man könnte sagen, zunächst ist das Reden und Reagieren des Menschen auf die Abhängigkeit von seinem Schöpfer, ohne weibliche Verantwortung, auch sein ganz individuelles Leben und seine Beständigkeit.
Der zweite Abschnitt ist kein Verantwortlichsein, sondern der Besitz oder die Abhängigkeit von seinem Schöpfer. Ja gut, das ist zu positiv für die erste Hälfte, denn natürlich wurde Gott betont. Aber es wurde auch betont, dass der Mensch sich da hinaufarbeiten und sich selbst erlösen kann. Das war das Verheerende, die totale Verdrehung des Evangeliums.
Beide Hälften der abendländischen Geistesgeschichte sind schlimme Verdrehungen der Wahrheit. Und immer noch steckt manchmal ein Kern Wahrheit darin. Die effektivsten Lügen sind die, die eben Kerne von Wahrheit enthalten.
Ja, jetzt übergebe ich das Wort an Christoph.
