Einführung in das Thema Jerusalem und seine Bedeutung
Das Thema heute Morgen heißt das himmlische Jerusalem und das neue Jerusalem. Vielleicht hat das etwas überrascht, denn im Allgemeinen denkt man, dass das himmlische und das neue Jerusalem dasselbe sind. Aber wir werden sehen, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Realitäten zu tun haben, die jedoch miteinander zusammenhängen.
Diese zwei Realitäten hängen auch mit einer irdischen Realität zusammen, nämlich mit dem wichtigsten Ort auf dieser Erde in Gottes Heilsplan: dem irdischen Jerusalem.
In Hesekiel 5,5 heißt es: „So spricht der Herr, der Ewige: Dies ist Jerusalem.“ Weiter heißt es: „Inmitten der Nationen habe ich es gesetzt und Länder ringsumher.“ Diese Prophetenstelle macht deutlich, dass Jerusalem in Gottes Augen der Mittelpunkt der Welt ist.
Schon in Hesekiel 38 wird das Land Israel als der Nabel der Erde bezeichnet, also als der Mittelpunkt der Erde. Innerhalb dieses Mittelpunktes – und zwar in Hesekiel 38,12 – kommt dieser Ausdruck im Hebräischen wörtlich vor: „der Nabel der Erde“. Innerhalb dieses Nabels der Erde ist wiederum Jerusalem der Mittelpunkt.
In den Psalmen heißt es auch: „Der Herr liebt die Tore Zions mehr als alle Tore Jakobs.“ Wenn wir das auf dem Globus betrachten, fällt auf, dass Jerusalem an der Schnittstelle der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika liegt. Diese Bezeichnung ist also nicht willkürlich.
Das ist das irdische Jerusalem.
Überblick über das himmlische Jerusalem im Neuen Testament
Aber nun lesen wir in der Bibel von einem himmlischen Jerusalem. Unter Punkt 1.0 habe ich einfach mal zusammengestellt, was wir an neutestamentlichen Stellen über das himmlische Jerusalem finden.
Es ist wichtig, wenn man sich einem Thema in der Bibel nähert, zuerst eine Bestandsaufnahme zu machen. Man sollte möglichst alles verfügbare Material sammeln und dann beginnen, dieses zu sichten. So gelangt man nach und nach zu einem Gesamtbild.
In Galater 4,26 spricht der Apostel Paulus über das jetzige Jerusalem und dann zunächst, und dann eben in diesem Vers: „Aber das Jerusalem droben ist frei, welches unsere Mutter ist.“
Der Hebräerbrief ist noch die zweite Schrift im Neuen Testament, die ebenfalls über dieses Thema spricht. Dort wird über Abraham gesprochen, in Hebräer 11,10: „Denn er erwartete die Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“
In Vers 16 spricht der Hebräerbrief über die Patriarchen im Allgemeinen, die einst aus dem Irak ausgezogen waren, in das Land Kanaan gingen, dort aber nichts in Besitz nahmen. Sie haben etwas erwartet, nach etwas getrachtet. Der Hebräerbrief sagt: „Wenn das das Vaterland gewesen wäre, zurück im Irak, dann hätten sie ja Zeit gehabt, zurückzukehren. Aber jetzt wird argumentiert: Jetzt aber trachten sie nach einem besseren Vaterland, das ist ein himmlisches. Darum schämt sich Gott ihr nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet.“
Schließlich heißt es in Hebräer 12,22: „Ihr seid nun nicht mehr Leute, die in Verbindung stehen mit dem Berg Sinai, mit dem Berg des Gesetzes, sondern ihr seid gekommen zum Berge Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu Milliarden von Engeln.“
Hier haben wir also diesen Ausdruck „das himmlische Jerusalem“.
In Hebräer 13,14 werden die messianischen Juden aufgerufen, den Gottesdienst in Jerusalem zu verlassen. Es wird argumentiert, dass Jesus schließlich auch außerhalb der Stadtmauern von Jerusalem gelitten hat. Er hatte keinen Platz mehr im irdischen Jerusalem, man hat ihn hinausgeworfen. Wenn wir an ihn als den Messias glauben, sollen wir auch zu ihm hinausgehen.
Schließlich wird in Hebräer 13,14 gesagt: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Das ist insofern ein gewaltiger Vers, denn der Hebräerbrief wurde etwa im Jahr 62 nach Christus geschrieben. Das heißt, ungefähr sieben oder acht Jahre vor der Zerstörung von Jerusalem durch die Römer im Jahr 70. Damals brach der Judenstaat unter römischer Herrschaft zusammen, Jerusalem wurde verwüstet, der Tempel in Staub und Asche gelegt.
Und da wird gesagt: Wir haben hier keine bleibende Stadt. Jerusalem wurde im Jahr 70 zerstört, aber nicht erst da haben die Christen gesagt: „Och, das ist nicht mehr unsere Stadt, weil das jetzt ein Ende gefunden hat.“ Schon Jahre zuvor hat prophetisch der Hebräerbrief gesagt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, aber was wir haben, ist die zukünftige, und nach der strecken wir uns aus.“
Grundlegende Aussagen zum himmlischen Jerusalem
Nun unter Punkt 1.1 einige grundlegende Aussagen zum himmlischen Jerusalem, auf die wir jetzt kommen, wenn wir dieses Material, das wir haben, so gründlich im Zusammenhang durcharbeiten.
Da wird also deutlich: Das himmlische Jerusalem ist eine Stadt, die Gott erschaffen hat. Sie ist im Himmel und wird auch von der Gemeinde unterschieden. Wir haben ja gelesen, in Hebräer 12,22 wird gesagt: Ihr seid gekommen zu dem himmlischen Jerusalem. Also ist es eine von der Gemeinde unabhängige, selbständige Struktur im Himmel.
Das führt zu einem zweiten, umfassenderen Punkt: Es gibt ein himmlisches Vaterland. Diesen Ausdruck haben wir ja gefunden in Hebräer 11,16. Innerhalb dieses himmlischen Vaterlandes gibt es eine himmlische Stadt, eben diese Stadt, die Gott bereitet hat. Und innerhalb dieser himmlischen Stadt wiederum gibt es einen himmlischen Tempel.
Johannes hat ihn zum Beispiel auch gesehen in der Offenbarung. Ich verweise hier auf Offenbarung 11,19: Und der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und die Bundeslade wurde in seinem Tempel gesehen. Also wird mit aller Selbstverständlichkeit über einen Tempel im Himmel gesprochen, sogar mit einer originalen Bundeslade darin.
Weiter können wir sogar sagen: Dieser himmlische Tempel befindet sich auf dem himmlischen Tempelberg Zion. Denn in Hebräer 12,22 wird ja nicht nur gesprochen über „Ihr seid gekommen zum himmlischen Jerusalem“, sondern auch „Ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem.“
Schon alttestamentlich wird über diesen himmlischen Tempelberg gesprochen, zum Beispiel in Hesekiel 28,14. Dort geht es um die Beschreibung des Falles von Luzifer. In Hesekiel 28 wird eigentlich der Fürst von Tyrus beschrieben, doch ab Vers 11 wird die geistliche Macht, die den Fürsten von Tyrus besessen hatte, mit ihm identifiziert. Wir sehen, dass es sich um einen Engel handelt, einen schirmenden Cherub, den Gott einst vollkommen geschaffen hatte.
So heißt es in Hesekiel 28,14: „Du warst ein schirmender, gesalter Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht; du warst auf Gottes heiligem Berg, du wandeltest inmitten feuriger Steine.“ Also war Satan vor seinem Fall ein Engel auf diesem himmlischen Tempelberg.
Der nächste Punkt, den wir auch entnehmen können, stammt aus Hebräer 11,13-16. Bereits alttestamentliche Gläubige, nämlich Abraham, Isaak und Jakob, erwarteten das himmlische Jerusalem. Sie hatten also schon Kenntnis von dieser himmlischen Stadt.
Und diese Stadt, das führt uns zum letzten Punkt, wird in der Zukunft die Hauptstadt sein im himmlischen Teil des tausendjährigen Friedensreiches. Nach Epheser 1,9 wird der Herr Jesus Christus ja regieren über alles; er wird Haupt sein über die Dinge im Himmel und die Dinge auf der Erde.
Das heißt also, Himmel und Erde werden vollkommen miteinander verbunden sein, und zwar genau so, wie Jakob in seinem Traum von der Himmelsleiter prophetisch schon gesehen hatte. Jakob sah im Traum eine Himmelsleiter oder besser übersetzt sogar eine Himmelstreppe, an der Engel auf- und abstiegen. Er sah also Himmel und Erde vollkommen in Harmonie miteinander verbunden.
So wird das himmlische Jerusalem die Hauptstadt sein des himmlischen Teiles, während das irdische Jerusalem in Israel die Hauptstadt sein wird des irdischen Teiles.
Das himmlische Jerusalem in der rabbinischen Literatur und Qumran
Und nun kommen wir zu einem weiteren Hauptpunkt, nämlich erstens und zweitens: das himmlische Jerusalem in der rabbinischen Literatur, zum Beispiel im babylonischen Talmud.
Es gibt zwei Talmude, den Jerusalemer und den babylonischen. Dabei ist der babylonische Talmud das eigentlich verbindliche Werk im Judentum. Er ist das wichtigste theologische Werk, das auf der Bibel aufbaut und diese auslegt.
Im Traktat Ta'anit 5a heißt es: Gibt es ein Jerusalem oben? Ja, denn es steht geschrieben: „Jerusalem, das gebaut ist wie eine Genossin.“ Das ist ein Verweis und vielleicht eine überraschende Übersetzung oder ein überraschendes Verständnis von Psalm 122, Vers 3. Auch in einem Midrasch zu Psalm 122 wird diese Stelle so verstanden, als wäre sie ein Argument für das himmlische Jerusalem.
Ich glaube nicht, dass man aus dieser Stelle effektiv das ableiten kann. Aber es macht deutlich, dass man im Judentum die Kenntnis von dem „Jerusalem oben“ jedenfalls hatte und versuchte, möglichst viele Stellen zu finden, die das bestätigen. Manchmal findet man eben mehr Stellen, als es tatsächlich gibt.
Ein weiterer rabbinischer Kommentar findet sich im Midrasch Danchuma zu Pekudei 125b. Dort steht: „Du findest, dass ein Jerusalem oben, auf Hebräisch ‚Jerushalayim wala‘, errichtet ist, wie das untere Jerusalem, Jerusalem im Mata. Aus großer Liebe zu dem Unteren machte er ein anderes Oben.“
Wie es heißt: „Siehe, auf die Hände habe ich dich gezeichnet, deine Mauern sind vor mir immer da“ (Jesaja 49,16). Das zeigt eine ganz klare Vorstellung: Es gibt ein Jerusalem oben und ein Jerusalem unten, und diese hängen miteinander zusammen.
Dann zu den Handschriften von Qumran: Dort wurden etwa 40.000 Fragmente gefunden, die zu 800 Schriftrollen gehören. Fast 200 dieser Schriftrollen sind biblische Handschriften, der Rest sind außerbiblische Texte, also Bibelkommentare, Lieder und Verhaltensregeln für die Gemeinde usw.
Unter der Qumran-Literatur gibt es eine Handschrift, die in mehreren Fragmenten erhalten ist und allgemein „das neue Jerusalem“ genannt wird. Nun fragt man sich, ob das etwas mit unserem Thema zu tun hat.
Wenn man diese Handschriften betrachtet – ich habe hier alle aufgelistet –, dann findet man sie in der Höhle 1 (1Q32, das heißt erste Höhle von Qumran, Handschrift Nummer 32), in 2Q24 und dann auch in den Höhlen 4, 5 und 11. Diese Fragmente gehören alle zu einer Schrift.
Dort wird ausführlich ein zukünftiges Jerusalem beschrieben, in allen möglichen Details. Sogar die Straßenzüge und die Gebäude werden beschrieben. Es ist ein Jerusalem, das sehr stark der prophetischen Beschreibung in Hesekiel 40 bis 48 ähnelt.
Es gibt aber auch Unterschiede. Wie gesagt, dass sich in Zion diese Stadt befinden wird. Sie hat dort eine Größe von 20 mal 29 Kilometern, was relativ stattlich ist. 1500 Türme umgeben sie, jeder mehr als 30 Meter hoch.
Den Ausdruck „neues Jerusalem“ findet man im Text selbst nicht. Das ist eine Erfindung von Theologen, die die Schrift so bezeichnet haben. Wir können also sagen, dass es sich um eine etwas phantastische Beschreibung eines zukünftigen Jerusalems handelt, die sich an die prophetische Beschreibung des zukünftigen Jerusalems in Hesekiel 40 bis 48 anlehnt.
Mit dem neutestamentlichen neuen Jerusalem hat diese Beschreibung nichts zu tun. Das hilft uns also in unserem Thema nicht weiter.
Ich habe übrigens darunter noch Textangaben gemacht, wie man eigentlich an die Texte vom Toten Meer kommt. Meyer hat ein Buch herausgegeben: „Die Qumran-Essener – die Texte vom Toten Meer“, drei Bände als Taschenbücher. Dort findet man alle Texte von Qumran auf Deutsch, also praktisch alles, was außerbiblisch ist.
Dann gibt es eine wissenschaftliche Ausgabe von Martínez und Tigchelaar, „The Dead Sea Scrolls Study Edition“. In zwei Bänden sind dort die Originaltexte auf Hebräisch oder Aramäisch und daneben die Übersetzung auf Englisch enthalten.
Heute kommt man also an alle Handschriften heran. Aber für unser Thema bringt uns das nicht viel weiter.
Das neue Jerusalem in der Offenbarung
Und jetzt wollen wir als Punkt zwei null zum neuen Jerusalem übergehen. Wo wird darüber gesprochen? Nur in der Offenbarung.
Jetzt gehen wir einfach mal die Stellen durch, in denen der Ausdruck Jerusalem oder neues Jerusalem in der Offenbarung vorkommt.
In Offenbarung 3,12, im Sendschreiben an Philadelphia, heißt es: „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen. Ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen.“
Dann bei der Beschreibung von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, in Kapitel 21, heißt es in Vers 2: „Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herniederkommen von Gott, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut.“
In Vers 10 heißt es weiter: „Und er führte mich im Geist hinweg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, herniederkommend aus dem Himmel von Gott.“
Wir haben also eine nur kurze Stelle, offenbar in 3,12, wo diese Stadt erwähnt wird, und dann eine ausführliche Beschreibung dieser Stadt in den Kapiteln 21 bis 22,5.
Das neue Jerusalem als Symbol der Gemeinde Gottes
Jetzt wollen wir versuchen, anhand dieser Verse zu diesem Thema zu übersichtlichen Aussagen zu kommen. Zunächst formulieren wir eine These, eine Behauptung: Das neue Jerusalem ist nicht dasselbe wie das himmlische Jerusalem.
Das ist zunächst eine Behauptung, die wir nun begründen wollen.
Der nächste Punkt: Das neue Jerusalem ist eine symbolische Beschreibung der Gemeinde oder Kirche Gottes. Wenn ich von Gemeinde oder Kirche spreche, meine ich dasselbe, es kommt nur darauf an, das Richtige zu verstehen. Die Gemeinde im neutestamentlichen Sinn oder die Kirche im neutestamentlichen Sinn umfasst alle an Jesus Christus Glaubenden, die Erlösten, vom Pfingsttag (Apostelgeschichte 2) bis zur Entrückung, zur Wiederkunft Christi. Das ist die Gemeinde.
Nun sage ich hier: Das neue Jerusalem ist eine symbolische Beschreibung der Gemeinde. Die Begründung dafür finden wir in Offenbarung 21,9-10. Dort heißt es: „Und es kam einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, voll der sieben letzten Plagen, und redete mit mir und sprach: Komm her, ich will dir die Braut, die Frau des Lammes zeigen.“
Wir müssen uns das konkret vorstellen: Johannes bekommt die Einladung, die Braut des Lammes zu sehen. Er erwartet, eine Frau zu sehen.
Vers 10 schließt an: „Und er führte mich im Geist hinweg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, herniederkommend aus dem Himmel von Gott, und sie hatte die Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz war gleich einem sehr kostbaren Edelstein, wie ein kristallheller Jaspisstein, und sie hatte eine große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore, und an den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, welche die der zwölf Stämme der Söhne Israels sind: nach Osten drei Tore, nach Norden drei Tore, nach Süden drei Tore und nach Westen drei Tore. Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundlagen, und auf denselben zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes usw.“
Johannes sieht keine Frau, sondern eine Stadt. Diese Stadt wird nun im Detail beschrieben in den folgenden Versen bis Offenbarung 22,5.
Kommen wir zum Schluss: Die Frau, die Braut, die Frau des Lammes, ist dasselbe wie das neue Jerusalem. Das heißt, es ist die Gemeinde, die ja nach 2. Korinther 11,2 als eine Braut beschrieben wird. Paulus sagt den gläubigen Korinthern: „Ich habe euch als eine keusche Jungfrau einem Mann verlobt.“
Wir haben außerdem einen ausführlichen Abschnitt in Epheser 5,22 und den folgenden Versen, wo die Gemeinde als die Frau von Christus beschrieben wird.
Wenn also das neue Jerusalem die Gemeinde ist, dann ist das himmlische Jerusalem etwas anderes. Denn wir haben gelesen in Hebräer 12,22: „Ihr seid gekommen zu dem himmlischen Jerusalem.“ In Hebräer wird das himmlische Jerusalem von den Gläubigen unterschieden. Das ist ein deutlicher Beweis dafür, dass das neue Jerusalem etwas anderes ist.
Doch es gibt noch weitere Beweise.
Gegenüberstellung von Braut und Hure in der Offenbarung
Wir kommen zu einem dritten Punkt. In der Offenbarung wird noch über eine andere Frau gesprochen, und zwar ausführlich. Dabei handelt es sich nicht um eine Braut, sondern um eine Hure. Dies finden wir in Offenbarung 17 und 18.
Hier sehen wir eine deutliche Opposition: Eine Braut wird in Offenbarung 19 beschrieben, wo die Hochzeit mit dem Lamm gefeiert wird, sowie in den Kapiteln 21 und 22. Im Gegensatz dazu wird in Offenbarung 17 und 18 von einer Hure gesprochen. Auch sie wird als Stadt dargestellt und trägt den Namen Babylon.
Wir können dies genauer betrachten, zum Beispiel Offenbarung 17, Vers 1. Dort erscheint der gleiche Engel, den wir bereits in Offenbarung 21, Vers 9 gefunden haben. Es ist ein Engel von den sieben, die die sieben Zornschalen tragen. Dieser Engel kommt zu Johannes und sagt: „Komm, ich will dir jemanden zeigen.“
Der Text lautet: „Und es kam einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, und redete mit mir und sprach: Komm her, ich will dir das Urteil über die große Hure zeigen, die auf den vielen Wassern sitzt, mit welcher die Könige der Erde Hurerei getrieben haben. Und die, die auf der Erde wohnen, sind trunken geworden von dem Wein ihrer Hurerei.“
Dann führte er Johannes im Geist hinweg in eine Wüste.
Im Gegensatz zum neuen Jerusalem, zu dem Johannes auf einen sehr hohen Berg geführt wurde, weil es um ein erhabenes Thema ging, wird er hier in eine Wüste geführt. Das zeigt, dass es sich um ein scheußliches Thema handelt.
Er führte mich im Geist hinweg in eine Wüste, und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das voll Namen der Lästerung war und sieben Köpfe sowie zehn Hörner hatte.
Die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold, Edelsteinen und Perlen. In ihrer Hand hielt sie einen goldenen Becher, der voll war mit Gräueln und der Unreinigkeit ihrer Hurerei. An ihrer Stirn war ein Name geschrieben: Geheimnis Babylon, die Große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde.
Ich sah die Frau betrunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu.
So steht Babylon, das neue Jerusalem, als Gegensatz da: die Hure einerseits und die Braut, die Frau des Lammes, andererseits.
Deutung von Babylon als religiöse Macht in Rom
Nun, was oder wer ist Babylon? In Offenbarung 17,18 heißt es: „Und die Frau, die du sahst, ist die große Stadt, welche das Königtum hat über die Könige der Erde.“
Welche Stadt hatte damals das Oberregiment über alle Unterkönige? Das war Rom. Also ist die Frau Rom, die große Stadt. Dies wird noch verstärkt in Vers 9: „Hier ist der Verstand, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf welchen die Frau sitzt.“
Rom war im Altertum als Septem Collis, die Siebenhügelstadt, bekannt. Das macht ganz deutlich, dass es hier um Rom geht, das jedoch mit dem symbolischen Namen Babylon bezeichnet wird.
Das Wort Babylon stammt übrigens aus dem Arkadischen. Heute Nachmittag werden wir in einem ganz anderen Zusammenhang, wenn wir uns mit 1. Mose 11 beschäftigen, noch mehr über den Ursprung des Namens Babel und Babylon erfahren. Babylon kommt aus dem Akadischen „Babilani“, was „Tor der Götter“ oder „Göttertor“ bedeutet.
Es geht hier also um eine religiöse Macht in Rom, die der wahren Gemeinde oder Kirche entgegensteht. Ich glaube, das ist schon deutlich genug.
In Vers 6 wird außerdem gesagt: „Und ich sah die Frau betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu.“ Das beschreibt eine religiöse Macht mit Sitz in Rom, die sich schuldig gemacht hat am Blut unzähliger wahrer Gläubiger.
Die Kirchengeschichte bestätigt dies: Hunderttausende wurden durch dieses System in Rom ermordet. So haben wir hier diese beiden Gegensätze.
Gottes Volk in Babylon und der Aufruf zum Auszug
Übrigens ganz wichtig: Gott sieht in diesem Babylon viele, ein ganzes Volk von wahren erretteten Gläubigen.
In Offenbarung 18,4 heißt es nämlich: „Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel sagen: Geht aus ihr hinaus, mein Volk, auf dass ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet und auf dass ihr nicht empfangt von ihren Plagen, denn ihre Sünden sind aufgehäuft bis zum Himmel, und Gott hat ihre Ungerechtigkeiten gedacht.“
Gott sieht sein Volk darin, und er ruft sie hier auf: Geht aus Babylon hinaus! Wenn ihr weiter darin bleibt, macht ihr euch gewissermaßen mitschuldig – mitgegangen, mitgefangen. Deshalb der Aufruf: „auf dass ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet.“
Nun, unser Thema ist nicht Babylon die Große, sondern ein viel schöneres: das neue Jerusalem.
Das Geheimnis Babylon und das Geheimnis der Gemeinde
Jetzt ist Folgendes wichtig: Beim vierten Punkt auf unserem Blatt, „Die Hure Babylon ist ein neutestamentliches Geheimnis“, finden wir in Offenbarung 17, Vers 5 die Aussage, dass die Hure den Namen „Geheimnis, Babylon, die Große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde“ trägt.
Ein Geheimnis im Neuen Testament ist ein Thema, das im Alten Testament verborgen blieb und erst im Neuen Testament offenbart wird. Man findet zum Beispiel in den Briefen des Paulus, den sogenannten paulinischen Briefen, etwa neun solcher Geheimnisse. Diese sind Wahrheiten, die im Alten Testament nirgends klar erwähnt werden. Sie tauchen höchstens symbolisch auf, werden durch Bilder angedeutet oder vorgeschattet, aber nicht ausdrücklich enthüllt.
Ein solches Thema ist auch die Gemeinde selbst. Nach Epheser 3, Verse 3 bis 6 erklärt der Apostel Paulus, dass der eine Leib, bestehend aus Gläubigen aus den Heidenvölkern und aus dem jüdischen Volk, ein Geheimnis war, das Gott in den früheren Generationen niemandem mitgeteilt hat. In Epheser 3, Verse 9 bis 10 heißt es sogar, dass dieses Geheimnis in Gott verborgen war und nicht einmal die Engelwelt davon wusste.
Erst seitdem dieses Geheimnis im Neuen Testament enthüllt und Realität geworden ist – seit dem Pfingsttag in Apostelgeschichte 2 – erfahren die Engel davon. Dort steht in Epheser 3, dass jetzt durch die Gemeinde, durch die Kirche, Gottes vielfältige, wörtlich sogar vielfarbige Weisheit der Engelwelt bekannt gemacht wird. Selbst für die Engelwelt war dies also verborgen. Dies ist das Geheimnis der Gemeinde.
Das ist doch interessant: Wir haben das Geheimnis Babylon und auch das Geheimnis des neuen Jerusalems. Genauso wie die wahre Kirche, bestehend aus allen wahren Gläubigen – egal in welchen Kirchen und Gemeinden sie sich befinden –, ein Geheimnis im Alten Testament war, war auch das Thema der falschen Kirche, der Verfälschung des wahren Gedankens Gottes, im Alten Testament verborgen. Das ist sehr logisch.
Dies liefert ein starkes Argument dafür, dass das himmlische Jerusalem aus dem Hebräerbrief etwas anderes ist. Dort sehen wir, dass die Patriarchen das himmlische Jerusalem erwarteten (Hebräer 11, Vers 16). Aber von der Gemeinde konnten sie nichts wissen. Selbst die Engelwelt wusste nichts davon, ebenso wenig Abraham. Die Patriarchen konnten also die Gemeinde gar nicht erwarten.
Zusammenfassung: Urbild, Abbild und Sinnbild
Nun fassen wir im nächsten Punkt zusammen, um ein umfassendes Bild zu erhalten.
Wir können sagen: Das himmlische Jerusalem, diese Stadt im Himmel, ist das Urbild. Das irdische Jerusalem, das Jerusalem unten, ist ein Abbild davon auf Erden. Das neue Jerusalem hingegen ist das Sinnbild, die geistliche Versinnbildlichung.
Es gibt noch weitere Themen in der Bibel, die man auf diese Weise unterscheiden kann: Urbild, Abbild, Sinnbild. So sehen wir, dass alles zusammengehört und alles zusammenpasst.
Gott hat also diese Stadt im Himmel bereitet. Dann wurde auf Erden eine Abbildung realisiert. Die Erfüllung und Bedeutung davon ist die Gemeinde.
Das Gleiche gilt zum Beispiel für den Tempel und die Stiftshütte. Mose sah auf dem Berg das Urbild, den originalen Tempel im Himmel, wie später auch Johannes.
Mose musste den Tempel als Stiftshütte auf Erden anfertigen. Später wurde der erste Tempel in Jerusalem genau von Salomo nach den Plänen gebaut, die David gegeben hatte (1. Chronika 28). David hatte durch die Inspiration des Geistes einen Bauplan erhalten, der dort erwähnt wird.
So musste der erste Tempel in Jerusalem genau nach diesem himmlischen Vorbild, dem Urbild, realisiert werden.
Das Neue Testament zeigt, dass das Sinnbild davon die Gemeinde ist. Paulus sagt in 1. Korinther 3,16: "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?" Er spricht hier zur Gemeinde in Korinth.
Auch hier gilt also: Urbild, Abbild, Sinnbild.
Parallelen zu platonischer Philosophie und heidnischen Religionen
Vielleicht noch etwas Überraschendes zur Philosophie von Platon. Sie hat das abendländische, europäische Denken enorm geprägt – übrigens bis zum heutigen Tag. Selbst diejenigen, die es nicht wissen, sind davon beeinflusst. Man hat sogar gesagt, die ganze Philosophie des Abendlandes sei eigentlich nichts anderes als Anmerkungen oder Fußnoten zu Platon.
In seinen Schriften findet man zum Beispiel im Höhlengleichnis die Auffassung, dass es im himmlischen Bereich Urbilder gibt. Alles, was hier auf Erden sichtbar ist, sind eigentlich nur Abbilder dieser himmlischen Urbilder, dieser Urideen.
In diesem Höhlengleichnis beschreibt Platon Gefangene, die in einer Höhle sind, mit dem Gesicht zur Wand angekettet. Die Höhle öffnet sich zum Licht hinaus, doch die Gefangenen sehen dort nur Schattenbilder von Realitäten, die außerhalb der Höhle sind. Sie sehen also nur quasi Schattenbilder.
Das ist auch auffällig, denn im Hebräerbrief, Kapitel 8 und 10, wird ebenfalls von himmlischen Realitäten gesprochen. Dort heißt es, die Stiftshütte sei ein Schattenbild von dem Urbild im Himmel. Platon gebraucht also ähnliche Ausdrücke. Er sagt, diese Gefangenen sehen nur die Schatten der wirklichen Realitäten.
Weiter sagt er, ein Philosoph sei jemand, der sich umgedreht hat und diese wahren Urideen gesehen hat. Aber wenn ein Philosoph wirklich die Wirklichkeit den Menschen sagen würde, dann würden sie ihn eigentlich kreuzigen.
Das sind ganz erstaunliche Ideen, und man fragt sich, woher Platon diese Gedanken hatte. War er vielleicht ein heidnischer, vorläufiger Prophet des Vorevangeliums? Platon selbst war kein guter Mensch. Er war Pädophiler und lebte tief in der Sünde als Heide.
Das muss uns aber nicht überraschen. Im Heidentum sind manche Dinge bekannt, die mit gewissen biblischen Wahrheiten übereinstimmen.
Ein anderes Beispiel: Einmal wurde ich von einer gläubigen Frau gefragt, die in Ägypten den Karnaktempel besucht hatte. Sie war überwältigt, weil dort zum Teil Strukturen zu finden sind, die genau gleich sind wie beim biblischen Tempel und bei der Stiftshütte.
Tatsächlich gibt es im Karnaktempel auch ein Allerheiligstes und darin eine Lade mit Tragstangen – ähnlich der Bundeslade. Darauf befindet sich ein ägyptischer Gott. Wie kommt es, dass genau dieselben Dinge im Heidentum existieren?
Oder man kann nach Japan reisen und dort einen heidnischen Tempel besuchen. Vor dem Tempel steht ein Waschbecken, das genauso aussieht wie in der Stiftshütte oder im ersten und zweiten Tempel.
Oder man kann nach Togo gehen und dort einem Zauberer begegnen, der eine Hütte besitzt, abgetrennt mit einem Vorhang. Dahinter hat er seine Fetische, quasi im Allerheiligsten Bereich. Wie kommen die darauf?
Weltweit findet man diese Strukturen immer wieder.
Das ist ganz einfach zu erklären: Nach Hiob Kapitel 1 hat Satan Zugang zum Himmel. Und sogar vor seinem Fall war er ein Cherub auf diesem himmlischen Tempelberg, wie Hesekiel Kapitel 28 beschreibt. Ihr kennt diese Dinge im Detail.
So hat Satan die falschen Religionen inspiriert – als eine Perversion, eine Verdrehung des Wahren. Er hat verschiedene Völker an verschiedenen Orten dazu gebracht, solche Heiligtümer zu errichten, die erstaunlich ähnlich sind und auch im Opferdienst gewaltige Parallelen zum wahren Opferdienst in der Bibel aufweisen.
Das lässt sich sogar belegen: Es gibt eine hethitische Überlieferung, in der ein Gott einem Hethiter genaue Anweisungen zum Bau von Tempelgeräten gibt. Das ist absolut parallel zu dem, was wir bei Mose finden. Mose war auf dem Berg, und Gott gab ihm genaue Anweisungen zum Bau der Stiftshütte und all der Tempelgeräte.
Wir müssen deswegen Platon nicht aufwerten. Die platonische Philosophie hat Europa und besonders der Kirche viel Fluch und Schaden zugefügt. Dennoch können wir sehen, dass es im Heidentum aus finsterer Quelle manche Parallelen zu Dingen gibt, die eine himmlische und biblische Realität sind.
Darum sollten uns die Parallelen von Urbild und Abbild keine Zweifel bereiten. Vielmehr bestätigen sie das, was wir in der Bibel finden.
Ich glaube, wir machen jetzt eine Pause von einer Viertelstunde, und dann kommen wir mit dem Rest fertig.