
Das Erbe der Reformation und der moderne Mensch
Einführung und Anlass der Betrachtung
Guten Abend, meine Damen und Herren!
Ich möchte Sie alle herzlich zu diesem Vortrag mit dem Titel „Das Erbe der Reformation und der moderne Mensch“ begrüßen. Als Untertitel habe ich die Frage gewählt: „Wie gewonnen, so zerronnen?“
Man könnte auch, allerdings ist dies bereits der Titel eines kleinen Buches, das beim ZLV erschienen ist, fragen: „Außer Thesen nichts gewesen?“ Ja, diese Fragen werden uns heute Abend beschäftigen.
Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Reformation – also eines halben Jahrtausends – blicken wir zurück. Der Schlüsseltag war der 31. Oktober 1517. An diesem Tag veröffentlichte Martin Luther seine 95 Thesen, was eine Erweckung mit weltweiter Bedeutung auslöste.
Natürlich gab es viele Reformatoren vor 500 Jahren, doch Martin Luther war der Mann, der alles ins Rollen brachte. Deshalb möchte ich im ersten, kurzen Teil eine Biografie von Martin Luther vorstellen.
Die Biografie Martin Luthers: Von der Jugend bis zur Priesterweihe
Martin Luther wurde 1483 geboren und lebbte bis 1546. Sein Geburtsdatum ist der 10. November 1483, und er kam in Eisleben zur Welt. Eisleben liegt in Sachsen-Anhalt, was heute zum Gebiet der ehemaligen DDR gehört. Allerdings kann man diesen Begriff für Luthers Zeit natürlich nicht verwenden. Man sagt heute einfach, dass es im Osten Deutschlands liegt.
Luther war der Sohn eines Bergmanns und erhielt eine strenge Erziehung. Seine Mutter hatte viele Kinder zu versorgen und vermittelte Martin eine disziplinierte Erziehung. Sein Vater wünschte sich, dass Martin Jurist werden sollte. Deshalb sorgte er dafür, dass Martin eine entsprechende Ausbildung einschlagen konnte.
Als Martin 22 Jahre alt war, ereignete sich 1505 ein schweres Gewitter, das sein Leben entscheidend veränderte. Ein Blitz schlug ganz in der Nähe ein, und durch den Luftdruck wurde Martin zu Boden geworfen. Er glaubte, dass er diesem Ereignis nicht lebend entkommen würde. In seiner Angst legte er ein Gelübde ab: Er würde Mönch werden.
Dieses Gelübde führte dazu, dass er in den Orden der Augustiner-Eremiten eintrat. Dieser Orden war ein sogenannter Mittelorden und hatte eine Niederlassung in Erfurt, ebenfalls im Gebiet der ehemaligen DDR. Über diese Entscheidung war sein Vater sehr zornig.
Im Jahr 1507 wurde Martin Luther zum katholischen Priester geweiht.
Eindrücke aus Rom und theologische Studien
Er fiel den Augustiner-Eremiten als ein sehr begabter und zugleich gewissenhafter Mensch auf. So wurde er im Jahr 1510 oder 1511 – das genaue Jahr ist nicht ganz klar – von seinem Orden nach Rom geschickt, um eine bestimmte Mission zu erfüllen.
Zu dieser Zeit wurde gerade der Petersdom, den wir hier sehen, gebaut. Dieses monumentale Bauwerk verursachte immense Kosten. Genau in dieser Phase kam Tetzel nach Deutschland, um Geld zu sammeln, damit der prächtige Bau im Vatikan vollendet werden konnte.
Ganz bekannt wurde sein Spruch: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Die armen Leute wurden dadurch regelrecht ausgebeutet, um die Baukosten zu bezahlen. Es handelte sich um Ablassgelder, mit denen den Menschen Rettung versprochen wurde – nicht die sichere Rettung, sondern eine Verkürzung der zeitlichen Strafen im Fegefeuer, sofern sie mehr und mehr zahlten.
Martin Luther sah, wie es in Rom zuging, und war schockiert. Er erlebte Luxus und Schwelgerei bei manchen hohen Kirchenvertretern sowie offene Unzucht und Hurerei unter dem Klerus. Das alles erschütterte ihn tief.
Diese Eindrücke prägten ihn nachhaltig. Er kam zu der Überzeugung, dass die Christenheit weit vom ursprünglichen Christentum und von der Bibel abgekommen war. So konnte es nicht weitergehen.
Rückkehr zur Theologie und innere Kämpfe
Nun kehrte er zurück und man ließ ihn Theologie studieren, weil er sich als sehr begabt erwies. Er konnte promovieren und wurde ab 1512 Professor der Theologie.
Diese Zeit war für Martin Luther keine einfache Zeit. Es war ein echtes Ringen um die Wahrheit. Er studierte die Bibel intensiv und hielt Vorlesungen, zum Beispiel über den Galaterbrief. Dabei ging es unter anderem um die Themen Werke und Gnade. Diese grundlegenden Begriffe des Evangeliums standen im Mittelpunkt seiner Vorlesungen.
Er hielt auch Vorlesungen über die Psalmen. Dabei war er sehr gewissenhaft. Wenn er in sich selbst hineinschaute, hatte er den Eindruck: „Ich bin ein völlig verderbter Mensch, ich passe überhaupt nicht zu Gott.“ Er nannte sich selbst einen „Madensack“. Die Frage, wie ein gerechter Gott einem solchen Menschen gnädig sein könne, beschäftigte ihn sehr.
Sein Beichtvater sagte zu ihm: „Martin, weißt du, andere sind viel schlimmer als du.“ Doch das tröstete ihn nicht. Für ihn war die entscheidende Frage: Wie kann ein Mensch, der so ist wie ich – und er war kein Krimineller, sondern ein anständiger Mensch – bei Gott akzeptiert werden? Wenn er in sich hineinschaute, entdeckte er Abgründe in seinem Herzen. Deshalb fragte er sich immer wieder, wie ein gerechter Gott einem solchen Menschen gnädig sein und ihn annehmen könne.
In dieser Zeit des Unterrichtens über die Bibel wurde das Geschehen am Kreuz von Golgatha und die Versöhnung durch Jesus Christus, wie sie die Bibel lehrt, immer wichtiger in seinem Denken. Es wurde zunehmend zum Zentrum seines Glaubens, jedoch verbunden mit schweren inneren Kämpfen.
Das Turmerlebnis und die Erkenntnis der Rechtfertigung durch Glauben
Wir wissen nicht genau, wann das in seinem Leben geschah, aber es war natürlich vor 1517. In diesem Jahr kam der große Durchbruch. Martin Luther sprach später immer wieder von diesem sogenannten Turmerlebnis in Wittenberg.
Er las in seiner Bibel, dort im Turm, den Vers Römer 1,17: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“ Für die meisten ist das schwer nachzuvollziehen. Für ihn war es wie ein Blitzschlag – allerdings nicht mehr furchterregend wie damals 1505, sondern ein Blitzschlag, der ihn wirklich tief veränderte. Er sagte, er habe sich wie neu geboren gefühlt.
Es ging nicht darum, etwas zu leisten oder auf den Knien im Vatikan eine Kirche hinaufzusteigen, um Ablass zu bekommen. Auch nicht darum, Geld zu geben. Sondern es ging um den Glauben, um das Vertrauen auf Jesus Christus und die Tatsache, dass er am Kreuz alles gut gemacht hat.
Er erkannte: Jesus Christus ist in diese Welt gekommen. Der Sohn Gottes wurde Mensch, damit er an die Stelle von uns Menschen treten konnte. Das Gericht, das wir verdienen, wird für uns Realität. Denn wie Martin Luther sah auch er die Abgründe in jedem Leben.
Weil wir so vor Gott nicht bestehen können, hat Jesus Christus am Kreuz stellvertretend den Zorn Gottes auf sich genommen. Er trug die Strafe für uns. Jeder, der seine persönliche Schuld, die ihm bewusst ist, im Gebet Gott bekennt und bereut, dem wird von Gott vergeben.
Gott bleibt gerecht, weil er nicht einfach das Böse ignoriert. Er hat es bestraft – aber an einem anderen. Man könnte sagen: „Ja, aber es ist ein anderer.“ Gerecht wäre es, wenn ich die gerechte Strafe bekomme. Doch der Schlüssel liegt in der Identifikation.
Jesus Christus kam in diese Welt, um sich mit uns zu identifizieren. Darum konnte er am Kreuz stellvertretend die Schuld auf sich nehmen. Deshalb hat Gott ihn am Kreuz verlassen. Jesus rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Gott hat ihn wirklich verlassen. Das Gericht, das wir in Ewigkeit verdient hätten, brachte er in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz auf sich. Jetzt kann sich durch den Glauben jeder Mensch mit Jesus Christus identifizieren.
Diese Identifikation braucht es von jedem Menschen, damit Gott das Erlösungswerk Jesu zurechnet. Das hat Martin Luther plötzlich realisiert: „Da steht es ja: Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“
Man muss einfach glauben, dass Jesus Christus durch seinen Opfertod alles gut gemacht hat. Dann kann man vor Gott bestehen – nicht, weil man sich selbst gut gemacht hat, sondern weil Gott vergibt und alle Schuld wegnimmt.
Was bleibt, wenn der schuldige Mensch keine Schuld mehr hat? Dann ist er gerecht. So hat Luther verstanden: So wird man ein gerechter Mensch – aber durch den Glauben, ohne Werke und ohne Leistung, wie es die Kirche bisher gelehrt hatte.
Die Veröffentlichung der 95 Thesen und die Reaktion der Kirche
Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte Luther die 95 Thesen. Er übermittelte sie dem Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Albrecht von Brandenburg. Es wird angenommen, dass er die Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen hat. Allerdings wird dies heute von einigen Forschern in Frage gestellt.
Ob er die Thesen tatsächlich an die Tür genagelt hat oder nicht, spielt keine entscheidende Rolle. Wichtig ist, dass er sie an diesem Tag veröffentlicht hat. Heute sieht man das originale Tor mit einer Kopie der Thesen. Die Thesen wurden in der Folge vielfach abgeschrieben – fast so, als hätte man damals schon Fax oder E-Mail gehabt. Sie verbreiteten sich in ganz Europa in Windeseile.
Im Jahr 1518 kam dann Druck auf Luther zu, diese Thesen zu widerrufen. Aber was waren diese Thesen genau? Er stellte zum Beispiel die Ablassgelder infrage, weil er überzeugt war, dass in der Bibel nichts davon steht, dass man durch Geldzahlungen bei Gott Gunst erlangen kann. Im Gegenteil, solche Praktiken verdunkeln den Blick für die Wahrheit.
In seinen 95 Thesen setzte er sich kritisch mit verschiedenen Punkten auseinander. Sein Ziel war nicht, die Kirche zu zerstören. Vielmehr wollte er reformieren und erneuern. Er sah, dass man sich weit von Gott und der Bibel entfernt hatte, und fragte sich, wie man wieder zurückkehren könne.
Allerdings erhielt er nicht die Erlaubnis, die Thesen überall zu diskutieren. Stattdessen wurde Druck auf ihn ausgeübt: „Martin, diese Thesen musst du widerrufen!“ Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, stellte sich schützend als weltlicher Fürst vor Luther.
Im April 1518 ging Martin Luther zum Generalkapitel der Augustinereremitten in Heidelberg. Dort hielt er eine Rede über göttliche Liebe und Gnade. Diese Rede berührte und bewegte die Eremiten seines Ordens tief. Was er in der Bibel entdeckt hatte, war zwar schon lange darin enthalten, aber niemandem mehr so bewusst. Die Folge war, dass viele aus dem Kloster austraten.
Kritik an kirchlichen Praktiken und biblische Grundlagen
Und zwar realisierten sie ja: Wo finden wir diese Dinge wie Zölibat und Askese? Ja, im Neuen Testament. Im ersten Timotheusbrief schreibt der Apostel Paulus in den sechziger Jahren des ersten Jahrhunderts:
1. Timotheus 4,1: „Der Heilige Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche von dem Glaubensgut abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, die in Heuchelei Lügen reden und betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind, verbieten zu heiraten und gebieten, sich von Speisen zu enthalten.“
Diese Speisen hat Gott geschaffen zur Annahme mit Danksagung für die, welche glauben und die Wahrheit erkennen. Wenn man sich das überlegt, steht das in jeder Bibel, auch in jeder katholischen Bibel. Der Heilige Geist sagt durch Paulus prophetisch voraus, dass es in späteren Zeiten zu solchen Verirrungen in der Christenheit kommen wird. Man wird gebieten, Askese zu treiben, sich von Speisen zu enthalten, um dadurch Stufen höher zu kommen, oder man wird das Heiraten verbieten.
Zölibat bedeutet das Verbot für Priester und Mönche zu heiraten, und die Bibel sagt, dass dies kommen wird. Wir wissen aus der Kirchengeschichte, dass ab dem zweiten Jahrhundert diese Tendenzen begannen. Im dritten und vierten Jahrhundert wurde dies richtig Mode und schließlich zum Normalen in der Christenheit.
Die Bibel bezeichnet solche Lehren als Lehren von Dämonen, von bösen Geistern.
Noch etwas, gerade im Zusammenhang mit dem Zölibat: Im Hebräerbrief, Kapitel 13, Vers 4, lesen wir im Neuen Testament:
„Die Ehe sei geehrt in allem und das Bett unbefleckt. Hurer und Ehebrecher wird Gott richten.“
Das heißt, die Ehe ist nicht irgendetwas Minderwertiges. Man könnte sagen, sie ist auch nicht nur eine Pflicht. Kindererziehung ist wichtig, eine gewisse Romantik ist auch gut – aber die Sexualität ist nicht etwas Unsauberes. Die Bibel sagt: Die Ehe sei geehrt in allem. Das heißt in allen Aspekten, die die Ehe ausmachen. Dazu gehört auch die Sexualität als Geschenk Gottes.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was manche behaupten. Die Bibel lehrt, dass Gott die Sexualität für den geschützten Bereich der Ehe erfunden hat. Missbrauch der Sexualität, also Ehebruch, wird verurteilt, aber die Sexualität an sich ist geehrt in allem.
Dann schreibt Paulus im ersten Timotheusbrief, Kapitel 3, Vers 2:
„Der Bischof oder Aufseher muss untadelig sein, der Mann einer Frau.“
In Vers 4 heißt es weiter:
„Der der eigenen Familie wohlvorsteht, der seine Kinder in Unterwürfigkeit hält, mit allem würdigen Ernst. Wenn aber jemand der eigenen Familie nicht vorzustehen weiß, wie wird er die Kirche Gottes besorgen?“
Man erkennt, wie Paulus lehrt: Ein Bischof muss verheiratet sein und ein Familienleben führen, in dem er weiß, wie das geht – zum Beispiel auch im Umgang mit schwierigen Teenagern.
Aber das ist nur ein Aspekt. Wie soll man anderen in der Gemeinde oder der Kirche raten, wenn man selbst ein völliger Theoretiker ist? Und hier steht: Das muss so sein.
Das heißt also, jeder Bischof, der nicht verheiratet ist, ist aufgrund dieser Stelle eigentlich illegal Bischof.
Die Leipziger Disputation und die Zuspitzung der Auseinandersetzung
Im Jahr 1519 fanden die sogenannten Leipziger Disputationen statt. Dr. Eck, ein scharfer theologischer Denker, drängte Luther in diesem Gespräch dazu, dass er die Unfehlbarkeit des Papstes und die Irrtumslosigkeit der Konzilien bestreitet. Wenn Luther dies tut, hat man eine Grundlage, um gegen ihn richtig vorgehen zu können.
In dieser Disputation wurde Luther so stark gedrängt, dass er mehr sagte, als er bisher geäußert hatte. Man merkt, dass das Klima immer heftiger wurde.
Im Jahr 1520 kam es zur Verbrennung von Schriften. Die drei reformatorischen Hauptschriften von Martin Luther – an den christlichen Adel, Die babylonische Gefangenschaft der Kirche und Von der Freiheit eines Christenmenschen – wurden verbrannt.
Wie reagierte Martin Luther auf diese öffentliche Verbrennung seiner Schriften? Ihm wurde eine Bannandrohungsbulle übergeben. Das ist ein vom Papst versiegelter Brief, der ihm androhte: „Pass auf, du bist jetzt an der roten Linie. Wenn du weitermachst, wird der Bann über dich verhängt.“
Der Bann bedeutete den Ausschluss aus der Kirche. Man muss sich allerdings klar machen, dass dies nicht mit heutigen Vorstellungen vergleichbar ist. Damals bedeutete der Bann, dass man außerhalb der Gesellschaft stand. Die Menschen, wie der Metzger oder der Bäcker, wollten nichts mehr mit einem solchen zu tun haben.
Was tat Luther? Er nahm dieses Dokument und verbrannte es ebenfalls. Das ist heute schwer vorstellbar, weil wir in einer ganz anderen Zeit leben. Für Europa war das ein Schock. Der Papst war damals die stärkste Autorität Europas. In den Jahrhunderten zuvor war es ganz normal, dass der Papst sogar Kaiser, insbesondere den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, einsetzen oder absetzen konnte.
Und nun verbrannte ein kleiner Eremitenmönch die Bulle des Papstes. Europa war schockiert.
Im Jahr 1521 kam es zum Reichstag in Worms. Das war eine feierliche Angelegenheit, bei der der führende Adel Europas und Würdenträger der katholischen Kirche anwesend waren.
Man gab Luther noch einmal die Gelegenheit, zu widerrufen – also seine angeblich falschen Lehren zurückzunehmen. Luther bat um Bedenkzeit. Jetzt war er wirklich unmittelbar an der roten Linie angekommen.
Dann trat er vor diese erlauchte Gesellschaft in Worms und sagte: „Hier stehe ich. Gott helfe mir, ich kann nicht anders. Amen.“
Flucht auf die Wartburg und Bibelübersetzung
Und jetzt war er vogelfrei. Jeder konnte ihn erschießen. Er wurde von befreundeten Leuten vom Reichstag in Worms weggeführt.
Dann geschah es: Auf dem Weg wurde er überfallen und entführt – auf die Wartburg. Doch es war ein befreundeter Fürst, der diesen „Überfall“ ausführte und Luther entführte. Luther musste seine Kleidung und seine Haartracht ändern. Nun sollte er einfach nur noch „Junker Jörg“ genannt werden, während er auf der Wartburg blieb.
Was macht Luther dort? Er übersetzt die Bibel. Zuerst das Neue Testament. Dieses wird bald gedruckt und verbreitet. Man stelle sich vor: die Bibel auf Deutsch! Das war etwas ganz Besonderes.
Bis dahin durfte man die Bibel nur auf Latein lesen – und das durften nur die Geistlichen. Die einfachen Leute durften die Bibel nicht lesen. Aber selbst wenn sie sie lesen durften, hätte es nichts genutzt, wenn sie die Sprache nicht verstanden hätten. Nur der Klerus durfte die Bibel lesen und erklären.
Jetzt übersetzt Luther die Bibel, was verboten war. Frühere Übersetzer hatten dafür mit ihrem Leben bezahlt. Jahre zuvor hatte Wycliffe in England die Bibel übersetzt und wurde dafür verfolgt.
Man sieht den Mut dieses Mannes: Er übersetzt die Bibel in ein Deutsch, das die Leute verstehen konnten. Das war wirklich fantastisch. Diese Übersetzung hat unsere deutsche Sprache geprägt, wie schon in der Einleitung angedeutet wurde.
Unsere Standardsprache, das Lutherdeutsch, entwickelte sich über die Jahrhunderte aus dieser Bibelübersetzung. Wir sprechen eine Bibelsprache auf Deutsch.
„Gottes Wort für alle“ – das war das Programm.
Das Wunderbare ist: Genau am Ende des 15. Jahrhunderts, in dem Luther geboren wurde, wurde die Buchdruckkunst erfunden. Dadurch konnten Bücher endlich günstiger hergestellt werden.
Man muss sich das vorstellen: Ende des 14. Jahrhunderts, als man noch nicht drucken konnte, wechselte eine Bibel den Besitzer zum Preis einer Ritterburg. Jetzt dagegen kostete das „Septembertestament“ etwa so viel wie ein Kühlschrank.
In der Folgezeit sollte der Preis noch weiter sinken, aber einen Kühlschrank konnte man schon bezahlen.
Also übersetzte Luther auf der Wartburg zuerst das Neue Testament und dann auch das Alte Testament. Dabei nahm er bewusst nicht mehr die lateinische Übersetzung als Grundlage, sondern ging zu den Quellen zurück.
Das griechische Neue Testament war die Textgrundlage, ebenso das hebräische Alte Testament – so, wie die Bibel ursprünglich geschrieben wurde.
Dadurch breitete sich eine Erweckungsbewegung aus. Tausende Nonnen und Mönche erkannten die Gnade Gottes, verließen die Klöster und wurden glücklich.
Gott vergibt uns einfach so, ohne dass wir etwas leisten müssen, sondern wegen dem, was Jesus Christus am Kreuz getan hat.
Zeitgeschichtlicher Kontext: Bedrohung durch die Türken und Heirat Luthers
Und genau in dieser Zeit bedrohten die Türken Europa. Hatten sie das Ziel, Europa zu islamisieren? Wirklich? Wollten sie Europa mit Gewalt islamisieren? Eine Einwanderung wäre nicht möglich gewesen.
Gerade in dieser Zeit hatten die Türken Belgrad erobert. Man sieht, wie gefährlich nah sie kamen. Kaiser Karl V., der von 1519 bis 1556 Kaiser in Europa war, musste mit seinen Armeen gegen die islamistische Gefahr der Türken vorgehen.
Dadurch konnte sich im Schatten dieser islamischen Bedrohung das Evangelium, die Bibel und die Reformation in Europa verbreiten.
Im Jahr 1525 heiratete Luther eine ehemalige Nonne, Katharina von Bora. Es gibt kein biblisches Verbot für die Heirat. Mit dieser Ehe wollte Luther auch zeigen, was eine evangelische Ehe ist – also eine Ehe, die sich auf das Evangelium, das Wort Gottes, die frohe Botschaft, gründet.
So sollte deutlich werden, wie eine Ehe auf der Basis der frohen Botschaft aussieht. Man sieht die beiden auf einem Denkmal dargestellt.
Luthers Tod und persönliche Glaubenserfahrungen
Am 18. Februar 1546 war Luthers Dienst in dieser Welt erfüllt. Er starb in der Lutherstadt Eisleben.
Er ging einen schweren Weg, geprägt von vielen Fragen und Unsicherheiten. Genau dies besingt nun der Koordinatechor in einem Lied:
„Ohne Weg, ohne Licht, ohne Hilfe
War in dunkelster Nacht ich verirrt,
Bis der Herr voller Barmherzigkeit mich suchte,
Und er ist nun mein guter Hirte.“
Diese Erfahrung hat Luther persönlich gemacht.
Im Refrain heißt es: Seine Güte und Gnade – wir wissen heute, dass gerade der Ausdruck „Gnade“ ein Schlüsselwort für Martin Luther war.
„Seine Güte und Gnade und seine Treue
Werden mir folgen mein Leben lang.
Seine Güte und Gnade und seine Treue
Werden mir folgen mein Leben lang.“
Die Gegenreformation: Konzil von Trient und Jesuitenorden
1545 beginnt das Konzil von Trient, das bis 1563 andauert. Hier sieht man die Kathedrale von Trient, in der diese Sitzungen stattfanden. Dieses Konzil war gewissermaßen die Antwort der Kirche von Rom auf die Herausforderung der Reformation. Lehrmäßig sollte den Argumenten der Reformatoren aus der Bibel entgegengetreten werden.
In den Beschlüssen dieses Konzils kommt es zur Verfluchung derer, die allein durch Glauben ohne eigene Leistung errettet werden wollen. Man muss wissen, dass nach katholischer Lehre Konzilsbeschlüsse unfehlbar sind und nie mehr zurückgenommen werden können. Aussagen, die gesagt oder geschrieben wurden, können zwar revidiert oder zurückgenommen werden, aber Konzilsbeschlüsse nicht. Man kann sie nur anders formulieren. Diese Beschlüsse bleiben unwiderruflich bestehen.
Der Römerbrief und der Galaterbrief lehren, dass man gerettet wird und von Gott gerecht gesprochen wird, allein durch den Glauben an Jesus Christus. Lesen Sie dazu Römer 3, Römer 4 und Galater 2 sowie 3. Dort sieht man klar, dass die Bibel dies lehrt. Doch in diesem Konzil wurden alle verflucht, die diesen Glauben vertreten.
Noch etwas Wichtiges: In dieser Zeit entstand der Orden der Jesuiten. Der Gründer war Ignatius von Loyola (1491–1556), ein Zeitgenosse von Martin Luther. Er war ein spanischer Adliger. 1522 ereignete sich in seinem Leben etwas ganz Entscheidendes, in denselben Jahren, in denen auch in Luthers Leben wichtige Ereignisse stattfanden. Ignatius von Loyola weihte sich ganz dem Dienst Mariens und gab sich ihr völlig hin.
1534 gründete er den Orden der Jesuiten. Dieser Orden verlangt besonderen Gehorsam gegenüber dem Papst und hat das Ziel, gegen die Reformation zu kämpfen – damals vor allem durch Verfolgung. Das Ziel war die Zerstörung der Reformation.
Es wurde gelehrt, dass Jesuiten sich besonders gut ausbilden sollen. Üblich ist es, zwei Studiengänge zu absolvieren – bis zum Master, dann nochmals ein volles Studium bis zum Master oder Doktor. Zehn bis fünfzehn Jahre Studium sind daher ganz normal. Die Jesuiten werden intellektuell sehr gründlich geschult.
Jesuiten sollen jedoch nicht nach dem Amt des Bischofs oder Papstes streben. Ein solches Amt soll nur angenommen werden, wenn man wirklich dazu aufgefordert wird.
Heute ist der Papst der erste Jesuit, der dieses Amt bekleidet – genau zur 500-Jahr-Feier des Jesuitenordens. Sein Vorgänger starb nicht zuerst, bevor der neue Papst gewählt wurde, was sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise stirbt ein Papst, und dann wird ein neuer gewählt. Doch sein Vorgänger lebt noch.
Für diese 500-Jahr-Feier musste offenbar ein Papst kommen, der ganz anders ist als sein Vorgänger. Er trägt ein besonderes Lächeln. Man muss wissen, dass Jesuiten wirklich die besten Dialektiker sind.
Dialektik und aktuelle kirchliche Entwicklungen
Im Volksmund erklärt, bedeutet Dialektik Folgendes: Ein Krimineller geht einen Weg hoch, vorbei an einer Kirche. Ein Polizist folgt ihm und trifft dort vor der Kirche einen Mann. Der Polizist fragt ihn: „Ist da gerade ein Krimineller vorbeigegangen?“ Der Mann antwortet: „Nein, da ist keiner durchgegangen.“ Er sagt also: „Da ist keiner durchgegangen.“ Hat er damit die Wahrheit gesagt? Ja, er hat die Wahrheit gesagt.
Ein Freund von mir, ein Bekannter, der bei der ABB als Manager sehr hoch aufgestiegen ist, hat mich damals sehr beeindruckt mit einer Geschichte. Ich war damals ein junger Mann. Die Manager mussten alle in die Innerschweiz gehen, um bei den Jesuiten einen Kurs zu absolvieren. Dabei sollten wir in Dialektik unterrichtet werden. Man sollte lernen, wie man Journalisten antwortet, ohne wirklich zu antworten.
Wenn Leute aus politischen Gründen gegen bestimmte Projekte von ABB sind, muss man irgendwie Auskunft geben – mit einem Lächeln. Man muss die Wahrheit sagen, aber so, dass die Journalisten gar nicht merken, dass man die Wahrheit gesagt hat. Es ist ein bisschen anders gemeint, als es klingt. Das muss man sehr gut beobachten.
Ich habe das von Anfang an gemacht, wenn dieser Papst Journalisten Rede und Antwort stand. Es ist unglaublich, wie die Leute darauf hereinfallen. Genau so funktioniert es.
Nur ein Beispiel: Der Papst sagt, Homosexuelle sind auch wertvolle Menschen und können uns bereichern. Die Journalisten sagen daraufhin: „Seht ihr, jetzt ändert sich die kirchliche Ansicht über Homosexualität!“ Dabei, was hat er wirklich gesagt? Wenn ein Bischof oder Kardinal zu ihm käme und sagen würde: „Du gibst ja unsere Prinzipien auf!“, würde er antworten: „Nein, ich habe nur gesagt, sie sind wertvoll und können wertvolle Menschen sein. Wer hat das jemals in Frage gestellt?“ Er hat aber nicht gesagt, dass es aus der Sicht der Kirche keine Sünde ist.
Die Journalisten sagen dennoch: „Das ist toll, der Papst ist ganz anders.“ Aber der Papst weiß genau, wie man formulieren muss. Er ist genau jetzt für die 500-Jahr-Feier eingesetzt. Diese soll in diesem Jahr von den großen Kirchen ökumenisch gefeiert werden. Dabei sollen die Unterschiede beiseitegelegt und das Gemeinsame neu entdeckt werden.
Schon letztes Jahr fand die erste Reformationsfeier in Schweden statt. Dort war der Papst, Papst Franziskus, persönlich. Er wünschte, dass man diese Feier im 490. Jahr gemeinsam begeht – nicht erst im 500. Jahr. Damit wollte er sagen: Vor der Reformation war Luther noch Katholik.
Es wird also mit Feinheiten gespielt. Man muss ein waches Ohr und wache Augen haben, um zu verstehen, was im Moment vor sich geht.
Grundprinzipien der Reformation und ihre Bedeutung
Nun, zusammenfassend lässt sich sagen: Die Reformation ab 1517 begann damit, dass der Mönch Martin Luther erkannte, dass sich die Kirche weit vom ursprünglichen Christentum entfernt hatte. Er sagte, wir müssen zurück zu den Wurzeln, zurück zur Bibel. Dabei prägte er den lateinischen Ausdruck sola scriptura – allein die Heilige Schrift.
Wir sollen uns nicht auf das verlassen, was fehlbare Menschen sagen. Der Papst ist fehlbar, die Konzilien sind fehlbar. Wir müssen einfach der Bibel folgen. Sie ist Gottes Wort. Die Apostel haben gelehrt, dass die Bibel zu hundert Prozent Gottes Wort ist, von Gott inspiriert. Alles, was Menschen später in der Kirchengeschichte geschrieben haben, ist fehlerbehaftet. Nur die Heilige Schrift ist fehlerfrei.
So sehen wir, dass Reformation und Bibel untrennbar zusammengehören. Luther und all die Reformatoren, die dieses Werk weiterführten – wie Zwingli in Zürich, sein Nachfolger Bullinger aus dem Kanton Aargau, Calvin in Genf, Martin Buser in Neuchâtel, Farel und viele andere – betonten, dass die Bibel das einzige Fundament ist.
Die Bibel hat Autorität über alle Lebensbereiche, nicht nur im Glauben, sondern auch im Alltag. Sie bestimmt, wie man Familie lebt, wie man Kinder erzieht, wie man sich als guter Ehemann gegenüber seiner Frau verhält – und umgekehrt. Die Bibel spricht auch über die Gesellschaft und über Arbeit.
Die Reformatoren betonten, dass Arbeit ein Dienst für Gott ist, ein Gottesdienst. Unsere tägliche Arbeit, sei es als Schreiner, Metzger oder in einem anderen Beruf, soll als Dienst für Gott verstanden werden. Deshalb prägten sie den Begriff „Beruf“ statt „Job“. Wenn man weiß, dass die Arbeit Berufung ist, geht man ganz anders zur Arbeit, als wenn man nur einen Job sieht und hofft, am Monatsende das Geld zu bekommen.
Die Bibel hat auch Autorität über Ethik – was richtig und was falsch ist – sowie über Kunst. Kunst ist kein Freiraum ohne Grenzen, sondern auch hier spricht die Bibel. Ebenso gilt das für Wissenschaft, Politik und andere Bereiche.
Die Reformatoren fassten diese wichtigen Prinzipien kurz zusammen: sola scriptura – allein die Heilige Schrift, sola fide – allein durch Glauben, nicht durch Werke oder Ablasshandel. Ablasshandel, wie das Bezahlen für CO2-Zertifikate heute, ist eine moderne Form davon. Aber es geht allein durch Glauben.
Es geht auch um die Frage, wie man die Welt und die Erde retten kann. Das Thema Rettung ist säkularisiert worden. Es gibt Ablasspapiere, CO2-Papiere, die bezahlt werden müssen. Doch sola gratia – allein durch Gnade werden wir von Gott angenommen, nicht aus Verdienst. Gnade heißt unverdient.
Und solus Christus – allein durch Jesus Christus, nicht durch die Heiligen, nicht durch Maria, nicht durch die Konzilien und nicht durch den Papst können wir zu Gott kommen. Allein durch Jesus Christus ist der Zugang zu Gott möglich.
Reformation und Wissenschaft
Die Reformation im Verhältnis zur Wissenschaft: Die Reformatoren betonten, dass die Bibel uns Gott als den Schöpfer der Welt bezeugt. Deshalb ist es wichtig, die Natur systematisch zu studieren.
Aufgrund dieser Überzeugung ermutigten die Reformatoren zur naturwissenschaftlichen Forschung. In den reformierten Ländern Europas führte dies dazu, dass die Naturwissenschaften von da an einen starken Aufschwung erlebten.
Es gab also keinen Gegensatz zwischen Bibel und Wissenschaft. Stattdessen hat die Bibel die Wissenschaft gefördert und angespornt.
Reformation und Musik: Johann Sebastian Bach
Ein Wort zu Reformation und Musik
Johann Sebastian Bach (1685–1750) war ein Mann, der die Neuentdeckung der Reformation durch den Glauben allein, durch die unverdiente Gnade Gottes, für sich wirklich verstanden hat. In seinem Beruf setzte er all dies zur Ehre Gottes ein.
Die Entwicklung der Musik in Europa, die von einstimmigem Gesang über zwei- und dreistimmige bis hin zur Vierstimmigkeit führte, brachte Bach zum Höhepunkt. Er vollendete insbesondere den reformierten Kirchenchoral in vierstimmiger Form zur absoluten Vollendung.
Am Konservatorium musste ich im Kompositionsstudium, im Fach Harmonielehre, Choräle nach dem Vorbild von Johann Sebastian Bach schreiben. Das war das Ideal. Wer dieses Handwerk beherrscht, kann Sinfonien, Konzerte und vieles mehr komponieren. Das ist die Basis. Bach hat genau das getan. Seine Motivation war oft das Motto „Soli Deo Gloria“ – allein Gott die Ehre – das er auf seine Notenblätter schrieb.
Wenn Leute sagten, er sei ein Genie, antwortete er, er sei kein Genie. Wenn andere genauso viel arbeiten würden wie er, könnten sie das auch erreichen. Seine Musik war Ausdruck der Freudigkeit des Glaubens, wie man sie in den Chorälen der Reformation kennt, zum Beispiel in „Eine feste Burg ist unser Gott“. Dort kommt die Freude des Glaubens richtig zum Ausdruck. Diese Freude pflegte Bach in seiner Musik, aber auch eine Tiefe und Ernsthaftigkeit. Ganz wichtig war ihm dabei, keine Mystik.
Die Musik der Kirche zuvor bestand meist aus langsamen Gesängen. Dazu kamen oft abgedunkelte Räume, in denen in einem kleinen Tonraum gesungen wurde. Das wirkte mystisch, und der Geist wurde dadurch heruntergezogen. Das sollte nicht mehr so sein. Stattdessen sollte die Freudigkeit des Glaubens in der Musik zum Ausdruck kommen.
Ein großer Violinvirtuose hat einmal gesagt – ich habe diesen Kommentar von ihm in einem Film gehört –, dass er zuerst eine Solosonate oder Partita von Bach für Geige allein spielte und dann sagte: „Ohne den Glauben von Bach kann man diese Musik nicht verstehen.“
Darum nun ein ganz kurzes Beispiel zwischendurch zur Auflockerung, bevor der Schlussteil folgt.
Von Bach ist auch die zweibändige Lutherbibel erhalten, die er intensiv studierte und die heute noch vorhanden ist. Sie zeichnet sich durch viele Randbemerkungen aus. Dort sieht man, wie gründlich Bach die Bibel studierte. Zum Beispiel in 2. Chronik und 1. Chronik, wo David das Orchester für den Tempel einrichtet, schrieb Bach dazu, was er aus dieser biblischen Musik für die heutige Kirchenmusik und Gemeindearbeit gelernt hat.
Die Reformation und ihre gesellschaftlichen Folgen
Nun, wir haben gesehen, dass Luther die Kirche reformieren wollte, indem er sie zum ursprünglichen Christentum zurückführen wollte. Doch der hohe Klerus lehnte diese Reformation ab.
Es ist interessant, dass Tausende von Mönchen, Nonnen und Priestern mit Freude das Evangelium aufnahmen, das durch Martin Luther wiederentdeckt wurde. Vom Rang eines Bischofs aufwärts ist jedoch kaum jemand bekannt, der diese Reformation akzeptiert hätte.
Es zeigt sich, dass Position und Macht eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ob man bereit ist, das Evangelium anzunehmen oder nicht. So kam es zu den Religionskriegen. Die katholische Kirche als Machtsystem wollte keine Rückkehr zur Bibel allein. Deshalb versuchte sie, die neue Bewegung der Reformation mit Waffengewalt zu vernichten.
Im 16. und 17. Jahrhundert führte die Gegenreformation in Europa zu schrecklichen Kriegen. Dazu gehören der Schmalkaldische Krieg und die Hugenottenkriege. In diesen wurden Zehntausende von Hugenotten, die evangelisch gläubig und von Calvin geprägt waren, getötet.
Ein weiterer verheerender Konflikt war der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648. Nach dieser furchtbaren Zeit der Religionskriege waren die Menschen müde. Sie hatten kein Interesse mehr daran, über Unterschiede in der Auslegung zu sprechen oder miteinander zu argumentieren.
In diesem Klima der Erschöpfung entstand eine neue Epoche in Europa, die Aufklärung. Diese führte jedoch auch zu Fanatismus. Obwohl Voltaire ein sehr kluger Mann war, sah er die Sache so: Für ihn galt die mathematische Gleichung „katholische Kirche plus Religionskriege gleich Christentum“.
Das ist jedoch nicht korrekt. Deshalb sollten wir uns fragen, ob wir im Kontrast zu Voltaire zwischen dem ursprünglichen Christentum und Jesus Christus unterscheiden können. Wer ist Jesus Christus wirklich?
Wenn Menschen sagen: „Christen haben mich enttäuscht“, muss man immer wieder darauf hinweisen, dass Christen zwar enttäuschen können, Jesus Christus jedoch nie enttäuscht. Entscheidend ist die Bibel – nicht das, was Menschen im Laufe der Jahrhunderte als System aufgebaut haben.
Die Bibel hat vorausgesagt, dass es zu Verwirrungen und Abirrungen kommen wird. Ich habe zwei Beispiele genannt, aber es gäbe noch viele weitere.
Aufklärung und das Gleichnis vom verlorenen Sohn
In Deutschland war ein großer Aufklärungsdenker namens Immanuel Kant, der von 1724 bis 1804 lebte. Er stammte übrigens aus einem gläubigen christlichen Elternhaus. Dieser Führer der Aufklärung hat eine kleine Schrift mit dem Titel „Was ist Aufklärung?“ herausgegeben, in der er erklärt, dass Aufklärung der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit ist.
Vielleicht mussten Sie diesen Satz einmal auswendig lernen in der Schule. Man lernt ihn auf jeden Fall häufig auswendig: Was ist Aufklärung? Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit bedeutet das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Diese Unmündigkeit ist selbstverschuldet, wenn die Ursache nicht am Mangel des Verstandes liegt, sondern an der fehlenden Entschlossenheit und dem fehlenden Mut, sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Zum Beispiel auch ohne die Bibel oder Gott als Anleitung.
Sapere aude – auf gut Deutsch: Wage es, verständig zu sein! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen – das ist der Wahlspruch der Aufklärung.
Das erinnert mich an das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Jesus erzählt in Lukas 15 folgendes Gleichnis: Vers 11 – „Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt. Und er teilte ihnen die Habe.“
Nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste weg in ein fernes Land. Dieser Vater symbolisiert Gott, und der verlorene Sohn steht für uns Menschen. Hier sehen wir jemanden, der es satt hat, unter der Anleitung seines Vaters weiterzuleben. Er will aus seiner Unmündigkeit hinausgehen – oder, wie Kant es sagt, aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Er reist weg in ein fernes Land, weit weg von Gott. Die meisten Aufklärungsphilosophen glaubten zwar weiterhin an einen Schöpfergott. Sie sagten: Ja gut, von irgendwoher muss ja alles kommen. Aber sie meinten, dieser Gott habe heute nichts mehr mit uns zu tun. Gott handelt nicht in der Geschichte, Gott ist weit weg.
Der verlorene Sohn reiste weg in ein fernes Land. Man könnte fragen: Ist wirklich Gott weit weg, oder sind Sie so weit weg von Gott?
Es gibt eine Dynamik, denn ein Weg hat eine Dynamik – es geht immer weiter.
Evolutionstheorie und Atheismus
Im neunzehnten Jahrhundert beginnt die Zeit des Atheismus. Charles Darwin entwickelt die Evolutionstheorie in einer neuen, modernen Form, die besagt, dass sich das Leben von selbst entwickelt hat. Gott als Schöpfer wird nicht mehr benötigt. Aus diesem Grund wurden in dieser Zeit viele Intellektuelle zu Atheisten, nicht mehr zu Deisten wie die Aufklärer, die an einen Gott glaubten, der weit entfernt ist. Atheisten behaupten, es gebe gar keinen Gott, und man könne alles ohne Gott erklären.
Diese Evolutionslehre ist ein Bollwerk. Man könnte sie auch mit einem Stier vergleichen. Versuchen Sie mal, den Stier an beiden Hörnern zu packen und ihn dann zu ringen. Wie lässt sich das kurz zusammenfassen? Das eine Horn steht für die Entstehung der Materie aus dem Nichts, ohne einen ewigen Gott. Das ist das erste Dogma der modernen Evolutionslehre. Das zweite Horn ist die Entstehung des Lebens aus toter Materie, ebenfalls ohne einen ewigen Gott.
Man kann es so einfach auf den Punkt bringen: Wir hatten doch in der Schule auch ein bisschen Naturwissenschaftsunterricht – die einen mehr, die anderen weniger, aber alle hatten etwas davon. Je nach Schulstufe lernt man in Physik den ersten Hauptsatz der Thermodynamik. Dieser besagt, dass Materie und Energie nicht aus dem Nichts entstehen können. Der Satz sagt aus, dass die Menge an Energie, die es gibt, konstant ist. Es kommt also nicht plötzlich neue Energie aus dem Nichts. Man kann diesen Satz ganz einfach erklären: Aus Nichts entsteht Nichts.
Doch die Evolutionslehre behauptet, dass aus Nichts alles entstanden sei. Zuerst war Nichts, dann gab es einen Urknall, an einem Punkt entstand die Materie, und das Universum dehnte sich aus. Das ist die Ansicht von Stephen Hawking, einem der größten Spezialisten für Urknalltheorie. In seinem Buch vom September 2010, „Der große Entwurf – eine neue Erklärung des Universums“, schreibt er, dass sich das Universum selbst aus dem Nichts erschaffen habe. Er sagt, der Grund, warum es statt des Nichts doch etwas gibt, sei spontane Schöpfung.
Wenn Sie das Buch nicht kaufen wollen, können Sie es in der Kantonsbibliothek ausleihen. Und wenn Sie nicht das ganze Buch lesen möchten, machen Sie es wie eines unserer Kinder früher: Es las einfach mal ganz hinten, um zu sehen, ob das Buch interessant ist. Wenn das Wort „plötzlich“ vorkam, fand es das spannend und las das Buch dann ganz. Genau diese Dinge stehen am Schluss des Buches.
Diese Vorstellung ist unlogisch – das merkt jedes Kind. X macht X, das geht absolut nicht. Aber genau das sagt Stephen Hawking: Das Universum, das nicht existierte, hat sich selbst erschaffen. Logisch ist es, wenn man sagt: „X macht Y“. So beginnt auch die Bibel: „Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“ Das macht Sinn: „X macht Y“. Aber Hawking sagt: „X macht X“. Das ist unglaublich, aber so steht es da.
Nun zur Entstehung des Lebens: Merken Sie sich den Begriff „Massenwirkungsgesetz“ aus der Chemie – das macht die Theorie kaputt. Ich habe das schon mit Fachleuten auf diesem Gebiet ausprobiert. Das ist der Hammer. Dieses Gesetz besagt, dass wenn eine Aminosäure mit einer anderen Aminosäure durch eine Reaktion verbunden wird, dabei eine längere Kette entsteht. Doch bei dieser Reaktion entsteht als Abfallprodukt Wasser (H2O). Und das ist problematisch, denn das Wasser zerstört die Kette wieder, sodass die Reaktion zurückgeht.
Es entsteht ein Kreislauf: Die Reaktion wirkt, geht zurück, wirkt wieder, und geht erneut zurück. Das Problem ist, dass sich Aminosäuren zu langen Ketten verbinden müssten – vielleicht 2000 Aminosäuren, damit ein Protein entsteht. Proteine sind jedoch für das Leben notwendig. Diese Ketten können aber nicht entstehen, weil sie immer abbrechen. Das ist ein Naturgesetz, das Massenwirkungsgesetz.
Wenn Sie das Fachleuten erklären, sagen sie oft: „Ja, das Massenwirkungsgesetz gilt, aber vielleicht gab es besondere Situationen, in denen es trotzdem möglich war.“ Doch streng genommen sagt das Gesetz: Nein, es geht nicht. Vielleicht geht es so oder so, aber naturgesetzlich ist es nicht möglich, dass diese riesigen Ketten entstehen.
Jetzt versteht man auch, warum Professor Dr. Ernest Kahn, Biochemiker an der Universität Montpellier und ein bekannter Evolutionist, einmal gesagt hat: „Es ist absurd und absolut unsinnig zu glauben, dass eine lebende Zelle von selbst entsteht, aber dennoch glaube ich es, denn ich kann es mir nicht anders vorstellen.“ Das sagte er in einem Vortrag am CERN in Genf.
Was ich an diesem Mann hoch anrechne, ist seine Ehrlichkeit. Das trifft man nicht bei jedem an. Er sagt ganz offen, dass er es einfach glaubt, weil er es glauben möchte.
Kommunismus, Marxismus und ihre Folgen
Nun, dieser Atheismus hat auch bei Karl Marx Früchte getragen. Er lebte von 1818 bis 1883 und schrieb das Buch Das Kapital, um seine Lehre des Kommunismus vorzustellen. Dieses Buch wollte er Charles Darwin widmen. Darwin lehnte jedoch ab, da er kein gutes Gefühl dabei hatte.
Karl Marx hingegen sagte, Darwin sei unser Mann. Er sei die Basis für den Kommunismus und den Sozialismus und liefere die Grundlage für den Klassenkampf. Marx meinte, die Proletarier – die armen Fabrikarbeiter, die von den geldgierigen Kapitalisten, also den Fabrikbesitzern, unterdrückt werden – müssten einen Aufstand wagen. Diese Arbeiter mussten viel zu lange arbeiten, oft unter furchtbaren Bedingungen, einschließlich Kinderarbeit.
Marx forderte, dass das Proletariat die herrschende Struktur stürzen müsse. Dann könne man eine sozialistische Gesellschaft aufbauen, in der der Besitz gleichmäßig verteilt wird. Am Ende werde man ein Paradies haben, ein Paradies ohne Gott – das Endparadies auf Erden durch Sozialismus und Kommunismus.
Er erklärte weiter, dass Darwin gezeigt habe, wie die schwachen Tiere von den stärkeren verdrängt, aufgefressen und vernichtet werden. Die Stärkeren überleben, und so entwickelt sich das Leben immer weiter nach oben. Das sei ein Grundprinzip. Deshalb müsse die beherrschte Klasse, die führende Klasse, gestürzt werden. So gehe die Gesellschaft vorwärts. Darwin sei der Mann.
Karl Marx starb, und 1917 kam die russische Revolution mit der Machtübernahme der Kommunisten. Dieser Kampf war damals ganz klar motiviert durch Darwin und seine Lehre. Der Kommunismus kostete im zwanzigsten Jahrhundert etwa hundert Millionen Menschenleben, wie man im Schwarzen Buch des Kommunismus nachlesen kann.
Oft spricht man zu Recht über die Nazis, doch dies wird häufig vernachlässigt. In Russland versuchte man nach der Gründung der Sowjetunion, das Christentum systematisch zu vernichten. Das war Staatsprogramm.
1917 gab es in Russland ein Arbeitsgesetz für Männer und Frauen. Marx sagte, die Frau solle vom Herd wegkommen, selbst arbeiten und unabhängig werden von dem machtgierigen Ehemann. Sie solle eigenes Geld verdienen, damit sie nicht mehr auf den Mann hören müsse. Dafür müsse auch eine Revolution in der Familie geschehen.
1920 kam es dann zur Legalisierung der Abtreibung, um die Frau von sogenannter sexueller und familiärer Unterdrückung zu befreien. Das war eine Revolution in der Familie.
Dies führte zum schrecklichen zwanzigsten Jahrhundert mit zwei Weltkriegen. Nur zwei Weltkriege gab es in der Weltgeschichte, und beide fanden in diesem Jahrhundert statt. Beide Kriege waren stark geprägt durch die Lehren von Darwin.
Das führte bei vielen Menschen zu Desorientierung. Sie wussten nicht mehr, was gilt, was richtig oder falsch ist. Es kam zu einer Destabilisierung; man war sich nicht mehr sicher, ob man sagen kann, dass etwas so ist oder gilt, oder nicht.
Dies führte zur Auflösung der biblischen Werte. Im zwanzigsten Jahrhundert starben insgesamt rund 200 Millionen Menschen durch Krieg und Verfolgung. Diese wurden verursacht durch Ideologien, die auf Darwin gegründet waren – kommunistisch und nationalsozialistisch.
Seit 1973 gibt es mehr als eine Milliarde abgetriebene Babys als Folge der Forderung, die Frau solle von der sexuellen Unterdrückung der Familie befreit werden.
Die Frankfurter Schule und die 68er-Bewegung
In den 1920er Jahren wurde in Deutschland die Frankfurter Schule gegründet. Zu den Denkern dieser Schule gehörten Max Horkheimer, Theodor Adorno, Erich Fromm und Herbert Marcuse. Diese Menschen wollten von Gott nichts wissen – zumindest nicht von dem Gott der Bibel.
Sie erkannten, dass Marx zwar in vielen Punkten richtig lag, aber auch Fehler machte. Seine Vision der geschichtlichen Entwicklung hatte sich nicht genau so erfüllt, wie er es vorausgesagt hatte. Die Nationalsozialisten kamen an die Macht, obwohl eigentlich eine sozialistische Revolution erwartet worden war. Das Gegenteil trat ein. Daraus folgerten sie, dass etwas nicht stimmte und korrigiert werden müsse.
Nicht mehr die Proletarier sollten die Träger der Revolution sein, sondern zum Beispiel die Ausgeflippten und die Randständigen der Gesellschaft. In ihren Büchern bereiteten sie die Revolution der 68er-Bewegung vor, mit Dogmen wie freier Sexualität – dem genauen Gegenteil des Zölibats. Dabei ging es auch nicht darum, was die Bibel über die Ehe sagt, nämlich dass sie in allem geehrt werden soll, sondern um völlige Freiheit, man könne machen, was man wolle.
Sex, Drogen und Rock'n'Roll sollten das Paradies bringen. Die Jugend der 1960er Jahre war enttäuscht über die Folgen der wissenschaftlichen Entwicklung: Es gab Weltkriege, Chemiewaffen, Atombomben, den Kalten Krieg, den Vietnamkrieg und Umweltverschmutzung. Sie waren enttäuscht vom Rationalismus und der Aufklärung. Ratio bedeutet Verstand. Immanuel Kant hatte gesagt, wir müssten nur der Ratio, dem Verstand, folgen, um die Wahrheit zu finden. Doch das hatte sich nicht erfüllt.
Deshalb suchten sie nach etwas anderem. Genau in dieser Zeit entstand die Rockmusik, mit Konzerten der Beatles und Rolling Stones. Für heutige junge Leute klingt das vielleicht langweilig, aber damals war das eine neue Art von Musik und Ausdruckskraft, die diese Ideen transportieren sollte. Dadurch wuchs auch das Interesse an Drogen, das durch Rockmusiker in ihren Texten propagiert wurde, sowie an östlichen Religionen, Okkultismus und Esoterik. So entstand auch die New-Age-Bewegung, eine okkulte Bewegung.
Man brach bewusst mit den herkömmlichen Werten. Sexuelle Perversion wurde als erlaubt betrachtet, Homosexualität als gut. Ehe und Familie sollten aufgelöst werden, sie galten als Modelle von früher. Abtreibung sollte legalisiert werden, als Recht der Frau. Antiautoritäres Verhalten wurde propagiert, der Vater galt als das Problem. In der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn dachte auch dieser, der Vater sei das Problem.
Diese Entwicklungen veränderten unsere Gesellschaft grundlegend. Heute müssen wir zurückblicken: Das Drogenproblem ist unlösbar geworden. Damals wurde uns gesagt, das bringe Befreiung! Timothy Leary, ein Professor in Kalifornien, riet, LSD zu nehmen, um aus dem engen, spießbürgerlichen Denken auszubrechen und eine neue Welt zu entdecken. Heute ist das Drogenproblem jedoch unlösbar.
Ein großer Teil der Ehen endet in Scheidung. Es gibt die Problematik der Patchwork-Familien, die Kinder destabilisieren, weil sie nicht mehr wissen, wo sie hingehören. Es gibt eine Zunahme von Gewalt und ein verbreitetes Gefühl der Sinnlosigkeit bei Jugendlichen.
Wie bereits erwähnt, wurde die Abtreibung im Zuge der 68er-Bewegung legalisiert. Seit 1973 wurden bis heute mehr als eine Milliarde Kinder getötet. Die WHO berichtet, dass weltweit jährlich mehr als 40 Millionen Kinder abgetrieben werden.
Zudem gibt es eine dramatische Zunahme der Sozialgeldbezüge. Die Gründe sind vielfältig, doch bei vielen ist es eine Folge des modernen Lebensstils, der sie letztlich kaputtgemacht hat. Es war keine Befreiung. Es folgten Depressionen, das Post-Abort-Syndrom, Aids, Hepatitis B und C sowie ein weiterhin verbreitetes Gefühl von Sinnlosigkeit und Wertlosigkeit.
Heute, anstatt zu sagen, dass all dies ein Irrweg war, wird er weiterverfolgt. Die Namen haben sich geändert. Niemand spricht mehr groß von Kommunismus oder Neomarxismus; diese Begriffe werden bewusst vermieden. Stattdessen spricht man von Gender Mainstreaming – einem Wort, das viele nicht verstehen sollen. Das ist Absicht, damit man nicht erkennt, was dahintersteckt und woher es kommt.
Dies ist eine Fortführung der 68er-Bewegung mit dem Ziel, die biblische sexuelle Moral und die Familie vollständig zu zerstören. Deshalb will man diese Themen bereits im Kindergarten einführen und die Kinder sexualisieren. Das ist klar Ideologie, die jetzt auf die Spitze getrieben wird.
Hier muss man Haltung zeigen, so wie Martin Luther es tat. Er hat keine Revolution gemacht oder zum Sturz des Kaisers aufgerufen. Aber er sagte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“
Die Instrumente, um dieses Programm weiterzuführen und ein sozialistisches Paradies zu schaffen, sind heute die EU und die UNO. Sie sind aktiv dabei, die Freiheit der Religion, des Lebensrechts, der Erziehung – insbesondere der elterlichen Erziehung – sowie der freien Wissenschaft auszuhöhlen. Das lässt sich anhand der Gesetzgebungen der letzten Jahre deutlich zeigen.
So wird gearbeitet, und die christlichen Werte werden kriminalisiert. Wenn man heute in einer Kirche oder Gemeinde eine Predigt hält, in der man aus der Bibel heraus sagt, dass Homosexualität nicht dem entspricht, was Gott für den Menschen geplant hat, gibt es Probleme. Dabei gibt die Bibel auch Lösungen für Betroffene.
Doch solche Aussagen sind zunehmend nicht mehr erlaubt. Es wird sogar daran gearbeitet, dass man bestraft wird, wenn man jemandem, der Hilfe und Veränderung sucht, Unterstützung anbietet. Das ist nicht mehr erlaubt. Dieser Trend ist in Deutschland stärker ausgeprägt als in der Schweiz.
Wir erleben einen Totalitarismus im Gewand von Freiheit. Begriffe wie Toleranz, Gerechtigkeit, Gleichheit, Antidiskriminierung und Vielfalt werden benutzt. Gleichzeitig aber erleben Christen Diskriminierung. In diesem Bereich kann man sich nicht mehr auf Toleranz, Gerechtigkeit oder Vielfalt berufen – dort funktioniert das nicht.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn als Bild unserer Gesellschaft
Ja, wir enden nochmals mit dem Gleichnis. Jesus Christus sprach: Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne. Der Jüngere von ihnen sagte zum Vater: „Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt.“ Und der Vater teilte ihnen die Habe.
Nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste in ein fernes Land. Dort vergeudete er sein Vermögen, indem er ausschweifend lebte. Als er aber alles verzehrt hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über jenes Land. Er selbst fing an, Mangel zu leiden.
Er ging hin und hängte sich an einen der Bürger jenes Landes. Dieser schickte ihn auf seine Äcker, Schweine zu hüten. Der Sohn begehrte, seinen Bauch mit den Trögen zu füllen, von denen die Schweine fraßen, doch niemand gab ihm etwas.
Das ist genau die Situation unserer Gesellschaft heute, mit all diesen unlösbaren Problemen. Wir sind bei den Schweinetrögen angekommen, so weit vom Vater entfernt. Aber es gibt die Möglichkeit der Heimkehr.
Vers 17: „Als er aber zu sich selbst kam…“ Wie kann man das? Zum Beispiel muss man etwas herausnehmen, das einen hindert, zu sich selbst zu kommen. Das ist nur ein Beispiel; es gibt noch andere Dinge.
Als er aber zu sich selbst kam, sprach er: „Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier um vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen. Mache mich wie einen deiner Tagelöhner!“
Er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater, wurde innerlich bewegt, lief hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn sehr – ohne Vorwürfe.
Der Sohn sprach zu ihm: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“
Der Vater aber sprach zu seinen Knechten: „Bringt das beste Kleid her und zieht es ihm an! Tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße! Bringt das gemästete Kalb her, schlachtet es, und lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden.“ Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Es gibt die Möglichkeit der Heimkehr, aber Heimkehr bedeutet Umkehr.
In Hesekiel 33 sagt Gott: „Also sprecht ihr und sagt: Unsere Übertretungen, Sünden und unsere Sünden sind auf uns, und in denselben schwinden wir dahin. Wie könnten wir denn leben?“ Das ist die Frage unserer Gesellschaft – oder sollte sie es sein.
Dann kommt die göttliche Antwort: „Sprich zu ihnen: So wahr ich lebe, spricht der Herr, der Ewige, ich habe kein Gefallen am Tod des Gesetzlosen, sondern dass der Gesetzlose von seinem Wege Umkehrung lebe. Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen, denn warum wollt ihr sterben?“
Umkehr ist Heimkehr. Wir müssen es genau so machen wie Martin Luther: realisieren, dass wir vor Gott nichts vorweisen können, und ihn als Sünder um Gnade bitten. Diese Gnade hat Luther erkannt, und das hat sein Leben reich gemacht.
So ist es auch für uns. Wir müssen ein Turmerlebnis haben – wir brauchen nicht extra einen Turm zu bauen. Wenn wir uns heute entscheiden: Ja, ich will zum Vater zurück, ich bin so weit weg von ihm, aber es gibt den Weg zurück – heute ist es noch möglich.
Die Bibel sagt: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“
Vielen Dank.
Schlusslied
Der Chor singt noch ein Lied, und zwar die erste Strophe:
Wie hoch war die Schuld, die zu zahlen,
unmittellos stand ich davor.
Bis endlich die Botschaft von Jesus,
dem Bürgen, erreichte mein Ohr.
Er hat gezahlt, was ich nicht zahlen konnte,
er hat getan, was mir unmöglich war.
Er brachte mich zu Gott, dem Vater,
er starb für mich auf Golgatha.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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