Kontext und biblische Grundlage der Fremdsprachenrede
Zurück zur Zeit Jesaja: Ich habe hier, ich muss kurz nachschauen – hier ist es – ich habe den Ersten Korintherbrief 14,21-22 auf der Folie zitiert. Darunter steht die Stelle aus Jesaja 28.
In Jesaja 28,9 spricht Gott zu dem Volk, das die Botschaft nicht hören will. Jesaja war als Prophet tätig und fragt: „Wen will er denn Erkenntnis lehren?“ Diesem Volk wird dann das Gericht angekündigt.
Gott sagt, er werde zu diesem Volk durch stammelnde Lippen und durch eine fremde Sprache reden. Doch sie werden auch dann nicht auf ihn hören oder wollen nicht hören. Diese Menschen haben die Propheten immer wieder gehört, aber sie wollten nicht auf deren Worte hören.
Daraufhin erklärt Gott: Wenn ihr nicht hören wollt, dann schicke ich euch Fremdsprachen. So kamen die Soldaten der Assyrer aus dem Norden, nahmen das ganze Land ein – das Nordreich Israel – und besetzten alles.
Die Israeliten hörten von allen Seiten nur noch Assyrisch. Sie konnten diese Sprache jedoch nicht sprechen oder verstehen. Sie hörten also viele fremde Sprachen.
Die Tatsache, dass das Volk fremde Sprachen hörte, war von Gott her ein Zeichen für die ungläubigen Israeliten, dass das Gericht bevorsteht. Dieses Gericht kam tatsächlich: Die Assyrer führten das Volk aus Samaria in die assyrische Gefangenschaft.
Das Hören von fremden Lippen und fremden Sprachen – in diesem Fall Assyrisch – war somit ein Zeichen des nahenden Gerichts.
Paulus’ Bezug auf Jesaja und die Bedeutung des Zungenredens
Paulus sagt in Vers 21, dass nicht übersetzte Sprachenreden für Ungläubige ein Zeichen von Gericht ist. Wahrscheinlich meint er hier ungläubige Juden, aber das ist nicht ganz sicher. Er sagt nicht wörtlich „Gericht“, doch in der Parallelstelle in Jesaja 28 war das Hören von Sprachen, die man nicht versteht, ein Zeichen des nahenden Gerichts.
Ich habe hier als Ausgangspunkt das alttestamentliche Zitat genommen: Das Hören unverständlicher Fremdsprachen war damals ein Zeichen des nahe bevorstehenden Gerichts. Daraus zieht Paulus die Lektion in Vers 22: Wer die Christusbotschaft nicht glaubt, zu dem geht Gott auf Distanz. Das heißt, er versteht Gott nicht mehr.
Die Tatsache, dass es also Fremdsprachen gab, die auf übernatürliche Weise gesprochen wurden, war ein Zeichen – wenn ich die Parallele richtig verstehe – von dem nahenden Gericht. Wie war das am Pfingsttag? Einerseits war es Gnade, dass Gott verschiedene Sprachen sprechen ließ. Andererseits sollten die Israeliten hören: Wenn ihr nicht mehr hört, dann wende ich mich zu den Heiden und spreche andere Sprachen, andere Sprachen als Hebräisch. Und das Gericht kam.
Israel bekam noch vierzig Jahre Geduld, noch vierzig Jahre die Chance. In diesen vierzig Jahren wirkte Gott offensichtlich weiterhin Wunder, und eines dieser Wunder war das Zungenreden. Es scheint mir so, dass Paulus gerade sagt: Die Tatsache, dass es dieses Zungenreden gab, dieses Fremdsprachenreden, sollte den Israeliten zeigen, dass Gott auf Distanz geht. Das ist für mich die Parallele, die ich aus Jesaja 28 ziehe, weil Paulus gerade diese Stelle zitiert.
Der Sinn des Zungenredens, dieses Wunders – es war damals ein Wunder, daran besteht kein Zweifel –, das viele oder jedenfalls manche hatten, Paulus selbst und andere auch, war, dass Israel erkennt: Gott geht auf Distanz. Wenn sie nicht Buße tun, kommt das Gericht.
So ist das Zungenreden ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen. Das sagt Paulus in Vers 22. Die Tatsache, dass es damals das Zungenreden gab, sollte die Israeliten zum Aufhorchen bringen. Es begann ja in Israel, in Jerusalem selbst, und breitete sich dann aus – natürlich überall dort, wo die Botschaft hinkam. Bis nach Korinth gab es dieses Zungenreden. Nicht alle sprachen es, aber es kam immer wieder vor, offensichtlich. Sonst hätten die Korinther das Problem nicht gehabt.
Der erste Korintherbrief wurde im Jahr 55 geschrieben, also 15 Jahre vor dem Jahr 70 nach Christus, als das Gericht kam. Das Gericht war schrecklich, nicht über Korinth, sondern über Jerusalem. Paulus stellt das in einen alttestamentlichen Kontext und sagt: Denkt daran, im Alten Testament gab es Fremdsprachen, und jetzt gibt es Fremdsprachen. Das zeigt, dass man einen Sinn hinter dieser eigenartigen Wundergabe erkennen kann.
So entsteht auch Verständnis dafür, warum das Zungenreden später wieder verschwunden ist.
Historische Entwicklung und heutige Erscheinungen des Zungenredens
Nach dem Jahr 70 gibt es in der Kirchengeschichte keinen Beleg für Zungenreden. Dieses Phänomen war verschwunden, sozusagen weggeblasen. Die einzigen, bei denen Zungenreden vorkam, waren die Montanisten. Diese galten als Irrlehrer und waren keine echten Christen. Herr Tullian berichtet, dass es bei den Montanisten Zungenreden gab. Allerdings findet man Zungenreden auch bei den Mormonen und bei verschiedenen Indianervölkern. Zungenreden an sich ist also eine bekannte Erscheinung, aber das biblische Zungenreden, von dem die Bibel spricht, war nicht mehr vorhanden.
Augustinus und andere Kirchenväter schreiben, dass dieses biblische Zungenreden in der Kirchengeschichte nicht mehr vorkam. Man könnte meinen, die Christen seien alle abgefallen und erst mit der Wiederentdeckung des Evangeliums sei das Zungenreden zurückgekehrt. Doch das ist nicht der Fall. Luther zum Beispiel hat nicht in Zungen gesprochen. Auch während der Reformation, als das Evangelium neu aufblühte, gab es kein Zungenreden und keine Zungenbewegung.
Erst im zwanzigsten Jahrhundert, genauer gesagt im Jahr 1900 in Amerika, begannen zwei Frauen, Zungen zu reden. Interessanterweise begann die moderne Zungenbewegung mit Frauen. Ich habe nichts gegen Frauen, aber der Feind weiß offenbar, wo er angreifen kann. Von Amerika aus kam die Bewegung sechs Jahre später, im Jahr 1906, nach Europa. Auch dort waren es Frauen, die die Zungenbewegung in Gang brachten.
Daraufhin entstand ein großer Konflikt unter den Evangelikalen. Es bildete sich eine Kluft zwischen den Christen: auf der einen Seite die Pfingstgemeinden, auf der anderen die Nichtpfingstgemeinden. Neben dem Zungenreden traten auch viele andere eigenartige Erscheinungen auf, wie das sogenannte heilige Lachen und verschiedene weitere problematische Phänomene.
Als Abschluss des heutigen Abends möchte ich die Frage aufwerfen: Wie ist die moderne Zungenbewegung einzuordnen? Darauf werde ich morgen, an unserem nächsten Abend, gerne noch ausführlicher eingehen. Dann können wir auch weitere Fragen dazu besprechen. Zunächst möchte ich das Thema hier aber erst einmal abrunden.
Kritik und wissenschaftliche Untersuchung der modernen Zungenbewegung
Meistens ist das moderne Zungenreden nicht das biblische, und ich habe fünf Gründe dafür.
Erstens handelt es sich meistens nicht um eine wirkliche Sprache. Es gibt eine Forschungsarbeit von zwei Forschern, Kilber und Kalben, sowie Tildal. Ich habe von Professor Janssen erfahren, dass diese Forscher in Amerika von der lutherischen Kirche zehn Jahre freigestellt wurden, um die Zungenbewegung zu untersuchen. Sie hatten zehn Jahre Zeit, Tausende von Interviews zu führen und Tonbandaufnahmen zu machen, um die Bewegung zu erforschen, und haben sich dabei viel Mühe gegeben.
Nach zehn Jahren kamen sie zu dem Schluss, dass von allen Aufnahmen keine einzige echte Sprache war. Das heißt, kein Zungenreden, das sie aufgenommen haben, war eine Sprache. Woher weiß man das? Linguisten können das erkennen, auch wenn sie die Sprache nicht kennen. Man kann herausfinden, ob es sich um sinnloses Gelalle oder um eine echte Sprache handelt. Es gibt bestimmte Kriterien, anhand derer man schnell feststellen kann, ob es sich um eine echte Sprache handelt oder nur um die Wiederholung von Silben, auch wenn manchmal ein paar Wörter eingestreut werden. Das lässt sich heute sehr gut wissenschaftlich klären.
Von den Tausenden von Zungenreden, die sie aufgenommen haben, fanden sie keine einzige, die eine echte Sprache war.
Zweitens gab es bei den Übersetzungen keine Übereinstimmung. Dieselben Tonbandaufnahmen wurden verschiedenen Übersetzern vorgespielt, die jeweils behaupteten, sie könnten übersetzen. Die Forscher spielten die Aufnahmen den Übersetzern vor und ließen die Übersetzungen schriftlich festhalten oder erneut aufnehmen. Danach verglichen sie die verschiedenen Übersetzungen.
In keinem Fall fanden sie zwei Übersetzungen, die auch nur annähernd übereinstimmten. Die Übersetzungen waren völlig verschieden. Ein Übersetzer sagte zum Beispiel, es sei ein Dank für eine Gabe, ein anderer meinte, es sei ein Gebet für die Heilung eines Kindes – und das bei derselben Zungenrede. Das hatte überhaupt nichts miteinander zu tun.
Als die Forscher die Übersetzer darauf ansprachen, wie das möglich sei, antwortete einer frech, der Heilige Geist übersetze eben verschieden. Dafür schämte er sich nicht. Das ist Verblendung.
Diese rein wissenschaftlichen Befunde zeigen, dass man nichts gefunden hat, was eine echte Sprache im Zungenreden belegt. Man könnte natürlich sagen, dass die Forscher nur falsche Zungenredner erwischt haben und es irgendwo doch echte geben könnte. Aber man sollte sehr vorsichtig sein.
Drittens entstand die moderne Zungenbewegung im Zusammenhang mit unbiblischen Lehren. Die Zungenbewegung kam nicht einfach aus einer klar biblischen Grundlage heraus, sondern es wurde vorher viel Falsches gelehrt. Ein Beispiel ist die Heiligungsbewegung, aus der die Pfingstbewegung hervorging. Dort hatte man falsche Lehren über den Heiligen Geist und die Geistestaufe verbreitet. Man lehrte eine Zwei-Stufen-Lehre.
Thore, ein Vertreter dieser Bewegung, und sogar Moody, der noch relativ biblisch war, verwendeten ein falsches Vokabular. Thore lehrte, dass die Geistestaufe eine zweite Erfahrung sei, die jeder Christ machen müsse. Dadurch komme man auf eine höhere Stufe des Christseins, und es gäbe zwei Arten von Christen: die Nicht-Geistgetauften und die Geistgetauften. Das hat mit der Bibel nichts zu tun.
Die Bibel lehrt, dass die Geistestaufe jeder Christ in dem Moment erhält, in dem er den Heiligen Geist empfängt. Das steht zum Beispiel in 1. Korinther 12,13, das wir gestern gelesen haben.
Die moderne Pfingstbewegung trat also tatsächlich im Zusammenhang mit anderen unbiblischen Lehren über den Heiligen Geist auf. Diese Zwei-Stufen-Lehre führte Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer schweren Spaltung der Christenheit.
Viertens wird oft behauptet, dass Zungenreden kein Gebet sei. Ich habe das selbst erlebt: Jemand sprach in Zungen und meinte dann, das sei eine Weissagung. Er vermischte Zungenreden und Weissagung und sagte, Zungenreden sei die Weissagung in einer fremden Sprache. So etwas gibt es in der Bibel nicht.
Fünftens hat man bei den meisten Zungenrednern festgestellt, dass sie nicht wussten, was sie sagen wollten, also ohne bewusstes Denken redeten. Ein Zungenredner sagte mir, es sei wunderbar, beim Zungenreden den Verstand völlig ausschalten zu können und einfach zu sprechen. Er tue das sogar beim Autofahren, weil es sehr entspannend sei.
Aber was ist mit dem Verstand? Der soll passiv sein? Das ist genau das, was wir nicht tun dürfen. Wir dürfen den Verstand nicht ausschalten.
Ein anderer Prediger sagte sogar, der Verstand müsse weg. Ein Bruder wollte Zungenreden lernen, und man legte ihm die Hände auf und betete: "Der Verstand muss weg, der Verstand muss weg, der Verstand muss weg." Man wollte ihm suggerieren, nicht zu denken, es komme schon das Zungenreden, aber er dürfe nicht denken.
Das ist dämonisch, Geschwister, das ist gefährlich. Es ist gegen die Art Gottes, den Verstand auszuschalten. Das habt ihr schon gesagt, und ich stimme dem zu. Es ist gefährlich, den Verstand auszuschalten.
Schlussfolgerung: Zungenreden als kontinuierliche Gabe heute?
Zum Schluss möchte ich festhalten, dass ich Zungenreden als kontinuierliche Gabe ablehne. Das ist meine heutige Schlussfolgerung: Zungenreden als fortwährende Gabe gibt es nicht mehr.
Ich behaupte nicht, dass es ein einmaliges, punktuelles Wunder nicht geben könnte. Jemand erzählte mir, dass er im Zug mit einer Person sprechen wollte, deren Sprache er nur sehr bruchstückhaft verstand. Er wollte ihr das Evangelium erklären. Als er anfing zu reden, kamen die Worte wie von selbst. Er sagte, es sei ein Sprachenwunder gewesen.
Er erklärte das Evangelium, obwohl er die Sprache kaum kannte. Er konnte nur einige Brocken der Sprache, aber er wusste alles, was er sagen wollte, und der andere verstand alles. Das war ein Sprachenwunder. Solche einmaligen Ereignisse kann es geben, aber nicht im Sinne einer kontinuierlichen Gabe des Zungenredens als Gnadengabe.
Diese kontinuierliche Gabe können wir nicht beweisen. Wer etwas anderes behauptet, muss den Beweis erbringen, dass das Zungenreden, das er heute hat, tatsächlich das biblische Zungenreden ist. Das bedeutet: Es darf nicht erlernt worden sein, sondern muss von Gott gegeben sein. Es muss ein Beten sein, und dem Betenden muss klar sein, was er im Geist gebetet hat.
Drittens muss bei verschiedenen Übersetzern dasselbe herauskommen. Viertens muss es sich um eine echte Sprache handeln, die man feststellen kann. Fünftens darf das Zungenreden nicht im Zusammenhang mit falscher Lehre entstanden sein. Und sechstens muss der Übersetzer in der Lage sein, jegliches Zungenreden richtig zu übersetzen.
Wenn all das erfüllt ist, dann sage ich: Warum sollte ich dagegen sein? Aber zuerst muss dieser Beweis erbracht werden. Viele sagen: Nein, ich nehme mein Zungenreden nicht auf Tonband auf und lasse es niemandem vorspielen. Warum nicht? Vielleicht hat man Angst, dass es dann doch nicht das biblische Zungenreden ist.
Damit schließe ich heute.
