
Beten wir noch zu Beginn! Herr Jesus, wir danken dir von Herzen und loben dich mit solch einem Lied. Wir sind hier zusammen, um an dich zu denken und auch unsere Beziehung zu dir zu bedenken.
Wir möchten dich herzlich bitten, dass du an diesem Tag durch uns verherrlicht wirst. Lass unser Reden und unser Hören von dir geprägt sein. Lenke unsere Gedanken auf dich und dein Wort.
Wir denken an unsere vielen Geschwister in den Gemeinden, die heute Morgen ebenfalls zusammen sind, um an deine Leiden zu denken. Herr, stell dich in ihre Mitte und werde groß bei ihnen allen – auch bei uns, wenn wir jetzt über dein Wort nachdenken.
Wir wollen uns dir anvertrauen. Amen.
Wir kommen nun zum dritten Teil unserer Geschichte mit den beiden Propheten, 1. Könige Kapitel 13. Vor uns liegt ein längerer Abschnitt.
1. Könige 13,11
Ein alter Prophet wohnte in Bethel. Einer seiner Söhne kam zu ihm und erzählte ihm alles, was der Mann Gottes an diesem Tag in Bethel getan hatte. Auch die Worte, die er zum König gesprochen hatte, berichteten sie ihrem Vater.
Der Vater fragte seine Söhne, welchen Weg der Mann Gottes gegangen sei. Sie hatten den Weg gesehen, den der Mann Gottes, der aus Juda gekommen war, genommen hatte. Daraufhin sagte der Vater zu seinen Söhnen: „Sattelt mir den Esel!“ Sie sattelten den Esel, und er ritt darauf.
Er folgte dem Mann Gottes nach und fand ihn unter einer Terpentin-Eiche sitzen. Vielleicht steht bei euch „Eiche“ oder ein anderer Baum.
Der Prophet sprach zu ihm: „Bist du der Mann Gottes, der aus Juda gekommen ist?“ Er antwortete: „Ich bin's.“ Da sagte er zu ihm: „Komm mit mir nach Hause und iss Brot!“
Doch der Mann Gottes erwiderte: „Ich kann nicht mit dir umkehren und mit dir gehen. Ich werde kein Brot essen und kein Wasser mit dir trinken an diesem Ort. Denn durch das Wort des Herrn ist mir befohlen worden: Du sollst kein Brot essen und kein Wasser trinken an diesem Ort. Du sollst nicht auf dem Weg zurückkehren, auf dem du gekommen bist.“
Der alte Prophet entgegnete: „Auch ich bin ein Prophet wie du. Ein Engel hat zu mir durch das Wort des Herrn gesprochen und gesagt, ich solle dich mit mir nach Hause bringen, damit du Brot isst und Wasser trinkst.“
Er belog ihn. Deshalb kehrte der Mann Gottes mit ihm zurück, aß Brot in seinem Haus und trank Wasser.
Und es geschah, während sie zu Tisch saßen, da kam das Wort des Herrn zu dem Propheten, der ihn zurückgebracht hatte.
Er rief den Mann Gottes zu, der aus Joda gekommen war, und sprach: „So spricht der Herr: Darum, weil du gegen den Befehl des Herrn widerspenstig gewesen bist und das Gebot, das der Herr, dein Gott, dir geboten hat, nicht beachtet hast, sondern umgekehrt bist und Brot gegessen und Wasser getrunken hast an dem Ort, von dem er zu dir gesagt hatte: Iss kein Brot und trinke kein Wasser, so soll dein Leichnam nicht in das Grab deiner Väter kommen.“
Nachdem er Brot gegessen und getrunken hatte, sattelte er dem Propheten, der den Esel zurückgebracht hatte, den Esel. Er zog fort, doch auf dem Weg fand ihn ein Löwe und tötete ihn.
Sein Leichnam lag hingestreckt auf dem Weg, der Esel stand daneben, und der Löwe stand neben dem Leichnam.
Da gingen Leute vorüber, sahen den Leichnam auf dem Weg liegen und den Löwen daneben stehen. Sie kamen und berichteten in der Stadt, in der der alte Prophet wohnte. Als der Prophet, der ihn vom Weg zurückgeführt hatte, davon hörte, sprach er: „Das ist der Mann Gottes, der gegen den Befehl des Herrn widerspenstig gewesen ist. So hat ihm der Herr den Löwen preisgegeben, der ihn zerrissen und getötet hat, gemäß dem Wort des Herrn, das er zu ihm gesprochen hatte.“
Und er sprach zu seinen Söhnen: „Sattelt mir den Esel!“ Sie sattelten ihn daraufhin.
Dann machte er sich auf den Weg und fand den Leichnam des Mannes Gottes auf dem Weg liegen. Neben dem Leichnam standen der Esel und ein Löwe. Der Löwe hatte den Leichnam weder gefressen noch den Esel verletzt.
Der Prophet hob den Leichnam des Mannes Gottes auf, legte ihn auf den Esel und brachte ihn zurück. Er kam in die Stadt des alten Propheten, um den Mann Gottes zu beklagen und zu begraben.
Dort legte er den Leichnam in sein eigenes Grab. Man klagte über ihn: „Ach, mein Bruder!“
Nachdem er ihn begraben hatte, sprach er zu seinen Söhnen: „Wenn ich gestorben bin, begrabt mich in dem Grab, in dem der Mann Gottes liegt. Meine Gemeinde soll neben seiner Gemeinde ruhen. Denn das Wort, das er durch das Wort des Herrn gegen den Altar in Bethel und gegen alle Höhenhäuser in den Städten Samarias ausgerufen hat, wird gewisslich geschehen.“
Nach dieser Begebenheit kehrte Rehobian nicht von seinem bösen Weg um. Er machte wiederum aus dem gesamten Volk Priester der Höhen. Er hatte das Verlangen, selbst Priester der Höhen zu werden.
Diese Sache wurde im Hause Jerobeams zur Sünde, zur Vertilgung und zur Vernichtung des Erbbodens.
Ja, jetzt sagt noch einmal jemand, die Bibel sei ein langweiliges Buch. Das ist eine unglaubliche Geschichte, die wir hier vor uns haben. Ich glaube nicht, dass die Zeit reicht, um alles zu beleuchten. Aber vielleicht regt das eine oder andere zum Weiterdenken an.
Wirklich eine Geschichte voller Geheimnisse, voller scheinbarer Widersprüche und viel Stoff zum Nachdenken.
Wir erinnern uns kurz daran, dass Satan in der Gestalt eines Löwen diesem Mann Gottes zu Beginn dieser Geschichte oder am Anfang dieses Tages nicht schaden konnte. Diese Ereignisse spielen sich wahrscheinlich innerhalb von zwölf Stunden ab.
Auch die listige Schlange konnte den Mann Gottes nicht verführen – weder durch Einladungen noch durch Geschenke. So sehen wir, dass dieser wahrscheinlich junge Prophet oder Mann Gottes nun seinen Weg zurückgeht, ohne Brieftasche und ohne Geschenk. Er tut dies im Gehorsam und vermutlich auch im Frieden Gottes.
Alle, die dem Herrn dienen durften und erleben konnten, wie der Herr ihren Dienst segnete, kennen oft das Gefühl von Frieden, Freude und Dankbarkeit. Man ist ruhig und still im Herrn, denkt an die Größe Gottes und an die Gnade, dass er uns gebrauchen konnte – wenn es so war. So macht sich der Mann Gottes auf den Weg zurück nach Juda, in seine geistliche Heimat.
Dieser Teil der Geschichte ist interessant, wie ihr wahrscheinlich beim Lesen bemerkt habt. In Vers 11 wird ein alter Prophet erwähnt, der in Bethel wohnte. Das ist bemerkenswert, denn in Vers 1 wurde von einem Mann Gottes gesprochen, hier aber von einem alten Propheten, der in Bethel lebt.
Das ist auffällig, denn der Abschnitt beginnt mit einem „Aber“. Dieses „Aber“ deutet auf einen Kontrast hin, eine Wendung in der Geschichte. Es heißt: „Ein alter Prophet, aber wohnte in Bethel.“
Dieser alte Prophet ist alt, aber nicht weise, wie wir feststellen. Er sollte eigentlich reif sein, doch hier wird er als alt, verbraucht und verrostet beschrieben. Das trifft nicht nur auf ältere Brüder und Schwestern zu, die dem Herrn dienen, sondern kann auch bei jungen Geschwistern geschehen. Sie können geistlich „alt“ und unbrauchbar für den Herrn sein, weil sie Kompromisse in ihrem Leben eingegangen sind.
Genau das finden wir hier bei diesem alten Propheten. Er wohnte in Bethel, nicht nur vorübergehend, sondern er hatte sich dort niedergelassen. Er hatte sich damit abgefunden und war zur Ruhe gekommen – angesichts des Götzendienstes, den Jerobe eingeführt hatte, und all der Gräuel, die damit verbunden waren.
Wahrscheinlich hat er jahrelang geschwiegen. Er ist stumm geworden durch Kompromisse, geistlich blind durch Ungehorsam. Warum war er nicht in Juda? Warum versammelte er sich nicht dort, wo das Volk eigentlich zusammenkommen sollte?
Ein alter Prophet, aber wohnte in Bethel.
Ich denke an Whitfield, den ich gestern schon kurz erwähnt habe. Dieser gewaltige Evangelist war in der Lage, mit seiner mächtigen Stimme unter freiem Himmel teilweise 80.000 Menschen zu erreichen – ganz ohne Verstärker. Gleichzeitig war er ein Mann großer Demut. Ich werde noch das eine oder andere aus seinem Leben kurz zitieren.
Whitfield wurde nur 55 Jahre alt. Bis zum Tag seines Todes, oder besser gesagt bis zum Vortag seines Todes, kurz nach Mitternacht, stand er jeden Morgen um vier Uhr auf, um die Bibel zu lesen und zu beten. Er war ein ganz disziplinierter Mann, der sein Leben lang die Bibel auf den Knien studierte. Das muss man nicht unbedingt nachmachen – weder, dass man auf den Knien die Bibel studiert, noch dass man morgens um vier Uhr aufsteht. Aber vielleicht ist es doch eine Anregung, darüber nachzudenken, ob wir nicht auch die früheren Stunden des Tages nutzen sollten, um uns Zeit zu nehmen und an den Herrn zu denken.
Es gibt eine Reihe von Männern Gottes aus der Kirchengeschichte, die morgens um zwei Uhr aufgestanden sind, weil sie tagsüber keine Zeit und Ruhe fanden, um ganz allein zu sein. Zum Beispiel Latimer, von dem ich gestern erzählt habe. Auch Hudson Taylor wissen wir, dass er morgens früh um zwei Uhr in China eine Kerze anzündete. Das war die einzige Zeit des Tages, in der er ganz für sich allein in Ruhe war – keine Reisen, keine Leute mit Fragen, keine Probleme, keine Verkündigung. Von zwei bis vier Uhr hatte er Ruhe und Stille vor dem Herrn. Auch das müssen wir nicht unbedingt nachmachen. Aber sollten diese Vorbilder uns nicht einen Anreiz geben, mehr Zeit allein für den Herrn zu haben und für ihn da zu sein?
In den Evangelien lesen wir an manchen Stellen, gerade auch im Matthäusevangelium, dass Jesus sich oft an einen Ort zurückzog, um allein zu sein. Manchmal nahm er auch die Jünger mit, um mit ihnen allein zu sein. Ich wünsche mir, dass wir uns von diesen Beispielen ermutigen lassen, die Gemeinschaft mit dem Herrn unbedingt zu suchen.
Am Vorabend seines Todes hatte Whitfield noch einmal gepredigt. Manche sagen, das war die gewaltigste Predigt, die er je gehalten hat, obwohl er schon sehr krank war. Er war aufgedunsen und litt an Asthma. Trotzdem wurde er auf ein Pferd gehievt. Freunde von ihm sagten: „Hör mal, jetzt erhol dich doch mal, schlaf etwas und mach die Predigt kürzer, damit du uns noch erhalten bleibst.“ So in etwa waren ihre Worte.
Als Whitfield auf dem Pferd saß, sprach er diesen berühmten Satz: „Lieber zerbrechen als verrusten.“ Das war sein letztes Wort, der letzte Satz, den er für die Menschen dort sprach – eigentlich seine Abschiedsworte an seine Freunde.
Danach machte er sich auf zu seinem Gastgeber und schleppte sich die Treppe hoch in sein Zimmer, wo er schlafen sollte. Er hatte eine Kerze in der Hand, wie das damals üblich war, um nicht zu stolpern. Mit viel Mühe ging er die Treppe hinauf. Dann hörte er hinter sich Geräusche. Er drehte sich um und sah, dass sich wieder eine Menge Menschen versammelt hatten, die noch einmal etwas von ihm hören wollten.
So krank und am Ende er auch war, er konnte es einfach nicht lassen. Er drehte sich auf der Schwelle um, hielt seine Kerze in der Hand und predigte noch einmal, ich weiß nicht, eine Viertelstunde bis zwanzig Minuten – schweißgebadet. Danach ging er in sein Zimmer. Ich glaube, zwei oder drei Stunden später war er beim Herrn.
„Lieber zerbrechen als verrosten.“ Vielleicht können wir diesen Satz mitnehmen, besonders die Jüngeren unter uns. Es sind ja nicht allzu viele da, aber wir freuen uns über jeden Einzelnen, der hier ist. Mögen wir von diesen Persönlichkeiten der Kirchengeschichte, von der Bibel und vor allem von unserem Herrn Jesus lernen, nicht zu verrosten.
Hier haben wir einen alten Mann, einen alten Propheten, der für den Herrn unbrauchbar geworden ist – zumindest bis zu diesem Zeitpunkt – und der sich damit abgefunden hat. Eine tragische Geschichte.
Dieser alte Prophet wird jedoch plötzlich aus seinem geistlichen Schlaf, könnte man sagen, oder Tiefschlaf, gestört. Denn seine Söhne – oder mindestens einer von ihnen, ich glaube einer seiner Söhne – steht bei mir. Ich weiß nicht, wie es bei euch ist. Ja, sein Sohn kam wahrscheinlich atemlos zurück, wenn ich mir das vorstelle. Er war dabei, als der Mann Gottes über den Altar prophezeit hatte. Er hat die Geschichte gesehen: wie der König ihn greift und wie dann der Mann Gottes für ihn gebetet hat, sodass der König seine Hand wieder an sich ziehen konnte.
Wir können uns gut vorstellen, wie dieser junge Mann total begeistert und erschüttert war von all dem, was geschehen ist. Er läuft zu seinem Vater, dem alten Propheten, und erzählt ihm die ganze Geschichte. Er berichtet alles, was der Mann Gottes an diesem Tag in Bethel getan hatte, die Worte, die er zum König gesprochen hatte. Wahrscheinlich waren es dann doch mehrere Söhne, aber das ist auch egal.
Da wird dieser alte Prophet, der alte Mann, plötzlich hellwach und aktiv. Ich phantasiere jetzt natürlich ein bisschen, weil das hier nicht steht, aber weil ich mich ein wenig kenne und auch in den vergangenen Jahren das eine oder andere beobachtet habe, glaube ich, dass dieser alte Mann plötzlich hellwach wird und sich an alte Zeiten erinnert, in denen Gott ihn gebraucht hatte. Er war ja ein Prophet, ein alter Prophet.
Er hat zwar geschwiegen zu all dem, was in Bethel durch Jerobeam geschehen ist – den ganzen Götzendiensten und so weiter – hat er wohlweislich, um sein Leben wahrscheinlich zu retten, die Augen zugemacht. Jetzt aber hört er die Geschichte von seinen Söhnen, von einem wahrscheinlich jungen Propheten, der in der Kraft Gottes Worte Gottes gesprochen hat, so wie er früher auch mal im Namen Gottes geredet hat.
Ich weiß nicht, ob ihr euch in so eine Situation hineinversetzen könnt, wie da plötzlich Erinnerungen wach werden und das Gewissen wieder reagiert. Aber wir lesen ja nicht, dass er Busse getan hat. Stattdessen entstehen bei ihm Pläne und Gedanken, die ziemlich erschütternd sind.
Vielleicht kennt ihr auch solche Situationen im Leben. Ich denke jetzt an die ältere Generation, die in jungen Jahren vom Herrn gebraucht wurde, die ein brennendes Herz für den Herrn hatte, sich Zeit genommen hat zum Gebet, zum Nachdenken über Gottes Wort, das Evangelium weitergesagt hat und Glaubenserfahrung gemacht hat. Aber das waren alte Zeiten, die scheinbar nicht wiederkommen.
Wie reagieren wir dann?
Erinnert ihr euch an die Geschichte von Eli und Samuel? Samuel wird des Nachts dreimal durch eine Stimme geweckt. Es stellt sich heraus, dass es die Stimme Gottes ist. Er denkt aber, es sei die Stimme von Eli. So läuft er – wie die Bibel schreibt – zu Eli hin und sagt: „Hier bin ich, hast du mich gerufen?“ Und Eli antwortet dreimal nur: „Ich habe dich nicht gerufen, geh zurück, mein Sohn!“
Leider ist das auch ein Bild unserer heutigen Situation. Viele ältere Geschwister, Männer und Frauen, die einmal aktiv für den Herrn waren, sehen, dass junge Brüder und Schwestern in Hingabe dem Herrn folgen möchten. Diese jungen Menschen sind bereit, für den Herrn etwas zu riskieren und suchen vielleicht das Gespräch mit der älteren Generation. Sie sind dienstbereit, auch wenn es nachts ist.
Doch dann hören sie ähnliche Worte: „Beruhig dich, Junge! Sei still, leg dich wieder hin! Keine Unruhe! Lass uns beim Gewohnten bleiben, so wie wir es bisher gemacht haben. Die Lieder, die wir gesungen haben, singen wir weiter. Die Gemeindestunden, die wir durchgezogen haben, bleiben so, auch wenn nur wenige zum Gebet kommen. Wir sind in der Endzeit, also bleibt ruhig und schlaft weiter.“
Mit anderen Worten: „Schlaf weiter!“
Bis Eli beim dritten oder vierten Mal plötzlich merkt: Der Herr hat Samuel gerufen. Ich kann mir nur vorstellen – und schließe das auch aus der weiteren Geschichte von Eli und Samuel –, wie der alte Eli, der so viele Kompromisse gemacht hatte und geschwiegen hat, während seine Söhne sich dem Fluch Gottes zuzogen durch Hurerei und das Stehlen von Opfergaben, sich auch an Zeiten erinnert, in denen Gott durch ihn gesprochen hat.
Jetzt sieht er seinen Sonntagsschüler, könnte man fast sagen, seinen Zögling, der die Stimme Gottes hört, während er selbst nicht mehr hört – unbrauchbar, verrostet.
Aber das Schöne ist: Bei dem alten Eli schlägt das Gewissen. Er sagt zu Samuel: Wenn du noch einmal diese Stimme hörst, dann sag genau das, was ich früher auch immer gesagt habe: „Rede, Herr, dein Knecht hört.“
Er gibt einen guten Rat aus Erfahrung an den jungen Samuel weiter. Und das wünsche ich mir sehr, dass der Herr mir das schenkt und auch euch, die ihr älter geworden seid. Wenn ihr vielleicht durch die Treue jüngerer Geschwister herausgefordert werdet, gebt ihnen keinen falschen Rat wie „Schlaf weiter“ oder „Macht nur so wie immer, keine Aufregung“. Sondern gebt einen guten geistlichen Rat aus Erfahrung.
Wenn er dich ruft, dann verhalte dich so und so.
Genau das tat Eli.
Samuel hört dann zum ersten Mal die Stimme Gottes, die ihn ruft. Er muss das Urteil Gottes über den alten Hohenpriester Eli aussprechen – ein erschütterndes Urteil. Und der alte Eli ist bereit, aus dem Mund des kleinen Jungen Samuel das Gericht Gottes über sein Leben zu hören. Er sagt, der Herr sei der Herr und tue, was er für richtig hält. Er beugt sich dem, so glaube ich.
Das finde ich einerseits tröstlich, andererseits schlimm und doch wieder tröstlich zugleich: Ein Mann, der bei all den Verfehlungen seines Lebens geschwiegen hat, insbesondere zu seinen Söhnen, die auch Priester waren und eine schreckliche Sünde begangen hatten – wahrscheinlich jahrelang –, gibt am Ende seines Lebens Gott die Ehre durch sein Verhalten und durch den guten Rat, den er Samuel gibt.
Mich hat es immer sehr bewegt, darüber nachzudenken.
Hier haben wir einen alten Propheten, der nicht die Größe besitzt, die nötig wäre. Er ist beschämt durch die Hingabe dieses jüngeren Mannes, dieses Mannes Gottes, von dem er zum ersten Mal gehört hat. Er erfährt, dass es ihn wirklich gibt, wie Gott sich zu ihm bekannt hat und wie die ganze Stadt in Aufregung über das Geschehene ist.
Der alte Prophet wird hellwach und aktiv, jedoch nicht, um guten Rat aus Erfahrung weiterzugeben, sondern um den jüngeren Mann zu Fall zu bringen. Er befiehlt, einen Esel zu satteln und fragt seinen Sohn oder seine Söhne, welchen Weg der Mann Gottes gegangen sei. Die Söhne hatten den Weg gesehen, den der Mann Gottes aus Juda genommen hatte. Also sattelten sie den Esel, und der alte Prophet ritt ihm nach.
Er fand den Mann Gottes unter einer Treibende sitzen. Dann sprach er ihn an: „Bist du der Mann Gottes, der von Juda gekommen ist?“ Und der Mann Gottes antwortete: „Ich bin’s.“ Eine ganz erschütternde Situation.
Hier darf man ein wenig phantasieren: Der Mann Gottes sitzt unter diesem Baum. War das richtig? Er sollte eigentlich auf dem anderen Weg zurückgehen, den er gekommen war. Gott hatte ihn schon deutlich gemahnt, könnte man fast sagen: „Sieh zu, dass du so schnell wie möglich wieder zurückgehst nach Juda, lass dich nicht aufhalten, iss kein Brot und trinke kein Wasser unterwegs.“
Doch jetzt sitzt er unter der Treibende. War das richtig? Ja, wir können das gut verstehen. Was hat er erlebt? Er sitzt im Schatten, lässt wahrscheinlich das ganze Geschehen des Tages noch einmal vor seinem inneren Auge vorbeiziehen. Er denkt an die erschütternden Szenen am Altar, an Jerobe und so weiter. Wahrscheinlich ist er sehr, sehr dankbar.
Aus dieser Begebenheit lernen wir, dass wir achtsam sein sollten, wenn Gott uns gebraucht. Denn dann versucht nicht nur Gott zu wirken, sondern auch der Satan ist aktiv und versucht, den Mann zu Fall zu bringen. Er ist noch im Feindesland, könnte man sagen. Jetzt ist keine Zeit, um sich im Schatten auszuruhen.
Vielleicht wurde sogar ein wenig Hochmut in seinem Herzen geweckt, als er plötzlich Besuch von einem älteren Herrn bekam, der ihn ansprach: „Bist du der Mann Gottes, der aus Juda gekommen ist?“ Das hört man als junger Christ natürlich sehr gerne. „Bist du der Mann Gottes?“ Hat er das vielleicht vorher noch nie gehört? Dass jemand ihn als Mann Gottes bezeichnet? Die Bibel sagt das von ihm, aber ob er das bisher von Menschen gehört hat, scheint aus der Geschichte nicht hervorzugehen.
„Bist du der Mann Gottes?“ Vielleicht stieg da ein bisschen Hochmut in ihm auf: „Mann, das hat sich herumgesprochen. Ich bin jemand, den Gott gebrauchen konnte, ein Mann Gottes.“
Whitfield begann im Alter von einundzwanzig Jahren seine Predigten. Er schreibt in seinem Tagebuch, das ich aus einer alten Ausgabe zitiere – dieses Buch lese ich immer wieder in Abständen – selbst über den Druck und die Gefahren seiner Beliebtheit:
„Die Wellen der Popularität schlugen sehr hoch. Nach kurzer Zeit konnte ich nicht mehr wie üblich zu Fuß gehen, sondern musste mich in einer Kutsche von Ort zu Ort bewegen, um den Hosiannerrufen der Volksmenge zu entgehen. Ich war einundzwanzig Jahre alt. Die Menschen wurden immer zudringlicher, und hätte mein himmlischer hoher Priester mich in seinem Erbarmen nicht bewahrt, dann hätte die Popularität mich zerstört. Ich flehte ihn an, er möge mich an der Hand nehmen und durch diesen Glutofen der Versuchung führen. Gott erhörte mein Flehen und öffnete mir bald die Augen dafür, wie eitel alles Lob ist, das nicht von Gott selbst kommt.“
Ist es nicht schön, so etwas von einem jungen Mann in einer solchen Situation der Popularität zu hören?
Dann folgt ein Gebet von Whitfield:
„Himmlischer Vater, bewahre mich um deines geliebten Sohnes willen vor dem Drang, aufsteigen zu wollen. Gib, dass ich Beförderung hassen kann. Gib um deiner grenzenlosen Erbarmung und Willen, dass ich ein niedriges und verächtliches Leben lieben kann und nie versuche, die Glückseligkeit der kommenden Welt gegen das Glück der diesseitigen Welt einzutauschen.“
Ja, ich kann nur hoffen und wünschen, dass solche Vorbilder uns wirklich Perspektiven eröffnen oder unser Leben prägen und formen. In Demut dem Herrn zu dienen, wenn es ihm gefällt, uns zu gebrauchen.
Bist du der Mann Gottes? Das geht natürlich runter wie Öl, wenn man so etwas hört. An dieser Stelle können wir uns auch die Frage stellen: Wie reden wir miteinander? Wozu brauchen wir unsere Worte? Möchten wir in unseren Gesprächen Schmeichelei und Hochmut nähren, andere verletzen oder uns auf den Herrn ausrichten?
Ich erinnere noch einmal an eine Szene mit Melchisedek und Abraham, angesichts der Tatsache, dass der König von Sodom kommt. Auch Abraham hatte einen anstrengenden Tag oder sogar mehrere Tage hinter sich. Er führte Kämpfe gegen andere Könige, konnte Lot befreien und alle Habe zurückgewinnen, die die Könige in dem Kampf zurückgelassen hatten. Wahrscheinlich war er auch voll von Erlebnissen und stand in der Gefahr, ein bisschen stolz zu werden, weil Gott ihn gebraucht hatte.
Dann sagt Melchisedek zu ihm, nachdem er ihm Brot und Wein gegeben hat: „Gepriesen sei Gott, der Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat.“ Ist das nicht weise? Wenn das so ist, dann hat Gott es getan. Dann warst du es nicht, und wir wollen Gott preisen. Möge der Herr uns schenken, dass wir das auch in unserem Leben mitnehmen. Wenn Gott uns einmal gebrauchen konnte, dann ist das Gnade und nichts anderes.
In den Sprüchen lesen wir in Kapitel 26, Vers 25: „Der Hasser verstellt sich mit seinen Lippen, aber in seinem Inneren hegt er Trug. Wenn er seine Stimme holdselig macht, traue ihm nicht, denn sieben Gräuel sind in seinem Herzen.“ Das kann man fast auf diese Szene anwenden: „Bist du der Mann Gottes?“ Er verstellt seine Lippen, aber in seinem Inneren hegt er Trug.
Die Antwort lautet: „Ich bin’s.“ Er ist jemand. Sein Selbstbewusstsein ist wie eine Rakete nach oben gegangen. Man könnte fast sagen, der Pfau beginnt, seine Federn zu strecken. Die Eitelkeit kommt hoch, der Stolz möglicherweise auch. Dann kommt dieses Angebot: „Komm mit mir in mein Haus und iss Brot und trink Wasser.“
Warum sagt der Prophet das? Was war seine Motivation? Er wollte sein Gewissen beruhigen. Er wollte die ganze Situation mit seinem Leben irgendwie neutralisieren. „Ich bin doch nicht so schlimm wie der König, dessen Einladung du verworfen hast. Ich bin doch auch ein Mann Gottes.“
Das ist interessant, wie jetzt der Mann Gottes reagiert. Achte mal auf den Vers: „Ich kann nicht mit dir umkehren, mit dir hineingehen, und ich werde kein Brot essen.“ Wie hat er damals reagiert, als vor ein paar Stunden der König Jeroboam ihm sagte: „Komm mit mir ins Haus und stärke dich, ich will dein Geschenk geben“? Da sprach der Mann Gottes in Vers 8: „Wenn du mir die Hälfte deines Hauses gäbst, würde ich nicht mit dir gehen.“ Kein Brot essen, kein Wasser trinken, weil Gott zu mir gesprochen hat.
Aber so reagiert hier der Mann Gottes nicht. Er sagt nicht: „Ich werde nicht“, sondern: „Ich kann nicht.“ Da sehen wir schon eine Einschränkung in seiner Einschätzung dieses Mannes Gottes. Fast wird hier schon deutlich: Ja, ich würde ja ganz gerne, und dein Lob und deine Anerkennung tun mir gut, aber ich kann nicht. Also ist mir geboten worden. Es war eine leichte Aufweichung der Befehlsform Gottes.
Hier sehen wir, wie der Teufel wirklich als ein Engel des Lichts auftritt – fromme Verführung! „Auch ich bin ein Prophet wie du, und ein Engel hat zu mir geredet durch das Wort Gottes und gesagt: Bring ihn mit dir in dein Haus zurück, dass er Brot esse und Wasser trinke.“ Er belog ihn.
Wie ist das möglich? Vielleicht konnte der Mann Gottes so etwas nicht bekennen. Wahrscheinlich hatte er noch keine Engelbegegnung gehabt wie dieser alte Prophet. Aber wahrscheinlich war er durch die Schmeichelei des alten Propheten schon etwas geöffnet für andere Stimmen.
Wir erinnern uns, dass Paulus in Galater 1, Vers 8 deutlich geschrieben hat: „Wenn aber auch wir oder ein Engel aus dem Himmel etwas anderes gesagt hat als das, was wir gepredigt haben, er sei verflucht.“
Da möchte ich nur einen ganz kurzen Ausflug machen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren.
Wir erleben heute weltweit in der evangelikalen Szene eine neue Welle, nämlich die sogenannte Neue Apostolische Reformation (NAL). Diese Bewegung bietet auf diesem Gebiet viel an. In Bethel, USA, hat ihre Kirche etwa elftausend Mitglieder. Bekannt geworden sind sie vor allem durch ihre Lieder und Songs.
Ich habe das nicht so intensiv beobachtet, da wir in unseren Liedbüchern die Songs aus den USA meist kritisch sehen. Wir achten auch darauf, keinen charismatisch-pfingstlerischen Hintergrund zu haben. Dennoch findet man in neueren Liederbüchern immer wieder eine kurze Notiz: „Bethel Songs“. Diese sind weltweit bekannt geworden. Man kann dort auch nachlesen, dass in Deutschland deutsche Übersetzungen der Lieder in Gemeinden verbreitet sind. Ich habe sie bisher kaum wahrgenommen, vielleicht sind sie euch bekannt.
Es müssen sehr eingängige Texte sein, manchmal durchaus biblisch, die mit großer Begeisterung gesungen werden. Interessant ist, dass einer der führenden Persönlichkeiten, Bill Johnson, der im vergangenen Jahr in Stuttgart war und zusammen mit Peter Venster eine große Konferenz veranstaltete, über die Wirkung von Musik schreibt. Er meint, man müsse gut zuhören: Musik umgeht alle intellektuellen Barrieren. Wenn die Salbung Gottes auf einem Lied liegt, fangen die Menschen an, Dinge zu glauben, die sie durch Lehre nicht glauben würden.
Das ist doch interessant, oder? Musik umgeht alle intellektuellen Barrieren. Wenn die Salbung Gottes auf einem Lied liegt, beginnen Menschen, Dinge zu glauben, die sie durch Lehre nicht annehmen würden. Diese Tatsache kann man beobachten: Durch diese Songs werden unbewusst Lehren übernommen, die nicht durch biblische Lehre oder durch vom Geist Gottes geleitete Lehrer vermittelt werden, sondern durch Musik.
So entstehen ganz neue Auffassungen über Engel, wie sie uns begleiten und motivieren. Einer der Gründe der ICF-Bewegung erzählt ganz offen, dass er bei Flugreisen oder unterwegs immer einen Engel auf seiner rechten oder linken Schulter habe, der ihm den Weg weist und Ähnliches. Solche Erfahrungen machen diese Menschen.
Die Neue Apostolische Reformation bedeutet, dass man glaubt, heute einen fünffachen Dienst zu haben, der in Epheser 4 aufgezählt wird. Man ist der Ansicht, dass es auch heute wieder Apostel gibt, die in der Autorität der ursprünglichen Apostel Gottes Wort sprechen können. Diese Worte seien genauso wichtig wie das geschriebene Wort Gottes. Außerdem hätten diese Apostel die Autorität, nicht nur in der eigenen Gemeinde, sondern weltweit zu befehlen.
Man kann nur vorwarnen. Ich bin dankbar, dass dieses Buch hier veröffentlicht wurde. Es ist noch nicht sehr alt, nur ein paar Wochen, glaube ich. Ich bedaure, es nicht schon früher entdeckt zu haben, denn ich hätte manches in den vergangenen Monaten besser nachvollziehen können, was sich alles bewegt.
Diejenigen unter euch, die Verantwortung in einer Gemeinde tragen, sollten sich von dem unverschämt hohen Preis nicht abschrecken lassen und das Buch leihen oder kaufen. 19,90 Euro sind schon viel, aber es lohnt sich.
Das Bild vorne zeigt den Rattenfänger von Hameln mit seiner Flöte, und die Leute laufen ihm nach. Das ist eine Karikatur, die ich aber sehr treffend finde. Es handelt sich um eine sehr gefährliche Bewegung. Man konnte das eine Zeit lang auf YouTube verfolgen und kann es heute noch bei ihren Bibelschulen sehen.
Stellt euch vor: Jedes Jahr nehmen dort in den USA etwa 2000 neue Schüler an ihren Bibelschulen teil. In Deutschland gibt es wohl schon zehn bis fünfzehn Bibelschulen, die das gleiche Programm lehren. Dort werden junge Christen, die teilweise sicher auch brennend für den Herrn sind, angeleitet, sich auf die Gräber verstorbener Charismatiker zu legen. Dieses Ritual nennt sich „Grave Soaking“. Dabei sollen sie den Geist der Verstorbenen in sich aufnehmen.
Sie besuchen zum Beispiel das Grab von Kathryn Kuhlman, einer berühmten Evangelistin aus der Pfingstbewegung, oder andere, die im Buch genannt werden. Auf Videos kann man sehen, wie sie sich sogar auf dem Grabstein von C.S. Lewis niederlegen. Sie bilden sich ein, die Kraft und die Geisteskraft dieser verstorbenen charismatischen Persönlichkeiten werde in ihren Körper aufgenommen.
Das ist Okkultismus, oder? Solche Dinge passieren. Ich möchte jetzt nicht zu viel Zeit darauf verwenden, aber ihr könnt das gerne nachlesen. Ich habe einige Bücher dazu da, falls jemand Interesse hat.
Es ist nicht verkehrt, wenn gerade Gemeindeleiter sich über diese Bewegung informieren, die immer größer wird. Die meisten Schüler, die sich dort ausbilden lassen, kommen aus Deutschland und bereiten sich auf diesen apostolischen Dienst vor.
Ich könnte viel über Kenneth Hagin erzählen. Er berichtete, als er noch lebte, dass er achtmal vor den Thron Gottes entrückt wurde, wo Gott mit ihm sprach. Unter anderem sagte Gott ihm, dass er ihn reich machen werde, wenn er lernt, dem inneren Zeugnis zu folgen. Hagin gilt als der Vater der Glaubensmission und des Wohlstandsevangeliums, das auch den Charakter der Neuen Apostolischen Reformation prägt.
Die Bibel sagt jedoch, dass er gelogen hat. Es ist brutal, wie das möglich ist: im Namen Gottes zu predigen und zu lügen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das geschieht auch heute, und zwar ganz bewusst.
Wir müssen uns wirklich fragen, welche Beziehungen wir pflegen. Bist du vielleicht auch in einer Gesellschaft in der Nähe von Bethel?
In unserer biblischen Geschichte und bei menschlichen Beziehungen wirken sich diese auf geistliche Entscheidungen aus. Das ist tragisch. Es gibt viele Beispiele in der Kirchengeschichte, wie sich das biblische Denken und Handeln von Brüdern und Schwestern durch Begegnungen mit sogenannten Charismatikern oder Menschen aus diesem Umfeld verändert hat. Diese geben dann im Namen Gottes Prophezeiungen von sich.
Ich habe das selbst oft erlebt. Die Prophezeiungen, die mir ausgesprochen wurden, waren so negativ, dass ich sie durchschauen konnte. Bei vielen anderen ist es jedoch anders.
Wie wirken sich unsere Kontakte, unsere Konferenzen und unser Miteinander auf unsere geistlichen Entscheidungen aus?
Ja, wir sind beim Essen, und plötzlich – und das ist ja das Verwirrende in dieser Geschichte – wird dieser alte Prophet zum Propheten Gottes. Er spricht zu dem jungen Propheten, als dieser noch jung war, Folgendes:
"So spricht der Herr: Weil du dem Befehl des Herrn widerspenstig gewesen bist und das Gebot, das der Herr, dein Gott, dir geboten hat, nicht beachtet hast, sondern umgekehrt gehandelt hast, indem du Brot gegessen und Wasser getrunken hast, so soll dein Leichnam nicht in das Grab deiner Väter kommen."
Also muss der alte Prophet ihm jetzt das Gericht verkünden, nachdem er ihn zuvor belogen hat. Das ist wirklich verwirrend und auch ärgerlich, so etwas zu lesen. Er beschuldigt ihn der Widerspenstigkeit gegenüber Gottes Wort. Dieser Mann Gottes, ein Mann des Wortes Gottes, wurde belogen und hört nun das Urteil Gottes über sein Leben: Widerspenstig gegenüber dem, was Gott gesagt hat.
Das muss für den alten Propheten ein großer Schock gewesen sein. Plötzlich redet er wieder im Namen Gottes – etwas, das er wahrscheinlich jahrzehntelang nicht mehr erlebt hat. Und ausgerechnet jetzt muss er das gerichtete Todesurteil über den jungen Propheten aussprechen. Ein großes Entsetzen, vermutlich auch am Tisch. Ich glaube nicht, dass dem jungen Propheten das Brot danach noch sehr geschmeckt hat.
Man liest keine weiteren Worte mehr, es folgt ein wortloser Aufbruch. Der alte Prophet sattelt ihm den Esel. Dann lesen wir in Vers 24, wie Gott zu seinem Wort steht: Ein Löwe tötet ihn. Und wieder das Eigenartige: Der Löwe frisst ihn nicht auf und rührt ihn nicht an.
Der Esel, auf dem der junge Prophet geritten ist, haut nicht ab und flieht nicht vor dem Löwen. Die beiden Tiere halten quasi Totenwache. Das Merkwürdige ist, dass die beiden Tiere ihrem Schöpfer gehorchen und etwas tun, was ganz gegen ihre Natur ist. Die beiden Propheten dagegen sind ungehorsam.
Ich denke, das ist eine Demonstration und Lektion Gottes für uns alle. Das war kein Unfall oder Zufall, sondern ein Gericht Gottes. Wahrscheinlich war das die zweite Sensationsmeldung innerhalb von zwölf Stunden in Bethel – die Geschichte vom alten Propheten und dem, was mit dem jungen Mann Gottes geschehen ist.
Der alte Prophet bekommt das zu hören; wahrscheinlich waren es wieder seine Söhne, die berichteten, was geschehen ist. Als der alte Prophet das hört, heißt es in Vers 26: "Das ist der Mann Gottes, der dem Befehl des Herrn widerspenstig gewesen ist. So hat ihm der Herr den Löwen preisgegeben, der ihn zerrissen und getötet hat, nach dem Wort Gottes."
Das waren die beiden Prädikate, die dieser Mann Gottes hatte: Mann Gottes, Wort Gottes – und nun das Gericht über ihn. Ein ganz entsetzliches Schauspiel. Noch einmal wird dem alten Propheten der Esel gesattelt, und er reitet dahin.
Dann sieht er die Szene. Der Esel steht, ein Symbol für einfachen, einfältigen Gehorsam in der Bibel – denken wir an Bileam und seinen Esel. Der Löwe tastet den jungen Propheten nicht an, und beide Tiere halten Wache. Sie fallen auch den alten Propheten nicht an.
Welche Lektion will uns Gott hier durch dieses eigenartige Geschehen vermitteln? Ich glaube, wenn wir wirklich treu und einfältig dem Herrn folgen, dann wird er uns auch in der Höhle des Löwen bewahren. Gott bewahrt uns, denken wir nur an Daniel in der Löwengrube.
In Vers 29 oder 30 lesen wir, dass der alte Prophet den jungen Mann Gottes auf seinen Esel setzt und ihn zurück in die Stadt bringt, um ihn zu beklagen und zu begraben. Er legt ihn in sein eigenes Grab. Dann folgt die ergreifende Klage über ihn: "Ach, mein Bruder!"
Was muss das für den alten Propheten gewesen sein, diese Worte zu sprechen? "Ach, mein Bruder!" Dabei war es doch seine Schuld, er hatte den jungen Propheten belogen. Früher haben wir in der Jugendarbeit gerne ein Lied gesungen, das "Der Ring Franken" heißt, mit der Botschaft: Was könnte Gott aus deinem Leben machen, wenn du ihn nur ganz und gar Herr sein lässt und dich ihm anvertraust? Du wirst sehen, der Herr führt wunderbar.
Der alte Prophet war die Ursache, er hatte die Schuld, weil er ihn belogen hatte. "Ach, mein Bruder!" Was wird man wohl bei deinem und meinem Begräbnis sagen? Vielleicht auch: "Ach, meine Schwester! Ach, mein Bruder! Was hätte aus deinem Leben werden können, wenn du dem Herrn gehorsam geblieben wärst."
An einem Tag, an dem Jerobeam, ein gottloser König, viele Lektionen erlebte, sündigte er erneut. Gott heilte ihn, doch Jerobeam sündigte weiter und lebte trotzdem weiter. Wir haben dies am Ende des Kapitels gelesen.
Nach dieser Begebenheit kehrte Jerobeam nicht von seinem bösen Weg um, sondern machte weiter wie bisher. Der alte Prophet, der gelogen hatte, wurde in seinem Alter zum Propheten, der über den jungen Propheten Gericht verkündigen musste. Wie ist so etwas möglich? Und er lebte weiter.
Der junge Mann Gottes machte einen Fehler, der in unseren Augen gering erscheint. Er zeigte Respekt gegenüber dem alten Propheten, der ihm gesagt hatte, ein Engel habe zu ihm gesprochen – und so weiter. Doch Gott richtete ihn sofort. Warum? Wie ist es möglich, dass Jerobeam freudig weiterlebt, während der alte Prophet sicherlich einen Schlag erlitten hat und sich nach der Beerdigung verändert haben dürfte, aber Gott ihn nicht sofort richtet?
Was lernen wir daraus? Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel erwartet, so sagt Gott. In 3. Mose 10,3 heißt es: „In denen, die mir nahen, will ich geheiligt werden.“ Ich glaube, das ist die Lektion für uns aus diesem Kapitel.
Jakobus schreibt: „Seid nicht viele Lehrer, liebe Brüder, denn ihr werdet ein schweres Gericht empfangen.“ Je mehr wir aus Gottes Wort wissen und seinen Willen kennen, desto mehr wird von uns erwartet. Sind wir dann nicht treu, wird Gott das nicht zulassen. Er richtet uns nach dem Licht, das er uns geschenkt hat.
Am Ende seines Lebens schlug Mose, wir kennen alle die Szene, den Felsen, anstatt zu ihm zu sprechen. Gott sagte ihm deutlich: „Du warst widerspenstig gegen mein Wort.“ Deshalb durfte Mose nicht ins verheißene Land kommen. Das Volk wurde verschont, es bekam Wasser und blieb am Leben. Aber Mose war derjenige, der widerspenstig war, der Gemeinschaft mit Gott hatte und mit ihm persönlich reden konnte.
Deshalb will Gott, dass diejenigen, die ihm nah sind, durch Gehorsam und Entschiedenheit geheiligt werden. Das ist sehr ernst für alle, die im Dienst des Herrn stehen. Auch wenn wir hier vieles gehört haben, etwa über Prophezeiungen, sollten wir in Demut das Gehörte annehmen und lernen, gehorsam zu sein, wenn Gott uns in seinem Wort klare Dinge zeigt.
Der alte Prophet sündigte durch eine Lüge gegen einen Bruder, könnte man sagen. Doch der Mann Gottes sündigte durch Ungehorsam gegen Gott. Oft urteilen wir ganz anders. Vielleicht gibt es am Ende der Geschichte noch einen kleinen Trost: Gottes Gnade triumphiert.
Auch nach dem Tod dieses jungen Propheten wird er als Mann Gottes bezeichnet. Ist das nicht schön? Der alte Prophet gewinnt wieder Vertrauen, glaubt dem Wort Gottes und schließt mit den Worten an seine Söhne: „Wenn ich gestorben bin, begrabt mich in dem Grab, in dem der Mann Gottes begraben ist. Meine Gebeine sollen neben seinen liegen, denn das Wort, das er durch Gottes Wort ausgerufen hat, wird gewisslich geschehen, auch wenn es gegen die Notaren usw. gerichtet ist.“
Das ist eine äußerst seltsame Geschichte, über die man noch viel nachdenken könnte, doch die Zeit ist um.
Drei- bis vierhundert Jahre später – ich lese es jetzt nicht vor, weil die Zeit drängt – steht in 2. Könige 23, dass Josia als großer Reformator unterwegs war, um die Höhen niederzureißen, die Jerobeam aufgebaut hatte. Er wollte auch die Gebeine der falschen Propheten zerstören.
Da sah er ein Denkmal und fragte seine Mitarbeiter, was das für ein Denkmal sei. Sie sagten ihm, es sei das Denkmal des Mannes Gottes, der damals in Bethel das Wort Gottes gepredigt hatte. Josia befahl, das Grab zu verschonen. Es sollte nicht berührt oder verbrannt werden, auch nicht das Grab des alten Propheten, der dort mitbegraben war.
Ist das nicht eigenartig? Auch nach dreihundert bis vierhundert Jahren wird dieser Mann Gottes noch geehrt. Das steht in 2. Könige 23. So retteten sie seine Gebeine samt denen des Propheten von Samaria, des alten Propheten.
Einer der Ausleger möchte am Schluss noch ein Bild auf Christus bringen. Es ist ein schwaches Bild, doch er meint, dass man es vielleicht auch auf den Mann Gottes anwenden kann. Jesus ist derjenige, der wegen unserer Sünden gestorben ist. Unsere Chance, zu überleben, besteht nur darin, mit ihm zu sterben und mit ihm begraben zu werden – in der Taufe, so wie wir in Römer 6 belehrt werden.
Zum Schluss lese ich dennoch ein Gebet von Spurgeon aus dem Buch „Hiskia, der Mann, der Gott vertraute“ vor:
„Herr, behüte mich auf allen Wegen! Behüte mich im Tal, damit ich nicht über meinen niedrigen Stand murre! Behüte mich auf dem Berg, damit ich nicht schwindelig werde vor Stolz, so hoch erhoben zu sein! Behüte mich in der Jugend, wenn meine Leidenschaften stark sind! Behüte mich im Alter, wenn ich mir auf meine Weisheit etwas einbilde und deshalb ein größerer Tor sein mag als selbst die Jungen! Behüte mich, wenn es zum Sterben geht, damit ich dich nicht am letzten Ende noch verleugne. Behüte mich im Leben, behüte mich im Sterben, behüte mich in der Arbeit, behüte mich im Leiden, behüte mich im Kampf, behüte mich in der Ruhe. Denken wir an die Szene unter dem Baum: Behüte mich überall, denn überall habe ich dich nötig, oh mein Gott!“
Charles Haddon Spurgeon
Beten wir: Herr Jesus, in diesem einen Kapitel, in diesen zwölf Stunden, gibt es so viele Lektionen. Wir beten, dass wir sie uns zu Herzen nehmen und unser Leben überdenken. Ach Herr, bitte schenke uns, dass wir aus der Geschichte lernen, achtzugeben, vorsichtig zu sein und auf dich zu vertrauen – nicht auf uns selbst. Lass uns mit unseren Worten vorsichtig umgehen, nicht einander belügen oder betrügen, sondern Worte sprechen, die aufbauen, die Wegweiser sind und helfen.
Wir haben dich nötig, so wie Spurgeon gebetet hat: Herr, im Alter wie in der Jugend, bewahre uns bitte! So befinden wir uns auch für den weiteren Verlauf des Tages an deiner Seite. Segne gleich die Botschaft von Roger, segne jetzt die Pause und schenke, dass wir uns gegenseitig eine Hilfe sind. Und ermuntere uns, dich in unserem Leben durch Gehorsam zu ehren. Amen.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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