Konflikte als alltägliche Herausforderung
Konflikte sind in unserer Welt leider etwas ganz Alltägliches. Kein Tag vergeht, an dem nicht Ehepaare miteinander streiten – sei es ums Geld, darum, wie man die Kinder richtig erzieht, oder darum, wer den Abwasch macht und den Müll rausbringt.
Auch Nachbarn können zu Feinden werden, wenn das Grillgut zu intensiv duftet oder die Musik zu laut ist. Oder wenn die Bebauung auf dem Nachbargrundstück dem Nachbarn nicht gefällt. Für mich unvergessen ist der Fall eines Ex-Nationaltorhüters, nicht weit von hier in Berg am Starnberger See. Er war mit der Garage seines Nachbarn nicht einverstanden und griff zur Kettensäge, um die Garage ein wenig zu verkleinern. Das Problem war, dass eine Kamera das Ganze aufgezeichnet hatte.
Danach trafen sich die Nachbarn vor Gericht wieder. Soweit ich weiß, ist dieser Fall immer noch Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Egal, wie das Ganze ausgeht: Am Ende sind die Gräben zwischen den Nachbarn so tief, dass sie keine Freunde mehr werden – es sei denn, ein großes Wunder passiert.
Kinder streiten miteinander, Geschwister streiten miteinander – wenn sie klein sind, oft um die Spielsachen oder um die Aufmerksamkeit der Eltern. Häufig zieht sich das auch bis weit ins Erwachsenenalter hinein, sodass Geschwister sich teilweise spinnefeind sein können. Konflikte sind etwas ganz Alltägliches.
Realität der Konflikte in der Gemeinde
Jetzt möchte ich sagen: Ja, Gott sei Dank ist das bei uns Christen ganz anders. Bei uns gibt es nicht nur Friede, Freude, Sonnenschein, sondern wir haben wirklich verstanden, wie das mit der Liebe und der Gnade funktioniert – auch wenn es eigentlich ganz einfach wäre.
Der erste Korintherbrief berichtet uns sehr schonungslos von Missständen und Defiziten in der Gemeinde in Korinth. Eines der großen Probleme dort war, dass sich viele Gemeindemitglieder miteinander stritten. Ihr Konfliktverhalten war ein großes Problem, davon lesen wir heute im Predigttext.
Sie stritten so heftig, dass sie ihre Streitigkeiten aus der Gemeinde hinaus vor die Gerichtshöfe Korinths trugen. Sie trafen sich sonntags in der Gemeinde und kämpften unter der Woche vor dem Richter gegeneinander. Paulus sagt dazu: So soll das nicht sein, das ist ein Problem.
Ich habe in der vergangenen Woche noch einmal mit Matthias gesprochen. Uns ist kein Fall in dieser Gemeinde bekannt, in dem zwei Gemeindemitglieder vor Gericht ihren Streit ausfechten. Auch das ist Gott sei Dank so.
Dennoch sagt uns dieser Bibeltext viel darüber, wie wir unsere Konflikte leben und damit umgehen sollen – auch hier in dieser Gemeinde. Gottes Wort spricht in unserem Leben, auch in dieser Frage, und es ist sehr wichtig, dass wir das uns zu Herzen nehmen.
Der Predigttext: 1. Korinther 6,1-11
Ich möchte uns diesen Text vorlesen: 1. Korinther 6,1-11.
Wie kann jemand von euch es wagen, wenn er einen Streit mit einem anderen hat, sein Recht vor den Ungerechten und nicht vor den Heiligen zu suchen? Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?
Wenn nun die Welt von euch gerichtet werden soll, seid ihr dann nicht fähig, geringere Streitigkeiten zu richten? Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Wie viel mehr sollten wir dann über Dinge des täglichen Lebens richten.
Ihr aber, wenn ihr über diese Dinge entscheidet, nehmt solche, die in der Gemeinde nichts gelten, und setzt sie als Richter ein. Zu eurer Schande muss ich das sagen: Gibt es denn keinen Weisen unter euch, nicht einmal einen, der zwischen Bruder und Bruder richten könnte?
Vielmehr richtet ein Bruder über den anderen, und das vor Ungläubigen. Es ist schon schlimm genug, dass ihr miteinander vor Gericht zieht. Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?
Stattdessen tut ihr Unrecht und übervorteilt einander – und das unter Brüdern. Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht erben werden? Lasst euch nicht irreführen: Weder Unzüchtige noch Gottgötzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes erben.
Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.
Gebet zur Öffnung der Herzen
Lasst uns beten.
Vater, wenn wir auf dein Wort hören, dann bitten wir dich, Herr, dass du unsere Herzen wirklich dafür öffnest – für die Botschaft, die du uns heute sagen möchtest.
Herr, unser Leben liegt offen vor dir wie ein Buch. Du kennst unsere Herzen, du kennst den Streit und die Konflikte, in denen manche von uns stehen. Wir wollen beten, dass dieses Wort uns helfen darf, wirklich den Frieden und die Versöhnung zu suchen – gerade in der Gemeinde.
Herr, rüste uns aus, damit die Einheit gestärkt wird – dir zur Ehre, uns zum Besten und zum Zeugnis für diese Welt.
Amen.
Verpflichtung zur Konfliktlösung in der Gemeinde
Ja, in diesem Abschnitt macht Paulus – und damit auch Gott durch Paulus – ganz deutlich, dass Konflikte in der Gemeinde zu lösen sind. Das ist keine optionale Aufgabe, keine Sache, die man machen kann oder nicht. Sondern als Christen, als Geschwister sind wir dazu verpflichtet.
Das soll uns kennzeichnen. Daran erkennt die Welt, daran erkennen wir auch in der Gemeinde unsere neue Identität in Jesus Christus. Es zeigt sich daran, wie wir mit unseren Konflikten umgehen, dass wir sie in der Gemeinde angehen und dort auch beilegen.
Ich möchte in drei Punkten mit euch durch diesen Text gehen.
Zunächst sehen wir in den Versen 1 bis 6, wo der richtige Ort für unsere Konflikte ist. Der Ort, an dem wir sie lösen und bearbeiten sollen, ist laut Paulus die Gemeinde.
Das zweite, was wir in den Versen 7 bis 8 sehen, geht etwas tiefer: mit welcher Herzenshaltung sollen wir in Konflikten unterwegs sein? Oder allgemein in der Gemeinde? Wenn wir die Herzenshaltung haben, die Paulus beschreibt, wird es viel weniger Streit geben. Das ist schon mal ganz klar. Diesen Punkt schauen wir uns als Zweites an.
Drittens: Was ist eigentlich die Grundlage? Woher kommt die Kraft dafür, dass wir unsere Konflikte anders lösen können als die Welt? Darauf möchte ich ebenfalls eingehen.
Der richtige Ort zur Konfliktlösung (Verse 1-6)
Schauen wir zuerst, wo wir Unrecht klären sollen – der richtige Ort, die Verse 1 bis 6.
Paulus leitet hier das Problem mit einer Frage ein. Er sagt: „Wie kann jemand von euch wagen, wenn er einen Streit hat mit einem anderen, sein Recht vor den Ungerechten zu suchen und nicht vor den Heiligen?“
Vielleicht ist es gut, erst einmal festzuhalten, dass Paulus hier ganz deutlich macht: Es wird Streit geben. Ja, es gibt Konflikte in der Gemeinde. Er fängt nicht an und sagt: „Das darf es gar nicht geben, streitet euch nicht, lasst das.“ Es gehört sich nicht. Er rechnet erst einmal damit. Es ist ganz realistisch, es gibt Konflikte und Streit in der Gemeinde.
Paulus kannte sein eigenes Herz. Das sehen wir zum Beispiel in Römer 7, wo er sagt, dass das Gute, das er will, er nicht tut, und das Böse, das er nicht will, das tut. Wir sehen das in der Bibel auch an anderen Stellen: Wir sind noch nicht fertig, Gott ist noch nicht fertig mit uns. Das heißt, es kann Streit in der Gemeinde geben.
Was er aber kritisiert, ist, dass der Ort, an dem ihr euren Streit austragt, der falsche Ort ist. Sie sind mit ihren Konflikten vor die Richter der Stadt gegangen und haben sich dort bekämpft.
Paulus verwendet hier das Wort „ihr bringt es vor die Ungerechten“. Damit will er nicht sagen, dass es in Korinth keine guten Juristen gab oder dass man in Korinth keinen fairen Prozess bekommen konnte. Dieses Wort „die Ungerechten“ meint einfach, dass das keine Christen sind, die nicht gerecht vor Gott sind.
Ihre Gerechtigkeit ist eine menschliche Gerechtigkeit. Sie handeln nach Menschenweisheit, und da kann man auch schon einiges richtig erkennen. Da kann man auch ein faires Urteil fällen. Aber das Problem ist: Ihr bringt euren Konflikt vor die Nichtchristen, und ihr solltet ihn doch vor den Heiligen bearbeiten. Das sind alle Christen, nicht nur ein paar besonders Fromme.
Paulus sagt: „Wie könnt ihr das machen? Wie könnt ihr euren Konflikt dorthin tragen?“ Das ist eine Schande, sagt er in Vers 5. Das gehört sich nicht, dass ihr das nicht selber regeln könnt.
Wir schauen uns gleich an, warum er das so kritisch gesehen hat.
Umgang mit Gerichtsbarkeit und Konflikten
Ich denke, es ist wichtig, zuerst zu klären, ob Christen überhaupt vor Gericht gehen dürfen. Sonst verstehen wir Paulus hier, glaube ich, falsch. Es ist hilfreich, kurz darüber nachzudenken, wie Paulus sonst über das Gericht gedacht hat.
Ein erster Punkt ist, dass Paulus grundsätzlich ein sehr positives Verhältnis zum Staat und auch zum Rechtssystem hatte. Er sagt in Römer 13, inspiriert vom Heiligen Geist, dass die Obrigkeit eine Dienerin Gottes ist, eingesetzt von Gott, um das Böse in dieser Welt zu bestrafen und um Gerechtigkeit sowie Ordnung in einer Gesellschaft zu fördern. Das ist etwas Gutes. Das hat Paulus geglaubt.
So hat er auch auf das Gerichtswesen geschaut. Er hat sogar das oberste Gericht, das kaiserliche Gericht, einmal angerufen in seinem eigenen Fall, als er als Christ verfolgt wurde und im Gefängnis saß. Er sagt, er wolle einen Prozess vor dem Kaiser in Rom. Heute würde man vielleicht sagen, er hätte sich vor das Bundesverfassungsgericht geklagt mit seinem Fall. Das zeigt, dass er nicht grundsätzlich gegen das Gericht war.
Zweitens geht es in dem Abschnitt sicher nicht darum, dass wir schweres Unrecht, das auch im Kontext einer Gemeinde passieren kann, immer nur unter Christen regeln sollen. Wenn wir zum Beispiel an manche Missbrauchsfälle denken, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch öffentlich bekannt wurden, wissen wir, dass Gemeinden, auch evangelikale Gemeinden, solche Fälle manchmal intern geregelt und vertuscht haben. Das ist nicht richtig. Es handelt sich um Unrecht, das unser Gesetzgeber als anzeigepflichtig erklärt. Wenn wir das nicht melden, versündigen wir uns an den Opfern und machen es einem Täter vielleicht leichter, weiterzumachen, gerade im Kontext einer Gemeinde.
Darum geht es hier nicht: Wir sollen das Strafrecht nicht aushebeln und uns darüber hinwegsetzen, indem wir alles intern in der Gemeinde regeln. Aber es gibt auch viel Unrecht, das nicht strafrechtlich relevant ist und das auch unter Glaubensgeschwistern vorkommen kann.
Ein paar Beispiele: Ein Christ, der einem anderen Christ Geld schuldet und es nicht zurückzahlen kann oder will – das ist ein Konflikt. Ein Vermieter, der Dinge von seinem Mieter fordert, die er nicht fordern darf, oder ein Mieter, der sich unrechtmäßig gegenüber seinem Vermieter verhält. Ein Bruder, der das Auto beschädigt. Es gibt viele Dinge, die vor Gericht keine Chance hätten. Es gibt Konflikte, die aber trotzdem da sind.
Auch Ehepaare, die meinen, der andere schulde ihnen etwas oder solle mehr in die Ehe investieren, oder leibliche Geschwister, die miteinander im Streit liegen – all das kann in der Gemeinde vorkommen. Viele solcher Themen werden in unserem Rechtssystem so behandelt, dass man sie nicht unbedingt zur Anzeige bringen muss. Es handelt sich um Privatrecht.
Man muss solche Fälle nicht vor einen Richter bringen. Man kann das tun, aber es gilt der Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter. Man kann das auch miteinander regeln. Um solche Fälle geht es hier. Und genau da fordert Paulus, dass wir diese Konflikte unter Christen regeln.
Gründe für die Konfliktlösung in der Gemeinde
Und warum sagt er das? Erstens, weil der erste Punkt, den er macht, ist: Ihr habt die Kompetenz und die Ressourcen, das selbst zu lösen. Das ist ein ganz erstaunlicher Punkt, den er da macht. Er erinnert die Christen in Korinth und auch uns Christen hier in München an eine ganz, ganz große Wahrheit, die schwer zu fassen ist.
Er sagt in Vers 2: Wisst ihr nicht – denkt mal darüber nach – wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Ihr werdet einmal, wenn der Herr Jesus Christus wiederkommt, mit ihm diese Welt richten. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Engel richten werden? Das ist unvorstellbar.
Ich ahne, dass einige jetzt neugierig fragen: Was soll das bedeuten? Wie werden wir denn diese Welt richten? Wie werden wir die Menschen richten? Wie werden wir die Engel richten? Und ich fürchte, ich kann eure Neugier nicht befriedigen. Die Bibel sagt uns, der Tag wird kommen, aber sie sagt wenig darüber, wie das sein wird.
Sie sagt ein bisschen was, zum Beispiel wenn man in Daniel 7 schaut. Dort sieht der Prophet Daniel in einer Vision, dass der Tag kommt, an dem den Heiligen des Allerhöchsten das Gericht von Gott übergeben wird. Also bekommen die Heiligen das Gericht von Gott übergeben. Jesus sagt es in Matthäus 19 seinen Jüngern, dass sie einmal über die Stämme Israels richten werden. Aber es ist nicht viel, und es ist nicht so klar, wie das genau aussehen wird. Noch weniger klar ist es mit dem Gericht über die Engel. Aber Paulus sagt: Das wird passieren. Der Tag kommt, da werdet ihr richten.
Das Entscheidende an dieser Stelle ist nicht, dass wir uns zu intensiv mit diesem Tag beschäftigen, der einmal kommt. Der Vergleichspunkt, den er hier macht, ist: Wenn ihr da als Richter von Gott eingesetzt werdet, mit ihm richtet, wie viel mehr sollt ihr es hier im Hier und Jetzt mit diesen ganzen kleinen Konflikten, die ihr habt, schaffen, ein gerechtes Urteil zu fällen und euch zu einigen? Das auf die Reihe zu bekommen?
Ihr werdet einmal über Fragen der Ewigkeit beim Gericht dabei sein, wo es um Leben und Tod geht. Wie viel mehr sollt ihr diese ganzen alltäglichen kleinen Themen regeln? Das müsst ihr hinkriegen. Regelt eure Konflikte innerhalb der Gemeinde und seht es als ein Übungsfeld für den Jüngsten Tag.
Ihr habt die Weisheit Gottes, ihr habt sein Wort, ihr wisst, was gut ist und was gerecht ist. Wer, wenn nicht die Christen, sollte wissen, was wirklich gerecht ist? Wir kennen den Gott, der als entscheidendes Merkmal auch hat, gerecht zu sein – perfekt gerecht. Ihr habt die Weisheit. Und wenn sie euch fehlt, dann bittet um Weisheit den Gott, der jeden gerne gibt, der ihn darum bittet.
Konflikte als familiäre Angelegenheit
Der zweite Grund, den Paulus nennt, ist folgender: Jeder Konflikt zwischen Christen ist ein Streit zwischen Bruder und Bruder, also ein Streit unter Geschwistern. Das sagt er in Vers 5: Bruder und Bruder streiten miteinander. Es handelt sich also um eine Familienangelegenheit.
Wenn man eine Familienangelegenheit friedlich lösen möchte, kann man das nicht vor Gericht tun. Leibliche Geschwister, die ihr Erbe vor Gericht durchgefochten haben, können ein Lied davon singen. Solche Gräben werden mit jedem Gerichtstag tiefer. Es gibt Familien, die tief zerstritten sind, weil sie vor Gericht gegeneinander gekämpft haben.
Wenn wir Familienangelegenheiten von einem Richter klären lassen, bleibt in der Regel viel verbrannte Erde zurück. Die Gräben werden immer tiefer, und am Ende gibt es fast immer nur Verlierer. Das gilt auch für die Gemeinde. Es ist ein riesiges Problem, wenn wir als Geschwister streiten. Solche tiefen Konflikte zerstören unsere Einheit und den Frieden, zu dem Jesus Christus uns berufen hat.
Die Frage, wie ich einen Konflikt gegen einen Bruder oder eine Schwester gewinne, ist eigentlich tabu. Wie gewinne ich? Wie bekomme ich Recht? Diese Fragen sind viel zu wenig. Es geht nicht einfach ums Recht, sondern immer um die Beziehung.
Ich habe das Privileg, immer wieder Ehepaare zu begleiten oder Paare auf dem Weg in die Ehe. Dabei sprechen wir immer darüber: Wenn ihr Konflikte miteinander habt und einer sich auf Kosten des anderen durchsetzt, verliert ihr beide. Ihr seid eins, ihr habt eine Einheit. Wenn einer gewinnt, verlieren beide, weil eine Trennung entsteht. So ist es auch in der Gemeinde.
Es geht also immer um Gerechtigkeit – was ist gut, was ist gerecht? Aber es geht auch darum, wie wir die Beziehung erhalten oder eine beschädigte Beziehung heilen können. Viel davon gelingt schon, wenn wir einfach Jesus beim Wort nehmen und das, was er uns in Matthäus 18 über die Streitbeilegung in der Gemeinde sagt.
Er sagt: Wenn jemand an dir sündigt, wenn ein Bruder an dir sündigt, dann geh als erstes zu ihm hin (Matthäus 18,15) und weise ihn zurecht. Sprich es unter vier Augen an. Das fällt den meisten von uns unglaublich schwer. Aber es kann sehr heilsam sein, wirklich zu versuchen, den Bruder oder die Schwester in einem Konflikt zu gewinnen und das Thema offen anzusprechen.
Nicht immer gelingt das. Deshalb sagt Jesus in Matthäus 18 auch: Geht den nächsten Schritt und holt andere dazu, die euch helfen, den Konflikt zu lösen. Zwei oder drei andere sollen sich in das Gespräch einschalten, um den Bruder zu gewinnen.
Das ist ganz wichtig: Wir dürfen Konflikte nicht nach außen tragen, sondern müssen sie miteinander bearbeiten. Dabei sollen wir uns an die Vorgaben von Jesus und Paulus halten. Es ist immer zwischen Bruder und Bruder, Schwester und Schwester. Wir wollen eine Lösung finden, die den Frieden wiederherstellt.
Es ist ein Problem, wenn das nicht gelingt und man im Konflikt lebt. Wenn Bruder und Bruder in der Gemeinde im Konflikt leben, ist das niemals nur eine Privatsache. Es betrifft immer die gesamte Gemeinde und ihre Einheit.
Deshalb möchte ich alle ermutigen, solche Konflikte nicht zu verdrängen. Wir erleben sie immer wieder. Vielleicht bist du gerade in einem Konflikt mit jemand anderem in der Gemeinde. Geh das an, schiebe es nicht auf.
Wenn du Hilfe brauchst, frag danach. Ein besonderer Fall sind sicher Ehen. Ich nehme manchmal wahr, dass auch christliche Ehepaare denken, sie müssten das alleine schaffen. Dann kämpfen sie zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre lang, und die Gräben sind so tief, dass es schwer wird, wieder zueinander zu finden.
Frag um Hilfe. Lass deine Geschwister dir helfen. Lasst euch helfen, diesen Konflikt zu lösen und die Einheit zu suchen.
Die Außenwirkung von Konflikten in der Gemeinde
Ein dritter Grund, warum wir Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde regeln sollten, wird von Paulus deutlich gemacht. Er fordert uns auf, darüber nachzudenken, welches Bild wir nach außen abgeben, wenn wir uns streiten. Einerseits betrifft es die Einheit untereinander, andererseits die Wahrnehmung durch Außenstehende.
In Vers 6 sagt Paulus: "Vielmehr rechtet ein Bruder mit dem anderen, und das vor Ungläubigen." Hier ermahnt Paulus die Christen eindringlich, sich bewusst zu machen, welches Bild sie abgeben, wenn sie ihren Streit öffentlich austragen. Jesus hat gesagt, dass die Welt erkennen wird, dass wir seine Jünger sind, an der Liebe, die wir untereinander haben. Doch viele Christen zeigen genau das Gegenteil: nicht die Liebe, sondern Streit und mangelnde Zuneigung, und das auch noch nach außen getragen. Das ist eine schlechte Werbung für das Evangelium.
Paulus will jedoch nicht, dass die Christen ihre Konflikte einfach unter den Teppich kehren oder nur ein Sonntagsgesicht zeigen und Frieden vorspielen, wo keiner ist. Darum geht es ihm nicht. Aber sie sollen keine Schlammschlacht vor den Augen der Öffentlichkeit austragen, die genau beobachtet, wie Christen leben. Die Frage ist: Haben sie wirklich verstanden, wie der Glaube sie verändern soll? Die Gemeinde in Korinth musste feststellen, dass sie nicht besser war als der Rest der Welt. Es herrschte ein Hauen und Stechen, und jeder suchte seinen eigenen Vorteil – genau wie in der Welt.
Streit und Unrecht in der Gemeinde sind für Außenstehende ein gefundenes Fressen. Manche berichten von solchen Konflikten an Geschwister oder Familienangehörige, die nicht gläubig sind. Wenn diese das sehen, sagen sie: "Seht einmal, wie die Christen sind." Auch die Medien stürzen sich auf solche Geschichten. Es gibt immer wieder Berichte über Streit unter Christen, und ich muss sagen, sie haben recht. Sie legen zu Recht den Finger in die Wunde, wenn sie sagen: "Eigentlich sollte es bei euch Christen anders sein. Eigentlich müsste da doch Liebe, Gnade und Barmherzigkeit sein."
Die Welt beobachtet uns also genau, und es steht viel auf dem Spiel, wenn wir unsere Streitigkeiten nicht besser lösen – nämlich anders als die Welt.
Die richtige Haltung in Konflikten (Verse 7-8)
Was Paulus ab Vers sieben macht, ist, dass er etwas tiefer geht und ans Herz sowie an die Haltung appelliert, mit der wir uns als Christen in Konflikten verhalten sollen. Anders als in dieser Welt ist dies der zweite Punkt: Wie wir Unrecht begegnen sollen – mit der richtigen Haltung.
Paulus schreibt hier in Vers sieben: „Es ist schon schlimm genug, dass ihr miteinander rechtet.“ Er weiß, dass es Streit geben wird, doch er sagt auch, dass das ein Problem ist. Nicht nur, wenn ihr das vor die Richter der Stadt tragt, sondern auch in der Gemeinde ist es problematisch. Es ist schlimm genug, wenn ihr miteinander rechtet.
Dann stellt er zwei sehr herausfordernde Fragen in Vers sieben: „Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?“ Das liest sich leicht, aber jeder von uns weiß, wie schwer das ist. Ich soll mir Unrecht tun lassen? Ich soll den Kürzeren ziehen, wenn ich doch denke, dass ich im Recht bin? Ich soll mich übervorteilen lassen? Will Paulus hier wirklich, dass ich das alles mitmache? Nicht kämpfen, obwohl ich ausgenutzt werde? Wer muss sich denn als Christ alles bieten lassen?
Hier erinnert Paulus an das, was Jesus bereits in der Bergpredigt gesagt hat. Wenn man eine Bibel hat, kann man gerne ins Matthäusevangelium schauen, das ist auf Seite acht im hinteren Teil. Jesus sagt in Matthäus 5,38-42: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstehen sollt dem Übel. Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete auch die andere dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.“
Wenn die Fragen von Paulus herausfordernd sind, dann ist das, was Jesus hier sagt, mindestens genauso herausfordernd. Paulus sagt nur das, was Jesus schon gesagt hat. Er stellt die Frage: Warum seid ihr nicht mit einer ganz anderen Herzenshaltung unterwegs? Mit der Herzenshaltung, die Jesus in der Bergpredigt beschreibt, wo er sagt: So sollen meine Jünger leben. Das ist Gottes Programm für euch.
Ja, Ungerechtigkeit ganz oft zu ertragen, den zu segnen, der mich ausnutzt, nicht immer das zu fordern, was jetzt gerecht wäre, was ich meine, was mir zusteht oder was mir vielleicht sogar wirklich zusteht. Sondern diesen Weg zu gehen, den Jesus hier beschreibt.
Jesus hat das ja nicht nur gepredigt, er hat es auch viel besser und viel vollkommener gelebt, als das irgendjemand von uns leben könnte. Er „erwiderte die Schmähungen nicht, als er geschmäht wurde“, heißt es in 1. Petrus 2,23.
Wie schwer fällt es uns schon, ruhig zu bleiben und nicht zurückzuschimpfen, wenn uns jemand etwas Böses sagt. Sie haben ihn angespuckt – Jesus hat nicht zurückgespuckt. Sie haben sich über ihn lustig gemacht – Jesus hat nicht mitgemacht. Er wurde ausgepeitscht, geschlagen, die Dornenkrone aufs Haupt gepresst, und das Blut floss über sein Gesicht. Jesus hat sich nicht gewehrt.
Sie machten diesen Prozess mit ihm, bei dem ganz klar wurde – auch Pilatus merkte es –, dass er eigentlich nichts Böses getan hatte. Trotzdem verurteilten sie ihn und schlugen ihn ans Kreuz von Golgatha. Jesus hat sich nicht gewehrt.
Und er hat das nicht stoisch ertragen. Das war überhaupt kein stoisches Ertragen. Er war völlig involviert, seine Seele war involviert. Aber er tat noch etwas anderes: Er betete sogar am Kreuz für seine Feinde und segnete sie mit diesem Gebet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Jesus hat das zuallererst selbst gelebt und sagt seinen Nachfolgern, seinen Jüngern: Folgt mir nach!
Herausforderung und Selbstreflexion
Paulus legt hier den Finger in die Wunde. Er sagt: Ihr seid Christen – das spricht er den Korinthern nicht ab. Ja, das haben wir am Anfang gesehen. Er spricht sie als die Heiligen an, das sind Christen.
Aber euer Konfliktverhalten zeigt so wenig von Christus, von seinem Programm, von dem, was er gepredigt hat. Warum seid ihr nicht bereit, seinem Vorbild zu folgen und seine Worte in eurem Leben umzusetzen? Er ist doch euer Herr. Wieso seid ihr so wenig bereit, Unrecht zu ertragen und Nachteile für andere in Kauf zu nehmen? Stattdessen tut ihr Unrecht und übervorteilt euch sogar noch unter Brüdern (1. Korinther 6,8).
Das Leben vieler dieser Korinther zeigte so wenig von der Liebe und der Opferbereitschaft Jesu. Stattdessen offenbarte es viel Selbstsucht, Stolz und Egoismus. Sie wollten mehr bekommen, als sie bereit waren zu geben. Oft bauten sie mehr ihr eigenes Reich als Gottes Reich.
Paulus fordert sie wirklich heraus: Schaut in den Spiegel! Erschreckt ihr euch nicht über das, was ihr da seht? So wenig Jesus, so viel alter Mensch. Überdenkt eure Haltung.
Und, ihr Lieben, als ich diese Woche über diesen Abschnitt nachgedacht habe, musste ich feststellen: Wir sind als Gemeinde nicht am selben Punkt. Ich bin immer ein großer Fan davon, wirklich jeden Bibeltext auch ins Gemeindeleben anzuwenden und so zu übernehmen. Aber ich muss schon sagen, bei uns ist es ein bisschen anders.
Ich habe oft genug miterleben dürfen, wie Geschwister ihre Streitigkeiten und Konflikte friedlich miteinander geregelt und beigelegt haben. Wir haben es vorhin schon gesagt: Hier zieht niemand – zumindest aktuell – gegeneinander vor Gericht. Und das sollte auch so bleiben. Nehmen wir uns das zu Herzen.
Aber ich habe auch gesehen, wie Geschwister opferbereit waren. Sie haben gesagt: Ich beharre nicht hartherzig auf meinem Recht, auch wenn mir etwas zusteht. Ich bin bereit, Kompromisse zu machen – aus Liebe zu meinem Bruder, aus Liebe zu meiner Schwester. Mir ist die Beziehung, mir ist die Einheit in der Gemeinde wichtiger, als dass ich meine eigene Agenda durchsetze.
Und trotzdem ist es gut, dass wir uns immer wieder an solchen Abschnitten, auch an der Bergpredigt, reflektieren und uns fragen: Ist das mein Antrieb? Bin ich so unterwegs, zuallererst in der Gemeinde, mit meinen Glaubensgeschwistern, dass ich wirklich den Segen für sie suche? Bin ich bereit, nicht alles aufzurechnen? Bin ich bereit, lieber kein Recht zu bekommen, als auf Kosten meines Bruders oder meiner Schwester zu handeln?
Aber ist es nicht doch ein bisschen zu viel verlangt von Jesus und dann auch von Paulus, dass wir Unrecht ertragen sollen, die Extrameile gehen und auf eigene Vorteile verzichten? Wie schafft man das?
Grundlage und Kraft für ein anderes Konfliktverhalten (Verse 9-11)
Da helfen uns die letzten drei Verse. Dort sehen wir, wie wir Unrecht ertragen können, welche richtige Grundlage und welche Kraft dafür nötig sind. Woher kommt das, dass wir so leben können?
Ich möchte uns das noch einmal lesen, Verse 9 bis 11: „Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen, weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder...“
Kurzer Einschub hier: Dieses „Lustknaben“ und „Knabenschänder“ klingt noch ein bisschen nach Prostitution und Ausbeutung. Tatsächlich geht es im Griechischen hier viel allgemeiner um homosexuelle Praxis. Es ist also ganz wichtig, an dieser Stelle zu sehen, dass die Lutherbibel hier nicht glücklich übersetzt. Es geht um Menschen, die ihre Homosexualität ausleben. Diese sind hier mitgemeint.
Dann fährt Paulus fort: „Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber – sie werden das Reich Gottes nicht erben.“ Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.
Was auch noch wichtig ist bei dieser Liste: Paulus spricht hier über Menschen, deren Identität es ist, so zu leben – als Säufer, als Lästerer oder als jemand, der in sexueller Unmoral lebt. Auch als Christen können wir noch versucht sein, solche Dinge zu tun. Und wir dürfen immer wieder umkehren.
Wir haben letzte Woche gesehen, als wir über einen Gemeindeausschluss aus Liebe nachgedacht haben, dass im Abschnitt davor das Problem dieses Mannes beschrieben wird, der seine Stiefmutter hatte. Das größte Problem war nicht, dass er seine Stiefmutter hatte – das war schlimm genug –, sondern dass er nicht umgekehrt ist, keine Buße getan hat. Deshalb sagt Paulus: Schließt ihn aus, der muss raus. Er lebt so, als wäre er kein Christ. Tatsächlich ist er kein Christ, wenn er darin verharrt, wenn ihm das wichtiger ist als der Gehorsam gegenüber Jesus Christus. Das ist der Punkt.
Paulus behandelt hier das Thema der Streitsucht, der Konflikte und all der Dinge, die er beschreibt. Er sagt: Wenn jemand darin verharrt, in seiner Streitsucht, egoistisch immer sein Recht zu bekommen, dann ist er genauso in Gefahr wie alle anderen, die hier beschrieben sind. Das zeigt, was von seinem Herzen kommt und dass er den Herrn Jesus noch gar nicht wirklich kennt. Er wird genauso wenig wie all die anderen, die nicht umgekehrt sind und in ihrer Sünde leben, das Reich Gottes sehen können.
Das ist eigentlich eine sehr scharfe Warnung. Aber Paulus bleibt nicht dabei stehen. Er macht hier keine Strafpredigt, sondern sagt zu den Korinthern: Solche sind einige von euch gewesen. Ihr wart mal Ungerechte, ihr wart mal vor Gott schuldig. Ihr habt mal gottesgerechtes Gericht verdient, weil ihr so gelebt habt, weil eure Herzen so schief waren, so krumm, weil ihr nicht nach Gottes Willen gelebt habt. So wart ihr mal.
Aber in Vers 11 sagt er: „Ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.“ Ihr seid nicht mehr so, sagt er ihnen. Ihr seid völlig neue Menschen geworden durch Jesus Christus.
Jesus Christus hat am Kreuz die Strafe bezahlt für eure Ungerechtigkeit. All eure Rebellion gegen Gott hat ihn ans Kreuz gebracht. Aber Gott ist nicht nur ein gerechter Gott, der Sünde nicht einfach ungestraft lassen kann und jede Sünde bestrafen wird. Er ist auch ein Gott der Liebe, er ist barmherzig.
Deshalb ist Jesus diesen Weg gegangen, ist ans Kreuz gegangen und hat sein Leben gegeben, um eure Schuld auf sich zu nehmen. Damit ihr frei werdet. Reingewaschen von eurer Schuld, heißt es hier. Ihr seid heilig geworden, das heißt, ihr seid passend für Gott. Ihr könnt jetzt mit Gott zusammen sein. Ihr seid gerecht.
Das muss doch etwas verändern, liebe Korinther, dass ihr eine neue Identität habt in Christus.
Einladung zur Reflexion und Glaubensentscheidung
Das ist der erste Schritt: Ich muss begreifen, dass ich ungerecht bin vor einem heiligen Gott. Ich stehe auf dieser Liste, auch wenn ich vielleicht sage: „Na ja, sexuell habe ich mich eigentlich immer anständig verhalten, und meine Worte habe ich immer gut gewählt.“ Wir sind alle darin enthalten. Paulus sagt, es gibt nicht einen einzigen, der gerecht ist. Die Bibel bestätigt das.
Deshalb möchte ich dich ermutigen: Vielleicht hast du das noch nie so richtig gesehen. Vielleicht kämpfst du noch und stellst dir immer wieder die Frage: Wie werde ich gerecht vor Gott? Wie hilft mir Jesus? Du kannst auf mich oder jemanden zukommen, der hier vertrauenswürdig wirkt. Wir wollen gern mit dir darüber reden, denn es ist die wichtigste Frage: Wie werde ich gerecht vor Gott? Wie kann ich vor ihm bestehen?
Dann stellt sich aber die Frage: Wenn wir mit Jesus leben, wenn wir an ihn glauben und auf ihn vertrauen, dass er wirklich alles bezahlt hat – wie zeigt sich das jetzt in meinem Leben? Woher kommt die Kraft für dieses Leben, in dem wir sowohl die Gerechtigkeit suchen als auch die Liebe und Barmherzigkeit? Wo diese Dinge wirklich zusammenkommen und wir eine Einheit leben?
Die Antwort, die Paulus hier gibt, ist, dass es dafür kein besonderes Erlebnis braucht. Es braucht kein besonders kraftvolles Gebet, mit dem ich es jetzt wirklich schaffen kann. Vielmehr ist es wichtig, dass ich mich erinnere, wer ich war und wer ich durch Jesus Christus geworden bin.
Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht als Beispiel für Gnade
Wir haben vorhin in der Textlesung dieses Gleichnis aus Matthäus 18 gehört. Jesus erzählt darin von einem Konflikt – eigentlich sind es zwei Konflikte. Der erste Konflikt spielt sich zwischen einem König und einem seiner Knechte ab.
Der König rechnet ab und stellt fest: Dieser Knecht schuldet ihm eine unglaublich hohe Summe. Er fordert die Zahlung ein. Da der Knecht nicht bezahlen kann, sagt der König: „Gut, dann verkaufe deine Frau, deine Kinder und dein Gut. Alles wird verkauft, bis die Schuld beglichen ist.“
Der Knecht bittet daraufhin: „Herr, ich kann nicht bezahlen, bitte vergib mir meine Schuld.“ Der König zeigt sich großzügig und spricht: „Wir streichen das alles, das geht auf meine Rechnung. Du kannst gehen, du bist frei.“
Dann verlässt der Knecht den König. Es kommt zum zweiten Konflikt: Der Knecht hat mit einem anderen Knecht zu tun, der ihm ebenfalls Geld schuldet – ich glaube, es sind hundert Silbergroschen, was auch keine Kleinigkeit ist. Er fordert von ihm die Bezahlung. Doch der andere Knecht sagt, er könne nicht bezahlen.
Der Knecht, dem zuvor vom König eine große Schuld erlassen wurde, handelt jedoch hart und lässt seinen Mitknecht ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld beglichen hat.
Der König erfährt davon und sagt: „So geht das nicht. Du kannst nicht meine Gnade in Anspruch nehmen und dann so hartherzig und ungerecht mit anderen sein.“ Daraufhin lässt er auch diesen Knecht ins Gefängnis werfen. Er hat die Gnade nicht verstanden.
Hast du Gottes Gnade erlebt? Hast du sie besser verstanden als dieser Knecht? Aus dieser Gnade kommt die Kraft, Konflikte anders zu lösen als die Welt. Schau, wer du einmal warst, und schau, wer du durch Jesus Christus geworden bist.
Schlussgebet um Kraft und Einheit
Lasst uns beten!
Herr Jesus, wir danken dir an diesem Tag von ganzem Herzen, dass du gekommen bist, um Frieden zu schaffen zwischen uns und Gott. Wir hätten nichts dafür tun können, wir hätten es nicht schaffen können. Doch du hast uns gerecht gemacht. Du hast unsere Schuld am Kreuz von Golgatha getragen. Dafür loben wir dich und beten dich an. Wir wollen dir Danke sagen.
Wir beten, dass wir noch viel tiefer begreifen, welch unfassbar große Schuld du von unseren Schultern genommen und auf dich geladen hast. Wir bitten dich, dass wir das Leben in der Freiheit, das du uns schenkst, so gebrauchen, wie es dir gefällt und wie es dich ehrt.
Du kennst unsere Kämpfe. Du kennst den Egoismus und die Selbstsucht, die immer noch in unseren Herzen sind. Wir bitten dich, dass dein Geist wirklich etwas in uns verändert. Hilf uns, uns Tag für Tag daran zu erinnern, wie groß deine Gnade für uns ist und dass wir diese Gnade weitergeben können.
Wir beten für unsere Ehen und für alle anderen Beziehungen in dieser Gemeinde. Herr, lass die Welt das auch in unserem Miteinander erkennen. Du bist ein guter, gnädiger, liebevoller und barmherziger Gott, der Frieden stiften kann, wo die Welt nur Recht sprechen kann. Du bist der Gott, der Beziehungen wiederherstellt.
Herr, lass uns das noch mehr erleben. Wir loben dich für alle Früchte, die wir davon schon sehen dürfen. Stärke unsere Einheit. Mach uns durch deine Gnade konfliktfähiger. Amen.
