Einführung in den neuen Abschnitt des Buches Hesekiel
Wir kommen heute zu Hesekiel 25 und damit zu einem ganz neuen Abschnitt im Buch.
Wir hatten ja ganz am Anfang, in Verbindung mit der Einleitung zu Hesekiel, gesehen, dass das Buch in drei Teile zerfällt. Teil 1 umfasst die Kapitel 1 bis 24. Hier geht es um den Untergang Jerusalems und des Tempels. In diesem Zusammenhang wird auch der Weggang der Schechina beschrieben. Die Schechina, die Feuer- und Wolkensäule über dem salomonischen Tempel, verließ Jerusalem und den Tempel ganz am Ende der ersten Tempelperiode. Hesekiel hat das alles in einer Vision gesehen.
Der letzte Teil von Hesekiel sind die Kapitel 33 bis 48. Sie zeigen den letzten Tempel Israels, den dritten Tempel, also den zukünftigen Tempel. In Verbindung mit diesem zukünftigen Tempel sah Hesekiel auch die Rückkehr der Schechina. So entsprechen sich Teil eins und drei sehr deutlich: der Weggang der Herrlichkeit Gottes und die Rückkehr der Herrlichkeit Gottes.
Dazwischen liegen nun die Kapitel 25 bis 32. Darin geht es um sieben nichtjüdische Völker beziehungsweise Städte, die hier ins Visier des Propheten kamen. Hesekiel sah nicht nur das Gericht über Israel (Teil 1), sondern auch das Gericht über die Heidenvölker. Es handelt sich um sieben Völker und Nationen, die rings um Israel liegen. Dabei besteht sogar eine gewisse Ordnung in der Reihenfolge, eine geographische Ordnung.
Geographische und thematische Übersicht der Gerichtsworte
Wir haben in Kapitel 25, Vers 2 eine Weissagung gegen Ammon. Das entspricht dem heutigen Nordjordanien.
Dann folgt in Vers 8 Moab, das Gebiet von Mitteljordanien. In Vers 12 wird Edom erwähnt, das Gebiet von Südjordanien bis zum Grenzgebiet zu Saudi-Arabien.
In Vers 15 kommen die Philister vor. Im Alten Testament sind sie Feinde im Land Israel, und zwar im Gebiet des Gazastreifens. Geografisch gesehen geht es also von Norden nach Süden hinunter und dann wieder nach oben.
Jetzt in Kapitel 26, Vers 2, wird Tyrus genannt. Das Gebiet liegt im Libanon im Norden. Diese Prophetie ist sehr wichtig und wird in den Kapiteln 26, 27 und 28 behandelt.
Noch ganz kurz: In Kapitel 28, Vers 22, wird Sidon erwähnt, das noch etwas nördlicher als Tyrus liegt. So verläuft die Prophetie also im Uhrzeigersinn rundherum.
Zusätzlich gibt es in den Versen 29 bis 32 eine ausführliche Prophetie über Ägypten.
Das ist eine Übersicht über diesen Zwischenteil im Buch Ezechiel. Warum steht diese Prophetie nicht am Anfang, sondern an zweiter Stelle?
Das ist bereits ein Zitat aus dem Neuen Testament. Genauer gesagt aus dem 1. Petrusbrief, wo ein geistliches Prinzip im Handeln Gottes mit den Menschen dargestellt wird.
Gericht beginnt im Haus Gottes – Ein geistliches Prinzip
Wollen Sie es gleich vorlesen?
Erster Petrusbrief 4,17: Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange beim Haus Gottes. Wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen? Und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo wird der Gottlose und Sünder erscheinen?
Daher sollen auch die, welche nach dem Willen Gottes leiden, einem treuen Schöpfer ihre Seelen anbefehlen und ihm Gutes tun.
Der Verfasser dieses Briefes schreibt inmitten der Christenverfolgungen unter Nero: Die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange beim Haus Gottes. Er sieht Gottes Zucht über das christliche Zeugnis. Dabei betont er, dass das Gericht zuerst bei uns beginnt und das Gericht über die Welt später folgt.
Genau dieses Prinzip finden wir auch in Hesekiel 1-24. Es geht zuerst um Israel als das Volk Gottes, das die Aufgabe hatte, hier ein Zeugnis für den einen wahren Gott zu sein. Israel trägt insofern eine größere Verantwortung als die anderen Völker. Deshalb beschreibt Hesekiel zuerst den Fall Jerusalems und erst in zweiter Linie die heidnischen Völker.
Verantwortung der Nachbarvölker und ihre Nähe zu Israel
Aber was auch auffällt: Wir haben gesehen, dass es sich bei diesen Völkern um Nachbarvölker Israels handelt. Es geht also nicht um Völker in weiter Ferne, sondern um solche, die das Vorrecht hatten, durch Israel ein ganz spezielles Zeugnis von dem einen Gott zu hören und zu erleben.
Dadurch hatten gerade diese sieben Nationen und Städte eine besondere Verantwortung vor Gott. Dieses Prinzip lässt sich auf Christen übertragen, die Angehörige haben, die nicht errettet oder gläubig sind. Diese Angehörigen tragen ein deutlich höheres Maß an Verantwortung vor Gott als Menschen, die keine solchen Angehörigen haben.
Die Nähe zum Zeugnis des Glaubens erhöht somit in Gottes Augen die Verantwortung.
Gericht über Ammon – Schadenfreude als Grund für Gottes Zorn
Wir können zunächst gemeinsam Kapitel 25 durchlesen. Bruno, möchtest du vorlesen? Es kann auch jemand anderes sein, aber wir haben noch weitere Kapitel bis 48. Also, Bruno, fang bitte an.
Was ist der Vorwurf gegenüber Ammon? Sie waren schadenfroh über Israel. Diese Nachbarvölker haben die Katastrophe, die im Jahr 586 über Jerusalem kam, miterlebt. Eigentlich war es eine ganze Periode der Spannung, die 605 begann. Damals belagerte Nebukadnezar zum ersten Mal Jerusalem. Zu dieser Zeit kam Daniel in die Gefangenschaft.
Im Jahr 597 gab es eine zweite Belagerung, bei der Hesekiel in die Gefangenschaft geführt wurde. In der dritten Phase, 586, wurde Jerusalem dem Erdboden gleichgemacht, und der salomonische Tempel wurde in Staub und Asche gelegt.
Die Ammoniter haben das miterlebt. Sie haben also darüber gelacht. Vers 3 sagt: Sie lachen über mein Heiligtum. Damit ist die Zerstörung des salomonischen Tempels gemeint. Außerdem lachen sie darüber, dass das Land Israel ökologisch zugrunde geht, dass es verwüstet ist. Sie lachen auch darüber, dass die Juden, das Haus Juda, ins Exil nach Babylon müssen.
Ja, sie lachen über ein Gericht Gottes. Aber hier wird deutlich: Selbst wenn Jerusalem das Gericht verdient hat, darf sich niemand anderes an Schadenfreude darüber laben. Das wird hier als Grund angegeben, warum auch Ammon um das göttliche Gericht kommen soll. Es wird begründet in Vers 3, weil du "Haha" sprichst.
Wir sehen das auch bei den weiteren Völkern. Immer wird das Gericht begründet. In Vers 8 heißt es: "Siehe, das Haus Juda ist wie alle Nationen, darum werde ich die Seiten Moabs treffen." Auch hier ist der Grund, dass sie sich über das Gericht freuen. Deshalb kommt über sie das Gericht.
In Vers 12 bei den Edomitern steht: "Weil Edom mit Rachsucht gegen das Haus Juda gehandelt hat." Hier wird die Rachsucht gegen das jüdische Volk als Grund für ihr Gericht genannt. Bei den Philistern ist es ähnlich: Sie handelten mit Rachsucht und übten Rache.
Gott begründet sein Gericht und duldet keine Schadenfreude. Dann steht da, dass sie erkennen werden, dass ich der Herr bin. Glauben Sie, dass sie das erkannt haben? So wie es heute auch ist: Gerichte Gottes gehen über die Erde, und die Menschen denken, das sei schon ganz normal, es habe sich schon immer so zugetragen. Ja, so ist es.
Die Bedeutung des Erkennens Gottes in Hesekiel
Wir haben hier wieder diesen Refrain, der ganz typisch für Ezechiel ist. Er kommt sehr oft vor – weiß man noch, wie oft genau? Ja, viele Male. Es ist eine beeindruckende Zahl. In allen möglichen Variationen taucht er auf: „Und ihr werdet erkennen“ oder „Du wirst erkennen“. Insgesamt 77 Mal wurde das mit dem Computer ausgezählt.
Diese Aussage zeigt, dass erfüllte Prophetie als Mittel oder Möglichkeit aufgezeigt wird, um den lebendigen Gott erkennen zu können. Es wird also als ein Weg dargestellt, nicht als eine Garantie, dass alle das auch tatsächlich erkennen. Es wird pauschal gesagt, dass man darin Gottes Hand erkennt.
Wir können aber im Einzelnen nicht genau prüfen, wie die Menschen damals darauf reagiert haben. Doch wir können an solchen Prophezeiungen, die sich auf das zwanzigste Jahrhundert beziehen, in Ezechiel erkennen, wie das funktioniert. Darauf kommen wir noch in den dreißiger Kapiteln zurück, insbesondere im Blick auf die Prophetie über die Westbank, also die besetzten Gebiete. Dort sehen wir, wie manche Menschen gerade dadurch erkennen können, dass die Bibel Gottes Wort ist.
Nicht alle kommen dadurch zum Glauben, aber sie erkennen doch Gottes Hand darin. Ähnlich war es zum Beispiel im Sechstagekrieg. Auch viele Atheisten mussten realisieren, dass etwas geschah, was absolut nicht mehr menschlich zu erklären ist. Eine Nation wird an drei Fronten von einer zahlenmäßigen Übermacht bedroht, und am siebten Tag ist alles wieder ruhig.
So hat Gott in der Geschichte immer wieder gewirkt, damit Menschen seine Souveränität und Macht erkennen können.
Herr Liby, ist dieses „Und ihr werdet erkennen“ nicht möglicherweise an Dritte gerichtet? Denn im Prinzip wird ja angekündigt, dass sämtliche Mitglieder dieser zitierten Nation am Ende des Strafgerichts tot sind. Folglich können sie selbst nicht mehr erkennen, sondern andere Menschen erkennen es. Wenn man das so zusammenfasst, stimmt das doch, oder?
Ganz genau. Es ist ein pauschaler Ausdruck. Das heißt nicht, dass jede einzelne Person erkennt, aber doch, dass die Ammoniter im Allgemeinen Gottes Hand darin erkennen konnten. Selbst diejenigen, die dabei umkamen, haben den Krieg miterlebt und gesehen, wie genau das Gleiche über sie kommt, was zuvor über Jerusalem kam.
Es ist sehr unterschiedlich formuliert: In Vers 5 heißt es „Ihr werdet erkennen“, in Vers 7 am Schluss „Du wirst erkennen, dass ich der Herr bin“, in Vers 11 „und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin“, und auch in Vers 17 am Schluss „und sie werden erkennen“.
Das zeigt uns, wie wichtig erfüllte Prophetie ist, um Gott erkennen zu können. Man muss also ein gutes Augenmerk darauf richten. Gerade wenn heute Menschen fragen: Wie kann man wissen, dass die Bibel Gottes Wort ist? Es gibt ja auch den Koran, viele hinduistische Schriften und andere religiöse Texte. Wie kann ich erkennen, dass die Bibel Gottes Wort ist?
Gerade das Wirken Gottes in der Geschichte, das sich in der Erfüllung biblischer Prophetie zeigt, ist etwas ganz Einzigartiges. So etwas findet man in keiner anderen Religion. Sonst?
Schadenfreude und Gottes Widerstand gegen Hochmut
Wir schlagen auf Sprüche 17,5 auf: „Wer sich über Unglück freut, wird nicht für schuldlos gehalten werden.“
Ich denke, dass dieser Vers auch etwas mit Hoffmut zu tun hat. Im Petrusbrief und im Jakobusbrief finden wir, dass Gott dem Hoffmütigen widersteht, aber dem Demütigen Gnade schenkt. Das ist eine eindrückliche salomonische Zusammenfassung in Sprüche 17,5.
In der Geschichte ist es so gekommen: Im Jahr 586 fiel Jerusalem. Im Jahr 582 gab es eine vierte Wegführung. Insgesamt gab es vier Deportationen und drei Kriege. Im Jahr 581 griffen die Babylonier auch die Ammoniter an und brachten dasselbe Gericht über sie.
So geschah es auch mit Moab, im nächsten Abschnitt. Auch sie wurden von den Babyloniern bekriegt und erobert.
Aber wir finden noch mehr in diesem Text. In Vers 4 heißt es: „Darum siehe, ich werde dich den Kindern des Ostens zum Besitz geben. Sie werden ihre Zeltlager in dir aufschlagen und ihre Wohnungen in dir errichten. Sie werden deine Früchte essen und deine Milch trinken.“
Diese Prophezeiung hat sich erfüllt. Später eroberten arabische Stämme das Land Ammon. Im Jahr 312 v. Chr. nahmen die Nabatäer dieses Gebiet ein, das eigentlich Edom, Moab und Ammon umfasste. Sie dehnten sich sogar bis nach Südsyrien aus. Diese „Kinder des Ostens“ oder „Söhne des Ostens“ sind ganz speziell die Araber.
Später, im siebten Jahrhundert nach Christus, wurde dies erneut Wirklichkeit durch die Expansion des Islam aus Saudi-Arabien. Dieses ganze Gebiet wurde wieder von arabischen Stämmen erobert und arabisiert – bis zum heutigen Tag.
Die Ammoniter, Moabiter und Edomiter waren ursprünglich keine Araber. Doch die arabischen Stämme aus Saudi-Arabien vermischten sich durch die Ausbreitung des Islam mit den ansässigen Völkern.
Weltgeschichtlich betrachtet ist dies eine dramatische Prophetie: Gott sagt, dass er die Ammoniter in die Hand der Araber geben wird. Heute werden die Jordanier als Araber angesehen, obwohl sie ursprünglich von Ammonitern, Moabitern und Edomitern abstammen und damit einen ganz anderen Ursprung haben.
Herkunft der Ammoniter und Moabiter
Woher stammen eigentlich die Ammoniter völkergeschichtlich? Von Lot, oder? Ja, von Lot. Ammon und Moab.
Lot hatte zwei Söhne. Wir können das ganz kurz nachschlagen, in 1. Mose. Zur Erinnerung: Lot war Abrahams Neffe. Also müssen wir 1. Mose 19 aufschlagen. Dort steht die Geschichte von Lot, der aus Sodom mit seiner Familie gerettet wurde.
Doch seine Töchter versetzten ihn mit Alkohol in einen völligen Rauschzustand und begingen Blutschande mit ihm. Aus dieser Verbindung entstanden Nachkommen. Wer möchte, kann das in Vers 36 nachlesen: „Dieser ist der Vater der Kinder Ammon bis auf diesen Tag.“
Diese Nachkommen sind die Stammväter aus der Zeit Abrahams. Das zeigt uns, dass die Ammoniter und Moabiter sogar eng mit Israel verwandt waren, stammesgeschichtlich gesehen. Sie werden hier an erster Stelle genannt, noch vor Tyrus und den Philistern, die nicht denselben Verwandtschaftsgrad zu Israel hatten.
Warum ist das so? Weil sie eine ganz besondere Verantwortung hatten.
Herkunft der Edomiter
Die Edomiter – woher kommen sie? Wo sieht man das, und wie kann man es begründen? Im 1. Buch Mose, Kapitel 25, findet man dazu wichtige Informationen. Dieses Buch ist eine Fundgrube für die Ursprünge der verschiedenen Völker.
Dort wird die Geburt von Esau und Jakob beschrieben, ab Vers 24. In Vers 27 heißt es, dass beide heranwuchsen. In Vers 29 kocht Jakob ein spezielles Linsengericht.
Ab Vers 29 steht: „Und Jakob kochte ein Gericht. Da kam Esau vom Feld und war müde. Esau sprach zu Jakob: Lass mich doch das rote Gericht kosten, denn ich bin müde.“ Daher bekam Esau den Namen Edom, was „rot“ bedeutet.
Jakob sagte zu ihm: „Verkaufe mir heute dein Erstgeburtsrecht.“ Esau antwortete: „Siehe, ich muss doch sterben, was soll mir die Erstgeburt?“ Jakob erwiderte: „So schwöre mir heute!“ Er schwor, und so verkaufte Esau seine Erstgeburt an Jakob.
Der Name Edom ist also ein Wortspiel mit dem roten Linsengericht, das Esau unbedingt haben wollte. Er war sogar bereit, Gottes Segen zu verkaufen, weil er völlig auf das momentane, diesseitige Leben ausgerichtet war.
Esau dachte: „Ich sterbe, aber sollte mir eine Verheißung für meine Nachkommenschaft in der Zukunft gegeben werden, ich lebe jetzt und muss es jetzt genießen.“
Dieser Name Edom wurde ihm deshalb gegeben, und seine Nachkommenschaft heißt Edomiter. So sehen wir hier, dass die Edomiter die Nachkommen von Esau sind.
Gericht an Edom und die Rolle Israels
Es wird aber auch weiterhin im Blick auf das Gericht an Edom gesagt: Wer übt das aus? In Vers 14 wird das Volk Israel genannt. Lesen Sie es nochmals genau: „Ich lasse mein Volk Israel an den Edomitern Rache nehmen, damit sie meinen grimmigen Zorn zu spüren bekommen.“
Israel wird also in Verbindung mit den Edomitern speziell erwähnt. Dieses Ereignis hat historisch bereits eine Erfüllung gefunden, und zwar im zweiten Jahrhundert vor Christus, in der Zeit der Makkabäer. Einer der Nachkommen der Makkabäer ergriff sogar die Königskrone und das Hohepriesteramt. Dieser Nachkomme eroberte die Edomiter und zwang sie, zum Judentum überzutreten.
Es ist vielleicht wichtig, dieses geschichtliche Ereignis zu kennen, besonders wenn man mit Juden spricht, die sagen: Warum haben die Christen uns ständig verfolgt? In ihrer Religion kennen sie es nicht, dass man jemanden zwingt, seinen Glauben zu wechseln. Dann kann man darauf hinweisen, dass auch im Judentum im zweiten Jahrhundert Israel die Edomiter zwang, zum Judentum überzutreten.
War das unter Jonathan? Nein, das war unter Janäus, etwa um 100 vor Christus. Janäus war ein gottloser König und Hoherpriester, und das brachte später einen schweren Preis mit sich. Denn aus diesen judaisierten Edomitern kam später Herodes der Große hervor. Mit Hilfe der Römer arrangierte er sich die Macht in Israel. Der römische Senat ernannte ihn zum König der Juden.
Das war also vor zweitausend Jahren eine sehr schlimme Situation. Gott hatte gesagt: „Der Ältere soll dem Jüngeren dienen.“ Das war Gottes Ratsschluss, dass die Edomiter Israel untertan sein sollten. Doch in der damaligen Zeit, als im Volk Gottes alles durcheinander war, war das Hohepriestertum illegal. Sämtliche Hohepriester von der Zeit der Makkabäer bis zur Zerstörung des Tempels waren illegal, denn sie stammten nicht aus der vorgeschriebenen sadokidischen Linie Aarons.
Sie alle waren illegal, auch der Hohepriester Kajafas, der Jesus zum Tod verurteilte, war nach biblischem Recht kein legitimer Hoherpriester. Es herrschte also großes Durcheinander und vieles war verdreht. In dieser Zeit drehte Gott die Ordnung um, sodass ein Edomiter eine blutige Gewaltherrschaft über Israel ausübte.
Man sieht daran, was es bedeutet, wenn Menschen zwangsweise bekehrt werden.
Rachsucht der Edomiter und historische Hintergründe
Was ist denn heute mit den Hohenpriestern? Oder gibt es sie gar nicht mehr? Seit dem Jahr siebzig wurden keine Hohenpriester mehr eingesetzt, weil der Tempel nicht mehr vorhanden war.
Roger, zu dem zwölften Vers habe ich ein Problem. Dort steht: "Weil Edom mit Rachsucht gegen das Haus Juda gehandelt hat und sich sehr verschuldet hat, indem sie sich an ihnen rächten." Was ist die Ursache dafür? Du meinst, warum sie sich rächen? Ja, was war der Grund, warum sie sich rächen?
Bei mir steht als Hinweis der zweite Chronik. Dort haben wir ein Beispiel, wie das geschehen ist: 2. Chronik 28,17. Wer liest? "Die Edomiter nämlich waren abermals gekommen, schlugen Juda und führten Gefangene weg."
Die Edomiter und die Phönizier fallen in Juda ein. Ahas gibt einen Kompromiss mit Assur ein. Das steht als Überschrift. Ja, genau. Da haben wir ein Beispiel, wie die Edomiter Rache an Juda geübt haben.
Also das ist eine Erklärung für diese Aussage, dass Edom mit Rachsucht gegen das Haus gehandelt hat und sich verschuldet hat. Aber die Frage von Reinhold war, warum Rache? Warum haben sie sich überhaupt gerächt?
Nun, das geht zurück bis zu Esau. Esau realisierte später, dass er um das Erstgeburtsrecht betrogen worden war. Und da hatte er bereits Rache geschworen. Von dort hat sich diese rachsüchtige Linie durch die ganze Geschichte weitergepflanzt.
Edom besteht bis ins zwanzigste Jahrhundert fort, obwohl er sich eigentlich mit seinem Bruder versöhnt hatte, nach der Geschichte der anderen. Ja, im Moment, aber auch da hat Jakob ihn reingelegt. Er sagte zu ihm: "Du, es geht jetzt nicht, aber ich werde dich dann mal in dein Land besuchen." Er ist nie zu ihm gegangen. Also fühlte sich Esau auch wieder reingelegt, und das zu Recht.
Diese Rachsucht hat sich weitergepflanzt, aber sie begann eigentlich mit Edom, mit Esau.
Wo sind denn die Edomiter heute zu finden? Zu welcher Volksgruppe gehören sie?
Das Problem ist, dass sich all diese Völker sehr stark vermischt haben. Die Art, wie Israel sich als Nation bis in die heutige Zeit erhalten hat, ist eigentlich ein Phänomen unter den Völkern. Eine Identität zu bewahren, das findet man kaum sonst unter den Völkern.
Wenn es um zukünftige Aspekte bei diesen Völkern geht, die auch in der Endzeit-Prophetie vorkommen – Ammon, Moab, Edom usw. – dann geht es speziell um die Menschen, die an diesen Orten leben. Man muss den geografischen Zusammenhang sehen. Man kann sie aber nicht als eine reine Volksgruppe betrachten, denn die Vermischung ist sehr stark.
Man kann jedoch sagen, dass man in Jordanien diesen Hass gegenüber Israel weitergepflanzt findet, von diesen ursprünglichen Völkern bis zum heutigen Tag. Trotz eines Papierabkommens als Frieden ist von jordanischer Seite her dieser Hass gegen Israel immer noch vorhanden.
Es ist auch interessant zu sehen, wie in Schulbüchern im zwanzigsten Jahrhundert in Jordanien Antisemitismus und Judenhass richtig indoktriniert worden sind. Das ist ganz erschreckend. Ein bleibender Hass bis in die Neuzeit hinein.
Bedeutung der Völker in der Endzeitprophetie und reformatorische Sichtweisen
Übrigens, das ist noch ein wichtiger Punkt: Wenn man sieht, dass Völker wie Ammon, Moab, Edom, Philister, Tyrus und andere auch in der Endzeitprophetie eine wichtige Rolle spielen, dann fällt auf, dass es viele Gläubige in streng reformatorischer Tradition gibt, die sagen, die Prophetie habe mit Israel nichts mehr zu tun.
Sie vertreten die Auffassung, dass mit der Kreuzigung des Messias Israel als Nation zu Ende gekommen sei. Jetzt sei die Kirche an der Stelle Israels, es gebe also nur noch die Kirche, und dann am Schluss die Wiederkunft Christi und das jüngste Gericht. Das ist die prophetische Sichtweise der Reformatoren, also wie etwa Luther und Calvin das gesehen haben.
Man darf jedoch nicht zu enttäuscht darüber sein, dass solche großen Reformatoren in diesem Punkt keinen vollständigen Durchblick hatten. Sie hatten in ihrer Zeit vor allem die grundlegenden Dinge wie die Rechtfertigung aus Glauben und allein die Schrift entdeckt. Das Interesse an Prophetie war damals noch nicht so ausgeprägt.
Man versteht zum Beispiel, warum Calvin einen riesigen Kommentar über unzählige Bücher der Bibel geschrieben hat, beginnend bei 1. Mose 1, über das gesamte Neue Testament hinweg. Doch ein Buch hat er nicht kommentiert: die Offenbarung. Damit konnte er offenbar nichts anfangen.
Wenn man heute mit Gläubigen aus streng reformatorischer Tradition spricht, sagen diese oft: Nein, Israel und das, was heute geschieht, hat nichts mit der Prophetie zu tun. Wenn in der Bibel von Israel die Rede ist, dann bezieht sich das auf die Kirche. So hat auch Luther die Prophetie ausgelegt: Sobald es Israel heißt, war damit die Kirche gemeint.
Von daher kommt diese Sichtweise. Die Reformatoren waren in diesem Punkt eben nicht ausreichend reformiert. Deshalb haben sie dieses katholische Erbe, was die Prophetiesicht betrifft, noch übernommen.
Dann stellt sich aber die Frage: Wenn Israel die Kirche ist, wer sind dann Ammon, Moab, Edom, Ägypten, Tyrus, Sidon, Assyrien, Babylon, Persien, Medien und all die anderen Völker? Sie alle spielen in der Endzeitprophetie eine Rolle. Wenn Israel also die Kirche ist, dann kann man diese Völker nicht einfach ignorieren. Man merkt schnell, dass diese Sichtweise nicht aufgeht.
Deshalb interessiert man sich in dieser Tradition auch nicht so stark für die prophetischen Bücher, weil man damit eigentlich wenig anfangen kann.
Noch etwas zum Thema Rache durch Israel, wie sie in Vers 14 erwähnt wird: Diese Rache hat bereits einen vergangenen Aspekt, aber auch einen zukünftigen. Der Prophet Obadja beschreibt in seinem Buch das Gericht an Edom in der Endzeit. Er zeigt auch, dass Israel dabei eine wichtige Rolle spielen wird.
Der letzte Nahostkrieg ist also noch nicht Vergangenheit. Was versteht man unter der Endzeit? Ist sie nach der Entrückung? Nein. Die Endzeit ist die Zeit, in der das jüdische Volk aus einer weltweiten Zerstreuung zurückkehrt.
Diese Endzeit ist demnach eine Periode, die eigentlich schon im 19. Jahrhundert begonnen hat. Wenn Menschen damals sagten, sie seien in der Endzeit, waren sie keine Enthusiasten, sondern hatten Recht. Die Endzeit ist eben kein einzelnes Jahr, sondern eine längere Periode, in der wir uns heute deutlich fortgeschritten befinden.
Wann ist diese Periode abgeschlossen? Diese spezielle Endzeit endet mit der Wiederkunft Christi und der Errichtung seines Reiches.
Die Philister – Herkunft und prophetische Bedeutung
Gut, und jetzt noch zu den Philistern. Wo werden sie angesiedelt, hier? Ja, aber jetzt geografisch: Wo werden die Philister dort genau angesiedelt? Sie sagten vorhin „Gaserschreifen“. Habe ich das gesagt? Ja, aber was sagt die Bibel hier?
„An der Küste des Meeres.“ Ja, an der Küste des Meeres. Das ist ja ein Gazer Streifen.
Wir können dazu eine Stelle in Zephanien 2 aufschlagen. In Zephanien 2 geht es hauptsächlich um die Endzeit. Vordergründig wird hier über den Tag des Zornes des Herrn gesprochen, in Vers 2. Das ist die Zeit der großen Drangsal.
Jetzt liest jemand bitte die Verse 4 bis 7: „Gasa wird verlassen und Aschkelon zum Ödland werden, Aschdort wird man am hellen Mittag vertreiben und Ekorn wird entwurzelt werden. Wehe den Bewohnern des Landstrichs am Meer, der Nation der Kreter! Das Wort des Herrn wird über euch lauten: Kanaan, Land der Philister, ich werde dich vernichten, so dass kein Bewohner mehr bleibt. Und der Landstrich am Meer wird zu Weideplätzen, zu Zisternen der Hirten und zu Schafweiden werden. Und es wird ein Landstrich für den Rest des Hauses Juda sein. Sie werden darauf weinen und sich am Abend wiederlegen in den Häusern Aschkelons. Und der Herr, ihr Gott, wird sich ihrer annehmen und ihr Geschick wenden.“
Jawohl, da haben wir also auch die Bewohner des Landstrichs am Meer, zweimal erwähnt, in Vers 5 und 6. Hier werden auch diese Philisterstädte genannt: Gaza – daher kommt der Gazer Streifen –, Aschkelon, Aschdod, Ekron.
Die Nation der Kreter, dass sie so genannt werden, ist das der Ursprung der Kreter? Ja, sie kommen aus der Ägäis. Das war also ein indoeuropäisches Schifffahrervolk. Sie sind nach Ägypten eingewandert und von Ägypten durch die Wüste dann nach Kanaan in den Gazastreifen hineingegangen.
Das sieht man übrigens aus 1. Mose 10. Dort finden wir die Völkertafel mit siebzig Namen, die die Ursprünge der Völker dokumentieren.
Das heißt, das ist die Familie von Noah. Wie? Das heißt die Familie von Noah. Ja, genau.
Und nun Vers 19 – kann das jemand lesen? Das Gebiet der Kanaaniter erstreckte sich von Siron nach Gerahim bis nach Gaza. Nein, es ist nicht Vers 19, es ist Vers 14, Entschuldigung. Oder Vers 13, dort wird Mizraim erwähnt.
Das ist der Stammvater von Ägypten. Übrigens heißt Ägypten auf Arabisch „Misr“ und auf Hebräisch noch heute „Mizraim“. Also „Friede zwischen Ägypten und Israel“ heißt auf Hebräisch „Schlom ben Mizraim we Yisrael“.
Gut! Und Mizraim zeugte die Luditer, die Anamiter, die Lehabiter, die Naftoheter, die Patositer und die Kasluchrimer, von denen die Philister ausgegangen sind, und die Kaftoreter. Ja, das reicht schon.
Also dort werden die verschiedenen Stämme Ägyptens erwähnt. Und unter den Kasluchrimen Ägyptens heißt es, dass von ihnen die Philister ausgegangen sind. Die waren also dort stationiert, in Ägypten, und sind dann von dort aus weitergezogen.
Jetzt müssen wir verschiedene Stellen zusammennehmen, dann ergibt sich ein Bild.
Gottes Führung der Völker – Amos 9 und 2. Mose 13
Amos 9,7: Seien die Israeliten hier nicht gleich wie die Moabiter? Spricht der Herr. Habe ich nicht Israel aus Ägyptenland geführt und die Philister aus Kaftor sowie die Aramäer aus Kir?
Hier sagt Gott, dass er verschiedene Völker auf ihre Wanderungen geführt hat: Israel aus Ägypten, die Philister aus Kaftor – einer ägäischen Insel – und auch die Syrer aus einem anderen Ort. Die Philister kamen zunächst nach Ägypten und zogen von dort ins Land Kanaan. Diese Stelle zeigt, dass Gott nicht nur Israel in der Geschichte leitete, sondern auch andere Völker. Das unterstreicht Gottes Souveränität als Herr der Geschichte.
Diese und weitere Stellen ergeben zusammen ein Gesamtbild über die Philister. Eine weitere wichtige Stelle findet sich in 2. Mose 13,17. Dort geht es um den Auszug Israels aus Ägypten. Es heißt: Als Pharao das Volk ziehen ließ, führte Gott sie nicht den Weg durch das Land der Philister, obwohl es der kürzeste war. Denn Gott sagte, dass das Volk nicht zurückkehren solle, wenn es vor einem Kampf Angst bekam. Deshalb ließ Gott sie einen Umweg durch die Wüste zum Schilfmeer machen.
Im Nil-Delta, wo Israel wohnte, wurden Pitom und Ramses von ihnen erbaut. Gott wollte nicht, dass sie den direkten Weg entlang des Mittelmeers durch den Gazastreifen nahmen. Stattdessen führte er sie durch das Rote Meer und die Sinai-Wüste, so weit, dass das Meer als Barriere wirkte. Das sollte verhindern, dass sie bei Schwierigkeiten zurück nach Ägypten gingen.
Hier wird also der Weg durch das Land der Philister erwähnt, und die Philister zogen durch dieses Gebiet, um dann im Gazastreifen zu siedeln. Die Philister und Israel haben deutliche Gemeinsamkeiten: Beide stammen aus Ägypten und wanderten nach Kanaan ein. Der Unterschied liegt darin, dass die Philister direkt ins Land gingen, während Israel den Jordan überquerte.
Die Symbolik des Jordans ist der Tod. Der Jordan fließt ins Tote Meer, einen Todesfluss. Das Volk musste sozusagen durch den Tod gehen, um in Gottes Land einzuziehen. Wer in Christus Reichtum empfängt, ist mit ihm gestorben und auferstanden – gewissermaßen in den Jordan hinein- und wieder hinausgegangen. Namenschristen hingegen haben sich das christliche Erbe angeeignet, ohne diese Erfahrung von Tod und Auferstehung.
In der biblischen Symbolik stehen die Philister daher für die Namenschristen: Sie sind zwar aus Ägypten ausgezogen, aber nicht durch den Todesfluss gegangen. Im Arabischen wird nicht zwischen den Begriffen Philister und Palästinenser unterschieden. Das ist sprachlich korrekt, denn „Palästinenser“ leitet sich von „Philister“ ab. Im Arabischen benutzt man für beide das gleiche Wort „Filastini“.
Das erklärt auch die Identifikation vieler heutiger Palästinenser mit den biblischen Philistern. Heute wird oft argumentiert, dass die Palästinenser die Philister seien und deshalb ein Recht auf das Land hätten – im Gegensatz zu Israel.
Was haben wir in Hesekiel gelesen? Gott will diesen Landstrich am Meer richten. Was ist der Grund dafür? Uralte Feindschaft. Diese Feindschaft äußert sich in Rachsucht. Und zwar in Verachtung der Seele – Nefesch, der Seele, des Lebens – und in Verachtung des Lebens insgesamt.
Die ganze Welt ist heute von diesem Problem betroffen: Verachtung des Lebens und Rachsucht. Menschen werden einfach getötet, sogar in Verachtung ihrer eigenen Seele. Es gibt laufende Anschläge und Sprengstoffattentate. Diese Rachsucht mit Verachtung des Lebens führt zur Zerstörung und ewigen Feindschaft.
Gott sagt, dass dies der Grund ist, warum er die Keretiter oder Kreter ausrotten wird. Dieser Ausdruck „Kreter“ findet sich auch in Zephanja 2. Die Keretiter stammen von der Insel Kreta im Mittelmeerraum und werden hier noch so genannt. Gott kündigt an, dass dieser Überrest an der Küste des Meeres vernichtet wird.
Das bezieht sich auf die heutigen Bewohner des Gebiets. Waren sie damals schon stark? Ja, sie haben in der Vergangenheit mehrere Gerichte erlebt. Doch dieses Totalgericht, wie es hier beschrieben wird, ist noch zukünftig und wird endzeitlich eintreten, wie in Zephanja 2 angekündigt.
Wer die Bibel wirklich studiert, erkennt das. Für viele Israelis ist der Bezug zur Bibel jedoch, ähnlich wie bei vielen Christen, sehr locker bis gar nicht vorhanden.
Fragen und Pause
Gut, es ist Zeit für eine Pause. Wir machen jetzt zwanzig Minuten Pause. Danach gehen wir weiter zu Kapitel 26.
Darf ich noch etwas fragen? Ja, klar.
Es muss Kapitel 23 sein, am Anfang, wenn es heißt: „Richte dein Angesicht gegen die Kinder Ammon“. Was bedeutete das praktisch? Ging der Prophet damit, dass er in seiner Zeit wie Jona Hilfe erhielt?
Nein, nicht dass er dorthin ging. Aber gewissermaßen ist es ein Aufruf Gottes an den Propheten, seine Aufmerksamkeit auf dieses Gebiet, auf dieses Volk zu richten.
Ja, aber dadurch, dass er es natürlich aufgeschrieben hat, war das eigentlich der Ausgangspunkt für die Verbreitung dieser Prophetie. Heute ist sie sogar bis nach Singen gekommen. Ich meine, weltgeschichtlich hat sich die Prophetie wirklich um den ganzen Erdball verbreitet. Aber nicht, weil Hesekiel irgendwo hingegangen wäre wie Jona, sondern einfach, weil er seine Aufmerksamkeit darauf richtete.
Noch stärker heißt es: „Richte dein Angesicht gegen“. Das drückt aus, dass er eine Gerichtsbotschaft in Konfrontation zu dieser Nation bringen sollte.
Übrigens, wenn wir gerade dabei sind: Ammon hängt zusammen mit dem Städtenamen Amman. Amman liegt ja in Nordjordanien und ist ein sprachlicher Überrest dieses Urstamms dort.
In biblischer Zeit hieß diese Stadt Rabbat. Das hatten wir ja hier auch in Vers 5: „Und ich werde Rabbat zur Trift der Kamele machen“. Das ist die Stadt Amman.
Welche Sprache sprechen die Menschen dort heute?
Heute? Arabisch.
Wie die anderen Rundfunkländer auch, oder?
Wie alle... Ja, klar. Also die ganze sogenannte arabische Welt spricht Arabisch. Natürlich hat jedes Land einen eigenen Dialekt. Die Leute im Irak sprechen ein bisschen anderes Arabisch als in Ägypten usw. Sie verstehen sich aber untereinander meistens, nicht immer.
Zum Beispiel ist die Differenz zwischen marokkanischem Arabisch und saudischem Arabisch sehr groß. Da gibt es Verständnisschwierigkeiten. Aber es gibt ein Hocharabisch, das wird über Zeitungen, Fernsehen und Radio verwendet.
Mit Hocharabisch kann man sich in der ganzen arabischen Welt verständigen, allerdings nur Gebildete. Leute ohne wirkliche Schulbildung können kein Hocharabisch. Sie haben also da eine Schwierigkeit. In den Schulen wird Hocharabisch gelernt, aber es gibt viele Analphabeten in der arabischen Welt, und die haben dann mit Hocharabisch Mühe.
Jedes Gebiet, jedes Land hat so gewissermaßen seinen eigenen Dialekt. Aber zum Beispiel zwischen den Arabern in Israel und Libanon ist das überhaupt kein Problem, es ist praktisch das Gleiche.
Und in welcher Art Arabisch ist denn der Koran geschrieben?
Das ist natürlich eine ältere Stufe in der Entwicklung der Sprache. Es ist also ein Hocharabisch, aber komplizierter als das heutige Hocharabisch. Es gibt viele Formen, die man im koranischen Arabisch hat, die man im modernen Hocharabisch nicht mehr findet. Es ist viel formreicher.
Darum muss, wer als Missionar in arabische Länder geht, eigentlich drei Arten Arabisch lernen: den Dialekt vor Ort, dann Hocharabisch und koranisches Arabisch. Das ist das Schwierigste.
Was lernt man zuerst? Zuerst lernt man immer Hocharabisch und von dort aus dann die anderen, oder?
Das ist der normale Weg, ja, genau.
Diese Völker haben früher eine andere Sprache gesprochen. Durch Inschriften wissen wir heute, wie die Ammoniter, Moabiter und Edomiter gesprochen haben. Es ist ganz eindeutig eine Sprache, die sich wie ein Dialekt vom Hebräischen unterscheidet. Sie konnten damals miteinander kommunizieren.
Jetzt kommen wir in Kapitel 26 zu Tyrus. Die haben phönizisch gesprochen. Auch das könnte man fast als Dialekt von Hebräisch bezeichnen. Es ist so nahe, dass man, wenn man Hebräisch kann, auch die phönizischen Inschriften lesen und verstehen kann. So nahe sind sie.
Sie verwendeten alle im Prinzip dieselbe Schrift. Streng genommen ist das keine ethnische Bezeichnung, also keine Abstammungsbezeichnung, sondern bezeichnet die Sprache, die jemand spricht.
Gibt es noch etwas? Dann gehen wir weiter zu Kapitel 26, jetzt eben das erste Kapitel über Tyrus.
Wir lesen mal bis Vers 8. Wer liest? Jetzt darf jemand anders.
„Und es begab sich im elften Jahr, am ersten Tage des ersten Monats, da geschah das Wort des Herrn zu mir:
Du Menschenkind, weil Tyrus über Jerusalem bricht – ha! – die Pforte der Völker ist zerbrochen. Nun fällt es mir zu, ich werde jetzt reich werden, weil Jerusalem wüst liegt.
Darum spricht Gott der Herr: Siehe, ich will an dich, Tyrus, und will viele Völker gegen dich heraufführen, wie das Ecken seine Wellen heraufführt. Die sollen die Mauern von Tyrus zerstören und seine Türme abbrechen.
Ja, ich will sogar seine Erde von ihm wegfegen und will einen nackten Fels aus ihm machen, einen Platz im Meer, an dem man Fischnetze aufspannt.
Denn ich habe es geredet, spricht Gott der Herr, und es soll den Völkern zum Raub werden, und seine Tochterstätte auf dem Festland sollen mit dem Schwert geschlagen werden. Sie sollen erfahren, dass ich der Herr bin.“
Ja, mal bis hierher.
Bedeutung von Tyrus in der Prophetie
Wie gesagt, es sind drei Kapitel, die sich mit Tyrus beschäftigen. Tyrus ist eine Stadt am Mittelmeer im Libanon. Im Altertum war sie die Weltmetropole des Handels, vergleichbar mit New York heute. Die Stadt hatte die Fähigkeit, den Welthandel zu kontrollieren. Dies geschah über die Handelsstraßen: Vom südlichen Arabien kam der Handel nach Tyrus, ebenso aus dem Orient. Über die phönizischen Schiffe – ein geschicktes Seefahrervolk der Antike – wurde die Ware im ganzen Mittelmeerraum transportiert und nach Europa gebracht.
Die Phönizier hatten auch eine Kolonie in Spanien, sodass der gesamte Mittelmeerhandel von ihnen kontrolliert wurde. So brachte dieses Volk es zu einem unglaublichen Reichtum. Die Libanesen gehen auf diese phönizischen Vorfahren zurück, und man merkt bis in unsere Zeit hinein, dass sie etwas im Blut haben, was den Handel betrifft. Denn welches arabische Land hat im zwanzigsten Jahrhundert, ohne Öl, solche Erfolge im Handel und Kommerz erzielt wie der Libanon? Keines. Auch heute sind die Libanesen noch sehr geschickte Händler. Das hatten ihre Vorfahren also schon vor zweitausendsechshundert Jahren in sich und brachten es zum höchsten Wohlstand.
Nun hatten die Tyrer eine besondere Beziehung zu Israel in der Geschichte. Weshalb? Hiram, der König von Tyrus, belieferte Salomo nicht nur mit Zedernholz aus dem Libanon, sondern brachte auch Handwerker. Die phönizischen Handwerker waren sehr geschickt, besonders die Spezialisten in der Metallbearbeitung. Sie wurden zu Salomo geschickt und hatten einen wesentlichen Anteil am Bau des Tempels.
Was wir in dieser Prophetie 400 Jahre später finden, ist Hass und Feindschaft gegen Israel. Von Tyrus wird gesagt, dass sie über Jerusalem spotteten: „Haha, zerbrochen ist die Pforte der Völker. Sie hat sich mir zugewandt, ich werde erfüllt werden, sie ist verwüstet.“ Sie freuten sich also über den Zusammenbruch Jerusalems. Denn sie wussten: Wenn die Ware von Arabien heraufgebracht wird, an Jerusalem vorbei nach Tyrus, dann sind sie jetzt ausgeschaltet für Zwischenzoll und Ähnliches.
Jerusalem wird hier als die Pforte der Völker bezeichnet, weil es auf der Handelslinie von Süden nach Norden eine wichtige Rolle spielte. Doch jetzt ist sie zerbrochen. Die Tyrer freuen sich, denn sie bekommen noch mehr. Sie hatten schon viel, und jetzt sind sie froh, dass ein wirtschaftlicher Gegner ausgeschaltet wurde. Das ist also ganz aktuell, oder? Man kann es sehr gut auf die heutige Situation übertragen. Die Konkurrenz ist ausgeschaltet, und sie freuen sich darüber. Es ist ihnen egal, ob die Pforte zerbrochen ist oder nicht – Jerusalem ist zerbrochen, und sie freuen sich brutal darüber. Genau wie der Welthandel heute funktioniert.
Wie heißt Tyrus heute? Immer noch Tyrus. Aber wir werden sehen, dass das heutige Tyrus nicht das Tyrus von damals ist. Dazu kommen wir noch, das wird sehr dramatisch.
Ist Tyrus nicht ein Bild für die Welt und all die Reichtümer, die wir wieder in der Odyssee gefunden haben? Ja, natürlich. Tyrus symbolisiert den Welthandel. In Kapitel 26 geht es speziell darum, wie Gott sagt, dass die Sicherheit, die Selbstsicherheit und das Gefühl der Sicherheit von Tyrus göttlich zerschlagen werden. Sie wähnten sich in Sicherheit.
In Kapitel 27 geht es um den Reichtum von Tyrus, wie sie sich auf ihren Reichtum verlassen haben. Hier wird der Untergang eindrücklich beschrieben – als ein phönizisches Handelsschiff. Heute wissen wir, wie diese Schiffe ausgesehen haben. Man hat phönizische Handelsschiffe ausgegraben, aus dem Meer geborgen und konserviert. Hier wird ein solches Schiff beschrieben. Es zeigt, wie dieses Handelsschiff von Tyrus mit allen möglichen Völkern Handel trieb. Die Völker werden namentlich aufgeführt, ebenso die gehandelten Waren. Am Schluss versinkt das Schiff für immer im Meer. Das ist das dramatische Bild, das in Kapitel 27 gemalt wird. Der Reichtum, auf den sich Tyrus stützte, wird zerschlagen.
In Kapitel 28 geht es um die Weisheit von Tyrus. Tyrus hat sich auf sein Wissen etwas eingebildet, und auch das wird zerstört. Sicherheit, Reichtum und Weisheit – das sind genau drei Säulen der heutigen Gesellschaft. Diese Dinge sind wichtig: Sicherheit, weshalb man ein so kompliziertes Versicherungssystem aufgebaut hat; Reichtum; und die Einbildung in unsere großen intellektuellen Errungenschaften auf allen Gebieten – Wissenschaft, Philosophie, Wirtschaft und so weiter.
König Salomo sagt Folgendes: Das Schlimmste, was er je unter der Sonne gesehen hat, ist Reichtum und dessen Seele, die sonst nichts mehr begehrt. Das heißt, die Seele des Reichtums lebt so selbstzufrieden dahin. Ich denke, das trifft auch hier wieder zu. Die Seele des Reichtums begehrt immer mehr, sie ist nie zufrieden. Da sind wir bei den wirtschaftlichen Giganten, die haben nie genug.
Vielleicht noch etwas zum Thema Sicherheit und Reichtum: 1. Timotheus 6, Vers 17 ist interessant. Dort wird nicht der Kommunismus als Ausweg gezeigt, sondern in 1. Timotheus 6, Vers 10 und 11 heißt es: „Denn die Geldliebe ist eine Wurzel allen Übels, welche einige verführt haben vom Glauben abzufallen und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, Mensch Gottes, fliehe diese Dinge und strebe nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren und Sanftmut des Geistes.“
In den Versen 17 bis 19 werden die Reichen ermahnt, nicht hochmütig zu sein und nicht auf die Ungewissheit des Reichtums zu hoffen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss. Sie sollen Gutes tun, reich sein an guten Werken, freigebig und mitteilsam, und sich so eine gute Grundlage für die Zukunft schaffen, damit sie das wahre Leben ergreifen.
Wichtig ist also Vers 10: Nicht das Geld an sich ist die Wurzel allen Übels, sondern die Geldliebe. Die Möglichkeit des Geldes ist an sich nicht böse, aber die Geldliebe kann zum Verhängnis werden und zum Fallstrick. Die Reichen werden nicht aufgerufen, arm zu werden oder den Kommunismus zu praktizieren. Vielmehr sollen sie nicht auf die Ungewissheit des Reichtums hoffen und nicht hochmütig sein.
Genau das sehen wir in Tyrus: das Vertrauen auf die hohen, starken Mauern (Kapitel 26), das Vertrauen auf den Reichtum (Kapitel 27) und das Vertrauen auf die Weisheit – den Hochmut. Andererseits wird klar gesagt: Tut Gutes, seid reich an guten Werken, freigebig und mitteilsam, mit einer klaren Perspektive auf die Zukunft, auf das wahre Leben.
Ist das der Grund, warum über Tyrus drei ganze Kapitel gesprochen wird, während im Grunde sieben Völker in nur einem Kapitel behandelt werden? Ägypten wird auch noch ausführlich behandelt in den Kapiteln 29 bis 32, aber hier geht es um mehr grundsätzliche Dinge. Sicherlich ist das so.
Wir werden sehen, dass das Gericht über Tyrus das dramatischste von diesen Gerichten in diesen Kapiteln ist. Begründet wird das dadurch, dass die Tyrer gelacht und sich über den Zerbruch Jerusalems gefreut haben. Deshalb kommt das Gericht über sie.
Nun fassen wir zusammen, was die Prophezeiungen Hesekiels über Tyrus aussagen.
Zusammenfassung der Prophezeiungen gegen Tyrus
Erstens: „Ich werde viele Nationen gegen dich heranführen“ (Vers 3). Wie kommen diese Nationen? Im Prinzip wie die Wellen des Meeres. Wie bringt das Meer seine Wellen? In Phasen, also zeitlich versetzt. Das müssen wir gut festhalten.
Drittens: Noch früher werden die Mauern von Tyrus zerstört und die Türme abgebrochen. Jawohl, das ist drittens. Weiterhin wird die Erde weggefegt und der kahle Felsen kommt zum Vorschein. Tyrus wird also nicht nur einfach zerstört, sondern absolut kahl – ein kahler Felsen. Die Erde wird von ihm weggefegt.
Fünftens: Wie? Als ein Trockenplatz für Netze. Jawohl, Vers 5 – das ist Prophetie Nummer fünf. Fischer werden dort ihre Netze ausbreiten. Und deine Tochter steht auf dem Festland, wenn zerstört wird. Jawohl.
Weiterhin: Das ist eigentlich mit anderen Worten schon nochmals das, was zuvor gesagt wurde. Wir wollen versuchen, die eigentlichen Prophetien so punktweise herauszuarbeiten. Die Tochter stellt ja auch... Ja, das wurde gesagt und noch vorher erwähnt.
Sie werden wissen, dass ich der Herr bin (Vers 6). Viele werden den wahren Gott erkennen können – das ist Prophetie Nummer sieben.
Nun kann jemand weiterlesen bis Vers 7 bis 14: „Denn so spricht der Herr: Siehe, ich lasse Nebukadnezar, den König von Babel, den König der Könige, von Norden her über Tyrus kommen, mit Pferden, Wagen, Reitern, einem Aufgebot und viel Volk. Deine Töchter werden dann auf dem Feld mit dem Schwert erschlagen. Er wird Belagerungstürme gegen dich aufstellen, einen Belagerungswall aufschütten, Langschilde errichten und den Stoß seines Mauerbrechers gegen deine Mauern richten. Deine Türme wird er mit seinem Brecheisen niederreißen. Von der Menge seiner Pferde wird dich ihr Staub bedecken. Vor dem Lärm der Reiter, Räder und Wagen werden deine Mauern erbeben, wenn er in deine Tore einzieht, wie man in eine Stadt voller Breschen einzieht. Mit dem Hufen seiner Pferde wird er alle deine Straßen zerstampfen. Dein Volk wird er mit dem Schwert erschlagen. Die Gedenksteine deiner Macht werden zu Boden sinken. Sie werden dein Vermögen rauben und deinen Handelsgewinn plündern. Deine Mauern werden sie abbrechen und deine prächtigen Häuser niederreißen. Deine Steine, dein Holz und deinen Schutt werden sie mitten ins Wasser schütten. Ich werde das Getön deiner Lieder zum Schweigen bringen, der Klang deiner Zithern wird nicht mehr gehört werden. Ich werde dich zum kahlen Felsen machen, ein Trockenplatz für Netze sollst du werden. Du wirst nicht wieder aufgebaut werden, denn ich, der Herr, habe geredet“, spricht der Herr, Herr.
Das ist Prophetie Nummer acht. Wie bereits gesagt, Nebukadnezar kommt gegen Tyrus (Vers 7) und zerstört die ganze Stadt. Weiterhin plündert er sie komplett. Man kann zusammenfassend sagen, dass von Vers 8 bis 11 Nebukadnezar sein ganzes militärisches Arsenal gegen Tyrus einsetzt, so detailliert wie beschrieben.
Er plündert die Stadt vollständig aus, wirft aber die Ruinen nicht ins Meer. In Vers 12 steht, dass das Vermögen geraubt wird, der Handelsgewinn geplündert und Steine, Holz und Schutt ins Wasser geworfen werden. In Vers 14 wird nochmals wiederholt, dass Tyrus ein kahler Felsen wird, ein Ort zum Ausbreiten der Netze, und dass es nicht wieder aufgebaut wird.
In den Versen 15 bis 18 wird gesagt, dass das Gericht über Tyrus ein Schrecken für viele andere Völker sein wird, die das miterleben – das ist Prophetie Nummer zwölf. In Vers 21 haben wir eine dreizehnte Prophetie: „Zum Schrecken will ich dich machen, und du sollst nicht mehr sein. Man wird dich suchen, aber du sollst ewiglich nicht mehr gefunden werden“, spricht Gott, der Herr.
Tyrus wird also nicht mehr gefunden werden. Hat man es wirklich nicht gefunden? Nun, schauen wir uns das genauer an.
Jericho wurde ebenfalls eine solche Prophetie gegeben. Dort wurde gesagt, wer Jericho wieder aufbaut, wird das mit einem Fluch bezahlen müssen: Sein Erstgeborener wird sterben bei der Grundlegung und sein weiterer Sohn bei der Vollendung der Stadt. Jericho wurde später wieder aufgebaut (1. Könige 13), und es ist genau so gekommen – der Erbauer musste zwei Söhne verlieren.
Von Tyrus wird aber gesagt, dass es nicht mehr aufgebaut wird – in Ewigkeit – und auch nicht mehr gefunden werden kann. Das ist natürlich eine interessante Aussage für Archäologen.
Jetzt zur Erklärung der Situation von Tyrus: Tyrus lag am Mittelmeer im Libanon. Vor der Küste, etwa 800 Meter entfernt, gab es eine Insel. Diese Insel war wichtig für Tyrus, denn dort fiel das Meer plötzlich 200 Meter ab, während am Strand von Tyrus das Meer nur langsam abfiel. Das war nicht ideal für die thyrischen Schiffe. Die Insel hatte also als vorgelagerter Hafen eine besondere Bedeutung, aber der eigentliche Wohnort Tyrus lag auf dem Festland.
Nun kam Nebukadnezar. Die Prophetie wurde vermutlich im elften Jahr gegeben, das ist nach der Datierung von Hesekiel das Jahr 586 v. Chr., also das Jahr, in dem Jerusalem fiel. Es wurde gesagt: „So kommt das Gericht über dich.“ Im Jahr 585 begann Nebukadnezar, Tyrus zu belagern. Die Stadt war jedoch so gut befestigt, dass sie dreizehn Jahre Widerstand leistete.
Dreizehn Jahre kämpfte Nebukadnezar gegen diese Stadt, bis er sie schließlich zerstörte. Die schlauen Tyrier evakuierten sich auf die vorgelagerte Insel, nahmen ihre Reichtümer mit und entkamen. Nebukadnezar hatte keine Flotte, keine Kriegsflotte, und musste daher aufgeben.
Man kann sagen, dass sich in diesen dreizehn Jahren, also von 585 bis 572 v. Chr., die Verse 7 bis 11 wörtlich erfüllt haben. Aber nichts von dem, was in Vers 12 steht – dass Vermögen geraubt, Waren geplündert und Schutt ins Wasser geworfen wird – hat sich zu dieser Zeit erfüllt. Die Stadt war kaputt, Nebukadnezar war frustriert nach dreizehn Jahren harter Militärarbeit ohne Lohn.
Später, in Hesekiel 29, wird erwähnt, dass die Stadt eine Fläche von 4,5 Quadratkilometern hatte. Zum Vergleich: Monaco ist 1,5 Quadratkilometer groß.
Nun schauen wir auf Hesekiel 29, Vers 17. Diese Prophetie stammt aus dem Jahr 571 v. Chr., also dreizehn Jahre später, und ist die letzte datierte Prophetie im Buch Hesekiel.
Dort heißt es: „Und es geschah im siebenundzwanzigsten Jahr, im ersten Monat, am ersten Tag, da geschah das Wort des Herrn zu mir: So, Menschensohn, Nebukadnezar, der König von Babel, hat sein Heer eine schwere Arbeit gegen Tyrus tun lassen, nämlich dreizehn Jahre. Jeder Kopf ist kahl geworden und jede Schulter blank gescheuert. Aber Lohn ist ihm und seinem Heer von Tyrus nicht zuteil geworden für die Arbeit, die sie geleistet haben. Darum spricht der Herr, der Herr: Siehe, ich gebe Nebukadnezar, dem König von Babel, das Land Ägypten. Er wird seinen Prunk wegtragen, seinen Raub rauben und seine Beute erbeuten. Das wird der Lohn für sein Heer sein. Als Lohn für die Arbeit habe ich ihm das Land Ägypten gegeben, weil sie für mich gearbeitet haben“, spricht der Herr, der Herr. „An jedem Tag werde ich dem Haus Israel einen Korn hervorsprossen lassen, und hier gebe ich Freimut zum Reden in ihrer Mitte, und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin.“
Hier sehen wir die Situation: Nebukadnezar hat die schwere Arbeit geleistet, aber nichts plündern können. Als Lohn bekommt er Ägypten. Die Babylonier drangen daraufhin in den Süden vor, eroberten Ägypten und gliederten es in ihr Reich ein.
Man könnte sagen, das war eine teilweise Fehlprophetie. Einige Aussagen haben sich erfüllt, andere nicht. Nach der Bibel muss ein Prophet jedoch hundertprozentig absolut richtig liegen. Eine falsche Prophetie bedeutet den Tod nach 5. Mose 18 und beweist, dass er kein Prophet des Herrn war.
Hat Hesekiel also zu viel gesagt? Nun, wir haben in Vers 26 und 3 gelesen: „Viele Nationen werden kommen wie die Wellen des Meeres.“ Natürlich kamen die Babylonier mit ihren annektierten Völkern, also Söldnern aus vielen Nationen – das war die erste Wellenphase.
Im Jahr 539 v. Chr. hatten die Perser große Erfolge gegen das babylonische Reich und eroberten es schließlich. 539 eroberten die Perser das kontinentale Alte Tyrus. Im Jahr 370 v. Chr. eroberte ein König von Zypern das neue Tyrus – also eine weitere Welle gegen Tyrus.
Schließlich kam 332 v. Chr. Alexander der Große. Sein Kampf gegen Tyrus war erstaunlich. Auf der Insel hatte sich eine ganz neue Stadt entwickelt. Das alte Tyrus war den Ruinen überlassen worden. Alexander wollte diese Stadt unbedingt haben.
Er ließ einen Damm vom Festland zur Insel hinaufschütten – 800 Meter lang und bis zu 50 Meter breit. Dann setzte er rollende Türme ein, 50 Meter hohe Türme auf Rädern, die höher als die Mauern von Neutyrus waren – etwa 25 Etagen hoch. Absolut phänomenal, so etwas gab es in der Militärgeschichte zuvor nicht.
Für den Damm verwendete er die gesamten Ruinen von Alttyrus. Man hat also nicht wirklich das alte Tyrus komplett entfernt, sondern den Dreck, die Erde und den Schutt dafür eingesetzt. Neutyrus wurde so erobert und geplündert.
Das entspricht genau dem, was in Vers 12 steht: „Sie werden dein Vermögen rauben, und am Schluss werden sie deine Steine, dein Holz und deinen Schutt ins Wasser werfen.“
Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, die Bibel genau zu lesen. In Vers 7 wird Nebukadnezar erwähnt, dann heißt es in Vers 8: „Er wird deine Töchter töten“ und weiter „Er wird Belagerungstürme gegen dich aufstellen“. In Vers 11 etwa: „Dein Volk wird er mit dem Schwert töten.“ In Vers 12 heißt es: „Sie werden dein Vermögen rauben, und am Schluss werden sie dein Holz und deinen Schutt ins Wasser werfen.“
Die Person wechselt also von „Er“ auf „Sie“. Interessanterweise hat sich das, was mit „Er“ bezeichnet wird, bei Nebukadnezar erfüllt. Das, was mit „Sie“ bezeichnet wird, nicht. Aber „Sie“ hat sich Jahrhunderte später bei Alexander dem Großen erfüllt.
In einer modernen, dynamischen Bibelübersetzung würde man solche Unterschiede ausmerzen, weil es im Deutschen nicht üblich ist, unvermittelt von „er“ auf „sie“ zu wechseln. Im Hebräischen ist das jedoch ein anderer Schreibstil, und das ist von Bedeutung. Hesekiel hat sich nicht geirrt, sondern sehr fein beschrieben, dass die Nationen wie die Wellen des Meeres kommen – eben phasenverschoben: zuerst die Babylonier, dann die Perser, die Zyprer und schließlich die Griechen.
Der Kampf Alexanders war übrigens sehr grausam. Er verkaufte 30.000 Kinder, Frauen und Alte in die Sklaverei, 2.000 Männer wurden gekreuzigt, und insgesamt wurden etwa 8.000 Tyrier ermordet.
Dieses Beispiel der Verwüstung Neutyrus löste in der umliegenden Welt einen großen Schock aus. Alexander konnte dann nach Jerusalem ziehen, wo man ihm die Tore öffnete und keinen Widerstand leistete. Auch im Gazastreifen waren die Völker so erschüttert, dass der Mut durch das Beispiel von Tyrus gebrochen wurde.
Wie lange hat Alexander gebraucht, um den Damm zu bauen und die Eroberung durchzuführen? Das weiß man nicht genau, aber es ging viel schneller als bei Nebukadnezar. Alexander starb 323 v. Chr. in Babylon und hatte bis dahin ein Weltreich bis nach Indien aufgebaut. Nach meiner Erinnerung dauerte die Belagerung etwa sechs Monate.
Das ist in jedem Fall sehr eindrücklich.
Was ist weitergeschehen? Alttyrus wurde bis heute nie mehr aufgebaut. An der Stelle von Alttyrus befindet sich heute ein großer Felsboden. Dort breiten die Libanesen noch immer ihre Fischer-Netze aus. Man kann also heute vor Augen sehen, was Hesekiel vor 2.600 Jahren gesagt hat: Alttyrus wurde nie mehr wieder aufgebaut.
Das heutige Tyrus im Libanon liegt auf der einstigen Insel, die allerdings keine Insel mehr ist, weil durch den Damm Alexanders so viel Schwemmsand abgelagert wurde, dass die Insel zur Halbinsel wurde.
Wir haben hier die Prophetie bis ins Detail dokumentiert: Tyrus wird in Ewigkeit nicht mehr aufgebaut. Das alte Tyrus kann man nicht aufgrund archäologischer Funde lokalisieren, sondern nur durch Angaben in der alten Literatur, wo Tyrus lag, und aufgrund des großen Felsens, auf dem die Fischer ihre Netze ausbreiten.
Substanziell ist Tyrus nicht mehr zu finden.
Das ist ein eindrückliches Beispiel für biblische Prophetie und zeigt auch die Schwierigkeiten dabei. Man stelle sich vor, man lebte zur Zeit Nebukadnezars: Ein Teil der Prophetie hat sich erfüllt, der Rest jedoch nicht. Da könnten Zweifel aufkommen: Was ist mit dem Rest? Man musste Jahrhunderte warten, bis auch das Weitere erfüllt wurde.
Der größte Vorteil ist natürlich, 2.600 Jahre später zu leben und das Ganze überblicken zu können.
Das wäre für heute Kapitel 26. Beim nächsten Mal fahren wir fort mit der dramatischen Beschreibung des Welthandels, des Stolzes auf den Reichtum und des Stolzes auf die Weisheit.
Gibt es noch eine wichtige Frage? Gut, dann wollen wir noch miteinander beten.
