Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir stehen in Lukas 23, und zwar Vers 44. Dort lesen wir zunächst bis zum Schluss des Kapitels und sehen, wie weit wir heute kommen.
Es war um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land kam bis zur neunten Stunde. Die Sonne wurde verfinstert, und der Vorhang im Tempel riss mitten in zwei.
Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Als er das gesagt hatte, verschied er.
Als aber der Hauptmann sah, was geschah, pries er Gott und sprach: „Wahrlich, dieser Mensch war gerecht.“
Auch die ganzen Scharen, die zu diesem Schauspiel herbeigekommen waren, schlugen sich an ihre Brust, als sie sahen, was geschah, und kehrten zurück.
Alle, die ihn kannten, standen weit entfernt, auch die Frauen, die ihm von Galiläa her nachgefolgt waren, und sie sahen dies.
Siehe, ein Mann namens Joseph von Arimathäa, einer Stadt der Juden, war ein Ratsherr, ein guter und gerechter Mann. Er hatte dem Rat und Tun der anderen nicht zugestimmt und wartete selbst auf das Reich Gottes.
Dieser ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu. Er nahm ihn herab, wickelte ihn in Leinwand und legte ihn in ein in Felsen gehauenes Grab, in dem noch niemand gelegen hatte.
Es war Rüsttag, und der Sabbat brach an.
Die Frauen, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, folgten nach und sahen sich das Grab an sowie, wie sein Leib hineingelegt wurde. Dann kehrten sie zurück und bereiteten wohlriechende Gewürze und Salben vor.
Am Sabbat aber ruhten sie nach dem Gesetz.
Viel Dank!
Die Zeitangaben der Kreuzigung und ihre Bedeutung
Vers 44, die sechste Stunde am Kreuz – wie viel Uhr ist das? Nochmals: Zwölf Uhr. Zwölf Uhr. Aber wie rechnet man das, und warum?
Herr Lukas schreibt nach jüdischer Zählung: sechs Uhr morgens plus sechs Stunden sind zwölf. Jawohl, man rechnet also zwölf Stunden des hellen Tages und beginnt ab sechs Uhr morgens. Dabei ist es noch viel komplizierter.
Es handelt sich um sechs Uhr im Frühjahr, und zwar ganz genau bei der Tag-Nacht-Gleiche – ebenso wieder im Herbst. Die Stunden des hellen Tages werden in zwölf Abschnitte eingeteilt. Das heißt, im Verlauf des Jahres sind die Stunden nicht gleich lang. Das ist für uns heute unverständlich, aber so war es tatsächlich. Auch bei den alten Römern war das so: Die Stunden waren dehnbar.
Weil das Passa und damit die Kreuzigung des Herrn im März oder April stattfanden, nämlich Mitte des Monats Nissan, können wir also ab sechs Uhr morgens bis ungefähr sechs Uhr abends rechnen. Somit entspricht die sechste Stunde der zwölf Uhr in unserem System.
Wann wurde der Herr gekreuzigt? Das wird hier in Lukas nicht ausdrücklich gesagt. Im Markus-Evangelium sehen wir, dass es um neun Uhr war – die dritte Stunde genau. Und der Tod erfolgte, wie hier in Vers 44 erwähnt, um drei Uhr – die neunte Stunde.
Diese Stunden haben in der Bibel eine besondere Bedeutung: die sechste Stunde, die dritte Stunde und die neunte Stunde. Zum Beispiel das erste und das letzte Brandopfer in Kempten, also das tägliche Brandopfer, wie es in 2. Mose vorgeschrieben ist. Ich gebe die Stelle an: 2. Mose 29,38-39. Dort wird das erste und das letzte Opfer des Tages beschrieben, nämlich das Morgenbrandopfer und das Abendbrandopfer „zwischen den zwei Abenden“.
Dieser Ausdruck ist für uns im Deutschen schwer verständlich. Was bedeutet „zwischen den zwei Abenden“? Auf Hebräisch ist das ein Wort: „Arbaim“. „Erev“ heißt Abend, und mit der Dualendung bedeutet es wörtlich „Doppelabend“. Das sagt uns zunächst nichts. Aber es bezeichnet genau die Zeit ab dem Niedergehen der Sonne, von etwa fünfzehn Uhr bis zum Sonnenuntergang – also „zwischen den zwei Abenden“.
Diesen Ausdruck findet man auch in 2. Mose 12. Beim Passa wird dort gesagt, dass das Passa „zwischen den zwei Abenden“ geschlachtet werden soll. Das heißt, die Schlachtung sollte um fünfzehn Uhr nachmittags beginnen.
Das ist eindrücklich, weil es genau den Kreuzigungsstunden des Herrn Jesus entspricht. Er wurde um neun Uhr morgens ans Kreuz genagelt, und im Tempel wurde gleichzeitig das Morgenbrandopfer aufgelegt. Er starb um drei Uhr nachmittags, nach dieser dreistündigen Finsternis. Zu dieser Zeit wurde das Abendbrandopfer als letztes aufgelegt. Alle anderen Opfer im Tempel fanden zwischendrin statt.
Dass der Heilige Geist uns so die genauen Zeiten angibt, hat alles seine Bedeutung. Es wird uns jedoch nicht einfach gesagt. Deshalb müssen wir dasselbe merken.
Die Finsternis bei der Kreuzigung im biblischen Kontext
Und die Sonne wurde verfinstert – wo war das im Alten Testament vorausgesagt?
Lukas erwähnt es nicht, auch Matthäus und Markus, die diese Finsternis beschreiben, sagen es nicht. Doch wir sollten den Zusammenhang mit dem Alten Testament erkennen. Hat jemand einen Gedanken dazu? Wenn wir dann das Alte Testament aufschlagen, merken alle: Oh ja, natürlich! Psalm 22.
Nach dem Titel, dem Vorsänger nach Hindin der Morgenröte, handelt es sich um einen Psalm von David. Lies du, Sascha, bitte Vers 2 und 3 vor:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Warum bleibst du so fern von meiner Rettung, von den Worten meiner Klage? Mein Gott, ich rufe bei Tag, und du antwortest nicht, auch bei Nacht habe ich keine Ruhe.“
In diesem Psalm, in dem die Kreuzigung des Herrn so detailliert beschrieben wird – und man beachte Vers 17 am Schluss: „Sie haben meine Hände und meine Füße durchgraben“ –, wird das Annageln ans Kreuz vorausgesagt, ebenso viele andere Details.
Nun, dieser Schrei des Erlösten „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ wird im Matthäusevangelium und im Markusevangelium berichtet, aber nicht in Lukas. Das war der Schrei des Herrn Jesus, als er Sündenträger wurde in den drei Stunden der Finsternis.
Zusätzlich sagt er in Vers 3: „Ich rufe des Tages und dann auch des Nachts.“ Das heißt also, am Kreuz sollte es eine Periode von Licht und eine Periode von Finsternis geben – und genau so war es.
Noch eine sehr eindrückliche Stelle, die es wert ist, auch zwischendurch an einem Sonntagmorgen in einem Anbetungsgottesdienst vorgelesen zu werden: Oft wird ab Jesaja 50, Vers 4 gelesen, wo die Leiden des Herrn Jesus vorausgesagt werden. Doch Vers 3 gehört ebenfalls dazu.
Darum liest du, Sascha, Jesaja 50, ab Vers 3:
„Ich kleide den Himmel in Schwarz und bedecke ihn mit Sacktuch. Gott, der Herr, hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich den Müden mit einem Wort erquicken kann. Er weckt mich Morgen für Morgen, ja, er weckt mir das Ohr, damit ich höre, wie Jünger hören.
Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet; ich bin nicht zurückgewichen. Meinen Rücken bot ich denen dar, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften.
Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott, der Herr, wird mir helfen, darum muss ich mich nicht schämen.
Darum machte ich mein Angesicht wie einen Kieselstein, denn ich wusste, dass ich nicht zu Schanden würde.
Der mich rechtfertigt, ist nahe. Wer will mit mir rechten? Lasst uns miteinander hintreten! Wer will gegen mich Anklage erheben, er trete herzu!
Siehe, Gott, der Herr, steht mir bei. Wer will mich für schuldig erklären? Siehe, sie werden alle zerfallen wie ein Kleid, die Motte wird sie fressen.“
Die Bedeutung der Leiden und die Symbolik des Bartes
Wer spricht da? Es ist ein Einzigartiger. Wer könnte sagen, wer mich für schuldig erklären darf? Es ist keine Kunst, irgendeinen Menschen für schuldig zu erklären. Man wird immer Gründe finden. Aber der Herr Jesus konnte so sprechen.
Wenn wir dazu an Johannes 8,44 denken, wo er gegenüber den Führern des Volkes, die ihn angriffen, sagte: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“ – keiner konnte es. Wenn wir eine solche Frage stellen würden, wäre das unverschämt, frech und auch dumm. Aber der Herr konnte so reden, weil er vollkommen war.
Hier wird also der Vollkommene, der Sündlose beschrieben, der so misshandelt werden sollte. Nach Vers 6 heißt es: „Ich bot meinen Rücken den Schlagenden.“ Man denke an die Geißelung vor Pilatus, bei der Lederriemen an einer Peitsche befestigt waren. An den Enden der Lederriemen befanden sich üblicherweise Widerhaken oder metallene spitze Teile, die den ganzen Rücken in eine aufgerissene Masse verwandelten.
Und „meine Wangen den Raufenden“ – an dieser Stelle sei erwähnt, dass der Herr einen Bart hatte. Es wird hier praktisch nichts darüber gesagt, wie der Herr Jesus ausgesehen hat. Das hat eine besondere Bedeutung, damit wir uns keine Fantasievorstellung machen. Aber wir können wissen, dass es üblich im Judentum war, einen Bart zu tragen. Darum kann man von „Raufen“ sprechen.
Das war ein Symbol. Im Judentum galt das Gesetz aus 3. Mose, dass man den Rand des Bartes nicht verletzen soll. Gott hatte also für sein irdisches Volk ein Volk von Bärtigen vorgesehen. Was heißt das? Das sollte der Ausdruck der Weisheit sein.
Im 5. Mose 4 wird Israel als ein weises Volk bezeichnet, denn es gibt kein Volk auf dieser Erde, das so weise Gebote hat, wie sie in der Bibel stehen. Darum wird es dort als weises Volk genannt.
Man merkt das vielleicht schon beim Hören: Ein Ältester heißt auf Hebräisch „Zaken“ und Bart heißt „Zakan“. Die Verbindung macht man vom Hören her: „Sakan, Sakan“ – das hat also zu tun mit Reife, dem Ausdruck der Reife und Weisheit durch das Wort Gottes.
Aber wenn wir an den Herrn Jesus denken, war das alles verblasst. Diese Weisheit, die er zeigte, und wie er das Wort Gottes mit Gewalt predigte – Matthäus 7 sagt, er sprach mit Autorität, wie man das noch nie gehört hatte, nicht wie die Schriftgelehrten.
In Johannes 7, als er vor Gericht geführt werden sollte, sagten die unverrichteter Dinge zurückkehrenden Diener, also Tempelpolizisten: „Nie hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch.“ Einfach wie er gesprochen hat, das war so gewaltig.
Das wurde natürlich auch symbolisch durch seinen Bart ausgedrückt. Sie haben seine Wangen gerauft, also seine Weisheit wirklich in den Dreck gezogen, könnte man sagen.
Und dann heißt es: „Mein Angesicht verbarge ich nicht vor Schmach und Speichel.“
In diesem ganzen Zusammenhang haben wir eben diesen Vers 3, in dem Gott sagt: „Ich kleide die Himmel in Schwarz und mache Sacktuch zu ihrer Decke“, in Verbindung mit den Leiden des Messias, die angekündigt wurden. Jetzt sehen wir die Erfüllung.
Die Finsternis als Schutz vor dem entstellten Angesicht
Frage: Warum hat Gott diese Finsternis gebracht? Man konnte ja sein Angesicht nicht mehr sehen, weil er so zugedeckt war, grausam. Die Menschen konnten sein entstelltes Angesicht nicht mehr sehen, genau deshalb.
Ich habe noch eine Frage: Ist diese Finsternis auf der ganzen Erde gewesen? Für das Land Israel ist sie bezeugt, auch außerhalb der Bibel. Ein Samaritaner, der im Jahr 52 schrieb, spricht über diese Finsternis und sagt, es sei eine Sonnenfinsternis gewesen. Das Werk von Thallus ist verloren gegangen, wie viele alte Bücher, aber er wurde später bei Iulius Africanus zitiert. Iulius Africanus lebte um 220 und sagt, dass die Erklärung von Thallus nicht richtig ist – und zwar zu Recht.
Denn die Kreuzigung fand ja um das Passafest statt, genauer gesagt während des Passafests, also Mitte des Monats. Das heißt im jüdischen Monat immer Vollmondzeit. Der Monat beginnt immer mit Neumond, nicht mit Leermond, bei dem man nichts sieht. Neumond ist das erste Erscheinen der Mondsichel. Bei Vollmond kann es keine Sonnenfinsternis geben, das ist astronomisch unmöglich.
Interessant ist, dass Thallus zwar eine falsche Erklärung gegeben hat. Eine Sonnenfinsternis dauert sowieso nicht drei Stunden, höchstens drei Minuten. Josephus Africanus sagt, das kann nicht sein. Trotzdem ist das Zeugnis von Thallus als außerbiblisches Zeugnis dieser Finsternis im Land Israel sehr wertvoll, gerade auch für kritische Leute.
Darum ist es wichtig, solche Informationen parat zu haben, wenn Leute sagen, die Evangelien seien erfunden oder nicht historisch. Um deine Frage zu beantworten: Es gibt keine Zeugnisse außerhalb des Landes Israel, dass zu dieser Zeit eine solche Finsternis stattgefunden hat. Das ist noch kein Beweis dafür, dass sie nicht weltweit gewesen wäre.
In Matthäus heißt es, es kam eine Finsternis über das ganze Land. Aber die Fußnote der Elberfelder Bibel erklärt – oder weiß jemand, was in der Fußnote steht? Genau, das gleiche griechische Wort kann sowohl „Land“ als auch „Erde“ bedeuten. Die Übersetzer waren der Überzeugung, dass die Finsternis beschränkt war, nicht weltweit.
Ich meine, auf einer halben Seite der Welt war es sowieso dunkel, also wenn man sagt, weltweit, ja, war es sowieso dunkel. Das Wort Gottes präzisiert das nicht weiter, und wir müssen auch nichts behaupten. Aber im Land Israel war die Finsternis auf jeden Fall.
Unsere Frage bleibt: Warum? Eine Antwort hatten wir bereits: Damit niemand das schmerzentstellte Gesicht des Erlösers sehen würde. Wobei, als er so misshandelt wurde – schon bei der Geißelung und bei der Beschimpfung und Verhöhnung durch die Soldaten – da war immer noch Licht. Als er ans Kreuz genagelt wurde, war ebenfalls noch Licht. Man sah all diese Leiden, aber in den drei Stunden der Finsternis nicht mehr.
Das war der Moment, in dem der Herr Jesus litt, nicht nur von Seiten der Menschen, sondern auch vonseiten Gottes. Gott hat unsere Sünden auf ihn gelegt und sich mit ihm identifiziert. Darum musste Gott ihn verlassen.
Deshalb hat er in der Finsternis geschrien: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dieses Wort ist so wichtig, denn es ist der einzige Satz in der Bibel, der in allen drei Bibelsprachen vorkommt: im Psalm 22 auf Hebräisch „Eli, Eli, lama asaftani“, dann in den Evangelien auf Aramäisch, das fast gleich ist, da heißt es „Eli, Eli, lama schabachtani“. Und dann auf Griechisch übersetzt und bei uns auf Deutsch: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Gott hat ihn wirklich verlassen. Gott, der Richter, hat den Herrn Jesus als Menschen in dieser Zeit verlassen. Und da hat der Herr Jesus unter der Hand Gottes gelitten. Gott wollte nicht, dass die Menschen in diesen Momenten sein schmerzentstelltes Gesicht sehen würden.
Das war auch das Schrecklichste, was der Herr in Gethsemane sah. Er sah, was die Menschen tun würden, und das war furchtbar. Aber er sah auch diese Gottesverlassenheit. Der Herr war der Vollkommene, der sagen konnte: „Wer überführt mich der Sünde?“ – oder wie am Grab von Lazarus: „Ich wusste, dass du mich allezeit erhörst, weil ich allezeit das tue, was dir wohlgefällt.“
Er, der am Jordan getauft wurde, und die Menschen hätten denken können, er sei ein Sünder wie die anderen, denn alle, die bei Johannes getauft wurden, mussten Sünden bekennen. Dann kam die Stimme aus dem Himmel: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Auch dort, auf dem Berg der Verklärung, als Elija, der große Prophet, und Mose, der das Gesetz übermittelt hat, erschienen, und Petrus die Idee hatte, man könne für alle drei eine Hütte bauen, da kam die Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn, ihn sollt ihr hören.“ Und dann lesen wir: „Und sie sahen Jesus allein.“
Dieser Vollkommene sollte mit unserer Sünde identifiziert und eins gemacht werden. Oder wie es in 2. Korinther 5,21 heißt: „Den, der keine Sünde kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gottes Gerechtigkeit würden.“
Das heißt, Gott hat den Herrn Jesus juristisch am Kreuz so behandelt, als wäre er die Quelle der Sünden in unserem Leben – eben zur Sünde gemacht. Das hat nichts mit Tatsünden zu tun, sondern mit der bösen, gefallenen Natur des Menschen. Aber der Herr Jesus wurde damit identifiziert.
Diese Schmerzen entziehen sich uns weitestgehend. Man kann dabei übrigens an die Stiftshütte denken, an den Opferaltar. Dort gab es auf halber Höhe ein Gitter, darauf lag das Holz. Der Altar aus Bronze musste natürlich auf einem kleinen Hügel mit Luftzufuhr von unten stehen.
Der heißeste Punkt des Altars ist dort, wo der Sauerstoff das Feuer erreicht. Das heißt, der heißeste Punkt war der verborgenste Punkt im Altar. Daran sollen wir uns immer erinnern: In den Leiden des Herrn Jesus gibt es eine Dimension, die sich uns völlig entzieht. Der Vater weiß, was das gewesen ist.
Darum müssen wir daran denken, wenn wir lesen: „Es kam eine Finsternis über das ganze Land“ oder eben „über die ganze Erde“.
Die prophetische Bedeutung der Finsternis
Ja, das bezieht sich eigentlich im Zusammenhang mit dem Volk Israel und ihren Festen. Dennoch kann man einen Zusammenhang herstellen. Wir können Amos 8,9 betrachten.
Dort heißt es: "Und es soll geschehen an jenem Tag, spricht Gott der Herr, da will ich die Sonne am Mittag untergehen lassen und über die Erde Finsternis bringen am lichten Tag. Dann werde ich eure Feste in Trauer verwandeln und alle eure Lieder in Klagegesang. Und ich werde um alle Lenden Sacktuch binden und auf alle Häupter eine Glatze bringen. Man wird trauern wie um den Eingeborenen, und das Ende wird sein wie ein bitterer Tag."
Das zeigt deutlich, dass eure Feste in Trauer verwandelt werden. Das Passafest ist ein freudiges Fest, sehr, sehr freudig und fröhlich. Doch an diesem Fest wurde der Herr Jesus gekreuzigt, und es kam diese Finsternis. So hat sich das genau so erfüllt.
Wenn wir nun noch den Bezug zu Lukas 23,48 herstellen, lesen wir: "Und alle Volksmengen, die zu diesem Schauspiel zusammengekommen waren, schlugen sich, als sie sahen, was geschehen war, an die Brust und kehrten zurück."
Das zeigt genau diese Trauer an einem Freudenfest. Die Menschen schlagen sich an die Brust und fragen sich, was da geschehen ist und wie ihre Nation sich schuldig gemacht hat. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass alle echte Buße getan haben, aber es war eine zutiefst erschütternde Erfahrung. Diese steht in Übereinstimmung mit der eindrücklichen Stelle aus Amos 8.
Übrigens heißt es dort auch, dass Finsternis über die Erde kommt. Das hebräische Wort "Erez" kann sowohl "Erde" als auch "Land" bedeuten, ähnlich wie im Griechischen "Ge", das ebenfalls Erde oder Land bedeutet.
Die Bedeutung des zerrissenen Tempelvorhangs
Und dann sehen wir, dass der Vorhang des Tempels mitten in zwei gerissen ist. Was bedeutet das? Es zeigt seit dieser Zeit, dass der Himmel offensteht. Die Menschen können Buße tun und zum Heil durch Jesus kommen. Der Himmel steht offen, sodass die Menschen einen freien Zugang zu Gott haben, wenn sie Buße tun.
Ich wiederhole das einfach für den Livestream, weil es manche vielleicht nicht hören. Vor einigen Jahren hatten wir in Lausanne die Stiftshütte in Originalgröße. Das war eine großartige Zeit: Über hunderttausend Leute kamen. Viele Menschen bekehrten sich dort auf dem Campus.
Es gab viele, die Gruppen durch eine große Ausstellung führten, darunter auch durch die Stiftshütte in Originalgröße. Einer der Leiter führte eine Gruppe orthodoxer Juden. Er erklärte ihnen, dass der Gott im Alten Testament derselbe Gott ist wie im Neuen Testament. Das ist eine wichtige Aussage, denn der Gott im Koran ist nicht derselbe Gott wie in der Bibel. Aber es ist korrekt: Der Gott im Alten Testament ist derselbe Gott wie im Neuen Testament.
Dann sagte er zu den Orthodoxen: Der Unterschied zwischen Judentum und Christentum besteht darin, dass im Judentum ein geschlossenes Heiligtum existiert, während im Christentum ein geöffnetes Heiligtum vorhanden ist – ein freier Zugang zu Gott. Und das alles ist aufgrund des zerrissenen Vorhangs möglich.
Von diesem geöffneten Vorhang lesen wir auch im Zusammenhang mit dem himmlischen Heiligtum, dem Original, von dem der irdische Tempel nur ein Abbild war. Nämlich in Hebräer 10. Wie sagt der Vers? Ja, ich höre es schon: Hebräer 10,19.
Darf ich vorlesen? „So lasst uns nun, Brüder, Kraft des Blutes Jesu Freimütigkeit haben zum Eingang in das Heiligtum, das er uns eingeweiht hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang hindurch, das heißt durch sein Fleisch. Und da wir einen großen Priester über das Haus Gottes haben, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in völliger Gewissheit des Glaubens, durch Besprengung der Herzen, los vom bösen Gewissen, und am Leib gewaschen mit reinem Wasser.“
Dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus haben wir es zu verdanken, dass wir es mit einem offenen Tempel im Himmel zu tun haben. Ganz entsprechend dem Abbild, wo der Vorhang zerrissen wurde, wird hier gesagt: Dieser Zugang ins Allerheiligste, in die unmittelbare Gegenwart Gottes, ist offen.
Dieser Weg wird genannt der neue und lebendige Weg.
Die theologische Bedeutung des Vorhangs und des menschlichen Körpers
Übrigens ist es interessant: Im Griechischen gibt es im Neuen Testament drei Wörter für „neu“. Eines davon ist „Neos“ und das dritte, um das es hier geht, bedeutet wörtlich „frisch geschlachtet“. Es ist also ein normales Wort im Altgriechischen, um „neu“ zu sagen, aber mit dem Nebenklang von „frisch geschlachtet“. Genau dieses Wort wird hier verwendet.
Das erinnert natürlich daran, dass der Herr Jesus gestorben ist. Auf dieser Grundlage gibt es den neuen und lebendigen Weg, den er uns durch den Vorhang hindurch eingeweiht hat.
Nun wird erklärt, was der Vorhang im Tempel bedeutet, nämlich sein Fleisch. Hier wird neudestamentlich erklärt, dass der Vorhang im Tempel – und natürlich auch schon in der Stiftshütte – ein Bild des menschlichen Körpers des Erlösers ist.
Man kann sich fragen: Was ist der Zusammenhang zwischen Vorhang und Körper? Das Gewebe, das heißt ja auch beim Fleisch „Gewebe“. Wir sind doch auch voller Gewebe. Ein Vorhang war übrigens ein Teppichvorhang, also ein Gewebe. Der Zusammenhang ist dadurch schon einmal gegeben.
Wenn man daran denkt, spricht Psalm 139 davon, wie David über die Bildung im Mutterleib nachdenkt. Er vergleicht sie mit einem Stickwerk in den untersten Örtern der Erde. David beschreibt die Bildung im Mutterleib als ein Künstleratelier im Keller, im Untergeschoss, also in einem Raum, in den niemand hineinsieht. Dort wird ein Gewebe hergestellt. So verborgen im Mutterleib wurde unser Körper aufgebaut, ausgehend von einer befruchteten Zelle.
David vergleicht das mit einem Stickwerk in den untersten Orten der Erde – ganz im Verborgenen hergestellt. Der Herr Jesus wurde ein wirklicher Mensch, und er wurde Mensch, damit er für Menschen sterben konnte. Indem der Vorhang zerriss durch seinen Tod, machte er den Zugang offen.
Das heißt aber: Solange der Herr Jesus auf dieser Erde war, etwa dreißig Jahre, war er gewissermaßen diesem nicht zerrissenen Vorhang entsprechend. Das bedeutet, als der Herr Jesus auf der Erde war, wurde deutlich, wie weit entfernt wir von Gott sind, wie getrennt wir von Gott sind. Sein Leben verurteilt uns.
Ich weiß, es gibt Leute, die sagen: „Ja, diese Christen, die sind so schlecht, und wie sie sich benehmen, ist ja unerhört.“ Dann muss man erklären: Man sollte sich nicht mit diesen Leuten vergleichen. Nach der Bibel müssen wir uns immer mit Jesus Christus vergleichen.
Sein vollkommenes Leben zeigt uns: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“ Das zeigt, wie weit wir von Gott entfernt sind. Sein Leben hat gezeigt, dass es eine totale Trennung zwischen dem heiligen Gott und uns unheiligen Menschen gibt.
Aber durch den Tod des Herrn Jesus wurde der Zugang geöffnet.
Die Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum
Und jetzt wird gesagt, dass wir, da wir nun Brüder sind, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum.
Könnte jemand definieren, was Freimütigkeit bedeutet? Es gibt manchmal Leute, die sagen – ich meine jetzt gerade Gläubige, Brüder – die sagen: „Ich habe keine Freimütigkeit.“ Was heißt das eigentlich?
Freimütigkeit bedeutet Freiheit zum Handeln, zum Hinzutreten, die Freiheit auch zu sprechen. Genau, das Letzte ist sogar ganz ausdrücklich im griechischen Wort enthalten. Freimütigkeit, wie es im Neuen Testament steht, heißt Freiheit zum Sprechen. Wenn man keine Freimütigkeit hat, dann mag man einfach seinen Mund nicht auftun und schweigt. Aber wenn man Freimütigkeit hat, dann hat man die Freiheit zu sprechen.
Hier geht es darum, ins Allerheiligste hineinzutreten. „Auf tausend wirst du ihm nicht eines antworten“, sagt das Buch Hiob zu uns von Natur verlorenen Menschen. Schrecklich, wenn Menschen manchmal denken: „Wenn ich denn einmal vor Gott stehe, werde ich es ihm sagen.“ Aber es wird keine Freimütigkeit geben. Hier wird gesagt, dass wir so in die Gegenwart Gottes kommen dürfen und Freiheit haben zu sprechen.
Diese Freimütigkeit drückt sich auch zum Beispiel oder in besonderer Weise aus, wenn wir als Gemeinde zusammenkommen, zum Brotbrechen und zur Anbetung. Nach der Bibel soll das eine offene Zusammenkunft sein, bei der der Heilige Geist benutzen kann, wen er will.
Es gibt solche, die drücken nie ein Gebet aus, schlagen nie ein Lied vor, und wenn man sie darauf anspricht, sagen sie, sie hätten keine Freimütigkeit. Ja, aber sie können natürlich sagen: „Ich habe auch nicht die Gabe des Predigens.“ Das muss man ja gar nicht haben. Anbetung hat nichts mit Predigen zu tun. Die Gabe des Predigens haben nicht alle, und andere haben die Gabe der Dienstleistung, zum Beispiel nach 1. Korinther 12, und machen praktische Dinge. Die müssen nicht predigen.
Aber dem Herrn einfach nur ganz kurz für seine Leiden und sein Erlösungswerk zu danken, das kann auch ganz kurz sein. Da muss man sich fragen: Woran liegt es, dass die Freimütigkeit nicht da ist? Viele andere machen das schon. Ja, das können ja zwei, drei Sätze sein. Wenn das von Herzen ausgedrückt ist, wirklich brennend, das gibt Platz für so viele. Aber eben das Problem ist die fehlende Freimütigkeit.
Hier wird uns Mut gemacht, denn wir haben nun, Brüder, Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu. Natürlich sind wir heute noch nicht im Himmel, wir sind auf der Erde. Aber wie können wir denn in dieses Heiligtum hineingehen? Wenn wir ganz bewusst in der Gegenwart Gottes stehen, dann gehen wir gewissermaßen im Geist in die Gegenwart Gottes, in das himmlische Heiligtum ein.
Das ist ganz konkret. Körperlich sind wir nicht dort, da sind wir auf der Erde. Aber durch das Gebet und durch die Anbetung können wir so in die Gegenwart Gottes kommen und in dieses Heiligtum eingehen.
Diese Stelle möchte uns eben Freimütigkeit bewirken zum Eintritt, und zwar auf einem neuen und lebendigen Weg, weil alles gut gemacht worden ist durch das frisch geschlachtete Opfer, durch sein Blut.
Dann wird natürlich noch gesagt: Lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, also nicht mit irgendetwas, das unwahrhaftig ist in unseren Herzen. Das kann ein Grund sein für fehlende Freimütigkeit, es gibt aber viele andere Gründe.
Dann heißt es: in voller Gewissheit des Glaubens. Wenn jemand ständig unter Zweifeln leidet und die Heilsgewissheit immer wieder in Frage stellt, dann ist das natürlich ein Hindernis. Dann hat man keine Freimütigkeit. Aber man muss schauen, woran es liegt, dass diese Heilsgewissheit nicht da ist. Das kann man in der Seelsorge auch klären.
Die Herzen werden besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen, und der Leib wird gewaschen mit reinem Wasser – also in einem geistlich gereinigten Zustand. Dann kann uns eben der Heilige Geist auch diese Freimütigkeit geben, in einem geöffneten Heiligtum.
Symbolik des Tempelvorhangs im Kirchenraum und im Talmud
Einmal habe ich eine Kirche besucht. Wenn ich irgendwo bin, möchte ich gerne das Gotteshaus verbinden und noch etwas anschauen. So bin ich in eine katholische Kirche hineingegangen. Dort gibt es ja ganz hinten den Bereich des Allerheiligsten.
An diesem Ort war mit einem Gemälde genau das dargestellt: Ein Vorhang, der das Allerheiligste abgrenzt. Vor dem Vorhang steht man im Heiligen. Bei diesem Scheidevorhang sah man das Kreuz Christi, und der Vorhang war nicht zerrissen, sondern intakt.
Das war für mich ein klares Symbol für die fehlende Heilsgewissheit, die in der katholischen Lehre vertreten wird. Dort sagt man, man könne sich nicht sicher sein. Dabei steht doch in Johannes 5: „Ich habe diese Dinge euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt.“ Es ist Arroganz zu sagen, ich weiß es genau. Aber es steht geschrieben, damit wir es wissen. Und wenn es geschrieben steht, dürfen wir es auch wissen.
Die Kirche hatte symbolisch ein geschlossenes Heiligtum dargestellt. Wie war das eigentlich damals? Um drei Uhr nachmittags wissen wir, dass das der Moment war, in dem das Abendopfer auf den Altar gelegt wurde. Es war auch die Zeit, in der die Leute in den Tempel hineingingen, um zu beten – im Vorhof, im Frauenvorhof und im Israelvorhof. Im innersten Vorhof stand ein Priester, der das Abendrauchopfer am goldenen Räucheraltar darbringen musste.
Dieser Priester stand am goldenen Räucheraltar mit seinem goldenen Rauchfass, das übrigens in Offenbarung 8 ausdrücklich erwähnt wird. Er musste mit beiden Daumen ein spezielles Gemisch von Rauchwerk auflegen und dann die folgenden Kohlen auf dem Altar platzieren. Der Rauch stieg auf – und in genau diesem Moment zerriss der Vorhang von oben nach unten.
Diesen Schock kann man sich kaum vorstellen. Für jeden Priester war klar: Man darf das Allerheiligste nicht sehen, das ist absolut verboten. Und jetzt zerriss der Vorhang – was macht man, wenn es da so knallt? Der Blick hat das Allerheiligste gesehen.
Wie sehr man darauf geachtet hat, dass das Allerheiligste nicht gesehen wird, zeigt sich auch an einem weiteren Detail. Zur Zeit des Herrn Jesus war der Tempel so gebaut, dass es über dem Heiligen und dem Allerheiligsten noch einen Stock gab.
Der Tempel war insgesamt hundert Ellen hoch, also etwa 52,5 Meter – das entspricht einem Hochhaus von über zwanzig Stockwerken. Über dem Heiligen und dem Allerheiligsten befand sich ein Raum, der diesen unteren Räumen entsprach. Dort gab es Lifteinrichtungen mit riesigen Rädern.
Zwischen den Stockwerken gab es eine Liftkabine. Immer wenn der Hohepriester einmal im Jahr ins Allerheiligste hineinging, musste er auch kontrollieren, ob das Gold an den Wänden sich löst und repariert werden muss.
Die Priester, die reparieren sollten, wurden in diese engen Kabinen gesetzt, direkt an die Wand. Sie konnten nur den Bereich sehen, an dem sie arbeiten mussten. Danach wurden sie wieder nach oben gezogen. Die nächste Liftkabine war daneben, aber diese durften sie nicht benutzen. Sie durften nur gerade diesen Bereich sehen, aber nichts vom Allerheiligsten. Das soll veranschaulichen, wie groß der Schock war, als der Vorhang zerriss.
Jetzt stellt sich wieder die Frage, die mir immer wieder gestellt wird: Was geschah mit diesem Vorhang? Was könnte man antworten? Gab es einen Ersatzvorhang, einen vorbereiteten? Wurde schnell ein neuer Vorhang reingeschoben?
Das Wort „schnell“ für Ersatzvorhang hat seine Berechtigung. Im Tempel gab es nämlich auf der Südseite, wenn man von Süden kam, verschiedene Tore. Dort war das obere Tor. In diesem Bereich gab es eine Kammer, in der junge Frauen jedes Jahr einen neuen Scheidevorhang produzierten.
Man stellte also wirklich jedes Jahr einen neuen Scheidevorhang her. Darum wurde das Heiligtum auch immer wieder verschlossen. Wenn man die Bedeutung nicht annehmen will, dass der Messias nun alles gut gemacht hat und der Zugang offen ist, dann bleibt man lieber in der Ungewissheit. So ist der Vorhang intakt.
Noch ein kleiner Hinweis: Es wird manchmal gefragt, ob es im Judentum einen Hinweis auf diesen zerrissenen Vorhang gibt. Tatsächlich wird das in der rabbinischen Literatur nirgends beschrieben. Aber es gibt Stellen im Talmud, zum Beispiel Joma 51b, wo von zwei Vorhängen gesprochen wird. Auch in Schekalim 8,5 wird von zwei Vorhängen berichtet.
Die schnellen Kritiker, die bei der Bibel nach Widersprüchen suchen, machen das auch bei der rabbinischen Literatur. Dort gibt es also den Widerspruch, dass von einem Vorhang und von zwei Vorhängen gesprochen wird. Was bezeugt die Bibel? Haben wir das gelesen? Nochmals: „Der Vorhang des Tempels aber riss mitten in zwei.“ Nicht ein Vorhang oder zwei Vorhänge, sondern der Vorhang zerriss (Matthäus 27,51).
Die Bibel bezeugt damals einen Vorhang. Dass im Talmud, der ab dem zweiten Jahrhundert nach Christus verfasst wurde, an einer anderen Stelle von zwei Vorhängen gesprochen wird, kann man so verstehen, dass unterschiedliche Zeitpunkte beschrieben werden.
Es gab eine Zeit, in der es einen Vorhang gab, und eine Zeit, ab der es zwei gab. Offenbar hat man eine Sicherheitsvorkehrung getroffen. Falls der Vorhang wieder zerriss und das Risiko bestand, dass ein Priester das Allerheiligste sieht, hat man zwei Vorhänge aufgehängt.
Joma 51b sagt, dass zwischen den Vorhängen eine Elle Abstand war. Ab dieser Zeit ging der Hohepriester am Jom Kippur auf einer Seite zwischen den Vorhängen hindurch ins Allerheiligste, um in der Mitte das Blut zu sprengen.
So haben wir beides – einen Vorhang und zwei Vorhänge – und man kann das als indirektes Zeugnis für den zerrissenen Vorhang werten: ein Vorhang, zwei Vorhänge.
Weitere Fragen und biblische Zeichen bei der Kreuzigung
Ja, Leandro, es gibt noch einige Fragen, aber eins nach dem anderen.
Zum Preis steht im Talmud, dass das Buch aus unerklärlichen Gründen an den Toren zugange ist. Ja, es gibt im Talmud auch eine Stelle, wo es heißt, dass das Nikanortor, das übrigens, sich geöffnet hat – und zwar unmittelbar vor dem Jahr 70, als dann der Tempel zerstört wurde. Dieses automatische Öffnen war das schwerste Tempeltor. Es ist das Tor vom innersten Vorhof gegen den Frauenvorhof oder vom Frauenvorhof gegen den innersten Vorhof. Dieses Tor hat sich von selbst geöffnet, obwohl es normalerweise viele Priester brauchte, um es zu öffnen.
Die Rabbiner haben das, wie im Talmud berichtet wird, sofort in Verbindung gebracht mit Sacharja 11, dieser Prophetie, und haben es als Vorzeichen der Zerstörung des Tempels gewertet. Dort heißt es, man muss daran denken, dass der Tempel aus sehr viel Libanon-Zedernholz gebaut war. Darum wurde der Tempel auch als Libanon bezeichnet. Libanon bedeutet übrigens auch „der Weiße“. Man dachte dabei daran, dass der Tempel durch die Sündenvergebung der Opfer weiße Herzen bewirkt.
Was steht nun in Sacharja 11,1? „Libanon, öffne deine Tore, damit das Feuer deine Zedern fresse! Klage, Zypresse, denn die Zeder ist gefallen, denn die Herrlichen sind verwüstet. Klagt, ihr Eichen von Baschan, denn der undurchdringliche Wald ist umgehauen.“ Und so weiter. Das haben sie auf die Zerstörung des Tempels bezogen.
Interessant ist auch, dass es in Sacharja 11 um den Herrn Jesus als den guten Hirten geht, der von den Schafen abgelehnt wurde. Er hat geweidet, und dann sind sie seiner überdrüssig geworden. Da hat er gesagt: „Gut, wenn ihr nicht mehr wollt, dass ich euch weide, dann gebt mir, was ihr mir geben wollt.“ Und dann wogen sie ihm dreißig Silberschäkel dar.
Gott sagt daraufhin, dass er ihnen einen anderen Hirten geben wird – einen törichten Hirten, der die Herde nicht schonen wird, sondern sie zerreißen wird. Das beschreibt er am Schluss des Kapitels als den Antichristen, der einmal anstelle des guten Hirten kommen wird. Das Ganze beginnt mit diesem prophetischen Wort: „Tue auf, Libanon, deine Tore!“
Das nur kurz zu diesen Tempeltoren.
Ja, da hinten hast du schon gewartet, René. Was bedeutet das? Von oben nach unten hat jemand eine Antwort gegeben: Das zeigt, es war Gottes Finger, eben vom Himmel her nach unten zerrissen. Das war nicht das Werk der Menschen. Und das ist ja der Unterschied zwischen dem Evangelium und allen Religionen.
In Religionen versucht der Mensch, sich zu Gott hinaufzuschaffen. Die Bibel macht jedoch klar, dass das nicht möglich ist. „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Römer 3,23). Aber weil wir nicht zu Gott kommen konnten, ist er zu uns gekommen. Er hat von oben her Erlösung und Öffnung gemacht.
Dann hat noch jemand etwas gesagt: Matthäus beschreibt weiter, dass auch Erdbeben stattgefunden haben, und dass Tote auferstanden sind – also ganz dramatische Dinge. Du willst sagen, dass eben diese Zeichen, die Gott gegeben hat, also diese spezielle Totenauferstehung von alttestamentlichen Gläubigen, in Matthäus 27 beschrieben werden. Dazu kamen die Felsen, die zerrissen wurden. Das waren alles spezielle Bezeugungen Gottes, die klar machen sollten, was hier geschah.
Vielen Dank.
Fragen zu den Priestern im Heiligtum und zum Tod Jesu
Nadja, wolltest du noch etwas sagen? Ah, da hinten. Ich wollte fragen: Die Priester, bei denen der Vorhang zerrissen war – vermutlich haben einige von ihnen im Heiligtum gesehen, die sonst nie hineingelassen wurden, oder? Theoretisch hätten sie ja nach dem Gesetz sterben müssen, oder?
Christoph sagt, theoretisch hätten diese Priester, die ins Allerheiligste hineingesehen haben, sterben müssen. Übrigens waren es nicht alle Priester, sondern beim Räuchern war es ganz, ganz wichtig, dass nur ein Priester im Allerheiligsten war. Mehrere Priester hatten vorher alles vorbereitet: den Räucheraltar mit frischen, vorherigen Kohlen bestückt und alles vorbereitet. Danach mussten sie hinausgehen.
Der Priester, der das Räucherwerk darbrachte, musste ganz alleine sein. Als Nebenhinweis: Das hatten wir damals, als wir Lukas Kapitel 1 durchgenommen haben, gesehen. Zacharias war damals vollkommen allein im Allerheiligsten. Er durfte das nur einmal im Leben tun, was eine besondere Aufregung war – einmal und danach nie mehr. Man kann nur einmal gewählt werden. Dann hatte er die Erscheinung von Gabriel, der neben dem Altar stand und sagte: „Ich bin Gabriel, der vor Gott steht.“ Auch in diesem Fall war nur ein Priester dort.
Man könnte einwenden, die Bibel sagt nichts darüber, dass dieser Priester gestorben ist. Aber wir können sicher sein, dass er einen Schock hatte. Das war eine Gnadenerweisung Gottes, nicht um zu zeigen, dass der Mensch sterben muss, sondern dass der Mensch durch Gnade und Opfer Zugang zu Gott haben kann. Die Bibel sagt dazu einfach nichts weiter.
Gehen wir weiter. In Vers 46 lesen wir: Jesus rief mit lauter Stimme. In Matthäus 27,50 ist es noch eindrücklicher. Dort heißt es, er gab einen lauten Schrei von sich. Das ist etwas ganz Herzbewegendes. Wir lesen nur zweimal in der Bibel, dass der Herr Jesus geschrien hat.
Das Wort „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist“ war ein lauter Schrei! Das macht klar, dass der Herr Jesus nicht einfach langsam verblutet oder leise gestorben ist. Wenn jemand am Kreuz noch so laut schreien kann, dann spüren wir etwas von dem, was Jesus in Johannes 10 gesagt hat: „Niemand kann das Leben von mir nehmen; ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, das Leben zu geben, und Gewalt, es zu nehmen.“ Er hat sich hingegeben.
Natürlich war das, was die Menschen getan haben, ihre Verantwortung – sie haben ihn getötet, sagt die Bibel. Aber auf der anderen Seite hat er sein Leben freiwillig gegeben. Dabei hat er so geschrien.
Das zweite Mal, wo er geschrien hat – es heißt aber nicht „schreien“, sondern „rufen“. Rufen findet man öfter. Wie oft ruft der Herr Jesus in den Evangelien? Es lohnt sich, alle Stellen dazu zu suchen. Das ist eine Fundgrube fürs Bibelstudium. Man findet etwa zwanzig Stellen, in denen er ruft, aber nur zweimal schreit.
Diese beiden Male sind Matthäus 27,46: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ und dann das andere Mal: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.“
Wo war dieses Wort des Herrn im Alten Testament prophezeit? Nein, es ist ein anderes Wort, weder „rufen“ noch „schreien“.
Gut, dass du das noch sagst. Wäre das im glühenden Dornenbusch gewesen? Nein, dort nicht. Schlagen wir mal auf: Jesaja 42. Das ist das erste von fünf Gottesknechtgedichten in Jesaja. Wir haben das dritte gelesen, Jesaja 50, und das zweite ist Jesaja 40, und das erste ist Jesaja 42.
Kannst du lesen, Sascha, Jesaja 42,1?
„Siehe, das ist mein Knecht, den ich erhalte, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er wird das Recht zu den Heiden hinaustragen. Er wird nicht schreien und kein Aufhebens machen, noch seine Stimme auf der Gasse hören lassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen; wahrheitsgetreu wird er das Recht hervorbringen. Er wird nicht ermatten und nicht zusammenbrechen, bis er auf Erden das Recht gegründet hat, und die Inseln werden auf seine Lehre warten.“
Die Bedeutung des Schweigens und der Sanftmut des Messias
Hier wird doch, und das war ja dein Anliegen, Carmine, gesagt, er wird nicht schreien. Aber der Herr hat zweimal geschrien. Und hier heißt es sogar, er wird nicht rufen. Doch wir haben zwanzig Stellen, an denen er ruft – ganz wichtige Stellen. Wie lässt sich das erklären?
Die Erklärung ergibt sich, wenn man genau liest. Es ist ja ein Gedicht, und zwar in Verszeilen. Ganz typisch für die Gedichte im Alten Testament ist, dass die hebräische Poesie meistens aus zwei parallel gestellten Verszeilen besteht. Es gibt verschiedene Typen davon.
Ein sehr verbreiteter Typ ist der synonyme Parallelismus. Das bedeutet, die zwei Zeilen drücken mit verschiedenen Worten denselben Gedanken aus. Das hilft dabei, eine Verszeile besser zu verstehen, weil sie dann nochmals anders formuliert wird. Wenn man lernt, dass 30 Prozent des Alten Testaments Poesie, also Gedichte sind, lernt man auch, in diesen Verszeilen zu lesen und zu denken.
Es gibt außerdem den antithetischen Parallelismus – Entschuldigung für die schwierigen Wörter. Das heißt einfach, dass ein Gegensatz ausgedrückt wird: Die erste Zeile drückt das Gegenteil von der zweiten aus. Dann gibt es noch das dritte Grundbeispiel, den synthetischen Parallelismus. Das bedeutet, die zweite Zeile baut auf der ersten auf und führt den Gedanken weiter.
Also: zweimal das Gleiche, dann alle Variationen – fast das Gleiche oder das Gleiche und noch etwas dazu. Das sind, abgesehen von Variationen wie in der Musik, immer wieder Variationen. Erst zweimal das Gleiche, dann ein Gegensatz, dann ein Aufbau.
Hier lesen wir: „Er wird nicht schreien und nicht rufen und seine Stimme nicht hören lassen auf der Straße.“ Dieses Schreien und Rufen meint, wie er sich auf der Straße aufführt. Welche Leute schreien auf der Straße? Zum Beispiel gibt es verschiedene Gruppen. Einer, der das gefördert hat, war Lenin. Er war in der Schweiz während des Ersten Weltkriegs und reiste dann mit der Deutschen Bahn durch Deutschland, durch das Kriegsgebiet, bis nach Sankt Petersburg.
Dort war bereits die bürgerliche Revolution im Gange. Sein Ziel war, aus der bürgerlichen Revolution eine kommunistische Revolution zu machen. Er kam als Revolutionär, und Revolutionäre sind Leute, die auf der Straße schreien – das ist typisch für Revolutionäre.
Ganz abgesehen davon, wie er das gemacht hat: Revolutionäre bringen die Leute dazu, auf der Straße zu schreien, zu rufen und zu toben. Aber hier, wie gesagt, wird der Messias kein Revolutionär sein. Es gibt Leute, die sagen, Jesus Christus war ein Revolutionär. Nein, er war keiner, und er hat auf der Straße nicht geschrien. Aber es gab Momente, in denen er in seinem Sprechen ganz laut gesprochen hat, gerufen hat – und dort am Kreuz hat er zweimal geschrien.
Das steht aber nicht im Widerspruch zu dem, was hier gesagt wird. Übrigens, wenn wir schon dabei sind, noch eine Perle dazu: Es heißt weiter, wie er als Nichtrevolutionär ist.
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen“ – eine Verszeile – und „den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ – die nächste Verszeile.
Das heißt, wie geht er mit den Menschen um? So wie jemand, der einen Spaziergang entlang eines Teiches macht. Es gibt ja Leute, die, wenn sie so etwas Abgebrochenes sehen, ganz automatisch reagieren – und dann ist es weg. Aber der Herr Jesus wird das geknickte Rohr nicht zerbrechen. Vielleicht kann es wieder aufgerichtet werden.
Und wenn ein kleines Kerzchen fast erlischt, gibt es Leute, die es automatisch ausmachen. Der Herr Jesus wird den glimmenden Docht nicht auslöschen. Das Feuer könnte ja wieder aufflammen. Man muss nur ein bisschen mit dem Wachs und dem Docht vorsichtig umgehen, dann kommt es wieder.
So würde der Messias mit den Menschen umgehen, wenn er kommt, gerade dort, wo etwas gebrochen ist. Und mit wie vielen gebrochenen Menschen hatte Jesus in den Evangelien zu tun? Er hat sie aufgerichtet. Man denkt an die Frau am Jakobsbrunnen oder an die blutflüssige Frau, die ihr ganzes Vermögen an Ärzte verschwendet hatte – nicht nur einmal, sondern immer wieder, bis alles weg war.
Und wie ist der Herr Jesus mit all diesen Menschen umgegangen? Er hat den glimmenden Docht nicht abgerissen, sondern wieder zum Brennen bringen wollen.
In Vers 4 müsste man wörtlich übersetzen: „Er wird nicht verglimmen und nicht knicken.“ Wer übersetzt hat mit „Er wird nicht ermatten und nicht niedersinken, bis er das Recht auf Erden gegründet hat“, hat zwar eine richtige, aber nicht wörtliche Übersetzung gewählt. Denn es sind dieselben Ausdrücke.
Von ihm selbst heißt es, er wird nicht verglimmen wie ein Docht und er wird nicht knicken. Das bedeutet, bis er das Recht auf der Erde gegründet hat. Es kam der Moment, wo er in den Tod gehen musste, aber kein Moment früher.
Man hat versucht, den Herrn Jesus in Nazareth über eine Felsenklippe hinabzustürzen. Er ging weg. Immer wieder hat man versucht, ihn zu greifen, aber er konnte immer wieder gehen. Dann, das letzte Mal, als Judas ihn verraten hat, ging alles bis zum Kreuz. Das war der Moment, in dem er sein Werk vollendet hatte.
Das ist schön zu wissen: Wir gehen keinen Moment früher von dieser Erde, als es Gottes Ratschluss für unser Leben vorsieht.
Whitfield hat das einmal in seinem Tagebuch so schön geschrieben: Er war fast von einem tobenden Mob umgebracht worden und schrieb dann: „Es ist unglaublich, wie unsterblich die Ausserwelten sind.“ Das kann ich voll unterschreiben.
Noch eine Perle: Jetzt sind wir ja gerade am Schluss der Zeit. Es heißt: „Und die Inseln werden auf seine Lehre harren.“ Das Wort „Inseln“ ist eines meiner Lieblingswörter im Hebräischen, und ich liebe es ganz besonders.
Das hebräische Wort heißt Iyim. Im Alten Testament bezeichnet es speziell Inseln im Mittelmeer, aber auch die Küsten von der Türkei bis nach Spanien. Das wird in der Bibel mit Iyim bezeichnet.
Das ist also ein spezieller Hinweis. An all den vielen Stellen, wo das vorkommt im Alten Testament, würde es sich lohnen, eine Konkordanz mit den Nummern für die hebräischen Wörter zu benutzen. Für diejenigen, die kein Hebräisch können, ist das im Internet ganz einfach zu finden. Dann sieht man, wo überall das Wort Iyim vorkommt. Es bezeichnet speziell Europa.
Das erste Mal steht das in 1. Mose 10, wo es heißt, von den Nachkommen von Japheth, wie sie sich auf den Iyim verteilt haben. Das sind Gomer und weitere. Gomer ist der Stammvater der Germanen und Kelten, die sich zu den Iyim aufgemacht haben.
Hier steht, Europa wird auf seine Lehre harren. Und so ist es gekommen.
Man denkt an das erste Jahrhundert, liest die Apostelgeschichte: Das Evangelium geht nach Afrika, es breitet sich in Asien aus, und mit dem Apostel Paulus, Kapitel 16, geht es nach Europa – der erste Europabesuch in Philippi.
Hätte man damals fragen können, welcher Kontinent einmal ganz besonders durch das Evangelium geprägt werden würde? Menschlich gesehen hätte man das nicht sagen können.
Wir sehen, dass Europa, die Iyim, ganz besonders auf seine Lehre geharrt haben.
Damit wollen wir hier schließen und nächsten Mittwoch hier weitermachen.