Liebe Geschwister, es wurde der Wunsch geäußert, dass ich etwas zum Thema „Die Gemeinde oder die Versammlung als Leib Christi“ sage. Wir wollen uns an zwei Abenden näher mit diesem Thema beschäftigen.
Wenn wir über den Leib Christi nachdenken, können wir im Neuen Testament etwa fünf Hauptthemen entdecken, die besonders mit diesem Thema verbunden sind. Wenn die Bibel vom Leib Christi spricht, möchte sie uns vor allem die Verbindung deutlich machen, die wir als Erlöste zu unserem Herrn haben. Sie erklärt, dass unsere Beziehung eine organische Beziehung ist – ähnlich wie der Körper oder der Leib in Verbindung mit dem Haupt, dem Kopf. Eine engere, tiefere Beziehung gibt es kaum als eine organische Verbindung.
Die Reihenfolge der Punkte auf dem Blatt hat keine Wertung zur Folge. Man könnte die Punkte auch anders anordnen, zum Beispiel den fünften Punkt an den Anfang stellen.
Ein weiterer Punkt drückt die Verbindung der Erlösten untereinander aus. Es wird deutlich, dass die Erlösten keine Solochristen sind, sondern in einer lebendigen organischen Beziehung zueinander stehen – nämlich als Glieder zu anderen Gliedern, als körperliche Glieder zu anderen Körpergliedern.
Dieses Thema betont besonders die Einheit der Erlösten. Der menschliche Körper ist eine Einheit, und das wird auch hervorgehoben, wenn in der Bibel von einem Leib oder Körper gesprochen wird. Doch der Körper besteht aus einer Vielzahl von Teilen, von Gliedern. Deshalb wird im Neuen Testament nicht nur die Einheit der Erlösten betont, sondern auch die Vielfalt, die in dieser Einheit vorhanden ist. Es gibt viele verschiedene Glieder mit unterschiedlichen Funktionen, doch diese Glieder und Funktionen müssen zusammenwirken, damit alles Sinn und Ziel hat.
Ein weiteres Hauptthema in Verbindung mit dem Leib Christi ist die Vorrangstellung des Herrn. Der Herr Jesus ist das Haupt. Dieses Thema wird besonders im Kolosserbrief hervorgehoben. Christus ist das Haupt der Gemeinde, das Haupt des Leibes. Er allein hat das Recht zu regieren, zu dirigieren und zu führen.
Alle diese Punkte sind von großer praktischer Bedeutung, denn im Lauf der Kirchengeschichte sind in Verbindung mit diesen fünf Themen immer wieder Irrwege aufgetaucht. Wenn wir zum Beispiel an die Vorrangstellung des Herrn denken – er ist das Haupt, vom Kopf aus wird der menschliche Körper geleitet und dirigiert – dann sehen wir in der Kirchengeschichte oft Versuche, Menschen diese Stellung als Haupt einzuräumen.
Man spricht sogar unverhohlen davon, dass zum Beispiel der Papst das Haupt der römisch-katholischen Kirche sei. Oder wenn wir an die anglikanische Kirche denken: Dort ist das Haupt nicht ein Mann, sondern zurzeit immer noch eine Frau, Königin Elisabeth. Das ist eine besondere Entwicklung.
Nur um zu verdeutlichen: Das Problem, dass immer wieder Menschen als Haupt eingesetzt werden wollten, hat es immer wieder gegeben. Deshalb ist die Wichtigkeit dieses Themas – die absolute Vorrangstellung des Herrn als Autorität über seine Gemeinde – sehr groß.
Das soll als Übersicht dienen.
Überblick über die biblischen Hauptthemen zum Leib Christi
Unter dem nächsten Abschnitt habe ich alle Stellen zusammengestellt, die im Neuen Testament über den Leib Christi sprechen. Dabei habe ich versucht, kapitelweise diese Abschnitte zu charakterisieren.
Wir sehen in fast jedem Kapitel, dass der Akzent der Belehrung jeweils anders gesetzt ist. Das zeigt uns, wie vielfältig dieses Thema ist und wie viel Wegweisung es uns geben kann.
Nun kommen wir zum nächsten Punkt, bevor wir ins Detail gehen. Wir wollen über das Geheimnis des Leibes nachdenken. Der Epheserbrief erklärt uns, dass es sich bei diesem Thema um ein Geheimnis handelt. Deshalb müssen wir klären, was im Neuen Testament mit dem Begriff Geheimnis gemeint ist.
Griechisch heißt es Mysterion. Ein Mysterion, also ein Geheimnis im Neuen Testament, ist eine göttliche Wahrheit, die zur Zeit des Alten Testaments verborgen war in Gott, im Neuen Testament aber für die Erlösten offenbart worden ist.
Wenn wir Kolosser 1, Vers 26 lesen, heißt es dort zwar nicht vom Geheimnis des Leibes, sondern vom Geheimnis „Christus in euch“. Es wird gesagt, dass dieses Geheimnis „von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist“.
Hier wird deutlich gemacht, dass dieses Geheimnis in den früheren Generationen unbekannt war, zurück bis auf Adam und noch weiter. Nicht nur in den früheren Generationen, sondern auch in den früheren Zeitaltern, also in den früheren heilsgeschichtlichen Abschnitten oder Perioden.
Als Gegensatz dazu steht: Jetzt aber ist es den Erlösten, den Heiligen, mitgeteilt und offenbart worden.
Dasselbe wird auch im Epheserbrief gesagt, Kapitel 3, Vers 5. Dort geht es um das Geheimnis Christi, das in anderen Geschlechtern und Generationen den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden war, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist, in der Kraft des Geistes, offenbart worden ist.
Man sieht hier schön die Parallele zu Kolosser 1: In anderen, früheren Generationen war es verborgen, jetzt aber ist es offenbart. Allerdings heißt es im Epheserbrief, dass es den heiligen Aposteln und Propheten offenbart wurde, also den neutestamentlichen Propheten.
Im Kolosserbrief steht, dass es „seinen Heiligen“ offenbart wurde. Beides gehört zusammen: Zuerst wurde es den Aposteln und Propheten offenbart. Diese haben es weitergegeben, gerade durch die Schriften des Neuen Testaments, sodass es nun allen Heiligen offenbart ist.
Epheser 3, Vers 9 sagt noch weiter: „und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat.“
Wir sehen also, dass Epheser 3, Vers 5 und Vers 9 sich ergänzen: In den frühen Geschlechtern, in den frühen Zeitaltern, war es verborgen, jetzt aber offenbart.
Ganz nebenbei gesagt helfen diese Stellen auch zu zeigen, dass die Bibel wirklich heilsgeschichtliche Epochen unterscheidet.
Ich erwähne das, weil es heute immer mehr bibeltreue Christen gibt, die zwar glauben, dass die Bibel Gottes Wort ist, aber sagen, dass das mit den Zeitaltern oder Dispensationen eine Erfindung von Darby sei und in der Bibel nicht vorkomme. Sie meinen, es gebe nur ein altes und ein neues Testament, mehr nicht.
Doch wir sehen in diesen Stellen, dass von der früheren Zeit vor dem Neuen Testament in der Mehrzahl gesprochen wird: von den Zeitaltern.
Als Ergänzung sei Epheser 1, Vers 21 genannt. Dort geht es um Christus, der zur Rechten Gottes erhöht ist, über jedes Fürstentum, jede Gewalt, Kraft, Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, „nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“.
Wir haben also dieses Zeitalter gegenwärtig und ein zukünftiges Zeitalter.
Allein aus diesen Stellen ergibt sich, dass es mindestens vier Zeitalter geben muss: Im Alten Testament wird in der Mehrzahl von Zeitaltern gesprochen, also mindestens zwei, wenn nicht mehr. Dann haben wir das gegenwärtige Zeitalter und das zukünftige Zeitalter.
Allein aufgrund dieser wenigen Stellen sehen wir, dass dies keine menschliche Erfindung ist, sondern dass das Neue Testament von diesen Heilszeiten, von Heilsperioden spricht.
Das Geheimnis des Leibes Christi und heilsgeschichtliche Zusammenhänge
Und nun zum Geheimnis des Leibes. Das Thema vom Leib Christi war im Alten Testament verborgen, nicht bekannt und nicht geoffenbart. Erst im Neuen Testament wurde es offenbart. Das verleiht diesem Thema ein besonderes Gepräge, etwas Spezielles. Es ist etwas, das Gott lange Zeit zurückgehalten und verschwiegen hat. Erst nach dem Tod Christi, seiner Auferstehung und Himmelfahrt sowie mit dem Kommen des Heiligen Geistes wurde es uns als wunderbare Überraschung mitgeteilt.
Das verleiht dem Thema eine ganz besondere Würde und auch etwas Mysteriöses, Geheimnisvolles. Und wir haben ja gerne geheimnisvolle Dinge.
Einige Punkte zum Thema Geheimnisse ganz allgemein:
Alle Geheimnisse im Neuen Testament – es gibt neun in den Paulusbriefen, dazu eine Reihe in der Offenbarung und einige im Matthäusevangelium – haben einen Bezug zum Zeitalter der Gemeinde. Dieses Zeitalter, in dem die Geheimnisse nun geoffenbart sind, wird als das „Zeitalter der Zeitalter“ bezeichnet, zum Beispiel in Epheser 3,21. Es ist das herrlichste Zeitalter, ein Superlativ. Das macht unsere Zeit in Gottes Augen so wichtig.
Wir denken vielleicht, andere Zeitalter seien grandioser gewesen, doch in Gottes Augen ist offensichtlich unser Zeitalter das wichtigste und herrlichste.
Ein weiterer wichtiger Punkt:
Auch wenn die Gemeinde als Leib Christi im Alten Testament verborgen war, so wurde sie doch durch unzählige Bilder im Voraus dargestellt. Diese Bilder können jedoch erst mit dem Licht des Neuen Testaments im Nachhinein gedeutet werden. Das ist ein wichtiges Prinzip für die Bibelauslegung. Es gibt viele symbolische Hinweise auf die Gemeinde im Alten Testament, aber diese waren vor dem Licht des Neuen Testaments nicht wirklich verständlich.
Ein dritter Punkt:
Obwohl die Gemeinde im Alten Testament verborgen war, wurde dennoch der gläubige Überrest – und damit meine ich den gläubigen Überrest aus Israel, der einen Teil der Gemeinde ausmachen sollte – bereits prophetisch angekündigt. Das Alte Testament spricht also schon von einem Überrest aus Israel, der den Messias nicht ablehnen wird.
Es zeigt, dass der Messias von der Hauptmasse des Volkes Israel abgelehnt werden wird, aber ein Überrest wird ihn annehmen. Dieser Überrest wurde dann ab Pfingsten die Gemeinde. Das Geheimnis des Leibes Christi wurde jedoch noch nicht offenbart.
Noch ein weiterer Punkt:
Auch wenn die Gemeinde im Alten Testament verborgen war, wurde der Überrest aus den Nationen, der einen Teil der Gemeinde ausmachen sollte, ebenfalls prophetisch angekündigt. Im Alten Testament findet man Prophezeiungen, die sagen, dass sich nichtjüdische Menschen dem Erlöser, dem Messias, anschließen und ihm gehorchen werden.
Zum Beispiel in 1. Mose 49,10 sagt Jakob über den Stamm Juda: „Nicht weichen wird das Zepter von Juda, noch der Herrscherstab von zwischen seinen Füßen, bis dass der Schilo kommt.“ Das heißt, bis der Friedensbringer kommt, und ihm werden die Völker gehorchen oder sich anschließen.
Das Alte Testament sieht also, dass Menschen aus den Nationen dem Messias folgen werden, aber es sieht nicht, dass diese Gläubigen aus den Nationen und die Gläubigen aus Israel zu einer ganz neuen Einheit zusammengefügt werden. Das war neu und nicht geoffenbart.
Ein weiterer wichtiger Punkt:
Nur die Gemeinde selbst war im Alten Testament verborgen, nicht aber die Zeitepoche selbst. Das heißt, die Zeit, in der wir leben – diese lange Zeit, in der Israel in der Zerstreuung ist und in der wir die Zeit der Gnade haben – diese Zeitepoche wurde gesehen.
Man wusste, dass es diese Zeit geben sollte. Aber es wurde nicht gesehen, was Gott in dieser Zeit im Blick auf die Versammlung, die Gemeinde, tun wollte. Das ist der Punkt.
Ich betone das, weil uns diese Punkte oft von Kritikern, auch von gläubigen Kritikern, vorgehalten wurden. Sie sagen: „Ah ja, das stimmt nicht, was ihr da sagt. Natürlich sieht man diese Zeit im Alten Testament, das war doch kein Geheimnis, weil man sich nur nicht genau ausgedrückt hatte.“
Man muss sagen: Die Gemeinde war nicht gesehen, aber die Zeitepoche ist darin enthalten. Zum Beispiel in Hosea 3 steht: „So wird es den Kindern Israel ergehen: Sie werden viele Tage ohne Fürsten, ohne König sein und auch ohne Opfer.“ Das beschreibt die vergangenen fast zweitausend Jahre der Staatenlosigkeit und des Verlustes des Tempels.
Viele Tage – mehr als 1900 Jahre – das ist eine lange Zeit, die aber gesehen wurde. Auch 5. Mose 28 bis 64 spricht von der Zerstreuung Israels unter alle Völker und von Verfolgungen unter den Völkern. Das ist in dieser Zeit geschehen.
Gott hat jedoch nicht verraten, dass er in dieser Zwischenzeit den Leib Christi schaffen würde.
Das Geheimnis des Christus und die Einheit von Haupt und Leib
Und das führt uns nun zu diesem zentralen Begriff und dem nächsten Punkt: Das Geheimnis des Christus. Dieser Ausdruck kommt vor in Epheser 3, Vers 4. Wir schlagen das gerade auf, Epheser 3, Vers 4, woran ihr im Lesen merken könnt.
Mein Verständnis ist: „Im Geheimnis des Christus, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt geoffenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist, dass die aus den Nationen Miterben seien und mit einverleibt und mit Teilhaber seiner Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium.“
Da haben wir den Ausdruck „das Geheimnis des Christus“. Christus ist griechisch für das hebräische Wort Messias – also „das Geheimnis des Messias“. Nun denkt man vielleicht: „Das geht ja nicht auf. Der Messias war doch im Alten Testament angekündigt.“ Das kann ja kein Geheimnis sein, dass es in früheren Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden sei.
Wenn wir das Thema vom Leib studieren, dann merken wir, dass dieser Ausdruck hier etwas ganz Neues bedeutet. Der Schlüssel ist die angegebene Stelle auf dem Blatt, 1. Korinther 12, Vers 12: „Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes, aber obgleich viele, ein Leib sind, also auch der Christus.“
Jetzt geht es hier um den Leib, in Vers 12, um die Einheit und die Vielheit des Leibes. Dann wird gesagt, und das gilt auch für den Christus: Der Ausdruck Christus, der Messias, wird hier gebraucht nicht einfach für den Sohn Gottes allein, sondern für den Sohn Gottes, der verbunden ist als Haupt mit seiner Gemeinde, mit seiner Versammlung als Leib. Das ist ein ganz neuer Inhalt dieses Ausdrucks „der Christus“.
Das macht deutlich: Das Geheimnis des Christus ist das Geheimnis des Leibes – das Haupt Christus verbunden mit seiner Gemeinde als seinem Leib. Das macht das schon sehr mysteriös.
Nun führt uns das zum übernächsten Punkt auf dem Blatt, gerade zum Thema „die Taufe mit dem Heiligen Geist“. Denn jetzt sehen wir, wie der Leib entstanden ist, gerade im nächsten Vers.
Wir haben eben 1. Korinther 12,12 gelesen: Der Christus ist ein Leib mit vielen Gliedern. Und da heißt es: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden.“
Hier haben wir das Thema Taufe mit dem Heiligen Geist – ein Thema, das schon seit Jahrzehnten Furore macht unter vielen Christen: Taufe mit dem Heiligen Geist, Geistestaufe. Es gibt zu diesem Thema nur sieben Stellen in der Bibel. Ich habe hier unter dem ersten Punkt alle sieben Stellen aufgeführt, und wir können sie ganz schnell auswendig lernen. Oh, ich sehe gerade, eine fehlt. Es sind ja nur sechs. Johannes 1, Vers 33 muss man noch einschreiben.
Wir haben nämlich in allen vier Evangelien eine Stelle über Geistestaufe. Ich beginne gerade mit Matthäus 3, Vers 11. Es geht dort um die Predigt von Johannes dem Täufer. Er sagt: „Ich zwar taufe euch mit Wasser zur Buße; der nach mir Kommende aber ist stärker als ich, dessen Sandalen zu tragen ich nicht würdig bin. Er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen.“
Da ist die Ankündigung „Taufe mit Heiligem Geist“. Man weiß aber nicht recht, was das bedeutet. Es wird einfach angekündigt: Wenn der Messias kommt, der Christus, wird er mit Heiligem Geist taufen. Und das ist bei den anderen Evangelienstellen Markus 1, Lukas 3 und Johannes 1 genau gleich. Es sind Parallelstellen.
Aber wir kommen weiter bei der fünften Stelle, Apostelgeschichte 1. Da haben wir den Auferstandenen vor uns, unmittelbar vor der Himmelfahrt. Er spricht zu den Jüngern in Vers 4: „Und als er mit ihnen versammelt war, befahl er ihnen, sich nicht von Jerusalem zu entfernen, sondern auf die Verheißung des Vaters zu warten, die ihr von mir gehört habt. Denn Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geist getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen.“
Hier erfahren wir mehr. Die Taufe mit Heiligem Geist soll von diesem Zeitpunkt an, jetzt unmittelbar bevorstehen. Es geht hier in Verbindung mit dem Warten auf die Verheißung des Vaters. Das ist die Verheißung, dass er den Heiligen Geist senden wird. So finden wir die Erfüllung in Apostelgeschichte 2, an Pfingsten. Also die Taufe mit Heiligem Geist hat direkt etwas mit dem Pfingstereignis zu tun.
Dann kommen wir zur sechsten Stelle, das ist später, wo Petrus bei einer besonderen Gelegenheit wieder zurückdachte, was der Herr damals in Apostelgeschichte 1, Vers 5 gesagt hatte. Also ist diese Stelle Apostelgeschichte 11, Vers 16.
Wir können sagen: Mit all diesen sechs Stellen bleiben viele Fragen noch unbeantwortet. Was ist nun wirklich Taufe mit Heiligem Geist? Und die Antwort kommt mit der siebten Stelle, 1. Korinther 12, Vers 13.
Jetzt wird nämlich etwas hinzugefügt, was vorhin immer verschwiegen war, was ein Geheimnis war. Und jetzt wird es plötzlich hier so mitgeteilt: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden.“ Taufe mit Heiligem Geist hat direkt zu tun mit dem Thema Leib Christi.
Eine sprachliche Erklärung führt weiter. Die Grundbedeutung von dem Verb „taufen“ (griechisch baptizo) ist folgende: Es hat den Sinn „einführen in ein anderes Element“. Darum bedeutet das Verb „baptizo“ oder das verwandte Verb „bapto“ von der gleichen Wurzel zum Beispiel bei den alten Griechen „färben“, also Stoff färben. Der Stoff wird in ein anderes Element, nämlich in die Farbe, eingeführt.
Zweitens bedeutet es auch „untergehen, versinken“, wenn ein Schiff im Meer unterging. Da ging also das Holz in ein anderes Element hinein, nämlich ins Wasser. Aber „bapto“ kann zum Beispiel auch bedeuten „vergolden, versilbern“. Da wird ein Element in ein anderes Element, ins Silber eingeführt und damit überkleidet, Silber oder Gold.
Nun erklärt wird daher deutlich: Taufe zu einem Leib heißt organisch hineingeführt werden in den Leib Christi, vereint mit den Erlösten. Das ist Taufe mit dem Heiligen Geist. Also keine Mystik, kein Umfallen und so weiter, sondern ein heilsgeschichtliches Ereignis. Ein Mensch wird Gliedteil der Gemeinde Gottes. Das ist die Taufe mit Heiligem Geist.
Wer also nicht mit Heiligem Geist getauft ist, der ist gar kein Christ. Und heute gibt es so viel Verwirrung mit diesem Thema. Man meint, man sei ein Christ, aber habe noch nicht die Taufe mit Heiligem Geist. Dann ist man kein Christ, wenn man sie nicht hat.
Und wie bekommt man den Heiligen Geist? Nach Epheser 1, Verse 13 und 14: „Nachdem ihr geglaubt habt, das Evangelium eures Heils, seid ihr versiegelt worden mit dem Heiligen Geist.“ Also Glaube an das Evangelium nach Buße und Reue, dann bekommen wir den Heiligen Geist, werden mit ihm versiegelt und damit auch organisch hineingeführt in den Leib Christi.
Unterschied zwischen Leib Christi und Weinstock
Und das ist besonders wichtig, gerade im Hinblick auf den nächsten Punkt: der Leib und der Weinstock.
Im Neuen Testament finden wir eine sehr ähnliche Belehrung in Johannes 15. Dort sagt der Herr Jesus zu den Jüngern: „Ich bin der wahre Weinstock, ihr seid die Reben.“ Der Herr Jesus ist also der Weinstock, und die Jünger sind die Reben am Weinstock.
Der Herr erklärt weiter: Nur wenn ihr in einer lebendigen, organischen Beziehung mit mir seid, könnt ihr überhaupt für den Vater Frucht bringen in eurem Leben.
Dann spricht der Herr davon, dass, wenn eine Rebe keine Frucht bringt, das geschieht, was ganz normal ist im Weingarten: Der Weingärtner kommt und schneidet diese unnützen Ranken ab.
Und was macht man mit diesen unnützen Ranken, weil man sie nicht gebrauchen kann? Man wirft sie ins Feuer. Also können Reben abgeschnitten und ins Feuer geworfen werden.
Nun müssen wir Folgendes bemerken: Wenn es um den Weinstock und die Reben geht, dann sind damit die Jünger gemeint, die dem Herrn nachfolgen. Dabei ist es nicht immer eindeutig, ob alle Jünger wirklich bekehrt sind.
Unter den zwölf Aposteln gab es sogar einen, der nicht bekehrt war. Der Herr nennt ihn den Sohn des Verderbens, Judas. Er hat keine Frucht gebracht, sondern gestohlen. Diese Rebe wurde abgeschnitten, er beging Selbstmord, und es bleibt nur noch das ewige Verderben, das Feuer.
Es ist aber ganz wichtig: Wenn es um das Thema des Leib Christi geht, dann geht es um die organische Verbindung – nicht mehr Weinstock und Reben, sondern Haupt und Glieder.
Hier geht es jedoch nicht um Christus und seine Anhänger allgemein, sondern um Christus und die wahren Erlösten. Und diese Glieder können nicht abgeschnitten werden.
In all den vielen Kapiteln im Neuen Testament über den Leib Christi wird niemals vom Abschneiden eines Gliedes gesprochen.
Das ist also wichtig: Die Ähnlichkeiten zu sehen, aber auch die ganz entscheidenden Unterschiede zu beachten.
Geistliche Bedeutung des Leibes im Alten Testament
Noch eine Bemerkung zum drittletzten Punkt auf dem Blatt „Die geistliche Bedeutung des Leibes im Alten Testament“. Es gibt ganz interessante Stellen, die die Einheit Israels mit einem Menschen vergleichen, also mit einem Leib.
Schlagen wir auf in Esra 3, Vers 1: „Und als der siebente Monat herankam und die Kinder Israel in den Städten waren, da versammelte sich das Volk wie ein Mann nach Jerusalem.“ Ähnlich heißt es in Kapitel 6, Vers 20: „Und die Kinder der Wegführung feierten das Passa am vierzehnten Tag des ersten Monats, denn die Priester und die Leviten hatten sich gereinigt wie ein Mann, sie waren alle rein.“
Auf dem Blatt ist außerdem ein Fehler: Es ist nicht Esra 8, Vers 1, sondern Nehemia 8, Vers 1, wo sie sich versammeln, um Gottes Wort zu hören. Dort heißt es: „Und als der siebente Monat herankam und die Kinder Israel in ihren Städten waren, da versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz, der vor dem Wassertor liegt, und sie sprachen zu Esra, dem Schriftgelehrten, dass er das Buch des Gesetzes Moses bringen sollte.“ Anschließend liest er es viele Stunden lang vor.
Interessant ist dieser Ausdruck „wie ein Mann“. Es ist eine Redewendung. Israel kommt als Volk mit einmütigem Herzen zusammen und wird so bezeichnet. Man kann sich überlegen, warum der Heilige Geist diese Redewendung verwendet hat, um gewissermaßen ein Volk, hier das Volk Gottes, als einen Mann zu bezeichnen. Das ist eigentlich schon eine Vorwegnahme, ein Vorgeschmack auf ein Thema, das erst im Neuen Testament wirklich zur Entfaltung kommt.
Es ist doch faszinierend zu sehen: Gott hat von der Schöpfung der Welt durch alle Zeitalter hindurch dieses Thema verschwiegen. Aber uns Menschen geht es oft so: Wenn wir über ein schönes Geheimnis schweigen müssen, wird es mit der Zeit immer schwieriger. Nicht, dass es für Gott schwierig gewesen wäre – er ist Gott – aber dennoch zeigt sich, dass Gott dieses Thema schon andeutete, obwohl er es noch nicht offenbaren konnte.
Ein zweiter Punkt betrifft den Leib im Alten Testament. Wenn wir zum Buch Daniel gehen, finden wir in Kapitel 2 den Traum von Nebukadnezar. Diese menschliche Statue mit vier verschiedenen Teilen entspricht den vier großen Weltreichen der Geschichte: Babylon, Persien, Griechenland und schließlich Rom. Diese Weltreiche werden mit einem menschlichen Körper verglichen. Sogar die Körperteile entsprechen dem Verlauf der Geschichte.
Der Kopf war das babylonische Reich, dann kam die Brust und die Arme aus Silber, was das Doppelreich der Perser und Meder darstellt. Danach folgen der Bauch und die Lenden aus Bronze, das griechische Reich. Schließlich kamen die Beine aus Eisen, es waren zwei Beine, die das geteilte römische Reich symbolisieren. Der Riss kam schon lange vor der späteren Aufteilung in Ost- und Weströmisches Reich; der Bruch war jahrhundertelang vorprogrammiert und zeigt sich im Doppelreich der zwei Beine.
Der Körper entspricht also in seinem Aufbau dem Verlauf der Weltgeschichte. Gott hat ihn so geschaffen, dass er diesen Ablauf widerspiegelt. Dieses Bild hat mehr Zusammenhang mit unserem Thema, als man zunächst denkt.
In Daniel 7 hat Daniel ebenfalls einen Traum, aber die vier Weltreiche werden ihm nicht mehr als menschliches Standbild gezeigt, sondern als vier grausige, blutrünstige Bestien. Das menschliche Standbild in Kapitel 2 zeigt, dass Gott wollte, dass der Mensch, geschaffen nach 1. Mose 1,27 im Bilde Gottes, etwas von der Gerechtigkeit und Liebe Gottes auf dieser Erde widerspiegelt. Darum werden diese Reiche als menschliches Standbild dargestellt. Die Weltreiche sollten eigentlich etwas Menschliches bedeuten, nämlich die Widerspiegelung der göttlichen Herrlichkeit in Gerechtigkeit und Liebe.
Doch das haben sie im Allgemeinen nicht getan. Stattdessen waren diese Weltreiche meist blutrünstige Bestien.
Nun gibt es seit zweitausend Jahren die Gemeinde auf dieser Erde, den Leib Christi. Dieser wird ebenfalls als Körper gesehen, aber nicht als ein Standbild, sondern als ein wirklicher, dynamischer Körper, verbunden mit Christus als Haupt.
Jetzt sollte auf dieser Erde wirklich klar werden, was Gottes Gerechtigkeit und Gottes Liebe bedeuten. Durch das Wirken Gottes in dieser Welt durch den Leib Christi soll gezeigt werden, was es heißt, das Göttliche hier auf der Erde zu widerspiegeln. Die Menschen sollen erkennen, wie herrlich und wunderbar Gott ist.
Tragisch ist es, wenn man die Kirchengeschichte liest – bis in die jüngsten Ereignisse hinein – und genau das Gegenteil findet. Paulus sagt in Galater 5: „Wenn ihr einander beißt und fresset, so seht zu, dass ihr nicht voneinander verschlungen werdet.“ Tragisch! Wenn solche Dinge unter Gläubigen vorkommen, dann haben wir das Thema vom Leib Christi überhaupt nicht verstanden.
Oder besser gesagt: Wir haben es nicht ausgelebt. Denn der Leib Christi auf dieser Erde bedeutet wirklich, dass wir Gottes Herrlichkeit sichtbar machen in dieser Welt. Menschen, die sich von wahrer Gerechtigkeit und wahrer Liebe leiten lassen, sind organisch miteinander verbunden.
Der Herr Jesus sagt: „Ein neues Gebot gebe ich euch“ (Johannes 13, Vers 34). Dieses Gebot zeigt die Verbindung in Tat und Wahrheit, in der Praxis der Glieder untereinander. Dort heißt es: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“
Dieses neue Gebot sollte gerade im Leib Christi ausgelebt und erkannt werden. Die Verbindung der Erlösten untereinander soll zeigen, dass die wahre Kirche etwas ganz anderes ist als die Weltgeschichte.
Die Weltgeschichte ist eigentlich ganz langweilig: ein Blutbad nach dem anderen, ein Umsturz nach dem anderen, eine Ungerechtigkeit nach der anderen. Aber im Leib Christi sieht man etwas völlig anderes.
Hier sind Menschen verbunden miteinander, und sie sind verbunden mit dem Erlöser, dem Haupt. Sie werden nur von diesem weisen Fürsten geleitet in ihrem Leben. Sie leben nicht ihr eigenes Leben, sondern anerkennen die volle Autorität Christi und die volle Inspiration und Autorität der Bibel. Das wird praktisch und konkret ausgelebt: Abhängigkeit vom Haupt.
Das Zitat auf dem Blatt stammt nicht von mir, sondern von Hengstenberg: „Humanität ohne Divinität wird zur Bestialität.“ Das heißt: Menschlichkeit oder Menschsein ohne das Göttliche führt zum wilden, tierischen Sein. Man wird zu einem wilden Tier.
Das haben wir bei den Weltreichen gesehen: Sie hätten wahre Humanität zeigen sollen, doch da sie nicht von Gott geleitet waren, wurden sie zu Bestien.
Nun müssen wir uns fragen: Wie steht es heute ganz konkret, wenn wir das Thema Leib Christi umsetzen? Leben wir wirklich aus, was es heißt, Mensch zu sein – verbunden mit dem göttlichen Haupt? Wenn ja, dann werden wir bewahrt vor der Bestialität, vor dem Tierischen.
Die biblischen Stellen über den Leib Christi – Beginn mit Römer 12
Wir kehren nun zum ersten Blatt zurück, zum zweiten Abschnitt, der alle Stellen im Neuen Testament über den Leib behandelt. Wir betrachten Römer 12, Verse 3 bis 8:
„Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben worden ist, jedem, der unter euch ist: Denkt nicht höher von euch, als ihr denken sollt, sondern denkt besonnen, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat. Denn gleichwie wir viele Glieder an einem Leib haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Verrichtung haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander.
Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade, sei es Weissagung, so lasst uns weissagen nach dem Maß des Glaubens; sei es Dienst, so lasst uns im Dienst bleiben; sei es, der da lehrt, in der Lehre; sei es, der da ermahnt, in der Ermahnung; der da mitteilt, in Einfalt; der da vorsteht, mit Fleiß; der da Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit.“
Wenn wir der Reihenfolge der Bibelbücher folgen, wie sie in unserer Bibel angeordnet sind, beginnen wir mit dem Römerbrief. Es ist eigentümlich, dass im Römerbrief über den Leib Christi gesprochen wird. Das ist besonders deshalb bemerkenswert, weil der Römerbrief uns zeigt, wie der einzelne Mensch vor Gott schuldig ist, ein Sünder, und wie er durch Glauben gerechtfertigt werden kann.
In den Kapiteln 1 bis 11 des Römerbriefs wird deutlich gemacht, dass der einzelne Mensch ganz persönlich an den Herrn Jesus, sein Blut und sein Werk auf Golgatha glauben muss. Nur so kann Gott ihn gerechtsprechen, rechtfertigen. Es geht also um die ganz persönliche Stellung des Menschen vor Gott und seine persönliche Errettung.
Diese Erkenntnis haben die Reformatoren im 16. Jahrhundert so eindrücklich entdeckt. Sie erkannten, dass nicht das Kollektiv, die Kirche, das Heil vermittelt, etwa durch Sakramente. Das hat überhaupt nichts mit dem Kollektiv zu tun. Der einzelne Mensch steht ganz allein vor Gott, er ist verantwortlich für seine persönliche Schuld, muss sie Gott bekennen und ganz persönlich glauben. Allein durch Glauben kommt er zum Heil.
So brach die Reformation mit dem überzogenen Kollektivismus, der die Kirche als Ganzes als Heilsvermittlerin ansah. Nein, der einzelne Mensch steht vor Gott.
Wenn man allerdings die weitere Geschichte der Reformation betrachtet, sieht man, dass man in diese Richtung zu weit gegangen ist. Durch die Ablehnung des überzogenen Kollektivismus entwickelte sich ein Individualismus. Der einzelne Mensch steht vor Gott und ist persönlich verantwortlich – das stimmt. Darum stand Luther damals am Reichstag zu Worms vor Kaiser und europäischer Hierarchie und sagte: „So Gott helfe mir, ich kann nicht anders.“ Er war verpflichtet gegenüber dem Wort Gottes. Wenn ihn jemand mit der Bibel widerlegen könnte, würde er es akzeptieren, aber nicht aufgrund der Entscheidungen der Konzilien. Nur die persönliche Einsicht durch das Wort Gottes kann überzeugen.
Diese Betonung führte zu vielen inneren Streitigkeiten in der reformatorischen Bewegung. Unterschiedliche Individuen hatten verschiedene Ideen, was zu Konflikten führte. Der Protestantismus war jahrzehntelang durch innere Kämpfe zerrissen, weil jeder sehr individualistisch handelte. Man war in dieser Richtung zu weit gegangen, was sich konkret in Streitigkeiten zeigte.
Der Römerbrief setzt in Kapitel 12 mit dem Thema des Leibes an, um zu zeigen, dass das ganze Heil, die ganze Lehre des Heils aus den Kapiteln 1 bis 11, bei der der Einzelne vor Gott steht und nur sein persönlicher Glaube zur Rettung führt, nicht isoliert zu sehen ist. Wir sind nicht nur Individualisten, sondern bilden eine organische, lebendige Einheit.
Es ist interessant, dass gerade im Römerbrief, der die Reformation ausgelöst hat, das Heilmittel für das Extrem des Individualismus bereits gegeben wird. Dort wird gezeigt:
„Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Dienst ist.“ (Römer 12,1)
Das ist die Schlussfolgerung: Ihr müsst euch persönlich ganz Gott zur Verfügung stellen.
Die Lehre von Vers 3 bis 8 zeigt, dass jeder einzelne ein Glied am Leib ist. Es gibt ganz verschiedene Glieder, die nicht einfach solo für sich da sind, sondern einander dienen.
Wenn es in Vers 5 heißt: „Also sind wir die vielen ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander“, wurde das schon abgeleitet. „Einzeln aber Glieder voneinander“ bedeutet, dass der Einzelne seinen Dienst nicht isoliert ausüben kann, sondern in Absprache mit den anderen. Es ist quasi eine Regel, denn wir sind Glieder voneinander.
Der Akzent liegt darauf, dass wir so zusammengehören, dass die Hand der Hand dienen muss, das Auge der Hand, und dass wir uns gegenseitig unterstützen, wenn es nötig ist. Wir sind Glieder voneinander, das heißt, wir dienen einander, sind nicht allein da, sondern für die anderen Erlösten da. Wir setzen unsere individuellen Gaben zum Wohl aller Erlösten ein.
Wichtig ist auch, dass der Leib Christi nicht mit einer örtlichen Gemeinde gleichzusetzen ist. Nie wird in der Bibel die örtliche Gemeinde als der Leib Christi bezeichnet. Das lässt sich am Text gut zeigen: Paulus sagt in Vers 5: „Also sind wir die vielen ein Leib in Christus.“ Er sagt nicht: „Ihr Römer seid ein Leib in Christus“, sondern „wir“. Paulus schrieb den Römerbrief von Korinth aus nach Rom, gehörte aber nicht zur Gemeinde in Rom. Dennoch sagt er „wir sind ein Leib in Christus“. Das zeigt, dass der Leib Christi überörtlich ist.
Ähnlich ist es in 1. Korinther 10,17, wo es um das Abendmahl am Tisch des Herrn geht:
„Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen; denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig.“ (1. Korinther 10,17)
Auch hier sagt Paulus „wir“, obwohl der Brief aus Ephesus geschrieben wurde und er nicht Teil der Gemeinde in Korinth war. Wieder wird deutlich, dass der Leib Christi überörtlich zu verstehen ist.
Alle Erlösten auf der Erde zusammen bilden den Leib Christi. Das zeigt, dass wir unsere Aufgabe, einander zu dienen, nicht auf einen Ort beschränken dürfen. Unsere Aufmerksamkeit und unser Denken als Glieder voneinander erstrecken sich von Stadt zu Stadt, von Land zu Land und darüber hinaus.
Eine einzige Stelle könnte das in Frage stellen: 1. Korinther 12. Doch auch dort gibt es Belege für die überörtliche Sichtweise. Vers 13 lautet:
„Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden.“
Er sagt wieder: „Wir alle zu einem Leib“, Korinther und Paulus, also wieder überörtlich, nicht „ihr seid zu einem Leib getauft worden“.
Dann kommt allerdings eine schwierige Stelle, 1. Korinther 12, Vers 27:
„Ihr aber seid Christi Leib und Glieder in Sonderheit.“
Hier spricht Paulus die Korinther direkt an: „Ihr seid Christi Leib.“ In meiner älteren Elberfelder Übersetzung steht noch „Ihr aber seid der Leib Christi“, was ich korrigiert habe, denn im Grundtext steht nicht der bestimmte Artikel. Es heißt „Ihr seid Christi Leib“, nicht „der Leib Christi“.
Würde es mit Artikel heißen, würde das bedeuten, dass es in Korinth einen Leib gibt, in Ephesus einen anderen Leib, und so weiter. Aber richtig verstanden heißt es: Ihr gehört zum Leib Christi, seid Teil des Leibes, aber nicht allein der Leib Christi.
Das lässt sich gut illustrieren mit Apostelgeschichte 18: Als Paulus in Korinth war, erschien ihm der Herr im Traum in einer schwierigen Zeit und sagte: „Schweige nicht, ich bin mit dir; rede, denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt, Gottes Volk in Korinth.“ Gott sah schon die Menschen, die sich bekehren würden.
Man könnte sagen, die Korinther sind das Volk Gottes. Nein, sie sind nicht das Volk Gottes allein, denn auch die anderen Erlösten gehören dazu. Aber man kann sagen, die korinthischen Gläubigen gehören zum Volk Gottes. Gott hat nicht viele Völker Gottes auf der Erde, sondern sie sind Volk Gottes.
So kann man auch nicht sagen „Ihr seid der Leib Christi“, sondern „ihr seid Leib Christi“. Alle Erlösten zusammen auf der Erde bilden den Leib Christi.
Das gibt uns eine ganz andere Sicht auf Gemeinden: Sie sind nicht einfach auf einen Ort beschränkt, sondern wir haben einen Blick für die nächste Stadt, das nächste Dorf, das nächste Land und den nächsten Kontinent. Das kann sich ganz praktisch auswirken, etwa in Hilfeleistungen jeglicher Art oder in der Ausübung der Gaben nach dem Maß des Glaubens, wie wir es in Römer 12 gelesen haben.
Zum Schluss möchte ich noch etwas zu 1. Korinther 6, Vers 12 sagen, bevor wir am Mittwoch mit den anderen Stellen weitermachen.
In 1. Korinther 6 finden wir nämlich einen ganz neuen Aspekt, der in den anderen Stellen nicht so deutlich wird. Vers 13 lautet:
„Die Speisen sind für den Bauch und der Bauch für die Speisen. Gott aber wird sowohl diesen als auch jenen zunichte machen. Der Leib aber ist nicht für die Hurerei, sondern für den Herrn; und der Herr für den Leib.
Gott aber hat sowohl den Herrn auferweckt, als er auch uns auferwecken wird durch seine Macht.
Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Soll ich denn die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Hure machen? Das sei ferne!
Oder wisst ihr nicht, dass, wer der Hure anhängt, ein Leib mit ihr ist? Denn es werden, spricht er, die zwei ein Fleisch sein.
Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm.
Flieht die Hurerei!
Jede Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb des Leibes.
Wer aber hurert, sündigt an seinem eigenen Leib.
Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?
Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun Gott in eurem Leibe!“
Das Grandiose an dieser Stelle ist: Wir sprechen viel über Glieder Christi, jeder Gläubige ist ein Glied, aber hier wird ganz konkret gesagt, dass der Körper ein Glied Christi ist. Dieser eine Körper besteht aus unzähligen Menschen mitsamt ihrem Körper.
Der Apostel Paulus leitet daraus ganz konkrete Lebensregeln ab. Es ist klar, dass man mit dem Körper nicht beliebig umgehen kann. Der Körper ist nicht einfach ein Gefängnis für die Seele, wie es die alten Griechen meinten, sondern Gottes Werk. Er ist durch Gott erlöst und bewohnt, ein Glied am Leib Christi.
Diesen Gedanken habe ich von einem katholischen Priester übernommen. Er sagte, der Wert des Körpers des Menschen sei dreifach: Gott hat ihn erschaffen, Gott hat ihn erlöst, und Gott bewohnt ihn. Der Heilige Geist wohnt in ihm.
Man fragt sich, wie man dann noch Priester bleiben kann, wenn man den Wert des Körpers vor Gott so sieht: erschaffen, erlöst, bewohnt.
Hier wird noch einmal deutlich gemacht: Als Glied am Leib Christi zu sein bedeutet nicht nur, eine besondere Befähigung zu haben. Nein, wir gehören mit Haut und Haaren zum Leib Christi. Das heißt, als Glieder dienen wir einander und dem Herrn, dem Haupt. Wir dienen einander mit vollem Einsatz.
Dieser Körper muss heilig erhalten bleiben. Er darf nicht durch Sünde zerstört oder geschändet werden. Das zeigt auch die Totalität unseres Einsatzes für die Gemeinde Gottes. Alles gehört dazu – für einander und für den Herrn, das Haupt.
Am Mittwoch werden wir dann mit den weiteren Stellen weitermachen.
Zusammenfassung des ersten Abends und Ausblick auf weitere Studien
Liebe Geschwister, wir fahren heute Abend mit dem begonnenen Thema „Die Gemeinde als Leib Christi“ fort. Am letzten Sonntag haben wir uns die fünf Hauptthemen angesehen, die man im Neuen Testament in Verbindung mit dem Leib findet – zunächst in einer kurzen Übersicht. Danach haben wir uns damit beschäftigt, was ein Geheimnis im Neuen Testament bedeutet, weil der Leib Christi als ein Geheimnis vorgestellt wird. Das heißt, es handelt sich um eine Wahrheit, die im Alten Testament völlig unbekannt war und erst im Neuen Testament offenbart wurde.
Dieses Geheimnis wird insbesondere genannt „das Geheimnis des Christus“. Wir haben gesehen, dass der Ausdruck „Christus“ den Herrn Jesus meint, verbunden mit allen Erlösten, also der Gemeinde. Außerdem haben wir uns mit der geistlichen Bedeutung des Begriffs „Leib“ im Alten Testament beschäftigt, ebenso mit der Taufe mit dem Heiligen Geist. Dabei haben wir erkannt, dass es sich nicht um ein mystisches Erlebnis handelt, sondern um eine wunderbare, aber nüchterne Heilstat Gottes, wenn ein Mensch in den Leib Christi als Glied eingefügt wird.
Schließlich haben wir noch unterschieden, was die Bibel über den Leib Christi sagt und was sie über den wahren Weinstock in Johannes 15 aussagt. Danach haben wir begonnen, uns der Reihe nach mit allen Stellen im Neuen Testament über den Leib Christi zu beschäftigen. Das ist Punkt zwei, also Hauptpunkt zwei auf dem Blatt vorne.
Wir haben uns mit Römer 12 beschäftigt, wo interessanterweise im Kapitel 12 das Thema vom Leid behandelt wird, nachdem im Römerbrief gezeigt wird, wie ein Mensch nur durch den persönlichen Glauben gerettet wird. Es ist nicht etwas, das andere für ihn tun können, es ist auch nicht etwas, das eine Heilsinstitution oder ein Kollektiv vermitteln könnte. Der Mensch steht allein persönlich vor Gott. Aber Römer 12 vervollständigt: Nun, als Erlöster ist man nicht allein, sondern in die Verantwortung gestellt, den anderen Erlösten zu dienen. Wir sind Glieder voneinander.
Dann haben wir die Verse in 1. Korinther 6,12-20 angesehen und festgestellt, dass der Begriff „Glied am Leib Christi“ den ganzen Menschen umfasst, gewissermaßen mit Haut und Haaren. Denn der Körper des Erlösten wird dort als ein Glied Christi, am Leib Christi bezeichnet.
Wir gehen zu 1. Korinther 10, Vers 17, obwohl ich dazu schon etwas gesagt habe, möchte ich noch etwas Ergänzendes anfügen. Es geht im Zusammenhang um das Abendmahl und den Tisch des Herrn. Ich lese 1. Korinther 10, ab Vers 15:
„Ich rede als zu Verständigen: Beurteilt ihr, was ich sage! Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen; denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig.“
Hier gibt es eine Verständnisschwierigkeit. In Vers 17 wird über den einen Leib gesprochen. Wir sind ein Leib – das ist klar, hier geht es um den Leib Christi, die Gemeinde, bestehend aus dem Herrn Jesus als Haupt und den Erlösten als Glieder am Leib.
Aber die Frage ist: In Vers 16 wird doch vom Brot gesprochen, das wir brechen. Da heißt es, es sei die Gemeinschaft des Leibes Christi. Was bedeutet hier „Leib des Christus“? Ist das der menschliche Körper des Erlösers oder ist hier die Gemeinde als Leib Christi gemeint?
Man könnte nämlich denken, es müsse die Gemeinde sein, denn Vers 17 schließt damit an: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen.“ Es ist ein Auslegungsproblem, das man vom Deutschen her nicht klären kann.
Im Griechischen kann das übersetzte Wort „begründend“ sein, aber es wird oft im Neuen Testament verwendet, um etwas Neues einzuführen, einen neuen Gedanken. Das passt hier auch besser, denn Vers 16 sagt zuerst: „Der Kelch, den wir segnen, ist nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi.“ Das ist klar: Das Blut Christi ist wirklich das Blut des Herrn Jesus, das am Kreuz geflossen ist. Dann kommt das Brot, das wir brechen: „Ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?“ Logisch ist es hier der Leib, der menschliche Leib des Herrn, der gemeint ist und nicht plötzlich die Gemeinde als Leib Christi.
Vers 17 führt dann etwas Neues ein: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen; denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig.“ Dadurch, dass alle Erlösten beim Abendmahl vom Brot nehmen, drücken sie aus: Wir alle haben Anteil an dem Opfer des Herrn Jesus auf Golgatha, und das ist uns allen gemeinsam. Wir alle haben in dem Opfer des Herrn Jesus unser Heil.
Nun erklärt Vers 17, dass diese Einheit, dieses gemeinsame Teil, so eng ist, dass wir selbst zusammen auch einen Leib bilden. Es wird nicht nur gesagt „ein Leib“, sondern auch „ein Brot“. So erklärt sich, dass das Brot beim Abendmahl noch eine zusätzliche Bedeutung hat. Es weist nicht allein auf den Leib Christi am Kreuz hin, sondern auch darauf, dass wir, die wir alle an diesem Opfer teilhaben, zusammen eine so enge organische Verbindung bilden, nämlich einen Leib.
Darum ist es richtig, dass wir beim Abendmahl beide Bedeutungen im Brot erkennen. Die erste Bedeutung ist wirklich der menschliche Leib des Herrn, den er für uns am Kreuz geopfert hat.
Wir gehen weiter zu 1. Korinther 12. Dort wird sehr ausführlich über den Leib Christi gesprochen. Wir sollten aber beachten, in welchem Zusammenhang. Kapitel 12, Vers 1 beginnt:
„Was aber die geistlichen Offenbarungen betrifft, Brüder, so will ich nicht, dass ihr unkundig seid.“
Dieser Satz gibt schon die Überschrift: Es geht um die Wirkungen des Geistes Gottes. Kapitel 12 bis 14 gehören zusammen. In Kapitel 12 wird gezeigt, dass der Heilige Geist auf ganz verschiedene Weise durch die Erlösten wirkt. In diesem Zusammenhang wird über den Leib Christi gesprochen. Es wird erklärt, dass jeder Erlöste ein Glied ist, aber es gibt ganz verschiedene Glieder.
Diese Vielfalt erklärt die Unterschiede unter den Erlösten im Dienst und in den Begabungen. Es wird auch betont: Alle sind notwendig. Man kann auf kein Glied verzichten. Es gibt keinen Grund für Minderwertigkeitskomplexe, und es gibt keinen Grund für Überlegenheitskomplexe.
Um diese Vielfalt und die Notwendigkeit jedes Einzelnen zu verdeutlichen, wird hier über den Leib gesprochen. Der Vollständigkeit halber: Kapitel 13 behandelt weiterhin die geistlichen Wirkungen, betont aber, dass es die Liebe braucht, um wirklich zum Segen anderer dienen zu können. Vers 14 zeigt, dass man auch Besonnenheit und gesunden Menschenverstand braucht, um nützlich zu dienen.
Diese drei Kapitel entsprechen den drei Namen des Heiligen Geistes in 2. Timotheus 1, Vers 7. Dort heißt es:
„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Der Geist der Kraft wirkt in 1. Korinther 12 auf verschiedene Weise. Der Geist der Liebe ist nötig, um zu dienen (1. Korinther 13). Der Geist der Besonnenheit und Selbstbeherrschung wird in Kapitel 14 beschrieben. Wir müssen uns wirklich Gedanken machen, dass unser Dienst vernünftig ist, dass wir das, was wir sagen, verständlich übermitteln und es Nutzen bringt.
Gehen wir zu 1. Korinther 12, einige Verse näher. Vers 11:
„Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will.“
Denn gleich wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, und alle Glieder des Leibes, obgleich viele, ein Leib sind – also auch Christus –, denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, ob Juden oder Griechen, ob Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.
Wenn der Fuß spräche: „Weil ich nicht Hand bin, so gehöre ich nicht zum Leib“, ist er deswegen nicht vom Leib? Und wenn das Ohr spräche: „Weil ich nicht Auge bin, so gehöre ich nicht zum Leib“, ist es deswegen nicht vom Leib?
Jetzt geht es um die Notwendigkeit der einzelnen Glieder. Da könnte jemand sagen: „Ich bin so und so, also gehöre ich nicht dazu.“ Das geht nicht. Es ist nicht so, dass jemand nicht dazugehört, nur weil er anders begabt ist. Der Fuß kann auch nicht sagen: „Ich passe nicht dazu, weil ich keine Hand bin.“ Nein, er gehört dazu, weil er einfach zum Leib gehört.
Das wird begründet in Vers 17:
„Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo wäre der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt, jedes einzelne von ihnen an dem Leib, wie es ihm gefallen hat.“
Der Apostel Paulus wird hier drastisch und sagt: Stellt euch vor, der ganze Leib wäre ein Auge – je nach Person 60 bis 80 Kilogramm Auge. Das wäre schrecklich, man hätte allen Grund zu flüchten. Das wäre ein Monster! Und genauso, wenn ich 60 oder mehr Kilo Ohr wäre – das ist ein Monster! Aber das Ohr an seinem Platz erfüllt seine wunderbare Funktion.
Das zeigt die Problematik, die immer wieder unter den Gläubigen auftaucht: Manchmal wollte man alles uniformieren, alles in ein Schema pressen und alle auf die gleiche Art bringen. Das ist völlig unbiblisch. Es entsteht ein Monster.
Das wird hier deutlich gemacht. Niemand braucht Minderwertigkeitskomplexe zu haben und zu sagen: „Weil ich so bin, bin ich nicht nützlich.“ Aber auf der anderen Seite soll es auch keinen Überlegenheitskomplex geben. Das zeigt Vers 19:
„Wenn aber alle ein Glied wären, wo wäre der Leib? Nun aber sind der Glieder zwar viele, der Leib aber ist einer. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bedarf deiner nicht, und wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich bedarf euer nicht. Sondern vielmehr sind die Glieder des Leibes, die schwächer zu sein scheinen, notwendig.“
Hier haben wir das andere Extrem: Jemand findet, er sei so wichtig, dass er sagt: „Den brauche ich nicht.“ Paulus verdeutlicht hier, wie wichtig jedes einzelne Glied ist, aber auch, dass wir uns immer bewusst sein müssen, wie sehr wir auf die anderen Gläubigen angewiesen sind.
Erst wenn die Glieder zusammenwirken und füreinander Sorge tragen – wie es in Vers 25 heißt –, entsteht wirklich Segen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas zu den Versen 4 bis 7 sagen:
„Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist; und es sind Verschiedenheiten von Diensten, derselbe Herr; und es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.“
Die Vielfalt besteht nicht nur in einer Fülle verschiedener Gnadengaben, sondern es wird hier unterschieden: Verschiedenheiten von Gaben, Verschiedenheiten von Diensten, Verschiedenheiten von Wirkungen. All das wird in allen gewirkt.
Ich habe meine Bibel speziell daraufhin angesprochen: Dies versetzt dem Denken des Einmannsystems den Todesstoß. Vers 7 betont: „Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.“ Alle und jeder sind gefragt.
Es gibt verschiedene Gnadengaben. Gnadengaben werden später aufgelistet, das heißt nicht vollständig, sondern beispielhaft, um zu zeigen, wie vielfältig das sein kann. Es gibt noch andere Stellen: Römer 12 listet andere Gaben auf, dann Epheser 4 nochmals andere Gaben. Dort wird zum Beispiel von Evangelisten, Hirten und Lehrern gesprochen.
Es wird deutlich: Jeder hat eine Gnadengabe bekommen. Wer das aufgrund dieser Stelle nicht glaubt, sei auf 1. Petrus 4 verwiesen. Dort heißt es in Vers 10:
„Je nachdem ein jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient ein anderer damit als guter Verwalter der mancherlei Gnade Gottes.“
Jeder hat also eine Gnadengabe. Es gibt ganz verschiedene.
Weiter wird erklärt, dass es auch ganz verschiedene Dienste gibt. Ich kann mir das gut erklären: Ein Seelsorger oder Hirte kann verschiedene Dienste mit der gleichen Gabe tun. Er kann zum Beispiel jemanden besuchen, der in Not ist, und ihm Mut zusprechen. Er kann aber auch einen Vortrag halten, der zur Ermutigung dient und seelsorgerlichen Bedürfnissen entspricht. Das sind nicht dieselben Dienste.
Es gibt verschiedene Gaben, aber innerhalb der Gaben gibt es noch verschiedene Arten von Diensten. Und damit nicht genug: Ein Seelsorger, der eine kranke Person besucht, wird anders vorgehen als jemand mit derselben Gabe, der dieselbe Person besucht.
Auch wie der Heilige Geist durch diejenigen wirkt, die die gleiche Gabe haben und den gleichen Dienst tun, ist unterschiedlich. So haben wir auf drei Ebenen diese Vielfalt. Das muss sein, und das bewahrt uns vor strengen schematischen Vorstellungen, wie alles zu gehen hat.
Es ist also völlig individuell. Man kann sogar behaupten, dass es in fast zweitausend Jahren Kirchengeschichte kein Glied gab, das dem anderen genau glich. Immer war die Gabe wieder verschieden, auch wenn es dieselbe Gabe war, zum Beispiel die Gabe als Lehrer, Evangelist, Hirte oder das Wort der Weisheit. Immer war es bei jeder Person anders. Auch die Dienste und Wirkungen waren immer wieder verschieden.
Das zeigt uns die Vielfalt, wie Gott wirkt. Gott liebt die Vielfalt. Das ist eigentlich ganz klar, wenn man nur die Natur anschaut. Gott liebt das Übermaß an Vielfalt, wenn man Pflanzen und Tiere betrachtet und eben auch die Menschen – ganz besonders in der Gemeinde, in der Versammlung Gottes.
So wird hier mit dem Leib betont, wie jeder gefordert ist. Es ist also nicht so wie beim Fußballspielen, wo zweimal elf Personen wild die ganze Arbeit machen und ein paar Tausend drumherum sitzen, nichts tun außer schreien und anfeuern. Das gibt es nicht. In der Praxis hat es das oft gegeben, dass wenige ständig aktiv sind und viele nur anfeuern oder kritisieren. Es kann auch anders sein.
Aber so soll es nicht sein. In dieser Hinsicht hat die Gemeinde wirklich überhaupt nichts mit Fußball zu tun. Einem jeden wird die Offenbarung zum Nutzen gegeben, Gott, der alles in allen wirkt.
Wir müssen auf zwei Gefahren achten, die in jeder örtlichen Gemeinde immer wieder auftauchen: das Problem des Minderwertigkeitskomplexes und das Problem des Überlegenheitskomplexes. Beides ist falsch und wird hier verurteilt.
Wir gehen weiter zu Epheser 1, Vers 22. Dort ist es nur ein Vers. Es geht um den Auferstandenen, den Herrn Jesus Christus zur Rechten Gottes. Dort heißt es, Vers 20 am Schluss:
„Und er setzte ihn zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welches sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.“
Das ist eine ganz eigentümliche Stelle. Es wird gezeigt, wie der Mensch Jesus Christus, der Auferstandene, heute alle Autorität im Himmel hat und damit auch auf der Erde. Aber als solcher, der den höchsten Platz hat, ist er gegeben als Haupt der Gemeinde.
Dann wird die Gemeinde genannt: sein Leib, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Man wagt fast nicht zu sagen, was hier ausgedrückt wird, denn Jesus, der Sohn Gottes, brauchte uns Menschen überhaupt nicht. Gott brauchte uns Menschen überhaupt nicht, er war in sich selbst vollkommen. Jesus ist Mensch geworden, und es war Gottes Ratschluss, dass er sich als Mensch mit erlösten Menschen verbindet.
Er ist das Haupt, aber das Haupt braucht einen Leib. Wenn nur der Kopf da wäre, wäre das erschreckend – ein Kopf ohne Körper, etwas Schreckliches. Die Ergänzung durch den Leib, die Erlösten, ist absolut notwendig.
Darum nennt die Bibel uns, die Erlösten, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Das ist gewaltig.
Wir haben ja eben beim letzten Mal gesehen, dass der ganze Haupt und Leib zusammen „der Christus“ genannt wird. Das ist ein ganz besonderer Adel, der uns hier zugesprochen wird.
Dann kommen wir zu Kapitel 2, Vers 11:
„Deshalb seid eingedenk, dass ihr einst die Nationen im Fleisch, welche Vorhaut genannt werden von der sogenannten Beschneidung, die im Fleisch mit Händen geschieht, seid, dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, entfremdet dem Bürgerrecht Israels und Fremdlinge bezüglich der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend und ohne Gott in der Welt.“
Diese Verse sagen: Ihr Epheser, ihr seid keine Juden. Ihr hattet überhaupt keinen Anteil an all diesen Bündnissen im Alten Testament, ihr lebtet ohne Gott, ohne den wahren Gott, ohne Christus, ohne den verheißenden Erlöser.
Jetzt ist alles anders geworden. Vers 13:
„Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst ferne wart, durch das Blut Christi nahe geworden.“
Denn er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung, nachdem er in seinem Fleisch die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, hinweggetan hatte, auf dass er die beiden friedenstiftend in sich selbst zu einem neuen Menschen schüfe und die beiden in einem Leib mit Gott versöhnte durch das Kreuz, nachdem er durch dasselbe die Feindschaft getötet hatte.
Hier finden wir zwei, die zusammengefügt worden sind. Die zwei sind die Heiden, die nicht zum Volk Israel gehörten, und die anderen sind die gläubigen Israeliten. Die gläubigen Heiden und gläubigen Juden sind jetzt zusammengefügt worden und zwar organisch verbunden, zu einem neuen Menschen geschaffen.
Das ist der Leib Christi, der hier „neuer Mensch“ genannt wird.
Hier wird ein Bild vom Tempel in Jerusalem genommen, der damals noch stand. Die Heiden konnten nach Jerusalem in den Vorhof der Heiden kommen. Wenn sie sich dem eigentlichen Tempelgebäude näherten, das zum großen Teil mit Gold überzogen war, kam plötzlich eine Abschrankung mit regelmäßigen Abständen und Aufschriften. Diese sagten: Wer jetzt als Nichtjude weitergeht, wird die Todesstrafe erleiden.
Diese Abschrankung wurde die „Zwischenwand der Umzäunung“ genannt. Es war eine kleine Mauer von ungefähr 50 Zentimetern Höhe, darüber ein Holzzaun von etwa einem Meter, also nicht sehr hoch. Die Heiden hatten noch einen guten Blick darüber hinweg zum eigentlichen Tempelhaus, dem Zeugnis für den einen wahren Gott.
Diese Zwischenwand machte die Trennung zwischen Heiden und Juden total. Auch zwischen gläubigen Heiden, denn wenn ein Gläubiger nach Jerusalem kam, zum Beispiel der Kämmerer von Äthiopien, durfte er nicht weitergehen. Die gläubigen Juden konnten jedoch über die Zwischenwand hinweggehen.
Es war eine Trennung zwischen gläubigen Juden und gläubigen Heiden.
Jetzt sagt der Apostel Paulus: Diese Zwischenwand ist durch Christus abgebrochen worden. Das war damals skandalös, ein Ärgernis. Die Zwischenwand war immer noch da, als der Epheserbrief im Jahr 62 geschrieben wurde, und sie war voll in Betrieb. Acht Jahre später zerstörten die Römer Jerusalem und den Tempel.
Das jüdische Volk wurde zerstreut auf alle Kontinente, und der Tempel wurde nie wieder aufgebaut. Auch die Zwischenwand der Umzäunung wurde bis heute nicht wieder errichtet, obwohl man im Judentum täglich für den Wiederaufbau des Tempels betet.
In diesen zweitausend Jahren hat Gott sich ein neues Volk gesammelt aus gläubigen Heiden und gläubigen Juden. Er hat sie zusammengefügt, nicht einfach als eine Gruppe, sondern organisch verbunden zu einem neuen Menschen geschaffen.
Die beiden sind in einem Leib mit Gott versöhnt, und das ist völlig neu. Von diesem Gedanken findet man im Alten Testament nichts. Er war damals ein Ärgernis für die Juden.
Übrigens kam Paulus wegen dieses Anliegens ins Gefängnis nach Rom. Er war in Jerusalem (Apostelgeschichte 21), und man verleumdete ihn, er hätte Griechen in den Tempel hineingeführt und ihn verunreinigt. Lukas erklärt, man hatte ihn mit einem Griechen in der Stadt gesehen. Das war eine totale Verleumdung.
Man behauptete, er hätte Nichtjuden in großer Zahl in den Tempel geführt. Obwohl man ihn nur mit einem gesehen hatte, wurde die Zahl frisiert, um den Vorwurf eindrücklicher zu machen.
Wegen dieser Verleumdung begann Paulus’ Gefangenschaft und sein Leidensweg bis nach Rom.
Warum wurde er so verleumdet? Weil genau das Ärgernis war, dass Paulus um die ganze Welt zog und das Evangelium predigte. Die Menschen, die zu glauben begannen – die Heiden –, führte er nicht dazu, Juden zu werden. Er machte sie nicht zu Proselyten. Er ließ sie nicht die Beschneidung über sich ergehen. Im Galaterbrief verbot er sogar massiv die Beschneidung.
Das war damals ein großes Ärgernis.
Paulus erklärt, dass dies eine Offenbarung Gottes ist, eine ganz neue. Davon kann man im Alten Testament nichts lesen.
Das führt uns zu Kapitel 3. Dort heißt es:
„Deshalb ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen.“
Er betont: „Seht, ich bin im Gefängnis, und zwar genau wegen diesem Punkt, für euch Nationen, weil ich euch als vollwertig betrachte, obwohl ihr keine Juden geworden seid, keine Proselyten.“
Dann sagt er:
„Wenn ihr anders gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist, wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe (Kapitel 2), woran ihr im Lesen merken könnt, mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt geoffenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist.“
Jetzt kommt der Inhalt: Dass die aus den Nationen Miterben seien, Miteingegliederte und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium.
In den alten Elberfelder Bibeln gibt es bei „Miteingegliederte“ eine Fußnote, die wörtlich „Mitleib“ lautet. Das heißt, die Gläubigen aus den Heiden, aus den Nationen, gehören mit zu einem Leib. Das ist das Geheimnis.
Das war für die Juden so skandalös, weil sie keinen Hinweis im Alten Testament hatten, dass Gott so etwas tun würde. Gott hat sich dazu gestellt.
Darum erlaubte Gott vom Jahr 70 bis heute nicht, dass man dieses Mäuerchen mit dem kleinen Zaun darüber wieder aufrichten konnte. Das ist gewaltige zweitausend Jahre Geschichte.
Ein Volk, das Tag für Tag ein kleines Mäuerchen mit einem Zaun darüber errichten wollte, konnte es nicht. Es ist für den dritten Tempel geplant. Man will das wieder einführen – die Zwischenwand der Umzäunung. Ich habe die Pläne davon. Es ist geplant, aber nie ausgeführt worden.
So hat Gott dieses Geheimnis eindrücklich bestätigt. Acht Jahre nach dem Epheserbrief ist diese Zwischenwand abgebrochen worden und hat bestätigt, dass Christus durch seinen Tod am Kreuz die Zwischenwand abgebrochen hat.
Wenn man sich das gut überlegt, wie eng das Thema von der Zwischenwand und dem Leib zusammengehört: Wie oft haben Gläubige in zweitausend Jahren Kirchengeschichte doch Zäune aufgerichtet zwischen wahren, treuen Kindern Gottes?
Ich sage nicht zwischen Ungläubigen und Gläubigen, denn da lehrt die Bibel die Absonderung. Ich sage auch nicht zwischen solchen, die in der Sünde leben, und solchen, die dem Herrn nachfolgen. Nein, ich meine zwischen solchen, die wirklich von Herzen dem Herrn nachfolgen wollen.
Was man hier sieht, ist eigentlich ein Angriff auf das Kreuz Christi. Christus hat durch seinen Tod am Kreuz die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen. Das macht das Ganze sehr feierlich.
Wir machen zwei Abende an diesem Thema.
Wenn wir noch an Kapitel 3, Vers 8 denken, sehen wir die Problematik:
„Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, unter den Nationen den unausforschlichen Reichtum Christi zu verkündigen und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat.“
Hier wird ein unausforschlicher Reichtum genannt – von Christus. Dabei meint Christus Kopf und Leib zusammen, einen unausforschlichen Reichtum.
Das zeigt, wie wir nur einen kleinen Rahmen von diesem Thema abnehmen. Dieses Thema muss uns das ganze Leben hindurch beschäftigen, denn ein unausforschlicher Reichtum ist darin verborgen.
Wachstum und Zusammenhalt im Leib Christi – Epheser 4
Gehen wir zu Epheser 4. Dort wird besonders das Thema Wachstum deutlich ausgedrückt. Ich möchte aus Vers 10 lesen:
„Der Hinabgestiegene ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfülle. Und er hat die einen als Apostel gegeben, die anderen als Propheten, wieder andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes und zur Auferbauung des Leibes Christi. Bis wir alle gelangen zur Erkenntnis, zur Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu einem erwachsenen Mann, zu dem Maß der vollen Größe der Fülle Christi. Damit wir nicht mehr unmündig sind, hin- und hergetrieben und umhergeworfen von jedem Wind der Lehre, die durch die Betrügerei der Menschen und durch ihre verschlagene List zu Irrtum geführt wird, sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe. Lasst uns heranwachsen in allem zu ihm hin, der das Haupt ist, Christus. Aus ihm wird der ganze Leib wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maß jedes einzelnen Teiles. So bewirkt das Wachstum des Leibes seine Selbstauferbauung in Liebe.“
Schon beim flüssigen Lesen fällt auf: Es geht hier um Wachstum. Diese Begriffe werden mehrfach verwendet. Das ist ein zentrales Thema in Verbindung mit dem Leib Christi. Der Leib ist etwas Organisches, Lebendiges. Er bleibt nicht stehen, sondern wächst.
Glaubensleben ist niemals Stillstand. Es ist kein einmal erreichter Status quo, der einfach so bestehen bleibt. Vielmehr ist es ein beständiges Wachsen. Das beinhaltet auch die Möglichkeit von Veränderung – nicht etwa Revolutionen in einer örtlichen Gemeinde, sondern eine Entwicklung, bei der jedes einzelne Glied im Glauben wächst.
Das Ziel ist klar vorgegeben: Man wächst nicht irgendwohin, sondern, wie in Vers 15 heißt: „Lasst uns heranwachsen in allem zu ihm hin, der das Haupt ist, Christus.“ Die Zielrichtung ist eindeutig. Man kann sich zwar auseinander entwickeln und dadurch verschiedene Ziele verfolgen, doch wenn wir alle das Haupt als Ziel haben, werden wir vor Fehlentwicklungen bewahrt. Dann ist es gesundes Wachstum – und genau das brauchen wir.
Dieser Abschnitt erklärt auch, wie die verschiedenen Gaben gegeben sind, damit gerade dieses Ziel – das Wachstum, das Erwachsenwerden, das Hinkommen zum Haupt – ermöglicht wird. Er zeigt, wie notwendig es ist, zusammenzuhalten und kein Solo-Christentum zu leben. Denn ohne die anderen Glieder und deren Wirksamkeit kann kein gesundes Wachstum im Glauben stattfinden.
In den Versen 17 bis 32 ist das Thema noch nicht abgeschlossen. Hier wird plötzlich vom neuen Menschen gesprochen, und es wird erneut betont, dass wir Glieder sind. Doch nun geht es nicht mehr um Wachstum, sondern um die Frage: Wie leben wir als Christen?
Ich möchte nur einige Verse herausgreifen, da wir nicht Vers für Vers durchgehen können. Vers 25 und 26 lauten:
„Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten; denn wir sind Glieder voneinander. Sündigt nicht. Die Sonne soll nicht über eurem Zorn untergehen, und gebt dem Teufel keinen Raum. Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr und wirke mit seinen Händen das Gute, damit er dem Bedürftigen mitzuteilen habe.“
Hier geht es um das christliche Leben. Das Thema Lüge ist leider ein wichtiges Thema, das im Epheserbrief klar behandelt wird. Es wird gesagt: Als Erlöste müssen wir die Lüge ablegen und einander die Wahrheit sagen. Die Begründung dafür ist, dass wir Glieder voneinander sind.
Wenn wir schon Glieder am Leib Christi sind und eine organische Einheit bilden, wie kann man sich als Gläubige gegenseitig belügen? In diesen Versen wird auch weiteres Verhalten im Umgang miteinander beschrieben. Das zeigt, dass das Thema vom Leib Christi nicht abstrakt ist. Der Bezug zum Leben ist ganz direkt.
Es geht um ein gottgemäßes, gerechtes, wahrhaftiges und liebevolles Verhalten miteinander. Besonders möchte ich noch Vers 32 anfügen:
„Seid aber gegeneinander gütig, mitleidig und vergebt einander, gleichwie auch Gott euch in Christus vergeben hat.“
Das „Gegeneinander“ wird wieder hervorgehoben – wir sind Glieder voneinander.
Verbindung von Ehestand und Leib Christi – Epheser 5
In Epheser 5 möchte ich auf eine besondere Verbindung zwischen zwei verschiedenen Geheimnissen hinweisen. In diesem Kapitel geht es nämlich um ein ganz anderes Thema: Christus als der Mann und die Gemeinde als seine Frau. Dabei geht es nicht um den Bräutigam und die Braut, sondern um einen Ehestand.
Beides finden wir im Neuen Testament. Im 2. Korintherbrief 11 werden wir als verlobt mit dem Herrn gesehen, während wir in Epheser 5 als verheiratet dargestellt werden. Das sind zwei Seiten derselben Medaille.
Wenn man verlobt ist, darf man nach der Bibel nicht zusammenleben, man ist also getrennt. So ist der Herr Jesus als Mensch im Himmel, während wir auf der Erde sind. Das ist der Zustand der Verlobung. Wir warten auf die Hochzeit, bei der wir im Himmel eingeführt werden.
Auf der anderen Seite ist es so, dass obwohl der Herr Jesus als Mensch im Himmel ist, er doch der Sohn Gottes ist. Er ist allgegenwärtig und hat es auch verheißen: „Siehe, ich bin bei euch bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Matthäus 28). Seine Nähe ist so real, dass die Bibel unsere Beziehung zum Herrn auch als Ehestand beschreibt: Er ist der Mann, wir sind die Frau.
Interessant ist, dass hier über die Beziehung von Mann und Frau gesprochen wird und was sie bedeutet im Licht dessen, dass Christus der Mann der Versammlung ist. In Vers 29 heißt es: „Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern ernährt und pflegt es, gleichwie auch der Christus die Versammlung, denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen.“
Deshalb wird gesagt, dass ein Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weib anhangen wird, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dieses Geheimnis ist groß, doch ich sage es in Bezug auf Christus und auf die Versammlung.
Plötzlich wird das Thema Ehestand mit dem Thema Leib verknüpft. So wie Mann und Frau in der Ehe ein Fleisch, ein Körper werden, erkennen wir, dass wir auf der gleichen Stufe stehen: eine organische Einheit zwischen Haupt und Leib.
Es wird erklärt, wie diese verschiedenen Aspekte letztlich alle eine Einheit bilden. Deshalb können wir die verschiedenen Beschreibungen der Gemeinde in der Bibel nicht einfach voneinander trennen. Das Thema vom Haus, das Thema vom Leib und das Thema von der Braut gehören zusammen. Ein Abschneiden dieser Aspekte ist nicht möglich.
Wir haben gesehen, dass die Verbindung von Ehestand und Leib zusammengehört. Aber auch das Haus ist damit verbunden. In 1. Mose 2 wird Gott zitiert: „Und der Herr baute aus der Rippe eine Frau.“ Das Wort „bauen“ wird hier verwendet, wie sonst beim Hausbau.
So sehen wir, wie das Thema vom Haus Gottes ebenfalls mit dem Thema von Mann und Frau verbunden ist. Und Mann und Frau wiederum sind mit dem Thema vom Leib verbunden. Es ist eben alles eine Einheit, die verschiedene Seiten beleuchtet.
Vorrangstellung Christi als Haupt – Kolosser 1
Nun wenden wir uns Kolosser 1 zu. Im Kolosserbrief wird die Einzigartigkeit des Sohnes Gottes dargestellt. Während im Epheserbrief mehr der Leib behandelt wird, liegt im Kolosserbrief der Schwerpunkt auf dem Haupt.
Ich lese ab Vers 17: „Und er ist vor allen, und alle Dinge bestehen zusammen durch ihn, und er ist das Haupt des Leibes der Versammlung.“ Das Wort „er ist“ ist in der Elberfelder Übersetzung fett gedruckt. Im Grundtext wird es besonders betont: „und er ist das Haupt des Leibes der Versammlung und kein anderer, welcher der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, auf dass er auch hier fett gedruckt ist und kein anderer in allen Dingen den Vorrang habe.“ Hier wird also klar gezeigt: Er und kein anderer.
Ich habe das am Sonntag bereits angedeutet: In der Geschichte der Kirche wurde die Stellung des Herrn als Haupt immer wieder in Frage gestellt. Schon im zweiten Jahrhundert begann man, einen Bischof an die Spitze einer örtlichen Versammlung zu setzen – das monarchische Episkopat entstand. Dies geschah in guter Absicht, nämlich zur Abwehr von Irrlehren, insbesondere solchen, die die Gottheit und Menschheit Christi leugneten. Man dachte sich, wenn eine starke Führungsperson die Leitung übernimmt, kann man das Böse draußen halten. So wurde die Macht konzentriert. Wenn es jedoch wie eine Demokratie wäre, könnten alle mitreden, und dadurch würde alles Böse hereinkommen. So wollte man dem entgegenwirken.
Der nächste Schritt war dann, dass Bischöfe nicht nur über eine Gemeinde, sondern über eine Gruppe von Gemeinden erhoben wurden. Die Entwicklung ging stufenweise bis zum Jahr 440, als der Bischof von Rom zum Papst wurde, Leo I. Das war der direkte Weg nach Rom, aber wiederum in bester Absicht, um das Böse fernzuhalten.
Der Kolosserbrief sagt: „Er ist das Haupt des Leibes und kein anderer.“ Ich habe hier nur bis 440 erzählt, aber wir könnten die Entwicklung bis 1998 weiterverfolgen. Das Problem liegt im Menschen selbst.
Nun zu Kolosser 1, Vers 24 und folgende: Hier betont der Apostel Paulus, dass er ein Diener für den Leib Christi ist. Er beschreibt, wie er dient, und das ist sehr eindrücklich: ein Diener für den Leib. Praktisch sieht das bei ihm so aus, Vers 28: „Denn wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, auf dass wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen, wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe nach seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft.“
Er nennt sich also in Vers 25 Diener der Versammlung, Diener des Leibes. Hier erklärt er, dass er förmlich dafür kämpft, dass wirklich jeder Einzelne, der als Glied zu diesem Leib gehört, im Glauben Fortschritte macht und wächst.
Dabei können wir nur an 1. Korinther 11, Vers 1 denken: „Seid meine Nachahmer, gleichwie ich auch Christi.“
In Kolosser 2, in den Versen 6 und folgende, wird das Problem von zerstörerischer Irrlehre angesprochen, die die Gemeinde in Kolossä damals bedrohte. Dann heißt es in Vers 18: „Lasst niemand euch um den Kampfpreis bringen, der seinen eigenen Willen tut, in Demut und Anbetung der Engel, indem er auf Dinge eingeht, die er nicht gesehen hat, eitlerweise aufgeblasen von dem Sinn seines Fleisches, und nicht festhaltend das Haupt, aus welchem der ganze Leib durch die Gelenke und Bande Darreichung empfängt und zusammengefügt das Wachstum Gottes wächst.“
Plötzlich, in dieser Abhandlung über ihre Lehre und deren Gefahr – Philosophie, die von Christus wegführt –, wird gesagt, wie man von diesen Dingen verführt wird. Letztlich ist es ein inneres, eitlerweise aufgeblasenes Denken, das vom Sinn des Fleisches herrührt und nicht das Haupt festhält.
Das heißt: Wenn jedes einzelne Glied wirklich in direkter Verbindung mit dem Haupt lebt, kann man vor dieser Leere bewahrt werden. Jedes Glied in unserem Körper ist direkt mit dem Haupt verbunden. Und das wissen wir heute noch besser als die Kolosser damals. Die ganzen Nervenbahnen, die Verbindung sind da, der Kontakt. Wenn jedes Glied so lebendig und direkt mit Nervenbahnen verbunden ist mit dem Haupt, dann können wir bewahrt werden.
Aber was passiert, wenn man den Kontakt der Nervenbahnen durch Anästhesie unterbricht? Dann spürt man nichts mehr. Das ist sehr gefährlich, weil man dann auch nicht mehr merkt, wenn man sich verletzt. So ist es auch, wenn diese Verbindung durch Anästhesie unterbrochen wird.
Wenn also die Gebetsverbindung mit dem Haupt nicht mehr täglich besteht, sind wir in Gefahr, schwer verletzt zu werden und Schaden zu nehmen. Das wird uns eindrücklich durch die Lehre vom Haupt und vom Leib verdeutlicht.
Kommen wir zum Schluss. In Kolosser 3, Verse 5 bis 17, wird wieder das Verhältnis der Erlösten untereinander in Verbindung mit dem Leib behandelt. Ich möchte daraus einige Stellen vorlesen, zum Beispiel Vers 14: „Zu diesem allen aber zieht die Liebe an, welche das Band der Vollkommenheit ist. Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen worden seid, in einem Leib, und seid dankbar.“
Im ganzen Abschnitt geht es um das gegenseitige Verhältnis. Dort heißt es, der Friede des Christus soll in unseren Herzen regieren. Es steht nicht: Der Friede des Christus regiert. Im Tausendjährigen Reich werden wir einmal sagen können, Christus regiert in Frieden, und es wird so sein. Wer sich dagegen auflehnt, wird die Konsequenzen tragen müssen.
Heute ist es jedoch eine Aufforderung. Wir müssen dem Herrn in unseren Herzen wirklich das Regiment ganz bewusst und jeden Tag neu übergeben. Dann kann es so sein, dass er regiert. Diese Friedensherrschaft in unserem Herzen wird sich auswirken, denn sie bezieht sich nicht nur auf uns allein.
Wir sind berufen, in einem Leib zu leben. Das heißt, dass unzählige erlöste Menschen auf dieser Erde der Welt zeigen, dass es eine wunderbare Zeit geben wird, wenn Christus einmal in Frieden regiert. Wir geben euch schon einen Vorgeschmack davon.
Was haben wir getan? Merken die Menschen, dass es wirklich wunderbar sein muss, wenn Christus regiert? Es gibt heute viele Menschen auf dieser Erde, in deren Herzen Christus regiert. Wenn man sie anschaut, wie sie miteinander umgehen, ist das wunderbar.
Die Botschaft vom Tausendjährigen Reich ist etwas ganz Wundervolles. Aber was haben wir damit gemacht? Haben wir die Menschen wirklich sehnsüchtig gemacht nach dem Tausendjährigen Reich und der Herrschaft Christi? Oder haben wir sie abgestoßen, indem wir davon zu wenig oder gar nichts gezeigt haben?
Darum wird hier an unsere Verantwortung appelliert: Der Friede des Christus soll in euren Herzen regieren, zu welchem ihr auch berufen worden seid, in einem Leib, und seid dankbar.
So sehen wir, dass das Thema vom Leib ein gewaltiges Projekt Gottes ist, mit dem er der Welt etwas zeigen wollte und zeigen will. Wir sind berufen, dieses Thema zu studieren und uns im Einzelnen zu fragen: Was bedeutet das konkret für mich? Was muss ich in meinem Leben ändern? Was müssen wir in unserem gegenseitigen Verhältnis ändern, damit wir wirklich etwas von dieser Demonstration, die Gott damit in der Welt geben wollte, besser und mehr zur Ehre Gottes verwirklichen können?
