Die Dimensionen des göttlichen Ratschlusses
Wir sind bis Vers 18 gekommen. Es geht um die Breite, Länge, Höhe und Tiefe.
Auf dem Skript habe ich als Wiederholung notiert: Die Länge dieses Ratschlusses reicht von Ewigkeit her. Die Breite bedeutet, dass die Gnade Gottes allen Menschen angeboten wird.
Die Tiefe zeigt sich darin, dass der Herr Jesus am Kreuz ins Gericht Gottes gehen musste und von Gott verlassen wurde. Er rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Er nahm den Zorn und das Feuer auf sich, das wir eigentlich in Ewigkeit im Feuersee verdient hätten. Das geschah in den Stunden der Finsternis. Das ist die Tiefe.
Dann ging er in den Tod und ins Grab.
Die Höhe ist darin begründet, dass wir in Christus nun als Erlöste mit ihm in den himmlischen Örtern sitzen, wie es in Epheser 2 beschrieben ist.
Das Sitzen von Jesus Christus wird uns zugerechnet. Deshalb heißt es in Epheser 2, dass er uns hat mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern. Obwohl wir auf Erden sind, sind wir mit ihm so verbunden, dass sein Sitzen gewissermaßen unser Sitzen in den himmlischen Örtern ist.
Die unergründliche Liebe Christi erkennen
Nun, Vers 19 sagt: „und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein möget, zu der ganzen Fülle Gottes.“ Hier wird deutlich die Liebe des Herrn Jesus, der uns von Ewigkeit her geliebt hat und bereit war, für jeden Einzelnen persönlich zu sterben. So können wir mit Paulus sagen: „Der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Galater 2,20).
Diese Liebe übersteigt alles Fassungsvermögen, um dann schließlich dieses Geheimnis mit uns zu realisieren und zu verwirklichen. Aber hier ist doch etwas Interessantes: Es heißt, „um zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus“. Kann man etwas erkennen, das man gar nicht verstehen kann, das unsere Erkenntnis übersteigt? Ja, natürlich!
Das ist auch bei vielen anderen Dingen so. Die meisten von uns, die mit Computern zu tun haben, müssten wohl zugeben, dass sie nicht wirklich wissen, was da in dieser Maschine passiert. Man versteht zwar, wie Software und Hardware funktionieren, aber im Letzten begreift man es nicht vollständig. Das ist nur ein Beispiel.
Auch in der Physik ist das so, zum Beispiel bei der Quantenmechanik. Sie gehört zu den schwierigsten Bereichen der Physik. Fachleute sagen sogar, wenn jemand behauptet, er habe die Quantenmechanik verstanden, dann hat er bewiesen, dass er sie nicht verstanden hat. Es geht um Dinge, die man sich gar nicht vorstellen kann.
Trotzdem kann man damit arbeiten, rechnen und es gibt nützliche Ergebnisse. Aber das eigentliche Verständnis entzieht sich uns. Sie können jeden Physiker fragen: Was ist ein Elektron? Er kann genau sagen, welche Ladung es hat und andere Eigenschaften. Aber was ein Elektron wirklich ist, weiß niemand. Niemand kennt das wirklich.
Dennoch kann man mit Elektronen arbeiten, darüber nachdenken und vieles mehr anstellen. Erkenntnis bedeutet also nicht, dass man etwas bis ins Letzte begreift, sondern dass man es zumindest versteht.
So ist es auch mit biblischer Erkenntnis. Wir müssen nicht den Eindruck haben, alles bis ins Letzte zu verstehen, und trotzdem können wir es verstehen. Es ist sogar so, dass das Herz, die Zuneigung zum Herrn, mehr erfassen kann als der Verstand.
Das Herz versteht mehr als der Verstand: Ein Beispiel aus Johannes 11
Da sehen wir ein schönes Beispiel aus Johannes 11, das ich zur Illustration zeigen möchte. Herr Jesus erklärt dort im Zusammenhang mit dem Tod von Lazarus Folgendes: In Kapitel 11, Vers 25 spricht Jesus zu einer der Schwestern von Lazarus, nämlich zu Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist. Und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. Glaubst du dies?“
Sie antwortet ihm: „Ja, Herr. Ich glaube, dass du der Christus bist, der Messias, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“
Was Jesus ihr gesagt hat, hat sie garantiert nicht in der Tiefe verstanden, aber doch irgendwie mit dem Herzen aufgenommen. Jesus sagt nämlich: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ und erklärt damit zwei Gruppen.
Die erste Gruppe sind diejenigen, die an ihn glauben. Ein Durativ: Wer fortdauernd glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist. Das bezieht sich auf die Gläubigen, die an Herrn Jesus glauben. Auch wenn sie sterben müssen, werden sie einmal auferstehen, weil der Herr Jesus die Auferstehung ist.
Die zweite Gruppe umfasst alle, die da leben, also fortdauernd leben, und an ihn glauben. Diese werden nicht sterben in Ewigkeit. Das bezieht sich auf die letzte Generation der Gemeinde, die nicht sterben wird, sondern leben wird und den Tod gar nicht sehen wird, wenn der Herr Jesus zur Entrückung kommt. Denn der Herr Jesus ist nicht nur die Auferstehung, sondern auch das Leben.
Das sind zwei Dinge, die sie garantiert nicht begriffen hat, denn das war ganz neu. Erst in den Briefen des Apostels Paulus wird das noch weiter ausgeführt, zum Beispiel in 1. Korinther 15,51 und folgende.
Aber sie sagt: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist.“ Sie hat einfach geglaubt, was er sagt, und es mit dem Herzen erfasst. Dennoch hat es ihre Kenntnis überstiegen.
Erkenntnis und Liebe führen zur Fülle Gottes
Und so ist das eigentlich ganz normal und allgemein: Wir kennen Dinge, doch unsere Erkenntnis wird ständig übertroffen.
Genauso verhält es sich mit der Liebe des Herrn Jesus. Diese völlige Hingabe vor dem Gericht Gottes, das Bezahlen des höchsten Preises – das ist die Erkenntnis übersteigende Liebe Christi. Wenn wir diese Liebe in unseren Herzen aufnehmen, führt das dazu, dass ihr zur ganzen Fülle erfüllt werdet.
Jetzt schließt Paulus mit einem Lob und einer Anbetung ab. Ab Vers 14 beginnt er zu beten: „Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater.“ Er bittet darum, dass die Gläubigen diese Erkenntnis erfassen können.
Er betet zu dem, der über alles hinaus wirken kann – viel mehr, als wir erbitten oder erdenken können. Gemäß der Kraft, die in uns durch den Heiligen Geist wirkt, sei ihm die Herrlichkeit in der Gemeinde, in Christus Jesus, auf alle Geschlechter der Zeitalter hin. Amen.
Die Herrlichkeit Gottes durch alle Generationen der Gemeinde
Das ist ganz dramatisch. Gott soll in der Gemeinde verherrlicht werden. Dabei spricht er hier von allen Generationen der Gemeinde.
Es begann mit der ersten Generation: den Aposteln in Apostelgeschichte 2 und denjenigen, die an Pfingsten zum Glauben gekommen sind. Danach ging es weiter und weiter, über alle Generationen hinweg – zuerst tausend Jahre und dann bis ins Jahr 2000, bis 2017, durch alle Generationen und alle Geschlechter hindurch.
Es sind alle Geschlechter des Zeitalters, der Zeitalter gemeint. Ich weiß, das ist zwar unverständlich. Manche Übersetzungen haben das falsch wiedergegeben. Dort steht manchmal etwas von „alle Ewigkeit“. Hat das jemand so? Wie steht es bei dir, Manfred? Von Ewigkeit zu Ewigkeit? Ja, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das steht aber nicht da.
Es ist auch kein Problem der Handschriften. Wörtlich steht da: „in die Zeit des Zeitalters“, „in eine Zahl der Zeitalter“. Der Ausdruck „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ lautet im Griechischen „eis aionas ton aionon“ – in der Mehrzahl, „in die Zeitalter der Zeitalter“. Das bedeutet absolut ewig, für immer und ewig, überall dort, wo dieser Ausdruck vorkommt.
Zum Beispiel wird von der Hölle gesagt, sie werden „gepeinigt werden in die Zeitalter der Zeitalter“. Das heißt absolut ewig. Das ist der hebräische Ausdruck „le olmei olamim“, wörtlich ins Griechische übersetzt. So sagt man auf Hebräisch „absolut ewig“.
Das ist wichtig, weil „olam“ für sich zweideutig ist. Es kann „Zeitalter“ oder „Ewigkeit“ bedeuten. Wenn man aber ganz eindeutig sein will, sagt man „le olmei olamim“ – zweimal in der Mehrzahl, „in die Zeitalter der Zeitalter“. Das bedeutet absolut ewig, ohne Ende.
Hier aber steht „die Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter“. Was bedeutet das? Das Zeitalter der Zeitalter heißt das herrlichste Zeitalter. Das ist die typische Art, im Hebräischen einen Superlativ auszudrücken.
Zum Beispiel heißt das Hohelied „Schir ha-schirim“, das Lied der Lieder. Auf Deutsch sagt man „das Hohelied“, also das schönste Lied, das Salomo geschrieben hat. Das Allerheiligste heißt im Hebräischen „kodesch ha-kodaschim“, wörtlich „das Heilige der Heiligen“, zum Beispiel in 2. Mose 26,33.
Analog dazu bedeutet „das Zeitalter der Zeitalter“ die herrlichste Epoche, die es überhaupt gibt. Das ist die Epoche von Pfingsten bis zur Entrückung. Das ist das Höchste, was es gibt.
Dabei geht es um den Ratschluss Gottes von Ewigkeit her über die Gemeinde, was Gott also von Ewigkeit her in sich verborgen hat. Auch als die Zeitalter begannen und die Generationen ab Adam, hat Gott es verschwiegen. Keinem Propheten hat er es mitgeteilt.
Plötzlich aber teilt er es den Aposteln und neutestamentlichen Propheten mit und setzt diesen Plan ab Pfingsten um.
Die himmlischen Wohnungen und der Tempel des Vaters
Übrigens muss man das noch im Zusammenhang mit Johannes 14 sehen. Am Vorabend der Kreuzigung sagt der Herr Jesus zu den Jüngern: „In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“
Das Haus des Vaters? Ja, das ist der Ausdruck, den die Jünger kannten, schon vom Passa-Fest (Johannes 2). Dort sagt der Herr Jesus: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem Kaufhaus.“ Dann nennt er den Tempel in Jerusalem das Haus des Vaters.
Dieser Ausdruck kommt jetzt noch einmal im Neuen Testament vor, in Johannes 14. Da spricht der Herr Jesus vom himmlischen Tempel, von diesem Original. Die Wohnungen im Haus des Vaters – ich war im Tempel zur Zeit des Herrn Jesus in Jerusalem – gab es auf der Nordseite, gerade gegenüber vom Allerheiligsten, ein Gebäude namens Beit Hamoket, das „Haus des Feuerherds“. Dort haben die Priester geschlafen. Dort schlief Zacharias, als er eine Woche Dienst hatte (Lukas 1). Das sind die Wohnungen im Haus des Vaters.
Im Hesekiel-Tempel wird es analog auf beiden Seiten, auf der Nordseite und auf der Südseite, je ein Gebäude mit drei Etagen geben. So entsteht ein Etagenbau mit Zellen. Dort werden die Priester im tausendjährigen Reich schlafen, wenn sie Dienst haben im Hesekiel-Tempel.
Da sagt Jesus: „In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“ Dann sagt er: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Wenn ich hingehe, so werde ich wiederkommen und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid.“
Der Tempel im Himmel ist ja schon längst da. Viele Stellen im Alten und Neuen Testament sprechen über den himmlischen Tempel. Die Vorlage war das himmlische Original für die Kopie der Stiftshütte, des Salomon-Tempels, des zweiten Tempels und auch des Hesekiel-Tempels, des dritten Tempels.
Aber warum sagt der Herr Jesus, er müsse jetzt hingehen und eine Stätte bereiten? Wenn Gott im Tempel schon früher die Wohnungen für die Gemeinde vorbereitet hätte, dann hätten die Engel fragen können: „Warum gibt es so viele Millionen Wohnungen? Für wen sind die?“ Aber das konnten sie nicht.
Man muss sich ja vorstellen: Das Allerheiligste im Tempel Salomos war ein Quadrat von zwanzig mal zwanzig Ellen, also zehn Meter fünfzig mal zehn Meter fünfzig. Aber es ist nur ein Schattenbild, sagt der Hebräerbrief (Hebräer 8). Der himmlische Tempel ist natürlich immens.
In Offenbarung 4 wird der Thron Gottes im Himmel beschrieben, und dann heißt es, dass um den Thron herum 24 Throne für die 24 Ältesten sind. In einem äußeren Kreis sind die Engel, und es wird aufgezählt, dass es Tausende mal Tausende, Zehntausende mal Zehntausende und Tausende mal Tausende sind.
Was sind Zehntausende mal Zehntausende? Das sind Hunderte von Millionen. Die sind alle im Allerheiligsten. Das ist nicht zehnfünfzig mal zehnfünfzig, ein bisschen größer. Im äußeren Bereich sind eben all diese Hunderte von Millionen Engeln. Das ist nur das Allerheiligste. Dann gibt es noch das Tempelhaus und die Vorhöfe. Das wird ja alles beschrieben in der Offenbarung. Dort erfahren wir viel über diesen himmlischen Tempel.
Man muss sich vorstellen: Der Herr sagt, er gehe hin, um auch eine Stätte zu bereiten. Erst dann ging der Herr und machte für die Gemeinde diese Stätte bereit. Das war eine Überraschung für die Engelwelt. Und jetzt dieses Wort: „Ah, das ist für diese Gruppe, die Gott von Ewigkeit her so vorgesehen hatte.“
Gottes souveräne Auswahl der Gemeinde
Ja, und warum gehöre ich dazu? Nun, das ist Gottes souveräne Auswahl. Ich hätte auch zur Zeit von Mose geboren werden können. Dann hätte ich mich bekehren und errettet werden können, aber ich hätte nicht zur Gemeinde gehört. Genauso wie Mose gehörte er nicht zur Gemeinde, sondern zum Volk Israel. Und zwar zu denen, die sich im Alten Testament aus Israel bekehrt haben.
Man kann sagen, dass sie zum wahren Israel gehörten, aber das ist nicht die Gemeinde. Die alttestamentlichen Gläubigen gehörten nicht zur Gemeinde. Auch außerhalb von Israel, wie Hiob und seine Freunde Eliphas, Bildad, Zophar und Elihu – all die Heiligen und Gläubigen aus den anderen Völkern im Alten Testament – gehörten nicht zur Gemeinde. Henoch und Noah gehörten ebenfalls nicht zur Gemeinde.
Gott hat mich vorgesehen, am 4. September 1958 wurde ich geboren. Ich habe nicht gewählt, dass ich das Evangelium hören durfte. Natürlich musste ich mich bekehren. Gott wusste das im Voraus. Darum heißt es in Römer 8, die er zuvor erkannt hat, hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein (Römer 8,29).
Gott wusste, dass er mich einmal rufen und ziehen würde, sonst wäre es nicht gegangen. Alles geht von Gott aus. Er muss ziehen, aber ich muss mich auch bekehren. Die Lehre von der unwiderstehlichen Gnade Gottes, eine der Säulen des Calvinismus, ist falsch. Diese Lehre besagt, dass die Gnade Gottes unwiderstehlich sei. Ein Mensch, der äußerlich ist, müsse sich bekehren, obwohl er es eigentlich nicht wollte. Das geschieht einfach.
Es gibt sogar solche, die noch weiter gehen und sagen, zuerst gibt Gott die Wiedergeburt, und dann bekehrt sich jemand. Nach der Heiligen Schrift ist es genau umgekehrt: Zuerst muss man sich bekehren, dann wird man wiedergeboren.
Wir haben eine Verantwortung, uns zu entscheiden. Gott zieht, ohne das würden wir Gott nie suchen. Römer 3 sagt, dass niemand Gott sucht. Aber Gott zieht und er zieht bei allen Menschen. Das ist eine wichtige Lehre. Der Calvinismus sagt, Gott zieht nicht alle Menschen, aber Jesus macht klar, dass er alle zu sich zieht. Der eine kann bis zum Schluss widerstehen und geht verloren.
Dass ich genau in diese Zeit geboren wurde und vorgesehen bin, zur Gemeinde zu gehören, das ist Gottes souveräne Wahl. Er hat nicht einfach gewisse Menschen in die Hölle gehen lassen. Nein, Gott hat souverän gewählt, wer zur Gemeinde gehört, wer zu Israel gehört, wer zu den Völkern im Alten Testament gehört und wer zu den Völkern nach der Entrückung gehören wird, die durch die Drangsal hindurchgehen und sich bekehren, aber auch nicht zur Gemeinde gehören. Das ist die unzählbare Schar aus Offenbarung 7.
Gott hat genau gewählt, wer zu den 144.000 in Offenbarung 7 gehören wird, die sich aus Israel nach der Entrückung bekehren. Wer wird zu diesem Drittel aus Israel gehören, das sich in der großen Drangsal bekehren wird? Sie haben nicht selbst gewählt, als Israeliten geboren zu werden und zu diesem Drittel zu gehören. Das hat Gott gemacht. Das ist seine Souveränität, und wir können nur staunen.
Diesem Gott, der über allem steht, sei die Herrlichkeit durch alle Generationen hindurch des wunderbarsten Zeitalters. Amen.
Biblische Lehre führt zur Anbetung
So endet das lehrmäßige Kapitel, und wir sehen, dass dies ganz wichtig ist: Biblische Lehre führt zur Anbetung.
Wenn dies nicht geschieht, ist etwas schiefgelaufen. Unsere Herzen müssen ergriffen und bewegt werden, damit sie sich der Anbetung zuwenden. Dann erkennen wir, dass dies wahre Erkenntnis ist.
Sobald Erkenntnis jedoch aufgebläht macht, stolz und eingebildet, ist es keine richtige biblische Lehre und keine wahre biblische Erkenntnis.
Die praktische Anwendung der Berufung
Und jetzt kommt Kapitel vier. Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid. Das Wörtchen „nun“ ist ganz wichtig. Es ist die Schlussfolgerung aus Kapitel eins, zwei und drei. Lehre braucht immer eine praktische Anwendung.
Und jetzt: Was folgt daraus, wenn uns Gott so wunderbare Dinge geschenkt, geplant und verwirklicht hat mit uns? Was ist die Folge davon? Hier beginnt der praktische Teil.
Ich habe auf dem Blatt vermerkt: Vergleiche Römer 12,1. Dort sagt der Apostel Paulus: „Ich ermahne euch nun.“ Genau gleich – das ist die Schlussfolgerung aus Römer Kapitel 1 bis 11. Übrigens nicht nur Kapitel 1 bis 8, da haben wir den Heilsplan der Rettung, sondern Kapitel 9 bis 11 ist dann noch dieser lehrmäßige Anhang über Gottes Pläne mit Israel. Das gehört auch dazu.
Dann kommt die praktische Anwendung aus all diesen elf Kapiteln: „Ich ermahne euch nun.“ Da wird ganz konkret gesagt, was Gott erwartet und welche Auswirkungen das für unser Leben als Christen haben muss.
Im Kolosserbrief ist das auch so. In Kolosser 3,1 sagt Paulus ebenfalls mit dem Wörtchen „nun“: „Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.“ Kapitel 1 und 2 haben wir auch den Akzent auf der Lehre, und jetzt wird das praktisch angewendet.
Also, nun die Schlussfolgerung aus all dem, was ihr jetzt gelernt habt: Ihr müsst auch so leben, dass ihr eben nicht irdisch gesinnte Christen seid, sondern himmlisch gesinnte. Denn das, was Gott uns im Himmel bereitgemacht hat, ist ganz wichtig.
Wir sehen, das ist ein Grundprinzip im Neuen Testament: Lehre und dann die Schlussfolgerung daraus für die Praxis. Wir sehen das immer wieder, wenn Christen sagen: „Oh, diese Predigt ist zu theoretisch, wir wollen lieber praktische Dinge.“ Es ist völlig falsch, das gegeneinander auszuspielen.
Wir brauchen die Lehre, um zu wissen, wie wir praktisch wandeln sollen. Die Praxis geht nicht ohne die Lehre. Und die Lehre ist nicht einfach für sich, sie ist da, um angewendet zu werden.
Das entspricht dem französischen Sprichwort „Noblesse oblige“ – Würde verpflichtet, Adel verpflichtet. Wenn uns Gott eine solche Stellung gegeben hat in Christus und uns mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern gesegnet hat, dann haben wir das schon. Wir müssen es nicht langsam erwerben.
Die Aufforderung zum würdigen Wandel
Ja, was hat das für Konsequenzen? Der Apostel Paulus sagt: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, ich, der ich so leide, weil ich euch diese Dinge verkündigt habe, dass ihr würdig wandelt entsprechend der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, um an diesem Geheimnis Anteil zu haben.“
Dann erklärt er, dass dieses würdige Wandeln von fünf Eigenschaften geprägt sein muss: Demut, Sanftmut, Langmut, ertragende Liebe und die Bemühung um friedliche Einheit.
Er sagt: „Würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe, euch befleißigend die Einheit des Geistes.“ Diese Einheit ist eine Tatsache, denn wir sind ein Leib, gewirkt durch den Heiligen Geist.
Der Heilige Geist führt dazu, dass wir eine Einheit des Geistes haben. Diese Einheit soll praktisch bewahrt bleiben im Band des Friedens.
Die Einheit der Gläubigen als Grundlage
Es wird erklärt, dass es eine siebenfache göttliche Zahl eins gibt. Diese Zahl ist die Grundlage für die Einheit der Gläubigen. Es gibt nur einen Leib – das ist ein Zahlwort –, also nicht zwei, sondern einen Leib Christi. Ebenso gibt es nur einen Geist, nämlich den Heiligen Geist, nicht mehrere Geister, die unterschiedlich wirken.
Im Heidentum gibt es viele Geister, die verschieden wirken. Manche sind ekstatisch, andere eher intellektuell abgeklärt. Diese unterschiedlichen Geister wirken auf verschiedene Weise, doch ihr Hauptziel ist es, zu verführen. Im Gegensatz dazu gibt es nur einen Geist der Wahrheit, der sich nicht auf zwei oder drei sich widersprechende Arten einlässt, sondern nur auf eine biblische Weise handelt.
Ebenso gibt es nur eine Hoffnung, auf die ihr berufen seid. Diese Berufung ist einheitlich und richtet sich nicht teils jüdisch, teils nicht jüdisch aus. Es gibt nur eine Hoffnung, die zum Plan Gottes für die Gemeinde gehört.
Weiter heißt es: Ein Herr, Jesus Christus, ist gemeint. Ebenso gibt es nur einen Glauben. In der Bibel wird die biblische Lehre nie im Plural, sondern immer im Singular als „Lehre“ bezeichnet – die gesunde Lehre. Im Gegensatz dazu wird bei falschen Lehren oft die Mehrzahl verwendet, da es viele verschiedene, aber falsche Meinungen gibt.
Hier haben wir also einen Glauben, ein Glaubensgut. Das ist wichtig für diejenigen, die sagen, es gäbe sechs verschiedene Ansichten und sie könnten zwei wählen, aber auch vier akzeptieren. Die Frage ist: Was gilt jetzt wirklich? Hier wird betont, dass die Einheit der Gläubigen mit einem Glauben und einer Taufe verbunden ist.
Man kann nicht einfach nach Israel gehen und denken: „Oh, schöner Taufplatz bei Johannes, ich lasse mich nochmals taufen zur Bestätigung meiner damaligen Taufe.“ So funktioniert das nicht. Es gibt nur eine Taufe, die nach der Bekehrung sehr wichtig ist. Sie bedeutet, dass man sich vor Gott verpflichtet, ein Leben in gutem Gewissen zu führen.
Darum sagt Petrus in 1. Petrus 3,20, dass die Taufe eine Verpflichtung und Abmachung vor Gott zu einem guten Gewissen ist. Das heißt: Ich habe mich entschieden, Jesus Christus nachzufolgen. Mein altes Leben ist begraben, ich bin mit Christus untergetaucht und zu einem neuen Leben auferstanden. Wenn ich wieder auftauche, möchte ich diesen Weg weitergehen und nicht zum alten Leben zurückkehren.
Wenn dann im Leben Entscheidungen kommen, merkt man, dass man mit gutem Gewissen nicht mehr alles machen kann. Zum Beispiel in der Firma: Wenn ich ein bestimmtes Angebot annehmen würde, könnte ich nicht mehr mit gutem Gewissen leben. Dann müssen sich Dinge ändern, denn das geht nicht mehr.
Wenn ich von Gläubigen höre, die bereit sind, auf eine höhere Position zu verzichten, weil sie sehen: „Nein, das könnte ich nicht mehr mit gutem Gewissen tun“, dann ist das Glaubensenergie. Diese Energie haben sie in der Taufe ausgedrückt – eine Verpflichtung gegenüber Gott zu einem guten Gewissen.
Diese Verpflichtung wiederholt man nicht. Nach der Bekehrung ist alles eine Abmachung, die fürs Leben gilt: eine Taufe und ein Gott und Vater aller.
Hier zeigt sich auch die Dreieinheit Gottes: ein Geist, ein Herr und ein Gott und Vater. Diese Einheit ist verbunden mit der Einheit des Leibes, der Einheit der Hoffnung, der Einheit des Glaubens und der einen Taufe.
Gott ist über allen, durch alle und in uns allen. Er ist allgegenwärtig.
Die Bedeutung des Einzelnen in der Gemeinde
Und dann wird gesagt: Jedem Einzelnen von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maß der Gabe des Christus.
Wie oft haben wir gehört, dass alle Gläubigen zusammen den neuen Menschen bilden, dass sie einen Leib bilden. Da könnte man leicht auf die Idee kommen, der Einzelne sei gar nicht so wichtig, sondern das Kollektiv.
Doch hier wird gezeigt: Nein, das Kollektiv ist eine Sache. Gott hat die Gemeinde als Ganzes, bestehend aus allen Erlösten und Heiligen von Pfingsten bis zur Entrückung, weltweit vereinigt. Aber der Einzelne bleibt wichtig.
Ich denke an den Kommunismus. Im Marxismus ist der Einzelne eigentlich ein Nichts. Nur die Gesamtheit zählt. Das erklärt auch, warum im Marxismus so viele Millionen Menschen umgebracht werden konnten: Weil der Einzelne gar nichts zählt. Es ist die Gemeinschaft, die zählt.
Das Gleiche sieht man auch in der katholischen Kirche. Dort wird die Kirche von Rom als das Entscheidende gesehen. Aber es geht nicht so um den Einzelnen. Die Kirche macht eigentlich alles aus, und nur über die Kirche kann man das Heil haben. Die Kirche, die Kirche. Das Individuelle wird vergessen.
Doch Gott hat das wieder ans Licht gebracht. Luther stand da und sagte: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Ja, das persönliche Gewissen, mein Gewissen, ist gebunden an die Heilige Schrift. Was will der Kleine, der Einzelne? Und da war die ganze Hierarchie Europas gegen ihn versammelt. Und er sagte: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir.
Natürlich, weil es eben auf den Einzelnen ankommt. Gerettet wird man nicht als Kollektiv, sondern es braucht die Bekehrung des Einzelnen.
Hier nur kurz angedeutet: Die sogenannte neue Paulusperspektive ist eine Irrlehre. Sie kommt jetzt immer mehr über Theologen in die Gemeinden hinein. Dabei wird genau das Individuelle und Persönliche abgestritten. Aber das ist im Neuen Testament genauso wichtig wie das Kollektive.
Man muss nicht vom Pferd fallen, wenn man aufpasst, dass man nicht links runterfällt, dann rechts runterfällt. Es braucht die biblische Lehre eines Gleichgewichts: Das Kollektiv ist wichtig, aber auch der Einzelne ist wichtig.
Hier sagt der Apostel Paulus: Jedem Einzelnen von uns ist die Gnade gegeben worden. Und wir werden sehen, dass jeder Einzelne eine Aufgabe, einen Dienst und eine Begabung bekommen hat.
Die Vielfalt der Gnadengaben in der Gemeinde
Und das sehen wir übrigens auch in 1. Petrus 4,10. Dort sagt der Apostel Petrus: „Je nachdem ein jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient einander damit als guter Verwalter der mancherlei Gnade Gottes.“
Man sieht, jeder hat eine Gnadengabe empfangen. Nicht etwa, dass man vielleicht irgendwann in der Zukunft eine Gnadengabe bekommt. Nein, Petrus schreibt ein Rundschreiben an Gläubige und sagt: Jeder von uns, jeder Einzelne, hat eine Gnadengabe empfangen.
Für Gnadengabe steht auf Griechisch „Charisma“. Interessant, nicht wahr? Das heißt ein Geschenk aus Gnade, ein unverdientes Geschenk, eine Begabung.
Da gibt es grundsätzlich zwei Gruppen. In Vers 11 von 1. Petrus 4 heißt es: „Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes.“ Es gibt Redegaben, ganz verschiedene – Lehrer, Evangelisten usw. Das sind Redegaben.
Und dann gibt es: „Wenn jemand dient, so sei es als aus der Kraft, die Gott darreicht, auf dass in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus, welchem die Herrlichkeit ist und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Da haben wir also die Zeit der Zeiten. Wenn jemand dient, das sind Dienstgaben. Nicht jeder hat eine Rednergabe. Es ist nicht so, dass jeder predigen kann. Gut, ein kurzes Wort weitergeben kann schon jeder, das ist nicht so schwierig wie predigen. Aber eben, es gibt solche, die haben eher eine Gabe am Wort, und dann gibt es auch solche, die haben eine Dienstgabe.
In 1. Korinther 12 lesen wir zum Beispiel von Hilfeleistungen. Dort sind die zwei Kategorien genannt. Aber jeder hat eine Gnadengabe empfangen. Und jedem Einzelnen von uns ist die Gnade gegeben worden.
Noch eine Stelle aus 1. Korinther 12, wo es genau um die Gnadengaben geht: In Vers 6 am Schluss heißt es: „Es gibt Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt.“ Nicht nur in ein paar Einzelnen, sondern in allen.
Und dann in Vers 7: „Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben. Dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen das Wort der Erkenntnis usw.“ Einem jeden, auch da.
Das Christentum ist also nicht wie Fußball. Dort sind 22 Spieler, die wie verrückt herumrennen, und rundherum im Stadion sind 22.000, die schreien und alles besser wissen. Aber die machen nichts. So sieht es manchmal aus: Sie schreien, rufen, kritisieren und wissen genau, was man hätte machen sollen, aber sie tun nichts.
Das ist aber nicht das Christentum. Im Christentum gilt: Einem jeden ist etwas gegeben – das betrifft alle.
Die Gabe des erhöhten Christus für die Gemeinde
Nun gehen wir weiter zu Vers 8. Darum sagt er – und jetzt folgt ein Zitat aus Psalm 68, Vers 19, einem messianischen Psalm, der auf den Messias hinweist: „Hinaufgestiegen in die Höhe hat er die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben.“ Hier geht es um Gaben für Menschen, die im Alten Testament erwähnt werden.
Der Apostel Paulus zitiert diesen Vers, muss aber einiges erklären, da es sich um eine schwierige Stelle handelt. „Hinaufgestiegen in die Höhe“ – was bedeutet das? Wer ist damit gemeint? Dann gibt er eine Auslegung.
Zuerst der Bibeltext, wie er predigt, und dann die Erklärung dessen, was im Text steht. Dass er hinaufgestiegen ist, setzt voraus, dass er auch hinabgestiegen ist. Im Text steht, dass er hinaufgestiegen ist, gemeint ist der Messias. Aber wenn er hinaufgestiegen ist, dann muss er vorher auch hinabgestiegen sein. Das ist logisch und hilft uns beim Bibelstudium.
Er ist hinabgestiegen in die unteren Teile der Erde. In Hesekiel 31, Vers 16, sowie in den Versen 18 und 24, wird der Ausdruck „untere Teile der Erde“ verwendet, um den Bereich des Grabes zu beschreiben. Dort geht es um Gräber. Die „unteren Teile der Erde“ sind also das Grab.
Der Apostel fährt fort: „Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte.“ Jesus, der Sohn Gottes, kam vom Himmel auf die Erde, stieg hinab in den Tod und sogar bis ins Grab. Dann wurde er am dritten Tag auferweckt. Vierzig Tage später fuhr er in den Himmel auf und setzte sich zur Rechten Gottes.
Darum sagt Paulus hier: Der Hinabgestiegene ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist, über alle Himmel, damit er alles erfüllte. Das heißt, er setzte alle Pläne Gottes um, die aus der Erlösung hervorgehen.
Dann heißt es weiter: „Und er hat die einen gegeben als Apostel, andere als Propheten, andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes und für die Aufbauung des Leibes Christi.“ Hier werden fünf Gaben genannt, die Jesus Christus, nachdem er in den Himmel aufgefahren war, der Gemeinde gegeben hat.
Diese fünf Gaben werden oft als der „fünffältige Dienst“ bezeichnet. Es kommt immer wieder vor, dass jemand fragt: „Was denkst du über den fünffältigen Dienst?“ Dann antworte ich: Zuerst haben wir Apostel und Propheten. Das sind Gaben, die Gott ganz am Anfang gegeben hat. Sie sind die Grundlage der Gemeinde als geistlicher Tempel (Epheser 2,20).
Eine Grundlage legt man nicht zweimal. Welcher Architekt würde am Dach noch einmal eine Grundlage legen? Die Grundlage liegt unten. Darauf baut die ganze Gemeinde auf. Wir sind lebendige Steine dieses Gebäudes.
Die Apostel haben keinen Nachfolger eingesetzt. Es gab keine Nachfolger der Zwölf, und auch Paulus hat keinen Nachfolger eingesetzt. Diese Gabe hat Gott damals der Gemeinde gegeben, und sie ist uns geblieben durch die Schriften des Neuen Testaments.
Darum sagt der Judasbrief, Vers 3, dass wir „für den ein für allemal überlieferten heiligen Glauben kämpfen“ sollen.
Jetzt erwähnt Paulus aus der Fülle von Gaben, die es gibt – die Ersten sind die Gründer, die Zwölf – einige Gaben, wie in Römer 12, wo er wieder andere aufzählt. Hier nennt er fünf: Neben den grundlegenden Gaben Apostel und Propheten nennt er auch Evangelisten, Hirten und Lehrer.
Evangelisten, Hirten und Lehrer hat es durch alle Generationen des Zeitalters hindurch bis heute gegeben. Aber Apostel gab es keine Nachfolger, ebenso wenig Propheten.
Darum sagt Johannes als letzter Prophet und Apostel: Wer jetzt noch etwas zu diesem prophetischen Buch hinzufügt, wird von Gott mit Plagen bestraft (Offenbarung 22).
Durch alle Generationen hindurch mussten die Evangelisten die Lehre der Apostel und Propheten anwenden, um das Evangelium zu verkündigen. Das ist nicht nur die Basis – das haben wir schon gesehen –, sondern es geht weiter.
Die Hirten sind diejenigen, die eine besondere Begabung haben, um einzelnen Gläubigen nachzugehen und sie geistlich wie ein Hirte seine Schafe zu pflegen. Die Hirten müssen die Lehre der Apostel und Propheten kennen, um sie für die Seelsorge anzuwenden.
Die Lehrer wiederum müssen die Lehre der Apostel und Propheten für jede Generation neu klarmachen, auseinanderlegen und verständlich vermitteln. Sie müssen sie praktisch auswerten und anwendbar machen.
Ziele der Gaben für die Gemeinde
Es wird erklärt, was das Ziel dieser Gaben ist, und zwar drei Ziele.
Bevor ich weiter darauf eingehe, noch eine kleine Bemerkung: Interessant ist hier, dass die Gaben, die der Herr gegeben hat, nicht einfach Begabungen sind. Es sind nicht nur einzelne Fähigkeiten gemeint, sondern die ganze Person. Er hat die einen als Apostel gegeben, andere als Propheten, wieder andere als Evangelisten – also die ganze Person zusammen mit der Begabung. Das ist es, was Christus der Gemeinde gegeben hat. Die ganzen Personen sind ein Geschenk.
In Vers 12 heißt es zur Zweckbestimmung der Gabe: zur Vollendung der Heiligen. Das bedeutet, die Gläubigen – ich habe sie im Text auf dem Skript so umschrieben – sollen in ihrer praktischen Heiligung vorangebracht werden.
Als kleiner Tipp: Wenn man eine Auslegung macht, muss man nicht immer dasselbe mit den gleichen Worten wiederholen. Manchmal geschieht das, wenn man mit jemandem spricht und etwas nicht versteht. Dann fragt man: „Wo soll ich das herholen?“ Das kommt übrigens manchmal vor, ich spreche jetzt aus dem Eheleben. Man weiß nicht, wo etwas steht, und dann wird dieselbe Anweisung noch einmal mit den gleichen Worten gegeben. Dann sage ich: „Ich habe es nicht verstanden, du musst es anders sagen.“ Und wenn man es anders sagt, versteht man es plötzlich doch.
Es ist so: Wenn man etwas lange erklärt, versteht man es schnell. Man muss es also noch einmal anders sagen. Ich erkläre das nur, weil das manchmal in Predigten vorkommt, dass jemand das Wort vorliest und dann nochmals dasselbe sagt, was da steht. Aber dann ist es nicht ausgelegt, und man versteht es nicht besser. Man muss versuchen, das Gleiche mit anderen Worten auszudrücken. Das habe ich jetzt eben so umschrieben: Die Gläubigen sollen in ihrer praktischen Heiligung vorangebracht werden.
Das zweite Ziel ist: Für das Werk des Dienstes. Das heißt, diese Gaben sollen dazu dienen, dass die Gläubigen in ihrem eigenen Dienst für den Herrn gefördert werden. Denn sie alle haben eine Gnade zum Dienst bekommen.
Drittens: Alle Gläubigen – das ist der dritte Punkt im Bibeltext – sollen für die Auferbauung des Leibes Christi dienen. Das bedeutet, alle Gläubigen sollen im Glauben aufgebaut und weitergebracht werden.
Das sind die drei Ziele.
Nun fällt auf: Das sind alles Ziele für Gläubige. Es wurde aber doch Evangelisten erwähnt, und Evangelisten sind doch für Ungläubige da. Ja, natürlich sind sie für Ungläubige da, aber nicht nur. Sie sind auch für die Gläubigen da.
Gerade im Zusammenhang mit dem Werk des Dienstes: Evangelisten sind nicht die einzigen, die das Evangelium weitergeben. Das müssen wir alle. Im Neuen Testament haben wir alle den Auftrag, zu evangelisieren und ein Zeugnis zu sein – dort, wo wir wohnen, arbeiten und hinkommen.
Aber wir sind nicht alle Evangelisten. Ein Evangelist hat eine ganz besondere Gabe, um Menschen das Evangelium nahezubringen. Und diese Evangelisten haben die Aufgabe, den Gläubigen zu erklären, wie man das heute am besten tut. Wenn dann bestimmte Argumente und Einwände von Ungläubigen kommen, sollen sie zeigen, wie man darauf reagieren kann und wie man gute Antworten gibt.
So müssen Evangelisten den Gläubigen dienen, um sie in der Evangelisation zu fördern. Das ist einfach ein Beispiel.
Das Ziel: Einheit, Reife und Wachstum in Christus
Jetzt Vers 13: „Bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses, der Fülle des Christus.“
Wir haben vorhin in Vers 12 drei Zweckbestimmungen dieser Gabe gesehen. Vers 13 sagt nun, dass diese drei Zweckbestimmungen wiederum drei Ziele haben sollen.
Erstens: „Völlige Einheit der Erlösten, bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes.“ Das bedeutet, dass es ein Ziel ist, am Ende die Dinge gleich zu sehen. Im Moment ist das nicht so, weil wir ganz unterschiedliche Erkenntnisstände haben. Das soll uns aber nicht dazu bringen, zu erwarten, dass wir die Dinge sofort gleich sehen müssen.
Durch die Belehrung in der Gemeinde kann man Fortschritte machen. Das kann helfen, die Einheit zu fördern – allerdings nur durch eine gesunde Lehre. Kranke Lehre kann Verwirrung bringen, und unterschiedliche Lehren können ebenfalls Verwirrung stiften.
Zweitens: Völlige Reife im Glauben ist das Ziel. Es geht also nicht nur um die Einheit des Glaubens, sondern auch darum, „zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus“ zu gelangen. Wir sollen alle im Glauben erwachsen werden.
Der Apostel Paulus sagt in 1. Korinther 3 zu den Korinthern: „Ich konnte euch keine feste Nahrung geben. Ihr braucht Milch.“ Das ist ein Vorwurf, denn sie waren schon fünf Jahre gläubig – die ersten, die zum Glauben kamen. Es ist ein bisschen peinlich, wenn man Fünfjährige noch an der Brust nährt. Ich bin ja sehr fürs Stillen, macht das so lange wie es geht – ein Jahr, zwei Jahre, toll. Aber mit fünf Jahren ist es schon ungewöhnlich.
Deshalb macht Paulus den Korinthern den Vorwurf, dass sie immer noch Milch trinken wollen. Darum konnte er ihnen auch nicht das Geheimnis Gottes gut erklären. Er sagt: „Ihr seid fleischlich, darum kommt ihr nicht weiter, ihr habt eine Entwicklungsstörung.“ Deshalb wollen sie immer noch da unten bleiben. Sie brauchen feste Nahrung, das ist notwendig.
Unser Ziel ist also, erwachsen zu werden und nicht als Säuglinge zu bleiben, bis es einfach mal ein Ende hat. Isaac wurde mit vier Jahren abgestellt, dann war wirklich Schluss.
Drittens: Fülle in Christus. Das Ziel ist, „zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses, der Fülle des Christus“ zu gelangen. Das wiederum führt zu Widerstandsfähigkeit gegenüber Irrlehren.
Dieser Dienst aus den fünf Gaben führt zu Widerstandsfähigkeit. Vers 14 sagt: „Damit wir nicht mehr Unmündige seien.“ Wir sollen reif sein, um Entscheidungen zu fällen. Wenn man unmündig ist, darf man nicht unterschreiben und auch nicht heiraten. Man muss mündig sein, um zu heiraten und zu unterschreiben.
Was ist typisch für Unmündige? Sie sind hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre, die durch die Betrügerei der Menschen kommt, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum.
Dann hört man mal diesen Lehrer, der etwas Tolles sagt, und plötzlich einen anderen, der auch wieder etwas Tolles erzählt. Man findet das dann wieder toll, springt von einer Lehre zur anderen – es gibt keine Klarheit, keine Sicherheit. Das ist das Problem von Unmündigen.
Wir sollen Festigkeit im Glauben erlangen, sodass wir nicht einfach von diesen vielen Winden, die es besonders auch in unserer Zeit gibt, umhergetrieben werden. Hier wird erklärt, woher diese vielen Strömungen kommen: Sie entstehen durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit und zu listig ersonnenen Irrtum.
Wir erfahren, dass es Irrlehrer gibt, die genau wissen, dass sie Irrlehrer sind – hinterhältige Verführer und Betrüger. Es gibt aber auch Verführer, die nicht wissen, dass sie Verführer sind. In 2. Timotheus wird von solchen gesprochen, die verführen und verführt werden. Verführte können selbst zu Verführern werden, ohne zu wissen, dass sie Irrtum verbreiten. Sie denken, das, was sie erzählen, sei ganz toll.
Dann gibt es aber auch solche, die berechnend verdrehte Dinge bringen. Der Gegensatz dazu steht in Vers 15: „Sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe.“
Es ist schön, wie hier ein Ebenmaß zwischen Wahrheit und Liebe besteht. Es gibt ja den dummen Spruch: „Lehre trennt und Liebe eint“ oder umgekehrt. Das ist unerhört. Hier werden Liebe und Wahrheit nicht gegeneinander ausgespielt. Vielmehr müssen wir die Wahrheit festhalten – und zwar in Liebe. Das gehört unzertrennlich zusammen.
Wenn wir nur die Wahrheit festhalten, werden wir zu brutalen Leuten, die mit dem Holzstock auf andere herumschlagen. Das ist sehr übel. Es gibt auch gute Beispiele im Internet, die zeigen, wie es anders geht.
Es ist etwas anderes, wenn man würdig an der Wahrheit festhält und sie gleichzeitig mit Liebe weitergibt.
Weiter heißt es, wir sollen in allem heranwachsen, zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus. Das Ziel ist also, Jesus Christus immer näherzukommen.
Das kann auch eine Hilfe sein, wenn man selbst einen Bibeltext liest: Man versucht, die Sätze aufzuschlüsseln, um zu verstehen, was die Ziele sind. Aus diesen Zielen kommen drei Zweckbestimmungen, und aus diesen Zweckbestimmungen wiederum drei Ziele.
Hier wird erklärt, zu was das alles führen soll: dass wir Christus immer näherkommen. Es ist hilfreich, das für sich noch einmal aufzuschreiben, um es besser zu verstehen.
Das Wachstum des Leibes durch das Wachstum des Einzelnen
Dann haben wir Vers 16, aus dem der ganze Leib jetzt kommt. Er bezieht sich wieder auf den neuen Menschen aus Kapitel 2.
In Kapitel 3 wird das Thema vom Leib erneut aufgegriffen. Hier wird beschrieben, wie der ganze Leib wohl zusammengefügt und verbunden ist durch jedes Gelenk der Darreichung. Dies geschieht nach der Wirksamkeit in dem Maß, in dem jedes einzelne Teil für sich das Wachstum des Leibes bewirkt – zur Selbstauferbauung in Liebe.
Ich habe dazu noch geschrieben, dass der Ausdruck "wohl zusammengefügt" uns bereits aus Kapitel 2, Vers 12, bekannt ist. Er erscheint erneut in Kapitel 4, Vers 16, und auch hier. Außerdem kommt er nochmals in Kolosser 2, Vers 19 vor.
Das ist ein wunderbarer Ausdruck, den man alttestamentlich schön illustrieren kann anhand der goldüberzogenen Bretter der Stiftshütte. Diese Bretter stehen schön nebeneinander. Es gibt vier goldene Riegel, die sie zusammenhalten. Zusätzlich gibt es einen goldenen Riegel, der unsichtbar durch alle Bretter hindurchgeht und sie wohl zusammengefügt und verbunden hält.
Was wir hier gelesen haben, wird erklärt: Das persönliche Wachstum im Glauben des Einzelnen führt zu einem Wachstum des Leibes. Mit anderen Worten: Die Gemeinde ist die Summe jedes Einzelnen.
Das wird hier deutlich dargestellt. In dem Maß, wie jeder Einzelne für sich das Wachstum fördert, fördert er auch das Wachstum des ganzen Leibes.
Mir ist ganz wichtig, dass man sich immer bewusst ist, dass auch in der örtlichen Gemeinde die Gemeinde die Summe der Einzelnen ist. Man kann sich über die Gemeinde ärgern, aber man muss klar sagen: Das ist das Produkt, und ich bin auch ein Teil davon – jeder Einzelne.
Damit wird die Wichtigkeit des Einzelnen im Zusammenhang mit dem Kollektiv betont. Beides ist enorm wichtig.
Jetzt stoppen wir hier bei Vers 16 und würden beim nächsten Mal ab Vers 17 weitermachen und Kapitel 5 fortsetzen.
Abschlussgebet
Wir wollen noch gemeinsam beten.
Herr Jesus Christus, du bist der ewige Sohn Gottes. Danke, dass du gekommen bist, um all die Ratschlüsse des Vaters zu verwirklichen. Wir beten dich dafür an. Ebenso beten wir dich an für deine Liebe, die alle Erkenntnisse übersteigt. Du hast diese Liebe gezeigt, indem du in die Tiefe des Gerichts Gottes gegangen bist, schließlich bis ins Grab. Doch dann bist du als Sieger auferstanden und hast die Gemeinde gegründet.
Wir danken dir, dass wir den Epheserbrief haben. Er führt uns dieses Geheimnis Gottes so wunderbar vor Augen und in unsere Herzen. Wir bitten dich, dass du uns hilfst, diese Dinge zu erfassen, zu überdenken und zu vertiefen. So sollen sie wirklich ein Teil von uns werden, in unseren Herzen. Mögest du verherrlicht werden, möge der Vater verherrlicht werden durch alle Generationen der Gemeinde hindurch, auch in dieser Generation.
Wir preisen dich und geben dir Ehre und Herrlichkeit. Wir bitten dich auch, dass du uns alle auf dem Heimweg bewahrst und mit uns gehst in diese neue Woche, die bald beginnt.
Amen.
