
Das ist die letzte Videoklasse in diesem Jahr, und ich begrüße alle ganz herzlich dazu. Wir stehen in Matthäus 18 und lesen gleich ab Vers 21. Zunächst einmal bis zum Schluss des Kapitels. Darf ich dich bitten, Sven? Also Matthäus 18,21-35.
Dann trat Petrus zu ihm und sprach: „Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der gegen mich sündigt, vergeben? Bis siebenmal?“
Jesus spricht zu ihm: „Nicht bis siebenmal, sage ich dir, sondern bis siebzig mal sieben.“
Deswegen ist das Reich der Himmel einem König gleich geworden, der mit seinen Knechten in Abrechnung halten wollte.
Als er aber anfangen wollte abzurechnen, wurde einer zu ihm gebracht, der zehntausend Talente schuldete.
Da dieser aber nichts hatte, um zu bezahlen, befahl sein Herr, ihn und seine Frau und die Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und so zu bezahlen.
Der Knecht nun fiel nieder, flehte ihn an und sprach: „Hab Geduld mit mir, und ich will dir alles bezahlen.“
Der Herr jenes Knechtes aber, innerlich bewegt, ließ ihn frei und erließ ihm das Darlehen.
Jener Knecht aber ging hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldete.
Und er ergriff ihn, würgte ihn und sprach: „Bezahle, wenn du etwas schuldig bist!“
Sein Mitknecht nun fiel nieder, bat ihn und sprach: „Hab Geduld mit mir, und ich will dir bezahlen.“
Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe.
Als dann seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war.
Da rief ihn sein Herr herzu und sprach zu ihm: „Du böser Knecht, jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, da du mich ja batest.
Hättest du dich nicht auch deines Mitknechtes erbarmen sollen, wie auch ich mich deiner erbarmt habe?“
Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Peinigern, bis er ihm die ganze Schuld bezahlt habe.
So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht jedem von Herzen seinem Bruder vergebt.
Die Frage nach der Vergebungsgrenze und die Bedeutung der Gemeinde
Dieser Vers 21 und 22 schließt direkt an das an, was wir zuletzt im Kapitel 18, Vers 15 betrachtet hatten. Dort spricht der Herr Jesus zum ersten Mal im Neuen Testament, genauer gesagt in den Evangelien, über die örtliche Gemeinde. Über die weltweite Gemeinde spricht er zum ersten Mal im Kapitel 16.
Im Kapitel 18, Vers 15 und den folgenden Versen geht es um die örtliche Gemeinde, und zwar in einem speziellen Zusammenhang: "Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt". Genau auf dieses Thema kommt Petrus nochmals zurück und fragt: "Herr, wie oft soll ich meinen Bruder, der gegen mich sündigt, vergeben?"
Wir haben zuletzt gesehen, dass eine solche persönliche Sünde gegen einen Bruder auf diese Weise gelöst werden muss: Der Herr sagt, man soll hingehen und ihn zwischen dir und ihm allein überführen. So sollte das geregelt werden, und es sollte auch wieder zur Vergebung kommen.
Der Herr erklärt jedoch weiter: Wenn das nicht gelingt, gibt es eine weitere Stufe. Wenn er auf dich hört, hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit durch den Mund von zwei oder drei Zeugen jede Sache bestätigt werde. Es braucht also Zeugen, und mit deren Hilfe sollte das Problem gelöst werden.
Wenn auch das nicht funktioniert, gibt es noch eine dritte Stufe, bei der die örtliche Gemeinde als richterliche Autorität zum Zug kommt. Wenn er aber nicht auf sie hört, sollst du es der Gemeinde sagen. Dann wäre die Hoffnung, dass das Problem gelöst wird.
Der Herr sagt aber weiter: Wenn es dann auch nicht gelöst wird, kommt es zum Gemeindeausschluss. Wenn er auch auf die Gemeinde nicht hört, seid ihr wie der Heide und der Zöllner.
Wir haben zuletzt gesehen, dass der Herr dann über Binden und Lösen spricht: "Denn ich sage euch, was ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein." Dies ist die hebräische Art, von einem Gemeindeausschluss zu sprechen: Binden bedeutet Ausschluss, Lösen die Wiederaufnahme.
Das hebräische Binden bedeutet im juristischen Sinn, wie es damals in der Synagoge gebraucht wurde, dass jemand ausgeschlossen wird. Wenn er zur Buße kommt und die Sache ordnet, soll die Synagoge ihn wieder aufnehmen. Das ist dann das Lösen, auf Hebräisch "lehatir".
Damit sehen wir: Wenn es um Vergebung geht, geschieht dies nicht leichtfertig. Man könnte meinen, wenn jemand ausgeschlossen ist, sollten alle ihm sofort vergeben. Nein, es kann erst wieder gelöst werden, wenn der Betreffende umkehrt.
Die Herausforderung der Vergebungsbereitschaft
Jetzt sollte das eigentlich klar sein, aber Petrus stellt die Frage: Wie oft kann es geschehen, dass der Bruder gegen mich sündigt und ich ihm dann wieder vergebe? Er bezieht sich dabei auf die erste Stufe. Wenn alles ganz normal verläuft und dein Bruder gegen dich sündigt, geh hin und überführe ihn allein. Dann ist die Sache geregelt.
Aber wie oft? Petrus sagt: Siebenmal! Und dann folgt diese sehr spezielle Antwort: Nicht bis siebenmal sage ich dir, sondern bis siebzig mal sieben.
Diese Ausdrucksweise stammt übrigens aus der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments. Dort finden wir in 1. Mose 4 in der Geschichte von Lamech, diesem gottlosen Mann, der einen jungen Mann, der ihn verletzt hatte, getötet hatte, folgende Worte:
1. Mose 4,24: "Und Lamech sprach zu seinen Frauen Ada und Zilla: Hört meine Stimme, Frauen Lamechs, horcht auf meine Rede! Einen Mann erschlug ich für meine Wunde, einen Jüngling für meine Strieme. Wenn Kain siebenfach gerecht wird, so Lamech siebenundsiebzigfach."
Gott hatte schon im Fall von Kain gesagt, wer Kain erschlägt – das steht in Kapitel 4, Vers 15 – der Herr sprach zu ihm: "Darum jeder, der Kain erschlägt, soll siebenfach bestraft werden." Und Lamech sagt in seinem Fall, dass es siebenundsiebzigfach sein soll, nicht nur siebenfach.
Die Septuaginta übersetzt hier mit "siebzig mal sieben". Diesen Wortlaut übernimmt der Herr und sagt: Siebenmal vergeben? Nein, siebzig mal sieben.
Das bedeutet also ein Niveau wie im Zusammenhang mit der Rache für Kain, aber der Herr sagt: Nein, siebzig mal sieben, um zu zeigen, dass es kein Maß der Geduld gibt. Wenn der Bruder einsichtig ist, ist es ganz klar: Es gibt Vergebung.
Verschiedene Arten von Vergebung in der Bibel
Aber an dieser Stelle müssen wir unbedingt betonen: Es gibt in der Bibel verschiedene Arten von Vergebung.
Jetzt könnte nämlich jemand sagen – und das haben wir in der Seelsorge konkret als Problem erlebt –, dass er nicht vergibt, solange der andere sein Unrecht nicht einsieht. Er sagt: „Ich vergebe nicht, solange er das nicht einsieht.“
Schließlich heißt es in der Bibel, wenn wir noch die Parallelstelle aus Lukas 17 hinzunehmen, wird das noch deutlicher, was Petrus meinte. Darf ich bitten, Verse 3 und 4 aus Lukas 17:
„Habt Acht auf euch selbst! Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht. Und wenn er es bereut, so vergib ihm. Und wenn er siebenmal am Tag gegen dich sündigt und siebenmal zu dir umkehrt und spricht: ‚Ich bereue es‘, so sollst du ihm vergeben.“
Jawohl, also ganz ähnlich. Aber der Herr geht in Matthäus 18 noch weiter und sagt, wenn er ein achtes Mal kommt, immer noch, und wenn er 490 Mal kommt – siebzig mal sieben –, dann sollst du auch vergeben.
Jetzt könnte ja jemand behaupten: Ich muss nur vergeben, wenn er umkehrt, es bekennt, einsichtig ist und es bereut. „Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, so vergib ihm.“ Die Grundlage für Vergebung ist also das Bereuen.
Und wenn jemand uns Unrecht getan hat und es nicht bereut, dann brauchen wir auch nicht zu vergeben. Solche Leute verbittern und werden selbst gefangen in ihrer fehlenden Vergebungsbereitschaft.
Aber da müssen wir Kolosser 3 hinzunehmen. Wir können des Zusammenhangs wegen die Verse 12 und 13 lesen:
„Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut, einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr.“
Ja, also das Grundprinzip in Vers 13 ist: „Wie Christus mir, so ich dir.“
Die ähnliche Formulierung benutzt man, wenn es um Rache geht: „Wie du mir, so ich dir.“ Aber die Bibel erklärt uns etwas ganz anderes: „Wie Christus mir vergeben hat, so soll ich auch dir vergeben.“
Und hier sagt der Apostel Paulus: „Euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen.“ Und das sagt er nicht nur, wenn der andere bereut hat, sondern wenn du eine Klage hast, dann sollst du auch vergeben.
Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied. Wenn wir also jemandem sofort im Herzen vergeben, dann ist die Beziehung noch nicht in Ordnung. Sie ist nicht wie vorher.
Und wenn nun jemand einsichtig wird über das begangene Unrecht, es bekennt, so wie der Herr das sagt, und er kehrt zu dir um, dann vergib ihm. Dann ist es eigentlich die wiederherstellende Vergebung.
Dann kann man das wirklich auf die Seite tun, man spricht nicht mehr darüber, und die Freude der Beziehung ist wieder da.
Aber wenn das nicht geschehen ist, dann kann man sich zwar Mühe geben, aber das ist nicht die unbefangene Freudigkeit in der Beziehung.
Das müssen wir unbedingt unterscheiden, aber nicht gegeneinander ausspielen – das ist das Wichtige. Vergebung auf jeden Fall, siehe Kolosser 3, Verse 12 und 13, aber Wiederherstellung ist etwas anderes.
Und in Matthäus, wenn es um die Gemeinde geht, die schließlich eingreifen und ausschließen muss, dass jemand wie ein Heide und Zöllner ist – also keine Gemeinschaft mehr besteht, wie Heiden und Zöllner damals in der Synagoge keine Gemeinschaft pflegen durften –,
dann muss im Herzen auf jeden Fall schon vorher vergeben sein. Aber eine Wiederherstellung mit der Gemeinde gibt es erst, wenn der Schuldige umkehrt.
Gemeindeausschluss und Wiederaufnahme am Beispiel von Korinth
Und wir haben ein konkretes Beispiel dafür: Man denke an 1. Korinther 5. Dort musste jemand wegen Unzucht, also wegen ausserehelichem Geschlechtsverkehr, ausgeschlossen werden. Die Korinther wollten das zunächst gar nicht. Sie betrachteten das als persönliche Probleme dieser Person.
Paulus weist in 1. Korinther 5 darauf hin: „Ihr müsst ihn aus eurer Mitte hinaustun.“ Doch dann geschah etwas, das wir im zweiten Brief, der etwa ein Jahr später geschrieben wurde, vorgestellt finden. Die Korinther waren nicht bereit, ihn wieder aufzunehmen, obwohl er bereits wirklich Reue und Umkehr gezeigt hatte.
Man liest das in 2. Korinther 2,5-11:
„Wenn aber jemand traurig gemacht hat, so hat er nicht mich traurig gemacht, sondern in gewissem Maß, damit ich nicht euch alle beschwere. Genügend ist einem solchen die Strafe, die von den Vielen ist, sodass ihr im Gegenteil vielmehr vergeben und ermuntern solltet, damit nicht etwa allein solcher durch die übermäßige Traurigkeit verschlungen werde. Darum ermahne ich euch, ihm gegenüber Liebe zu üben. Denn dazu habe ich auch geschrieben, um eurer Bewährung zu erkennen, ob ihr in allem gehorsam seid. Wenn ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergeben habe, habe ich um euretwillen vergeben in der Person Christi, damit wir nicht vom Satan übervorteilt werden, denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt.“
Die „vielen“ sind die Masse, das Gewicht der örtlichen Gemeinde. Der Gemeindeausschluss, den wir zuletzt in Matthäus 18 gesehen haben, ist eine Angelegenheit der ganzen Gemeinde. Nicht nur von Einzelpersonen oder Ältesten, sondern von der ganzen Gemeinde.
Darum wird der Gemeindeausschluss hier als „die Strafe, die von den Vielen ist“ bezeichnet. Aber jetzt muss Paulus sagen, dass ihr im Gegenteil vielmehr vergeben und ermuntern solltet. Denn nun bestand die Gefahr, dass diese Person, die eben wirklich im Bösen war, aber zu Einsicht gekommen ist, durch übermäßige Traurigkeit verschlungen werde. Das darf nicht geschehen.
Paulus sagt, das ist eine Gelegenheit für den Satan, und seine bösen Gedanken sind uns nicht unbekannt. „Darum ermahne ich euch, ihm gegenüber Liebe zu üben“ (Vers 8). So mussten sie ihn ermutigen und wieder aufnehmen – das war das Lösen.
Hier sehen wir eine wiederherstellende Vergebung durch die Gemeinde aufgrund der Wiederherstellung. Aber das darf man nicht verwechseln mit der grundsätzlichen Vergebung, die wir im Herzen haben sollen.
Diese grundsätzliche Vergebungshaltung kommt auch im Vaterunser zum Ausdruck. Wenn wir in Matthäus 6 aufschlagen, wo der Herr Jesus dieses Beispielgebet vorstellt, finden wir dort in Matthäus 6,6-13 sieben Bitten. Ganz in der Mitte steht Vers 12: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben.“
Dort wird nichts gesagt von „wenn sie umkehren“ oder „falls sie einsichtig sind“, sondern grundsätzlich den Schuldigen vergeben. Das macht uns innerlich frei. Aber das heißt noch nicht, dass das Problem an sich dadurch gelöst ist.
Vergebung als Voraussetzung für Gebetserhörung
Eine weitere Stelle, die in diesem Zusammenhang hilfreich ist, findet sich in Markus 11. Auch hier geht es um das Thema Vergebung, allerdings im Zusammenhang mit der Erhörung von Gebeten. Wir können Markus 11,24-25 lesen:
„Darum sage ich euch: Alles, um was ihr betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangt, und es wird euch werden. Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der im Himmel ist, euch eure Vergehungen vergebe. Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euer Vater, der im Himmel ist, auch eure Vergehungen nicht vergeben.“
Hier wird gerade im Zusammenhang mit der Erhörung von Gebeten betont, wie wichtig es ist, beim Beten zu überlegen, ob es eine Person gibt, der man nicht bereit ist zu vergeben. Der Herr sagt, dass dies ein Hindernis für ein erhörtes Gebet ist.
Er fügt noch hinzu: Wenn wir nicht vergeben, wird der Vater im Himmel auch unsere Sünden nicht vergeben. Das wirft die Frage auf: Wie ist das zu verstehen?
In Kolosser 2,13-14 finden wir eine wichtige Stelle, die wir uns genauer anschauen sollten. Paulus spricht dort über die grundsätzliche Vergebung gegenüber denen, die Buße getan haben, umgekehrt sind und wiedergeboren wurden:
„Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und der Vorhaut eures Fleisches, hat er mit lebendig gemacht – mit ihm –, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat. Ja, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat.“
Das griechische Wort für „vergeben“ steht hier im Aorist, Indikativ. Das bedeutet, dass die Handlung in der Vergangenheit punktuell abgeschlossen ist, also nicht etwas im Prozess, sondern vollendet. Das heißt, alle unsere Sünden als Erlöste sind vergeben. Man kann sagen: Alle – bis zur Bekehrung, alle bis heute, aber auch alle bis zum Lebensende. Es ist bereits in der Vergangenheit geschehen, dass Gott uns alle Vergehungen vergeben hat.
Vers 14 ergänzt: „Als er die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die gegen uns war, ausgetilgt hat, hat er sie auch aus der Mitte hinweggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte.“
Diese vollständige Vergebung wird also in Verbindung gebracht mit dem vollbrachten Werk auf Golgatha. Das kann jeden, der sich bekehrt hat, völlig zur Ruhe bringen. Es ist alles gut, ich habe Frieden mit Gott (Römer 5,1), bin gerechtfertigt durch den Glauben. Das heißt, ich bin gerecht gesprochen, gerechtfertigt. Es ist alles in Ordnung.
Das ist unsere grundsätzliche Stellung als Menschen, die eine Umkehr erlebt haben und wiedergeboren worden sind zu Gott.
Es gibt jedoch auch die Beziehung, die wir als Kinder zu unserem Vater im Himmel haben. Wenn ein Gläubiger eigene Wege geht, wird die Gemeinschaft mit dem Vater getrübt oder sogar unterbrochen. Man kann sich nicht einfach darauf berufen, dass „uns alle Vergehungen vergeben sind“. Nein, die Gemeinschaft mit dem Vater ist gestört, bis wir bekennen.
In 1. Johannes 1,9 heißt es: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“
Hier wird eine Vergebung genannt, die in der Gegenwart geschieht – immer dann, wenn wir einsichtig sind und unsere Sünden vor Gott bekennen. Diese Vergebung führt zur Wiederherstellung der Freude und der Gemeinschaft mit dem Vater.
Wir müssen also unterscheiden zwischen der grundsätzlichen Vergebung, die wir als Menschen durch die Bekehrung erhalten haben und durch die wir Frieden mit Gott bekommen haben (Kolosser 2,13), und der praktischen Vergebung, die mit unserer Beziehung und Gemeinschaft zum Vater und zum Sohn verbunden ist.
Diese Unterscheidung ist wichtig. Man kann nicht einfach sagen: „Ja, ich vergebe, wenn der andere umkehrt.“ Nein, denn wenn die Frage kommt: „Reicht es nicht irgendwann mit dem Umkehren und immer wieder Beichten?“ dann sagt der Herr: „Nicht bis siebenmal, sondern bis siebzigmal siebenmal.“
Die Zahl siebzig mal sieben in biblischem Kontext
Wo kommt eigentlich die Zahl siebzig mal sieben in der Bibel noch einmal vor? Nicht nur in Verbindung mit Rache bei Lamech, wobei der Herr das in Vergebung verwandelt, sondern auch an einer anderen Stelle. Es geht um siebzig mal sieben und die Zusage, dass Gott Israel völlige Vergebung schenken wird.
Jetzt kommt es, oder? In Daniel neun, den Jahrwochen, wird erklärt, dass Gott einen Plan hat. Siebzig Jahrwochen sind fest über Israel bestimmt. Eine Jahrwoche entspricht sieben Jahren, aber hier geht es um siebzig mal sieben Jahre. Und wenn diese siebzig Jahrwochen vorbei sind, steht in Daniel neun, was dann für Israel kommen wird.
Schlagen wir kurz auf, also Daniel 9, ab Vers 23: "Im Anfang deines Flehens ist ein Wort ausgegangen, und ich bin gekommen, um es dir kundzutun, denn du bist ein Vielgeliebter. So höre aufmerksam auf das Wort und verstehe das Gesicht: Siebzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt, um die Übertretung zum Abschluss zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen, die Ungerechtigkeit zu sühnen, eine ewige Gerechtigkeit einzuführen, Gesicht und Propheten zu versiegeln und ein Allerheiligstes zu salben."
Ja, danke! Gott hat also für Israel eine Periode von siebzig Jahrwochen festgelegt. Diese sind, wie der Engel Gabriel sagt, bestimmt über dein Volk – das Volk Israel – und über deine heilige Stadt Jerusalem. Das Ziel ist mehrfach: Erstens, um die Übertretung zum Abschluss zu bringen. Nach diesen siebzig Jahrwochen wird Israel mit Übertretung und Abfall nichts mehr zu tun haben.
Zweitens, um den Sünden ein Ende zu machen und die Ungerechtigkeit zu sühnen. Es wird also alles in Ordnung gebracht zwischen Israel und Gott. Drittens wird eine ewige Gerechtigkeit eingeführt, und die Prophetie der Bibel wird vollständig erfüllt. Das bedeutet, dass Gesicht und Propheten versiegelt werden und das Allerheiligste des Dritten Tempels gesalbt wird – alles nach diesen siebzig Jahrwochen.
Man kann also sagen: Nach siebzig Jahrwochen gibt es die völlige Vergebung für Israel. Das ist das Thema. Darum macht der Herr hier diese Anspielung nicht nur sieben Mal, sondern siebzig Mal sieben Mal – und das eben im Kontrast zu den Rachegedanken von einem gottlosen Lamech.
Das Gleichnis vom Schalksknecht als Illustration der Vergebungsforderung
Ja, gehen wir weiter. Der Herr unterstreicht jetzt das Gesagte mit einem Gleichnis, das man das Gleichnis vom Schalksknecht nennt. Es ist nicht mehr so leicht verständlich, aber das geht folgendermaßen zurück. Wir haben es ja schon gelesen.
In der Luther-Übersetzung steht dort, nachdem gesagt ist: „Dann rief ihn sein Herr herzu und sprach zu ihm: Du Schalksknecht!“ Die Elberfelder Übersetzung verwendet die Worte: „Du böser Knecht!“ Das alte Wort „Schalk“ meint List, Hinterlist und hat den Nebengedanken von Bosheit. Luther hat also „Du böser Knecht“ mit „du Schalksknecht“ übersetzt. Deshalb ist das Gleichnis allgemein als das Gleichnis vom Schalksknecht bekannt.
Wir haben also einen König, der einem Untergebenen vergibt, der ihm zehntausend Talente schuldet. Dieser bittet um Erbarmen. Ganz interessant ist, dass in Vers 27 steht: „Der Herr jenes Knechtes aber, innerlich bewegt, ließ ihn frei und erließ ihm das Darlehen.“ Also dieser Herr ist so bewegt über diese riesige Schuld, dass er bereit ist, sie einfach zu erlassen.
Der Ausdruck „innerlich bewegt“ ist etwas sehr Spezielles. Wo haben wir ihn im Matthäusevangelium zum ersten Mal gefunden? Kommt das jemandem gerade in den Sinn? Es ist Matthäus 9,36. Bitte lest das vor: „Als er aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt über sie, weil sie erschöpft und hingestreckt waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Hier bezieht sich das auf das Volk.
Von wem wird gesagt, dass er innerlich bewegt ist? Vom Herrn selbst, also vom Herrn Jesus. Im Gleichnis fragen wir uns, wer der König ist. Der feine Hinweis „innerlich bewegt“ weist uns darauf hin, dass es sich um eine Eigenschaft Gottes handelt. Im Matthäusevangelium wird gesagt, dass der Herr Jesus innerlich bewegt ist über die Menschen in ihrem Elend und ihrer Gottesferne.
Ein weiterer wichtiger Vers ist Matthäus 14,14. Der Ausdruck „innerlich bewegt“ kommt insgesamt elfmal in den Evangelien vor, also ist er sehr bedeutend. Dort heißt es: „Und als er ausstieg, sah er eine große Volksmenge und wurde innerlich bewegt über sie und heilte ihre Schwachen.“
In Kapitel 9 geht es um Menschen, die ohne Führung und orientierungslos sind. Hier, in Kapitel 14, steht das Problem von Krankheit und Hunger im Vordergrund. Ich sage „nahrungslos“, weil in der Folge die Speisung der Fünftausend kommt, also das Problem von Nahrung und Hunger. Eine weitere Stelle ist Matthäus 15,32: „Als Jesus aber seine Jünger herzurief, sprach er: Ich bin innerlich bewegt über die Volksmenge, denn schon drei Tage weilen sie bei mir und haben nichts zu essen, und ich will sie nicht hungrig entlassen, damit sie nicht etwa auf dem Weg verschmachten.“
Wir können also sagen: In Kapitel 14 liegt der Schwerpunkt auf Krankheit, hier auf Hunger. Eine weitere Stelle ist Matthäus 20,34: „Jesus aber, innerlich bewegt, rührte ihre Augen an, und sogleich wurden sie wieder sehend und folgten ihm nach.“ Auch hier wird die innere Bewegung auf den Herrn Jesus bezogen.
Für die, die es aufschreiben möchten, hier noch weitere Stellen: Markus 1,41; 6,34; 8,2 – also dreimal im Markus-Evangelium. Im Lukas-Evangelium kommt es ebenfalls dreimal vor: Lukas 7,13; 10,33 (dort geht es um den guten Samariter, und man versteht, wer der gute Samariter ist) und Lukas 15,20, wo es sich auf Gottvater bezieht, der innerlich bewegt ist.
Schauen wir kurz in Lukas 15,20: „Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt, lief hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn sehr.“ Hier wird also vom Sohn und vom Vater gesagt, dass sie innerlich bewegt sind.
Abschließend können wir sagen: Der Herr gibt uns mit diesen Worten einen feinen Hinweis, um das Gleichnis richtig zu deuten. Der König steht für Gott.
In den weiteren Versen sehen wir aber, dass dieser Knecht, der diese gewaltige Vergebung erhalten hat, danach einen Mitknecht findet, der ihm hundert Denare schuldete. Und da zeigt er keine Nachgiebigkeit, sondern ergreift ihn und würgt ihn (Vers 28). Interessant ist auch, wie die Mitknechte reagieren (Vers 31). Sie sind betrübt und traurig. Dann erstatten sie Anzeige – aber bei welchem Gericht? Beim Herrn.
Das ist wichtig: Wenn wir traurige Dinge sehen, gehen wir nicht einfach damit hausieren, sondern wenden uns an den Herrn. Die Mitknechte greifen nicht selbst durch, sondern sagen es dem Herrn. So sollen auch wir es tun.
Der Herr nimmt sich der Sache an und sagt: „Du böser Knecht, wirf ihn ins Gefängnis!“ Es wird sogar gesagt, er wird den Peinigern überliefert, denn diese müssen aus ihm herausholen, ob es irgendwo noch Geldquellen gibt, die er nicht angeben will. Das Problem ist, dass Schuldige sich als Konkurs ansehen, aber doch noch versteckte Geldquellen haben.
Der Herr sagt dann als Anwendung des Gleichnisses: „So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergebt.“ Wenn wir also nicht bereit sind zu vergeben, hat das Konsequenzen.
Es geht hier aber nicht um ewige Verdammnis, das ist ganz wichtig. Woran sehen wir das? Weil die Strafe bis zur Tilgung der Schuld gilt. Die Hölle ist ewig, aber hier ist die Strafe zeitlich begrenzt.
Lies du bitte Vers 34: „Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Peinigern, bis er ihm die ganze Schuld bezahlt habe. So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergebt.“ Das Wort „bis“ ist hier entscheidend – es bedeutet nicht „ewig“.
Die Dimension der Schuld im Gleichnis und ihre Bedeutung
Um sich die Schuld richtig vorstellen zu können, braucht der Herr natürlich Begriffe aus der damaligen Wirtschaft.
Zehntausend Talente – das attische Silbertalent, das man damals benutzte, war ein Gewicht von Silber. Dieses Gewicht wurde gleichgesetzt mit sechstausend Denaren. Der Denar war die Münze im römischen Reich und entsprach dem Tageslohn eines Arbeiters. Zum Beispiel sehen wir in Matthäus 20,1-2, dass ein Arbeiter im Weinberg so viel pro Tag verdient: „Denn das Reich der Himmel ist gleich einem Hausherrn, der früh morgens ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Nachdem er aber mit den Arbeitern über einen Denar den Tag einig geworden war, sandte er sie in seinen Weinberg.“
Also: Der Tageslohn betrug einen Denar. Das hilft, um die Währungen in der Bibel, gerade im Neuen Testament, in heutige Währungen umzurechnen.
Was wollen wir für einen Tageslohn ansetzen? Ich muss aufpassen, denn es hören auch Leute aus Deutschland zu. Und wenn ich dann jeweils sage, ein Tageslohn eines Arbeiters hier sei so hoch, sind manche ganz entsetzt. Aber was würdest du sagen? Zwischen 100 und 200 Schweizer Franken? 100 ist zu wenig, das liegt unter dem Schweizer Mindestlohn. Also was nehmen wir? 20 oder 25 Franken pro Stunde? Ich würde sagen, heute geht man eher von 25 Franken aus. Es geht immer ein bisschen hinauf, also sagen wir 25 Franken pro Stunde. Wenn man neun Stunden arbeitet, hat man 225 Franken pro Tag.
Deutsche würden sagen, das sei unglaublich hoch, denn bei ihnen gibt es ganz andere Löhne in Euro. Aber in der Schweiz muss man natürlich mehr bezahlen, weil das Leben hier teurer ist als in Deutschland. Das ist einfach so. Darum brauchen die Schweizer mehr.
Jetzt rechnen wir das um: Ein Talent entspricht sechstausend Denaren, also sechstausend solcher Tageslöhne von 225 Schweizer Franken. Bei 10 Talenten kommen wir auf 60 Millionen Denare. Das ist eine Schuld, die niemand mehr zurückzahlen kann.
Wir können das ausrechnen, ohne dabei eine Fünftagewoche anzusetzen. Wenn jemand diese Schuld abarbeiten möchte und jeden Tag im Jahr arbeitet – also 365 Tage, so wie viele Zahnarztzentren hierzulande, die das ganze Jahr geöffnet sind –, dann wären das immer noch 164 Jahre, die er arbeiten müsste. So alt wird einfach niemand. Das wird knapp. Es ist einfach unbezahlbar.
Wenn er dann ins Gefängnis geworfen wird, bis er die ganze Schuld bezahlt hat, müsste er zeigen, ob noch irgendwelche Geldquellen versteckt sind. Dann müsste er alle seine Freunde, die ihn im Gefängnis besuchen, bitten, ihm irgendwie zu helfen.
Also: Es ist unbezahlbar. Das ist das Verhältnis, wenn wir über unsere Schuld vor Gott nachdenken und über eine Schuld, die andere Menschen uns angetan haben. Das ist einfach unvergleichlich.
Er hat eine Schuld von hundert Denaren – das ist auch ein rechter Betrag, hundert Tageslöhne. Aber 60 Millionen Tageslöhne, das ist einfach hoffnungslos.
Die Ablehnung der Vergebung durch Israel und ihre Folgen
Und wie war das damals mit Israel? Israel hat den Herrn abgelehnt und sich, ich spreche hier von der ungläubigen Masse, dagegen gestellt, dass andere die Vergebung des Herrn annehmen können.
Wenn wir kurz in der Apostelgeschichte 22 nachschlagen, sehen wir, dass Paulus im Tempel war und von der Treppe, die zur Burg Antonia hinaufführt, eine Rede ans Volk hielt. Er erklärt, dass er den Auftrag vom Herrn erhalten habe, die frohe Botschaft weit weg zu den Heidenvölkern zu bringen (Apostelgeschichte 22,18-21).
Dort sagt Paulus: „Und ich sprach: Herr, du weißt, dass ich die an dich Glaubenden ins Gefängnis warf und in den Synagogen schlug. Und als das Blut deines Zeugen Stephanus vergossen wurde, stand auch ich dabei, willigte ein und verwahrte die Kleider derer, die ihn umbrachten.“
Der Herr sprach zu ihm: „Geh hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden.“ Paulus sah den Herrn in einer Vision, der zu ihm sagte: „Eile und geh schnell aus Jerusalem hinaus, denn sie werden dein Zeugnis über mich nicht annehmen.“
Also haben sie den Herrn und seine Vergebung abgelehnt. Aber sie wollten auch nicht, dass die Heiden diese Vergebung erhalten könnten. Das zeigt sich darin, dass der Herr sagt: „Geh hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden.“
Im nächsten Vers erklärt Lukas, dass die Zuhörer Paulus bis zu diesem Wort zuhörten, dann aber ihre Stimme erhoben und sagten: „Weg von der Erde mit einem solchen! Denn es geziemt sich nicht, dass er am Leben bleibt.“
Sie wollten also nicht, dass die Nationen diese Botschaft der Vergebung hören.
Wenn wir noch im Ersten Thessalonicherbrief nachschlagen, finden wir ein prophetisches Wort von Paulus über sein eigenes Volk, also über die Masse, die den Messias ablehnte (1. Thessalonicher 2,14-16).
Dort heißt es: „Ihr seid Nachahmer der Versammlungen Gottes geworden, die in Judäa sind, in Christus Jesus, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt. Wie auch jene von den Juden, die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung weggetrieben haben. Sie gefallen Gott nicht und sind allen Menschen entgegen, indem sie uns daran hindern, zu den Nationen zu reden, damit diese errettet werden. So vollenden sie allezeit ihre Sünden. Aber der Zorn ist völlig über sie gekommen.“
Hier sehen wir deutlich, dass Widerstand bestand, indem sie Paulus und seine Gefährten daran hinderten, zu den Nationen zu sprechen. Genau wie der Knecht in dem Gleichnis seinem Mitknecht keine Vergebung gewähren wollte, haben sich diese gegen das Evangelium gewandt, damit die Heiden die Botschaft der Vergebung nicht hören sollten.
Paulus sagt, der Zorn sei völlig über sie gekommen. Das kann man als ein prophetisches Perfekt verstehen.
Ab dem Jahr 70 wurde das jüdische Volk aus dem Land herausgerissen, nachdem die Stadt Jerusalem und der Tempel zerstört worden waren. Sie wurden unter alle Völker zerstreut, wie es in 5. Mose 28,64 beschrieben wird.
Dort heißt es: „Und der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“
Das reicht als Aussage: eine weltweite Zerstreuung des jüdischen Volkes.
In den folgenden Versen wird das Elend unter den Völkern beschrieben, zum Beispiel in Vers 65 und den folgenden:
„Und unter jenen Nationen wirst du nicht rasten, und deine Fußsohle wird keine Ruhestätte finden. Der Herr wird dir dort ein zitterndes Herz geben, erlöschende Augen und Verschmachten der Seele. Dein Leben wird schwebend vor dir hängen, und du wirst dich fürchten, Nacht und Tag, und deinem Leben nicht trauen. Am Morgen wirst du sagen: Wäre es doch Abend! Und am Abend wirst du sagen: Wäre es doch Morgen! Wegen der Furcht deines Herzens, womit du dich fürchten wirst, und wegen des Anblicks deiner Augen, den du erblicken wirst.“
Genau das wird in dem Gleichnis ausgedrückt: Dieser Knecht kommt unter die Zucht des Königs und leidet. Aber es sollte nicht ewig so bleiben.
Die zeitliche Begrenzung der Zucht und die Hoffnung auf Wiederherstellung
Jesaja Kapitel 40 markiert inhaltlich den Beginn eines ganz neuen Abschnitts im Buch Jesaja. In den Kapiteln 40 bis 66 geht es speziell um die Wiederherstellung Israels in der Endzeit.
Der Abschnitt beginnt mit einem Wort, das weltbekannt ist, unter anderem durch das Oratorium „Der Messias“ von Händel, das wunderbar vertont wurde. In den Versen 1 und 2 heißt es: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu, dass ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand des Herrn zweifaches empfangen hat für alle ihre Sünden.“
Das bedeutet, dass es ein Ende des Schicksals des jüdischen Volkes gibt. Wir leben bereits in einer Zeit, in der das Schicksal des jüdischen Volkes in einem Prozess eine Wende erfährt. So wird es auch in Joel 4,1 gesagt: „In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich das Schicksal meines Volkes Israel wenden, Judas und Jerusalems.“
Diese Wende sehen wir ab dem Jahr 1882, mit der ersten Einwanderungswelle von Juden ins Land. Danach folgte die Befreiung des Landes durch den Ersten Weltkrieg. Durch den Zweiten Weltkrieg wurde die Tür geöffnet für die Gründung des Staates Israel. 1948 wurde der Staat Israel gegründet, und 1967 wurde der Tempelberg wieder in die Hand des jüdischen Volkes gegeben.
Dieser Prozess zeigt, wie Gott das Schicksal wendet. Schließlich, wenn der Herr Jesus in Macht und Herrlichkeit kommen wird, wird er rufen: „Nachamu, Nachamu, Ami! Jumar Elohechem!“ – „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!“
Jerusalem soll ermutigt werden, man soll zum Herzen Jerusalems sprechen und ihnen sagen: „Jetzt ist die Mühsal vorbei, jetzt ist die Schuld weg.“ Sie haben von der Hand des Herrn das Zweifache empfangen für all ihre Sünden.
Diese Leiden sind jedoch nicht sühnende Leiden, sondern Leiden der Zucht Gottes über sein Volk. Sie sind nicht ewig, sondern zeitlich beschränkt. Das ist sehr wichtig in diesem Gleichnis des Bies. Die Alphasöhner können und dürfen dieses Gleichnis nicht auf das Thema der Verdammnis anwenden.
Es geht hier um Zucht, und das erlebt auch ein Gläubiger. Wenn er nicht bereit ist zu vergeben, dann kommt er unter die Zucht Gottes, und diese kann schmerzlich sein. Doch das Ziel ist immer ein Biss, damit es schließlich eine Wiederherstellung gibt.
Die Unterscheidung von zeitlicher Zucht und ewiger Verdammnis
Wo steht denn, dass die Pein der Hölle ewig ist? Am besten findet man diesen Hinweis im Matthäusevangelium, im gleichen Buch. Dort heißt es: „Dessen Wurm nicht stirbt und dessen Feuer nicht erlischt.“ Ja, genau, aber auch: „Geh hin in die ewige Pein.“ Die ewige Pein ist besonders hilfreich, um das zu verstehen. Sie steht in Matthäus 25, Vers 46. Dort heißt es: „Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“
Hier wird die ewige Pein ausdrücklich im Kontrast zum ewigen Leben gesetzt. Wenn jemand behauptet, die ewige Pein sei nicht ewig, müsste man folgern, dass auch das ewige Leben nicht ewig wäre – das wäre eine schreckliche Vorstellung.
Die ewige Pein ist also genauso ewig wie das ewige Leben. Allerdings gibt es eine Vollendung, auf die wir noch eingehen können. Zum Beispiel in Jesaja 40, Vers 2, wo es heißt: „Redet zum Herzen Jerusalems: Ist alles abgetragen.“
Gut, ich schlage vor, jetzt machen wir zehn Minuten Pause, lüften etwas durch, und dann geht es weiter mit Kapitel 19, wo ein ganz neuer Teil beginnt.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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