Guten Tag, wir kommen zur vierten Folge im Kolosserbrief. Ich hoffe, alle, die hier sind, haben jetzt das Skript bekommen. Es umfasst zwei Seiten. Wem fehlt es noch? Hand hoch! Diejenigen, die über den Livestream zugeschaltet sind, können das Skript gleich unten beim Bild herunterladen. Dort gibt es einen Link, über den man das Skript zum Brief an die Kolosser, Teil 2, herunterladen kann.
Es geht heute weiter mit Kapitel 1, Vers 18. Wenn man gerade auf das Skript schaut, sieht man am Anfang nochmals die Struktur des Kolosserbriefes. Es gibt zwei Hauptteile: Kapitel 1 und 2 bilden den ersten Teil, Kapitel 3 und 4 den zweiten Teil.
Der erste Teil ist überschrieben mit „Die Lehre von der Erhabenheit des Sohnes Gottes“. In diesen zwei Kapiteln wird uns die Herrlichkeit, Majestät, Größe und Schönheit des ewigen Sohnes Gottes vorgestellt. Im zweiten Teil, also in Kapitel 3 bis 4, geht es um die praktischen Konsequenzen aus dieser Lehre über die Herrlichkeit des Sohnes Gottes.
Wenn wir nun ab Vers 18 lesen, ist uns klar, dass wir uns mitten in einem zusammenhängenden Abschnitt befinden. Nach der Begrüßung in 1,1-2 folgt ein Gebet von Paulus, in dem er für die Kolosser dankt (Verse 3-8). Anschließend folgt ein weiteres Gebet des Apostels, in dem er um geistliches Wachstum für die Kolosser bittet (Verse 9-15). Danach beschreibt er in den Versen 16 bis 23 die Erhabenheit Christi als Gott und Mensch.
Wenn wir nun ab Vers 18 weiterlesen, als Fortsetzung vom letzten Mal, müssen wir uns bewusst sein, dass wir uns in diesem Abschnitt über die Erhabenheit Christi als Gott und Mensch befinden.
Ab Vers 24 bis Kapitel 2, Vers 3 beschreibt der Apostel seinen Dienst mit zwei verschiedenen Seiten. Danach, in den Versen Kapitel 2, Vers 4 bis 23, finden wir eine ganz fundamental wichtige Widerlegung der Irrlehre, die in Kolossä Eingang gefunden hatte.
Die Kolosser kamen zum Glauben durch den Dienst von Epaphras, wurden aber später besucht – wie das oft in Gemeinden geschieht. Es gibt einen Anfang, und dann kommen andere, die etwas „pflücken“ wollen, indem sie fremde Lehren einbringen. Aus diesem Grund hat Paulus den Kolosserbrief geschrieben.
Er geht dabei so vor, wie man es auch tun sollte, wenn man ein kleines Kind sieht, das mit etwas Gefährlichem spielt. Man muss Ruhe bewahren. Wenn man nämlich ganz entsetzt, aufgelöst und aufgeregt auf das Kind zugeht, kann es sein, dass das gefährliche Spielzeug tatsächlich seine Gefährlichkeit zeigt.
Was macht man, wenn man einem Kind etwas wegnehmen muss, das es unbedingt haben möchte und so toll findet, das aber ganz gefährlich ist? Man muss ihm etwas Besseres geben, damit es das Gefährliche fallen lässt.
Genau das macht der Apostel Paulus hier: Er zeigt, wer der Herr Jesus ist – seine Herrlichkeit und Größe. Das soll die Kolosser dazu bringen zu sagen: „Und was haben die uns da erzählt? Mit dem wollen wir ja gar nichts zu tun haben.“
Die Erhabenheit Christi im Kolosserbrief: Ein Überblick
Ich lese jetzt ab Kapitel 1, Vers 18:
Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe. Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen, indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes, durch ihn, seien es die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln.
Euch, die ihr einst entfremdet und Feinde wart nach der Gesinnung in den bösen Werken, hat er nun versöhnt im Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und untadelig und unsträflich vor sich hinzustellen. Vorausgesetzt, ihr seid im Glauben gegründet und bleibt fest, ohne euch von der Hoffnung des Evangeliums abbringen zu lassen, das ihr gehört habt.
Dieses Evangelium ist gepredigt worden in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, dessen Diener ich, Paulus, geworden bin. Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch das, was noch fehlt an den Drangsalen des Christus für seinen Leib, der Gemeinde.
Deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden. Das Geheimnis, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern oder Generationen her verborgen war, ist jetzt seinen Heiligen offenbart worden, das Gott kundtun wollte.
Welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen: Das ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Diesen verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen.
Wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe, gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt, in Kraft. Bis dahin.
Die Bedeutung der Betonungen im griechischen Text
Man hat vielleicht beim Lesen bemerkt, dass ich bestimmte Wörter übertrieben betont habe. Diese Betonungen habe ich deshalb vorgenommen, weil sie im Grundtext vorhanden sind. Ab Vers 16 finden wir sieben solcher Betonungen, bei denen Jesus Christus durch eine Betonung im griechischen Text besonders hervorgehoben wird.
Das beginnt in Vers 16, wo der Herr Jesus als Schöpfer vorgestellt wird. Das ist eine Wiederholung vom letzten Mal. Es geht um Jesus Christus in den Versen davor, um den Sohn der Liebe Gottes. Paulus sagt in Vers 16: „Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde sind, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten – alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen.“
Hier haben wir in Vers 16 eine Betonung: „Denn durch ihn“, nicht durch irgendjemand anderen, ist alles erschaffen worden. Jesus Christus wird also als der Schöpfer vorgestellt. Er war derjenige, der das ausgeführt hat, was in 1. Mose 1 beschrieben wird: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ usw. Das ist durch ihn geschehen.
Übrigens möchte ich noch betonen, dass in Vers 16 im Griechischen ganz wörtlich steht: „Denn in ihm sind alle Dinge geschaffen.“ Das ist im Deutschen so nicht üblich, deshalb musste man übersetzen mit „Denn durch ihn“. Die Elberfelder Bibel und auch die CSV Höckiswagen erklären in der Fußnote, dass „wörtlich in ihm“ bedeutet: in der Kraft seiner Person. Das heißt, „Denn in ihm sind alle Dinge geschaffen“ bedeutet, dass er die Kraft hatte, alles aus dem Nichts ins Dasein zu rufen und alles so zu bereiten, wie es in 1. Mose 1 beschrieben ist – also in der Kraft seiner Person.
Am Schluss des Verses lesen wir: „Alle Dinge sind durch ihn.“ Hier steht nicht mehr „in“ (also „in ihm“), sondern „dia“, das Wort für „durch“. Das bedeutet, dass mittels seiner Person die Erschaffung geschehen ist. Er hat es persönlich ausgeführt. „In ihm“ am Anfang bedeutet, dass es in seiner eigenen Kraft geschehen ist. Er hat das selbst ausgeführt. Und drittens heißt es: „Und alles ist für ihn geschaffen.“ Das heißt, die ganze Schöpfung wurde zu seiner Ehre erschaffen, und darum soll die ganze Schöpfung ihn anbeten. Es ist zu seiner Ehre geschehen: in ihm, durch ihn, für ihn.
In Vers 16 wird also speziell betont: „Denn durch ihn.“ Diese Betonungen setzen sich in Vers 17 fort: „Und er ist vor allen, und alle Dinge bestehen zusammen durch ihn.“ Nicht irgendjemand anderes, sondern er ist vor allen. Ich habe letztes Mal schon erklärt, dass es wichtig ist zu sehen: Es heißt nicht „Er war vor allen“, was grammatikalisch zu erwarten wäre, wenn man etwas in der Vergangenheit beschreibt. Aber der griechische Text sagt „Er ist.“ Und was hier gar nicht steht, ist „Er wurde.“ Wenn Jesus Christus nicht ewig wäre, müsste hier stehen „Er wurde vor allem.“ Aber er ist von Ewigkeit her, deshalb heißt es „Er ist vor allem.“ Diese Gegenwartsform drückt aus, dass er der Ewigseiende ist, der Schöpfer von allem. Er war schon immer da, bevor irgendetwas ins Dasein kam.
Das erinnert uns an Johannes 8, wo der Herr Jesus den jüdischen Führern sagt (Johannes 8,57): „Da sprachen die Juden, das heißt die führenden Juden in Jerusalem, zu ihm: ‚Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?‘ Jesus sprach zu ihnen: ‚Wahrlich, wahrlich!‘“ Im Griechischen steht „Amen, Amen“, eine doppelte feierliche Bestätigung: „Amen, Amen, ich sage euch: Ehe Abraham wurde, bin ich.“
Abraham wurde im Jahr 2111 v. Chr. geboren, nach strenger biblischer Chronologie. Und natürlich kam Jesus einige Monate davor ins Dasein. Abraham wurde, aber Jesus sagt: „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ Er sagt nicht „Ehe Abraham wurde, wurde ich.“ Das geht gar nicht. Er sagt auch nicht „Ehe Abraham wurde, war ich“, sondern „Ehe Abraham wurde, bin ich.“
Das hat der Herr Jesus damals in Jerusalem gesagt. In Jerusalem war die verbreitete Sprache Hebräisch. Viele sagen, es sei Aramäisch gewesen, aber das stimmt nicht. Vor zweitausend Jahren war in Jerusalem die erste Sprache Hebräisch. Im Talmud gibt es sogar eine Anekdote von einer Frau, die in Jerusalem lebte und nur Aramäisch konnte. Es wird über ihre Sprachprobleme in Jerusalem berichtet. In anderen Gebieten, zum Beispiel in Galiläa, war es gut, Aramäisch zu können. Es gab also diese zwei Sprachen nebeneinander, aber es kommt auf die Region an: In Jerusalem wurde Hebräisch gesprochen. Deshalb müssen wir uns all diese Tempelreden im Johannes-Evangelium, die so ausführlich sind, im Original als Hebräisch vorstellen. Natürlich können wir sie zurückübersetzen.
Jesus sagt also: „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ Das ist schockierend, denn Gott erscheint in 2. Mose 3 im Dornbusch und sagt „Ech je, Ascher Ech je“ – „Ich bin, der ich bin.“ Mose bekommt den Auftrag, zu den Kindern Israel zu sagen: „Ich bin hat mich zu euch gesandt.“ Im Hebräischen ist „Ech je“ ein Durativ, das heißt: „Ich bin der fortdauernd Seiende“, nicht der, der einmal entstanden ist, sondern der, der immer ist und das Sein in sich selbst hat.
Nun müssen wir uns vorstellen, dass Jesus Christus diesen Führern sagt: „Ehe Abraham wurde, ech je!“ Und im nächsten Vers hoben sie Steine auf, um auf ihn zu werfen. Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel hinaus. Sie verstanden genau, was es bedeutet, wenn er sagt: „Ech je, bin ich“ – der Ewigseiende, der schon vor Abraham war.
Im Kolosserbrief wird betont: „Und er ist vor allem, und alle Dinge bestehen zusammen durch ihn.“ Das haben wir letztes Mal gesehen. Er hält die ganze Welt zusammen, damit sie bestehen kann. Er hat sie erschaffen, aber auch durch ihn wird die Welt erhalten in ihrem Fortbestand. Nicht irgendjemand anderes, sondern er!
Jetzt kommen wir zu Vers 18, wo die Betonung lautet: „Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe.“ Kein anderer. Es geht darum zu zeigen, dass der Herr Jesus einzigartig ist. Der Heilige Geist will den Herrn Jesus verherrlichen.
Der Herr Jesus sagte in Johannes 16 in seinen Abschiedsreden im Obergemach (Johannes 16,12): „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.“ Jesus hatte damals noch nicht alles den Jüngern mitgeteilt, was sie wissen sollten. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist – also ab Pfingsten, wenn der Heilige Geist auf die Erde kommt –, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten.
Darum mussten zum Beispiel die Briefe im Neuen Testament geschrieben werden. Dort werden Dinge erklärt, die man in den Evangelien noch nicht findet, weil der Herr Jesus damals auf der Erde noch nicht alles sagen konnte. Jesus sagt: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen“, also auch die Zukunft, wie zum Beispiel in der Offenbarung ausgeprägt.
Dann sagt Jesus: „Er wird mich verherrlichen.“ Der Heilige Geist ist Gott von Ewigkeit her, aber er hat selbst gewählt, den Herrn Jesus in den Mittelpunkt zu stellen und auf ihn hinzuweisen. Deshalb ist es auffällig, wenn Leute sehr viel vom Heiligen Geist sprechen, aber wenig vom Sohn. Dann merkt man, dass etwas nicht stimmt.
Ich mindere damit nicht die Gottheit, die ewige Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit des Heiligen Geistes, aber er will den Sohn verherrlichen, weil Gott sich durch den Sohn offenbart. Darum wird der Herr Jesus, wie wir letztes Mal gesehen haben, in Vers 15 genannt „das Bild des unsichtbaren Gottes.“ Gott, der dreieinige Gott, offenbart sich durch den Sohn.
Deshalb wird gesagt: „Er ist das Haupt des Leibes“, und am Schluss von Vers 18 heißt es: „Damit er in allem den Vorrang habe.“ Danach folgen noch drei weitere Betonungen: „Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen“ – in keinem anderen, nur in ihm – „und durch ihn, durch keinen anderen, alle Dinge mit sich zu versöhnen.“ Und schließlich: „Indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes“ – durch ihn, auch das ist betont.
Ja, das habe ich jetzt einfach so gesagt, aber es ist betont. Und vielleicht sagt jemand: „In meiner Bibel ist das nicht speziell hervorgehoben, diese sieben Betonungen.“ Vielleicht zum Teil schon: In der Elberfelder Bibel ist Vers 17 eher kursiv, Vers 18 ebenso, und am Schluss auch eher kursiv, aber die anderen nicht.
Wie kann man das herausfinden, wenn man kein Griechisch kann? Hier gibt es zum Beispiel die „Discovery Bible“, eine Bibelausgabe von Gleason Archer. Man sagt „Archer“, aber er schreibt sich A-R-C-H-E-R. Gleason Archer ist ein großer Gelehrter, der den Text der New American Standard Bible genommen hat. Er hat im ganzen Neuen Testament überall dort, wo etwas betont ist, die Wörter in roter Schrift hervorgehoben.
So weiß man sofort in jedem Vers, wo eine besondere Betonung im ganzen Neuen Testament ist. Er hat auch bei den Verben angegeben, ob eine Handlung fortdauernd ist, als punktuelle Handlung gesehen wird oder resultativ ist – also eine Handlung, die jetzt eine Wirkung bis in die Gegenwart hat. Das hat er mit Symbolen versehen, so dass auch Leser, die keine griechische Grammatik beherrschen, es nachvollziehen können.
Zum Beispiel in Kolosser 1 hat er solche Betonungen hervorgehoben. Im Griechischen gibt es verschiedene Möglichkeiten, Betonungen zu setzen. Zum Beispiel durch die Wortstellung, indem Wörter vorangestellt werden, wo man eigentlich erwarten würde, dass sie später kommen.
Das kann man auch im Deutschen: „Ich gehe in den Wald hinein“ oder noch besser: „Ich gehe gerne in den Wald hinein.“ Aber man kann auch sagen: „In den Wald hinein gehe ich gerne.“ Das ist nicht dasselbe, denn mit der Voranstellung wird „in den Wald hinein“ besonders betont.
Im Deutschen können wir das besser als in manchen anderen Sprachen, weil wir viele Formen haben, zum Beispiel den Akkusativ. In Sprachen, die das nicht haben, kann das unklar sein. Im Deutschen können wir durch den Formenreichtum mehr mit der Wortstellung spielen. Das Griechische hat noch viel mehr Formen. Das Verb hat etwa 450 Formen im Altgriechischen, und die Fälle sind durch die Änderungen genau vorgegeben. Dadurch kann man viel mehr spielen, und das Griechische ist ideal, um solche Nuancen auszudrücken.
Das bringt Gleason Archer in seiner Ausgabe heraus – das ist fantastisch. Es gibt auch andere Mittel, um Betonungen zu setzen. Zum Beispiel im Deutschen: „Ich denke.“ Man kann „ich denke“ betonen, aber wenn es geschrieben ist und man nicht unterstreichen oder kursiv setzen kann, wie merkt man, dass „ich“ betont ist?
Im Italienischen geht das so: „Io penso“ (ich denke), oder betont: „Io penso“ oder „Penso io.“ Im Italienischen gibt es viele Formen, das Verb reicht oft allein, aber wenn man „Io penso“ sagt, bedeutet das: „Ich denke.“ Im Griechischen gibt es ähnliche Mittel.
Das ist das Schöne an dieser Ausgabe. Sie arbeitet solche Nuancen heraus und gibt einen großen Reichtum. So versteht man diesen Abschnitt ganz anders. Siebenmal wird betont: „Denn durch ihn“, „er ist das Haupt“ und so weiter. Das zeigt, dass es dem Apostel Paulus darum geht, zu zeigen, wer Jesus Christus ist und wie reich wir durch den Glauben an ihn sind.
Die Kolosser sollen auf das Geschwätz dieser Irrlehren nicht hören. Darum geht es hier: den Kontrast zu zeigen. Diese Irrlehrer sagten, man könne langsam immer höher steigen, in höhere Sphären aufsteigen. Paulus zeigt: Nein, der Herr Jesus ist wunderbar und vollkommen, und wir sind mit ihm verbunden. Wir müssen nicht langsam aufsteigen, denn in ihm haben wir alles.
Die Gemeinde als Leib Christi und die Autorität Jesu
Schauen wir uns Kapitel 2, Vers 9 an. Dort heißt es: „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid vollendet in ihm.“ Ihr seid also vollendet in ihm. Er ist so herrlich, und ihr seid in ihm zur Vollendung gekommen, weil er am Kreuz alles gut gemacht hat.
Da braucht es keine Evolution mehr, keine spirituelle Evolution. Genau das ist das Anliegen, das hinter diesen Versen steht.
Nun wollen wir der Reihe nach vorgehen. Vers 18: „Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde.“ Hier spricht Paulus darüber, dass die Gemeinde, die Ekklesia, der Leib Christi ist. Im Alten Testament gab es die Gemeinde noch nicht. Jesus sagte ja in Matthäus 16, Vers 18 zu Petrus: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde, Ekklesia, bauen.“ Zur Zeit von Matthäus 16 gab es die Gemeinde also noch nicht, und Jesus hat sie dann gegründet – an welchem Tag? Am Pfingsten.
In Apostelgeschichte 2 wurden die Gläubigen durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft. Wir können das nochmals lesen, denn wir hatten es heute Morgen schon in einem anderen Zusammenhang gelesen: 1. Korinther 12, Vers 13 und auch Vers 12.
Ich lese Vers 12: „Denn wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes, obwohl viele, ein Leib sind, so auch Christus.“ Und Vers 13: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie.“
Also sind alle Gläubigen der heutigen Zeit durch den Heiligen Geist ab dem Pfingsttag getauft worden. Und was bedeutet Taufe im Heiligen Geist? Das ist kein ekstatisches Erlebnis, sondern es heißt, zu einem Leib getauft zu werden. Wenn jemand ein Glied am Leib Christi wird, dann ist er mit dem Heiligen Geist getauft. Das macht die Taufe mit dem Heiligen Geist aus.
Interessant ist, dass dieser Leib hier genannt wird. Nochmals Vers 12: „Alle Glieder des Leibes, obwohl viele, ein Leib sind, so auch Christus.“ Der Leib, die Gemeinde, besteht also aus allen Gläubigen, allen wahren Gläubigen, verbunden mit Christus, dem Haupt. Das Ganze wird dann als der Christus bezeichnet. Das ist etwas Sensationelles.
Im Alten Testament war der Christus – auf Hebräisch „Messias“ genannt, Maschiach – das ist die Grundlage für das Wort Messias. Die griechische Übersetzung ist Christus. Aber seit dem Pfingsttag wird Christus verbunden mit seinem Leib, mit allen Gläubigen der Gemeinde, als der Messias bezeichnet. Das ist der Messias: Christus verbunden mit den Gläubigen der Gemeinde.
Nun sagt Paulus hier in Kolosser 1, Vers 18: „Er ist das Haupt des Leibes.“ Warum muss man das betonen? Ich habe hier im Skript notiert: Der Herr Jesus ist die oberste Autorität der Gemeinde, nicht der Papst.
Gemäß der Lehre der römisch-katholischen Kirche ist der Papst das Haupt der Kirche. Damit greift er aber die Herrlichkeit des Sohnes Gottes an. Er maßt sich etwas an, was nur dem Sohn Gottes zusteht. Das ist unglaublich.
Hinzu kommt, dass er sich auch „Heiliger Vater“ nennt oder sich so nennen lässt. Wo kommt der Ausdruck „Heiliger Vater“ in der Bibel vor? Im hohenpriesterlichen Gebet, im Gebet des ewigen Sohnes zum ewigen Vater, in Johannes 17. Dort spricht der Herr Jesus den Vater an, zum Beispiel in Vers 11: „Und ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt, und ich komme zu dir, Heiliger Vater; bewahr sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast.“
Das ist ja unglaublich! Gott, der Vater, trägt diesen Namen „Heiliger Vater“. Wie kann ein Mensch sich so nennen lassen? Da müsste man doch empört aufstehen und sagen: „Das geht gar nicht!“
Und Kolosser 1, Vers 18 sagt: „Und er ist das Haupt des Leibes.“ Wie ist das mit der Church of England? Wer ist das Haupt? Die Queen, Queen Elizabeth II., ist offiziell das Haupt der anglikanischen Kirche von England – nicht weltweit, aber in England. Das ist unglaublich, das darf sie nicht.
Der Kolosserbrief, geschrieben vor bald zweitausend Jahren, sagt: „Er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde.“ Und Jesus wird auch genannt der Anfang.
Der Ursprung und die Einzigartigkeit Jesu Christi
Wie muss man das verstehen? Nun, ich habe auf dem Skript hingeschrieben, dass das griechische Wort „archē“ Anfang, Ursprung oder auch Quelle bedeutet.
Der Herr Jesus hat keinen Anfang. Wir haben gesehen, dass er vor allen Dingen ist (Vers 17). Nicht, dass er vor allen Dingen geworden ist oder vor allen Dingen war, sondern er ist vor allen Dingen. Er wird hier „der Anfang“ genannt. Das bedeutet nicht, dass er einen Anfang hat, sondern dass er eben die archē ist, das heißt der Ursprung, die Quelle von allen Dingen, weil er ja alles erschaffen hat. Er hat alles aus dem Nichts durch sein Wort ins Dasein gerufen.
In Offenbarung 3, Vers 14 wird uns etwas ganz Ähnliches mitgeteilt. Jesus sagt zur Gemeinde in Laodizea: „Und dem Engel der Versammlung in Laodizea schreibe: Dieses sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes.“ Das bedeutet also, der Herr Jesus ist die Quelle, der Ursprung von allem Erschaffenen. Denn in ihm, durch ihn und für ihn sind alle Dinge erschaffen worden.
Er ist der Ursprung der alten Schöpfung, wie in 1. Mose 1,1 beschrieben, und er ist auch der Ursprung der neuen Schöpfung. Wenn es hier heißt, er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde (Vers 18), und der der Anfang ist, dann nimmt die Gemeinde bereits Anteil an der neuen Schöpfung.
Darum heißt es in 2. Korinther 5, Vers 17: „Wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden.“ Wer ist der Ursprung der Wiedergeburt und der Neuschöpfung des Menschen? Der Herr Jesus, der Erlöser.
Er ist eben der Anfang im Sinn von Quelle und Ursprung auch der Neuschöpfung.
Die Bedeutung des Erstgeborenen aus den Toten
Und dann wird gesagt: Der Erstgeborene aus den Toten. Was bedeutet das? Nun, der Erstgeborene ist ja meistens der Erste, der in einer Familie geboren wird, aber nicht immer. Wo gibt es Erstgeborene, die nicht die Ersten waren, die geboren wurden?
Esau und Jakob: Jakob bekam das Erstgeburtsrecht, obwohl Esau zuerst aus dem Mutterleib kam. Gott hat also den Zweiten, den zeitlich späteren, zum Erstrangigen gemacht.
Das finden wir übrigens auch in Psalm 89. Dort geht es um den Bund mit David und Gottes Verheißung, dass das Königtum nach David weitergehen wird über seinen Sohn Salomo und dann weiter bis auf den Messias. In Psalm 89, Vers 28 heißt es: „So will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten der Könige der Erde.“ Wenn wir hier einen Zusammenhang mit Salomo herstellen: Salomo war nicht der Erstgeborene in Davids Familie, aber er wurde König. Das heißt, das Erstgeburtsrecht wurde Salomo gegeben.
So können wir weiterfahren in der Familie von Isai: Wer wurde König? David. Und er war die Nummer acht. Niemand sagt sieben, obwohl in einer Bibelstelle sieben und in einer anderen acht steht. Die, die sich über jeden Fehler in der Bibel freuen, jubeln natürlich. Aber wie sollen wir zählen? Wir haben sechs Kinder bekommen. Unser Jüngster, Haniel, ist der Sechste, aber der Älteste ist 2009 verstorben. Was soll ich sagen? Ist Haniel Nummer fünf oder Nummer sechs? Bis 2009 war er Nummer sechs, danach Nummer fünf. Bei David war das ähnlich. Darum steht einmal sieben und einmal acht. Aber eben: Der Jüngste bekommt das Erstgeburtsrecht. Das ist etwas, das ständig geschehen ist.
Schon ganz am Anfang: Kain war der Erstgeborene, aber die messianische Linie ging über Abel. Abel wurde jedoch ermordet, bevor er Kinder hatte. Man hätte denken können, Abel sei der Erste, aber er wurde getötet. Dann kam Seth, dessen Name „Ersatz“ bedeutet. Er trat an Abels Stelle und erhielt das Erstgeburtsrecht.
Bei den Söhnen Noahs sagen wir immer Sem, Ham, Japheth. Aber der Älteste war Japheth, der Jüngste Ham, Sem war Nummer zwei. Doch Sem wurde für die messianische Linie gewählt, also für die Abstammungslinie auf den Erlöser hin. Darum sagen wir nicht Japheth, Sem, Ham, sondern Sem, Ham, Japheth. Das steckt uns richtig im Blut oder in den Knochen.
Also wird immer wieder jemand, der später geboren ist, zum Erstgeborenen gemacht. Und Herr Jesus ist der Erstgeborene aus den Toten. Das bedeutet nicht, dass er der Erste ist, der je auferstanden ist.
Wer war zum Beispiel schon vor ihm auferstanden? Lazarus (Johannes 11 und weiter), der Jüngling von Nain. Wir können all diese Auferweckungen in den Evangelien zusammenstellen, auch die zwölfjährige Tochter von Jairus, dem Synagogenvorsteher. Sogar im Alten Testament gibt es Beispiele: den Sohn der Witwe von Saretta, einer Libanesin, der auferweckt wurde. In den Geschichten von Elija und Elisa finden wir drei Totenauferweckungen.
Aber Jesus wird genannt der Erstgeborene aus den Toten, also der Herrlichste von allen. Warum? Weil er nicht mehr stirbt. Er ist auferstanden als Erster, um nie mehr zu sterben. Alle, die im Alten Testament oder in den Evangelien auferweckt wurden, sind wieder gestorben. Sonst würde Jesus heute noch leben. Diese anderen Auferweckungen waren vorläufig, im Gegensatz zu der definitiven Auferstehung Jesu.
Darum wird diese definitive Auferstehung auch die bessere Auferstehung genannt. In Hebräer 11, Vers 35 heißt es: „Frauen erhielten ihre Toten durch Auferstehung zurück. Andere aber wurden gefoltert, weil sie die Befreiung nicht annahmen, damit sie eine bessere Auferstehung erlangten.“ Das ist die definitive Auferstehung.
Herr Jesus ist also der Erste, der auferstanden ist und nicht mehr stirbt. Wo steht das in der Bibel? Das ist keine bloße Behauptung. In Römer 6, Vers 9 lesen wir: „Wir wissen, dass Christus aus den Toten auferweckt ist und nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn.“ Das ist christliche Gewissheit: Wir wissen, dass Christus nicht mehr stirbt.
Er ist auch in anderer Hinsicht der Herrlichste von allen, die aus den Toten auferstanden sind. In Johannes 10 sagte er: Niemand konnte ihm das Leben nehmen, sondern er hat es selbst gegeben. Die Menschen hätten ihn nicht töten können, wenn er nicht sein Leben gegeben hätte.
In Johannes 10, Vers 18 heißt es: „Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.“ Er hat also die Autorität und Gewalt, sein Leben zu geben.
Am Kreuz sagte Jesus: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.“ Das werde ich nie sagen können, wenn ich auf dem Sterbebett liege. Das kann ich nicht. Es könnte sein, dass Gott mir in so einem Moment noch ein paar Tage schenkt. Das haben wir nicht in der Hand.
Aber Jesus konnte sagen: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.“ Er hatte die Gewalt, sein Leben hinzulegen, aber auch das Leben wiederzunehmen. Das kann niemand sonst.
Das heißt im Klartext: Er hat sich am dritten Tag selbst auferweckt. Er ist der Sohn Gottes. In Römer 6 heißt es, er sei auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters. Natürlich steht in 1. Petrus 3, dass er nach dem Fleisch getötet wurde und lebendig gemacht wurde in der Kraft des Geistes. Der dreieinige Gott wirkte in der Auferstehung: auferweckt durch die Herrlichkeit des Vaters, lebendig gemacht durch die Kraft des Geistes.
Aber Johannes 10 zeigt, dass er als Sohn Gottes das Leben wieder an sich genommen und sich selbst auferweckt hat. Er ist der Herrlichste, der je gestorben und wieder auferstanden ist – der Erstgeborene aus den Toten.
Die Forderung nach der Vorrangstellung Jesu im Leben
Und warum das alles? Damit er in allem den Vorrang habe. Das will Gott. Und da müssen wir uns ganz persönlich fragen: Wie ist das in meinem Leben? Hat der Herr Jesus wirklich den Vorrang in allen Dingen?
Das ist eine Entscheidung, die wir fällen müssen und immer wieder fällen müssen. Denn der Herr Jesus sagt ja zur Gemeinde in Ephesus in Offenbarung 2: „Ich habe etwas gegen dich.“
Was hat der Herr gegen die Gemeinde von Ephesus? Offenbarung 2,4: „Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße, und tue die ersten Werke. Wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter von deiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.“
Die erste Liebe ist nicht unbedingt die Liebe, die ein Gläubiger gleich nach der Bekehrung und Wiedergeburt empfindet. Das kann sein, aber dann ist das ein bisschen so wie eine Hochzeit, die wie eine Schweizer Seilbahn oben anfängt und im Tal unten endet. Ja, darum sagt man Hochzeit: Sie fängt da oben an und endet dann im Tal.
Aber Schweizer Bahnen sind auch umgekehrt: Sie fangen da unten an. So sollte man sich vorstellen, dass die Hochzeit im Tal beginnt und das Eheleben oben in der Ewigkeit einmal enden sollte. Die Liebe wächst also.
Das ist eine wunderbare Erfahrung in Ehen, auch wenn sie durch Schwierigkeiten getestet werden. Es ist ein Problem, dass eine Frau nicht immer dasselbe denkt wie ich. Manchmal frage ich mich, wie man das ändern kann. Aber so ist das eben: Ich habe keinen Computer geheiratet, sondern einen Menschen.
Durch das Leben hindurch wächst man immer mehr zusammen, und die Liebe vertieft sich. So sollte es auch sein, dass man sich nicht mehr so sehr in die Verwirrung richtet, sondern die Liebe zum Herrn nach der Bekehrung nicht der Höhepunkt ist, sondern weiter wächst.
Man kann sagen, die erste Liebe ist die Liebe, in der der Herr Jesus den ersten Platz im Herzen hat. Und was auch auffällt: Der Herr gibt sich nicht zufrieden mit dem zweiten Platz. Der zweite Platz ist ein No-Go.
Wenn wir uns das vor Augen halten, sagt er: Wenn du nicht Buße tust, werde ich den Leuchter wegrücken. Im Tempel konnte das passieren. Es gab im zweiten Tempel zur Zeit des Herrn Jesus Ersatzleuchter in den Aufbewahrungsräumen des Tempels.
Wenn ein Leuchter aus irgendeinem Grund unrein wurde, also nicht mehr koscher war, wurde er durch einen anderen ersetzt. Das heißt, der Leuchter im Heiligtum wurde weggerückt, sodass er nicht mehr das göttliche Licht als Zeugnis verkündigen konnte.
Da sagt der Herr zur Gemeinde: Ich werde deinen Leuchter wegrücken. Es kann sein, dass eine Gemeinde zu Ende geht. Aber das ist nicht einfach so das Gleiche, wie wenn ein Verein nach 18 Jahren erfolgreicher Bilanz die Türen schließt und weg ist.
Wenn eine Gemeinde aufhört zu existieren, muss man sich fragen: Was will der Herr damit sagen? Er sagt zur Gemeinde von Ephesus: Ich werde deinen Leuchter von deiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.
Der Herr ist niemals zufrieden mit dem zweiten Platz. Dieses Prinzip wird uns auch im Kolosserbrief vorgestellt: Damit er in allem den Vorrang habe.
